www.wikidata.de-de.nina.az
Die Geschichte Estlands umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet der Republik Estland von der Urgeschichte bis zur Gegenwart Die erstmalige Besiedlung des Gebietes begann vor etwa 11 000 Jahren nachdem die weichenden Gletscher der Eiszeit dies ermoglichten Sie ist seit 1219 gepragt von wechselnder Fremdherrschaft zunachst unter Danen spater unter dem Deutschen Orden dann unter Polen Litauen und Schweden und schliesslich unter Russland Dabei gingen der Suden Estlands als Teil des historischen Livlands und der Nordteil samt der Inseln oft getrennte Wege Erst 1918 endete die 700 jahrige Fremdherrschaft Diese erste Unabhangigkeit dauerte allerdings nur bis 1940 als Estland zunachst von der Sowjetunion im nachfolgenden Jahr dann durch das NS Deutschland und ab 1944 wieder von der Sowjetunion besetzt wurde Die Sowjetherrschaft endete 1991 Im heute unabhangigen Estland ist die Fremdherrschaft und die Behauptung der eigenen Nation und Kultur ein tragendes Motiv des kollektiven Geschichtsbewusstseins Auf der Karte fur 814 ist Estland in der antiken Bedeutung eingetragen Der Deutschordensstaat und das Baltikum Anfang des 15 JahrhundertsIn antiken Schriften bezieht sich die Bezeichnung Aisti oder Aesti Astier eher auf die sudlich wohnenden Balten als auf die Esten Noch der angelsachsische Reisende Wulfstan im 9 Jahrhundert benutzte das Wort in der antiken Bedeutung Die Schalensteine in Estland sind eisenzeitliche Relikte Inhaltsverzeichnis 1 Mittelalter und fruhe Neuzeit 1 1 Schwertbruder und Danemark 1 2 Hochmeisterei Livland 1 3 Leibeigenschaft 1 4 Reformation und estnische Sprache 1 5 Livlandischer Krieg 1558 bis 1583 2 Livland unter polnisch litauischer Herrschaft 1583 bis 1629 3 Unter schwedischer Herrschaft 1561 1629 bis 1710 3 1 Schwierige Anfange und die Erweiterung schwedischer Besitzungen 3 2 Die gute Schwedenzeit 3 3 Massnahmen zur Forderung von Bildung und Kultur 3 4 Massnahmen zur Verbesserung der bauerlichen Lebensverhaltnisse 3 5 Niederlassung von russischen Altglaubigen 4 Unter russischer Herrschaft 1710 bis 1918 4 1 Grosser Nordischer Krieg 1700 bis 1721 4 2 Unterdruckung und Aufschwung 4 3 Abschaffung der Leibeigenschaft 4 4 Nationales Erwachen 4 5 Russifizierungspolitik 4 6 Die Revolution von 1905 und ihre Folgen 5 Erste Unabhangigkeit 1918 bis 1940 5 1 Loslosung von Russland 5 2 Der Freiheitskrieg von 1918 bis 1920 5 3 Die Landreform von 1919 5 4 Das politische System 5 5 Kulturautonomie fur Minderheiten 5 6 Wirtschaftlicher Aufschwung in den 1920er Jahren 5 7 Autoritares Regime unter Konstantin Pats 6 Sowjetische und deutsche Okkupation 6 1 Estland im Zweiten Weltkrieg ein Uberblick 6 2 Der Hitler Stalin Pakt 1939 6 3 Die erste sowjetische Okkupation von 1940 41 6 3 1 Von der unabhangigen Republik zur Estnischen Sowjetrepublik 6 3 2 Roter Terror und Widerstand 6 4 Deutsche Okkupation von 1941 bis 1944 6 4 1 Marionettenregierung statt Eigenstaatlichkeit 6 4 2 Widerstand 6 4 3 Estnische Soldaten in den Reihen der Deutschen 6 4 4 Verfolgung von Juden und anderen Gruppen 6 5 Ruckkehr der Roten Armee 7 Estnische SSR 8 Erneute Unabhangigkeit seit 1991 8 1 Unabhangigkeitserklarung 8 2 Von sehr schwierigen Anfangen zum baltischen Tiger 8 2 1 Vielfaltige Herausforderungen 8 2 2 Besondere Schwierigkeiten fur die Landwirtschaft 8 2 3 Der Untergang der Estonia psychisch ein schwerer Schlag 8 2 4 Radikale Neuerungen weisen den Weg bergauf 8 3 E Estonia der Tigersprung 8 4 Der Weg nach Westen 8 5 Der Bronzesoldat von Tallinn Unruhen und Cyber Attacken 9 Literatur 9 1 Belletristik 10 Siehe auch 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseMittelalter und fruhe Neuzeit BearbeitenIm ausgehenden 12 Jahrhundert begannen Deutsche und Danen Livland also Gebiete des heutigen Lettlands und des heutigen Estlands zu missionieren jedoch blieben die friedlichen Versuche etwa des 1184 eingesetzten Missionsbischofs Meinhard von Segeberg ohne nachhaltigen Erfolg 1194 95 sagte Papst Coelestin III dem Zisterzienser Berthold von Loccun Nachfolger Meinhards als Bischof von Livland Vergebung der Sunden fur einen Kreuzzug gegen die Liven zu So begannen die Livlandischen Kreuzzuge danischer und deutscher Ritter 1199 wurde Albert von Buxthoeven Bischof von Livland Im Jahr 1200 erklarte Papst Clemens III Kreuzzuge gegen die Liven fur gleichwertig mit Kreuzzugen ins Heilige Land Bremer Kaufleute grundeten 1201 Riga das alsbald auch Bischofssitz wurde Im Folgejahr 1202 wurde auf Initiative des Rigaer Bischofs Albert der Schwertbruderorden gegrundet Das vor allem von diesem eroberte Gebiet wurde 1207 unter dem Namen Terra Mariana Marienland zunachst dem Romisch Deutschen Reich unterstellt 1215 aber durch ein Edikt Clemens III direkt dem Papst 1211 wurde auf dem 4 Laterankonzil fur Estland das Bistum Leal heute Lihula gegrundet ohne dass der erste Bischof Theoderich von Treyden seinen Bischofssitz jemals beziehen konnte denn Estland war noch nicht erobert Schwertbruder und Danemark Bearbeiten Theoderich bat den danischen Konig Waldemar II um Hilfe der dabei war die gesamte Sudkuste der Ostsee unter seine Kontrolle zu bringen Waldemar willigte ein unter der Bedingung dass das von ihm eroberte Gebiet unter seiner Herrschaft stehen sollte Er eroberte dann 1219 den Norden Estlands samt Reval der estnische Name Tallinn bedeutet danische Burg Bischof Theoderich nahm an Waldemars Kriegszug teil starb aber schon bald nach der Landung in einer Schlacht 1 Waldemar machte die Stadt zum Sitz eines neuen Bistums das dem danischen Erzbistum Lund unterstand Die sudlichen Teile Estlands wurden von den Schwertbrudern unterworfen und kolonisiert Nach der Eroberung Tartus und Neugrundung als Dorpat 1224 wurde der Sitz des Bistums Leal dorthin verlegt In der Ernennungsurkunde des vorher in Bremen als Abt wirkenden Bischofs Hermann heisst es explicit ad titulum Lealensem in Estonia episcopum ordinavimus 2 1228 erklarte der papstliche Gesandte Wilhelm von Modena die Eroberung Livlands fur abgeschlossen und nahm eine administrative Aufteilung vor Grosse Teile Livlands und Kurlands wurden Stiftsgebiete von Bistumern im heutigen Estland ausser Dorpat dem neu gegrundeten Bistum Osel Wiek Die ubrigen Gebiete Livlands und Kurlands wurden dem Schwertbruderorden zugesprochen Nach seiner vernichtenden Niederlage gegen das Grossfurstentum Litauen in der Schlacht von Schaulen 1236 wurde der Schwertbruderorden 1237 formal mit dem Deutschen Orden vereinigt blieb aber faktisch als Livlandischer Orden eigenstandig Da der Orden in der entstehenden Livlandischen Konfoderation der weitaus bedeutendste Machtfaktor war wird das gesamte Gebiet der Konfoderation meist vereinfachend dem Deutschordensstaat zugerechnet Der von Waldemar eroberte Norden Estlands blieb in danischer Hand Entsprechend der in vielen Gebieten des Heiligen Romischen Reiches ublichen Praxis waren die Bischofe zugleich die weltlichen Herren uber die Stadte ihrer Sitze samt jeweils zugehoriger Territorien Mit dem Bistum Reval Tallinn war jedoch entsprechend der danischen Praxis keine weltliche Herrschaft verbunden 3 Die danische Krone behielt die Kontrolle uber Estland und Tallinn mit kurzer Unterbrechung von 1227 bis 1238 bis 1346 Gleichwohl war die Position der danischen Krone recht schwach zumal zunehmend mehr deutsche Kaufleute und Ritter ferner auch schwedische Handler einwanderten Diese wurden spater als Deutsch Balten bzw als Estlandschweden bezeichnet Die estnische Bevolkerung wurde zu Burgern zweiter Klasse sie waren als Unfreie der danischen Krone und den deutschen Gutsherren unterworfen Zunehmend unzufrieden mit dieser Unterdruckung entlud sich der Unmut der estnischen Landbevolkerung gewaltsam im sogenannten Aufstand in der Georgsnacht von 1343 bis 1345 Aufgrund der instabilen Verhaltnisse in Danemark sah sich der danische Konig Waldemar IV nicht imstande einzugreifen und den Aufstand niederzuschlagen Stattdessen rief der Konig den Livlanderorden zu Hilfe Als Folge der Aufstande und aus Geldnot heraus entschied sich der danische Konig dazu seine Besitzungen in Estland 1346 fur 19 000 Mark an den Livlanderorden zu verkaufen 4 Damit wurden auch diese Gebiete zum Teil des Ordensstaates Hochmeisterei Livland Bearbeiten In den folgenden Jahrzehnten entstanden in den Stadten Kaufmannsgilden und Handwerkerzunfte Neben Tallinn waren auch Parnu Tartu und Viljandi zu Hansestadten geworden Auf diese Weise gab es enge Kontakte und einen regen Austausch mit den Ostseestadten des Reichs sowie mit Skandinavien Sichtbaren Ausdruck fand dies darin dass in Tallinn allerdings nur in der Unterstadt seit 1248 das Lubische Stadtrecht galt spater auch in Rakvere und Narva 5 Im Gefolge der Union von Krewo 1385 zwischen dem Grossfurstentum Litauen und dem Konigreich Polen trat die bis dahin heidnische litauische Oberschicht zum katholischen Christentum uber Damit verlor der Deutsche Orden seinen Auftrag gegen die Unglaubigen zu kampfen und damit auch die internationale Unterstutzung durch Zuwendungen und Kriegsfreiwillige Manifest wurde die Machtverschiebung zugunsten Polen Litauens 1410 in der vernichtenden Niederlage des Ordens in der Schlacht bei Tannenberg die jedoch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Landesherrschaft des Ordens in Livland hatte Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 wurde Livland ohne praktische Konsequenzen zum Bestandteil des Heiligen Romischen Reiches erklart Leibeigenschaft Bearbeiten Im Jahre 1400 wurde in Livland die Leibeigenschaft eingefuhrt Fortan war die estnische Bevolkerung nun nicht mehr nur faktisch sondern auch rechtlich von Handel und eigenstandiger Landwirtschaft ausgeschlossen Sie hatte nun den fremden Gutsherren als Leibeigene zu dienen Unter schwedischer Herrschaft bestand die Leibeigenschaft zwar fort aber die Situation der Leibeigenen wurde verbessert Die Grundherren verloren die hohe Gerichtsbarkeit und viele Guter wurden in staatliche Domanen umgewandelt deren Pachter nicht mehr Besitzer der dort arbeitenden waren Unter der russischen Herrschaft verschlechterte sich die Situation der Leibeigenen zunachst wieder aber dann wurde 1816 bzw 1819 die Leibeigenschaft aufgehoben damit uber 40 Jahre fruher als in Russland 1861 Reformation und estnische Sprache Bearbeiten Im Jahre 1523 begann im Ordensstaat die Reformation Sie fand zunachst in den grosseren Stadten Anklang spater auch in landlichen Gebieten Im Zuge der Reformation sowie als deren Folge wurden landesweit Schulen gegrundet sowie die ersten Bucher in estnischer Sprache herausgegeben 6 Livlandischer Krieg 1558 bis 1583 Bearbeiten Den Zerfall der Ordensmacht nutzte der russische Zar Iwan IV Der Schreckliche zu einem Eroberungsversuch Mit seinem Truppeneinmarsch nach Livland 1558 begann der Livlandische Krieg der bis 1583 andauerte Estland wurde erbarmungslos verwustet Narva und Tartu fielen ohne grosseren Widerstand an die Russen 1561 trat der letzte Grossmeister von Livland Gotthard Kettler zum lutherischen Glauben uber und unterstellte sein Herrschaftsgebiet als weltliches Herzogtum der Lehenshoheit Polen Litauens Der letzte Bischof von Osel Wiek verkaufte sein Stiftsgebiet an Konig Frederik II von Danemark und der festlandische Norden Estlands unterstellte sich dem Schutz des Konigreichs Schweden Auch in den Folgejahren nach dem Zusammenbruch des Ordensstaats dauerte der Krieg an Ab 1563 standen sich Schweden einerseits und eine Allianz aus Danemark und Polen Litauen gegenuber Diese Auseinandersetzung endete erst 1570 durch den Frieden von Stettin Im selben Jahr brach der Krieg zwischen Schweden und Russland aus in dessen Zuge die russische Armee in die schwedische Besitzung Nordestland einfiel Zwar gelang es ihr nahezu das gesamte Land zu erobern doch gelang ihr nie die Eroberung Tallinns Die beiden Belagerungen von 1570 bis 1571 und von 1577 blieben erfolglos Da die russische Armee zudem in das unter polnisch litauischer Herrschaft stehende Livland eingedrungen war rief dies nun auch wieder Polen Litauen als Kriegspartei auf den Plan Als dann dessen Armee zur Offensive uberging und in Russland einfiel gelang es den Schweden die russische Armee aus Nordestland zu vertreiben Der Krieg endete durch den Vertrag von Jam Zapolski 1582 zwischen Polen Litauen und Russland sowie durch den Vertrag von Pljussa 1583 zwischen Schweden und Russland Nordestland wurde damit als schwedische Besitzung Livland als polnisch litauische anerkannt Livland unter polnisch litauischer Herrschaft 1583 bis 1629 BearbeitenLivland umfasste das Gebiet Lettlands nordlich des Flusses Daugav Duna bis zum sudlichen Teil Estlands bis Tartu und Parnu Bei der Eroberung Livlands im Jahre 1561 gewahrten die polnisch litauischen Herrscher den Livlandern verschiedene Privilegien Die Livlander hofften dass diese Privilegien auch nach Ende des Krieges bestatigt werden wurden Die polnisch litauischen Herrscher zeigten hieran jedoch wenig Interesse Stattdessen erachtete der Konig und Grossfurst Stephan Bathory Livland als erobertes Gebiet und war infolgedessen nicht bereit die Privilegien aufrechtzuerhalten Im Jahre 1583 erliess er die Constitutiones Livoniae die eine administrative Neuordnung Livlands zum Gegenstand hatten Die Privilegien von 1561 fanden hierin keine Erwahnung Nach dem Vorbild Polens wurde Livland in drei Prasidiate unterteilt deren Hauptorte Cesis in Lettland sowie Tartu und Parnu wurden Zu jedem Prasidiat gehorten mehrere staatliche Guterkomplexe sogenannte Starosteien Deren Leitung wurde allein Polen und Litauern ubertragen Esten und Liven waren hiervon ausgeschlossen 7 In Tartu richteten die Jesuiten 1583 ein eigenes Kollegium ein und initiierten von dort aus die Gegenreformation Mit dem Vertrag von Altmark von 1629 verlor Polen Litauen Livland an Schweden Unter schwedischer Herrschaft 1561 1629 bis 1710 BearbeitenSchwierige Anfange und die Erweiterung schwedischer Besitzungen Bearbeiten Wahrend Livland von Polen Litauen erobert worden war hatte sich Estland der schwedischen Herrschaft unterstellt namentlich um Schutz vor dem russischen Zaren Ivan IV dem Schrecklichen zu finden Schweden erklarte seine neue Besitzung 1584 zum Furstentum Ehsten 1673 wurde hieraus das Herzogtum Ehsten Dieses Gebiet das die Gebiete des heutigen Nordestlands umfasste unterstand der direkten Herrschaft des schwedischen Konigs der es in Personalunion regierte 8 Die Jahrzehnte nach dem Ende des Livlandischen Krieges waren weiterhin von verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Schweden Polen Litauen und Russland gepragt Immer wieder brachen Konflikte aus unter denen die estnische und die livlandische Bevolkerung stark zu leiden hatten Im Jahre 1629 endete ein langerer Krieg zwischen Schweden und Polen Litauen durch den Vertrag von Altmark Mit diesem kam nun auch das Herzogtum Livland unter schwedische Herrschaft Im Jahre 1645 erlangte Schweden von Danemark im Zuge des Friedens von Bromsebro die Insel Saaremaa Die grosste militarische Auseinandersetzung im 17 Jahrhundert war der sogenannte Zweite Nordische Krieg 1654 1667 abermals zwischen Schweden Polen Litauen und Russland Der Krieg dauerte 14 Jahre und bestatigte im Baltikum im Wesentlichen nur den status quo Fur Estland und mehr noch fur Livland waren die zahlreichen Auseinandersetzungen jedoch verheerend Das Land wurde erneut verwustet und die Bevolkerung erlitt enorme Verluste Vor allem Tartu hatte sehr gelitten Die gute Schwedenzeit Bearbeiten Livland wurde als erobertes Land von den Schweden anders behandelt als das eigentliche Estland das sich freiwillig unterworfen hatte 9 Vor allem war die standische Vertretung stark eingeschrankt Obwohl die schwedischen Konige zunachst nur wenig um Estland und Livland bemuht waren und die Repression zunachst in gewohnter Weise fortsetzten blieb die schwedische Herrschaft doch als die gute Schwedenzeit im kollektiven Gedachtnis der Esten erhalten 10 Dies hatte zwei wesentliche Grunde das Bemuhen um Bildung und Kultur in Estland sowie um eine Verbesserung der Lebensverhaltnisse der Bauern Des Weiteren bemuhten sich die schwedischen Konige die durch Kriege stark dezimierte Bevolkerung durch gezielte Ansiedlung von Kolonisten aus anderen Teilen des schwedischen Herrschaftsgebiets aufzustocken So kamen zahlreiche Siedler verschiedener Herkunft und mit ihnen neue Techniken und Fahigkeiten ins Land 11 Massnahmen zur Forderung von Bildung und Kultur Bearbeiten Neben Schulen und Druckereien grundete der schwedische Konig Gustav II Adolf im Jahre 1632 mit der Universitat Tartu die erste estnische Universitat Die Wahl Tartus war kein Zufall zum einen sollte die neue Universitat ein Gegengewicht zum jesuitischen Kolleg bilden zum anderen wollten die Schweden die Stadt als Verwaltungszentrum ausbauen 1630 wurde hier bereits das fur die gesamte Provinz Livland zustandige Hofgericht geschaffen das auf fahige Juristen angewiesen war das 1633 ebenfalls in Tartu errichtete Oberkonsistorium bedurfte als oberstes kirchliches Organ Livlands fahiger Geistlicher Zudem wurde die Erforschung der estnischen Sprache vorangetrieben und immer mehr Bucher allen voran kirchliche Texte in estnischer Sprache herausgegeben Im Jahre 1637 gab der Geistliche Heinrich Stahl erstmals eine Grammatik der estnischen Sprache heraus Im Jahre 1684 grundete Bengt Gottfried Forselius ein Seminar fur Lehrer an Bauernschulen und begrundete damit die wichtige Tradition der Volksbildung Massnahmen zur Verbesserung der bauerlichen Lebensverhaltnisse Bearbeiten Um eine Verbesserung der bauerlichen Lebensverhaltnisse bemuhten sich die schwedischen Konige vor allem ab dem ausgehenden 17 Jahrhundert So wurden die Freiheiten der Gutsherren gegenuber ihren Leibeigenen eingeschrankt Bereits 1632 wurde den Gutsherren die hohe Gerichtsbarkeit uber ihre Bauern entzogen alles was uber kleinere Vergehen hinausging war fortan durch die ordentliche Gerichtsbarkeit zu ahnden Da somit nicht mehr die Gutsherren uber die Sachen der Bauern zu Gericht sassen hatten die Bauern fortan erstmals die Moglichkeit Klage gegen ihre Gutsherren zu erheben Die Gutsherren behielten lediglich das sogenannte Hauszuchtrecht das darin bestand die Bauern prugeln zu durfen 12 Die wichtigste Massnahme zur Verbesserung bauerlicher Lebensverhaltnisse war jedoch die sogenannte Guterreduktion Jeder Landbesitz wurde auf seine Herkunft bis in die Ordenszeit hin uberpruft Stammte er ursprunglich aus der Hand des jeweils Herrschenden und wurde dem Besitzer bzw seinen Vorgangern in irgendeiner Weise verliehen zu Lehen gegeben oder verschenkt so wurden diese Verleihungsakte nun widerrufen Das betreffende Land fiel an die schwedischen Herrscher zuruck und wurde neu verteilt Gleiches gilt fur die Landereien die vormals direkt dem Deutschen Orden gehorten sowie fur jene die den polnisch litauischen Starosteien angehorten Insgesamt 5 Sechstel des Gutsbesitzes in Estland und Livland waren hiervon betroffen Gutsbesitzer die im Zuge dieser Massnahme nicht nur Teile ihres Gutsbesitzes sondern samtlichen Gutsbesitz verloren hatten erhielten im Gegenzug jedoch das Recht das ihnen genommene Land weiterhin als Domanenpachter zu bewirtschaften Hierbei wurde ihnen ein Drittel der Pachtsumme erlassen 13 Die auf den Domanen tatigen Bauern waren dem Domanenpachter nicht mehr unterstellt und somit nicht mehr dessen Leibeigene Zudem wurde aller Gutsbesitz fortan in einen gutsherrlichen und einen bauerlichen Teil geteilt Diese Festsetzungen waren genau und verbindlich Auf der Grundlage dieser Festsetzungen wurden Abgaben und Dienste genau berechnet und in den sogenannten Wackenbuchern festgehalten Auf diese Weise konnten Abgaben und Dienste von den Gutsherren nicht mehr willkurlich festgesetzt werden 13 Die einheimischen Bauern genossen unter der schwedischen Herrschaft weitaus grossere Freiheiten als unter der nachfolgenden russischen zumal die Zaren die schwedischen Reformen negierten und die alten Besitz und Abhangigkeitsverhaltnisse damit wieder auflebten Niederlassung von russischen Altglaubigen Bearbeiten Ab der zweiten Halfte des 17 Jahrhunderts siedelten sich entlang der Ufer des Peipussees die ersten Altglaubigen an Sie kamen aus Russland und waren aufgrund religioser Verfolgung in ihrer Heimat hierher gefluchtet In den 1650er und 1660er Jahren initiierte der Patriarch Nikon eine umfassende Reform der russisch orthodoxen Kirche mit dem Ziel Einheit mit der griechisch orthodoxen Mutterkirche zu erreichen Kleriker und Laien die weiterhin dem russischen Glauben in seiner alten Gestalt folgten und diesen praktizierten wurden in der Folgezeit verfolgt Bis zum fruhen 19 Jahrhundert hatte die Zahl altglaubiger Siedler am Westufer des Peipussees die Zahl von 3000 erreicht Unter russischer Herrschaft 1710 bis 1918 BearbeitenGrosser Nordischer Krieg 1700 bis 1721 Bearbeiten Angesichts der schwedischen Vorherrschaft uber den Ostseeraum schlossen Polen Danemark und Russland ein Militarbundnis gegen Schweden und begannen 1700 den Grossen Nordischen Krieg der bis 1721 andauerte Nach anfanglichen Erfolgen der schwedischen Armee insbesondere 1700 beim Sieg uber die russische Armee in der Schlacht bei Narva verlor die schwedische Krone zunehmend mehr estnische und livlandische Besitzungen an Russland zunachst Tartu und Narva beide 1704 und bis 1710 dann ganz Estland samt Tallinn Tallinn wurde nicht erobert sondern ergab sich dem Zaren Peter I nachdem wenige Wochen zuvor auch Riga vor der russischen Armee kapituliert hatte sowie Parnu und die grossen estnischen Inseln an Russland gefallen waren Im Frieden von Nystad von 1721 erkannte Schweden dann die russische Hoheit uber seine alten Besitzungen in Estland und Livland an Das Gebiet des heutigen Estlands gehorte danach zu den Ostseegouvernements des Russischen Reiches der Nordteil als Gouvernement Estland der Sudteil gehorte zum Gouvernement Livland und wurde aus Riga verwaltet Beide Gouvernements blieben zunachst weitgehend autonom und unterstanden wesentlich der Verwaltung durch die Ritterschaften 14 Das Land hatte indes sehr stark unter dem Krieg gelitten Hunger und Pest verwusteten das Land und verringerten die durch den Krieg ohnehin bereits stark dezimierte Bevolkerung Unterdruckung und Aufschwung Bearbeiten Unter der russischen Herrschaft verschlechterte sich die Lage der Bauern wieder Peter I hob die schwedischen Reformen auf und stellte die Privilegien der deutschen Gutsherren wieder her Fortan gerieten die estnischen Bauern vollig unter die Gewalt ihrer Herren Zudem stieg die Abgabenlast an 14 Eine derartige Unterdruckung hatten die Bauern weder zuvor noch danach wieder erfahren 1726 gelangte die Herrnhuter Bewegung aus Deutschland nach Livland und Estland und predigte dort die Gleichheit aller Menschen und die Abschaffung der Leibeigenschaft Vor dem Hintergrund der Repression gegenuber den Bauern erhielt die Bewegung entsprechend viel Zuspruch Folglich waren sowohl die russischen Zaren als auch die Gutsbesitzer darum bemuht diese Bewegung zu bekampfen Gerade in Livland gelang es der Bewegung sich schnell auszubreiten Dies hing vor allem mit ihrer revolutionaren Arbeitsweise 15 zusammen die Bruder arbeiteten in der lokalen Bevolkerung als Arzte Lehrer oder Handwerker in ihrer freien Zeit wandten sie sich ihren religiosen Tatigkeiten zu 15 Durch diese Kombination von praktischer Zusammenarbeit und religios ideologischer Bildung erreichte die Brudergemeinde die Menschen In der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts erlebten Nordestland und Livland einen wirtschaftlichen Aufschwung die ersten Manufakturen entstanden und in der Landwirtschaft wurde die Kartoffel eingefuhrt Auch kulturell machten beide Lander weiter Fortschritte Hierbei profitierten sie von der Verdichtung des Volksschulnetzes sowie von der Erhaltung der Schriftsprache und eigener Tradition 1739 gab Anton Thor Helle die erste komplette Bibelubersetzung in estnischer Sprache heraus Abschaffung der Leibeigenschaft Bearbeiten nbsp Gutshof im Estland des 19 Jahrhunderts rekonstruiert im Freilichtmuseum Rocca al Mare in Tallinn Juli 20181816 Nordestland bzw 1819 Livland wurde vom Zar Alexander I 1801 1825 die Aufhebung der Leibeigenschaft beschlossen Fortan waren die Bauern personlich frei Die Hofe blieben jedoch weiterhin im Besitz der Gutsherren und die Bauern vorerst an das Gut gebunden An die Stelle der Leibeigenschaft traten nun Frondienste und Pachtzahlungen Zudem hatten die Bauern die Moglichkeit die Hofe zu kaufen Dies erforderte jedoch viel Geld und Anstrengung und liess sich nur sehr langsam realisieren Die Lebensbedingungen der Bauern blieben schlecht In der Folgezeit kam es zu mehreren Bauernaufstanden die den Herrschern letztlich die Notwendigkeit weiterer Agrarreformen aufzeigten So wurde 1849 fur Livland und 1856 fur Nordestland beschlossen dass die Arbeitspacht abgeschafft werde und dass das Privatland der Gutsbesitzer in einen gutsherrlichen und einen bauerlichen Teil aufzuteilen sei Die Abschaffung der Leibeigenschaft fuhrte in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einer neuen wirtschaftlichen Dynamik Die Bauern waren nicht mehr an ihren Herrn und dessen Hof gebunden und konnten so eine wirtschaftliche Mobilitat entwickeln Noch in den fruhen 1860er Jahren lebten etwa 85 der estnischen Bevolkerung auf dem Land doch das Passgesetz von 1863 schuf den rechtlichen Rahmen fur die Migration in die Stadte In der Folge wuchsen die Stadte rasch an und erste Industriebetriebe entstanden 1870 wurde die erste Eisenbahnstrecke eroffnet Sie verband Sankt Petersburg mit dem strategisch wichtigen Hafen Paldiski Im Laufe der 1870er Jahre losten die Esten die Deutsch Balten als grosste ethnische Gruppe in Tallinn ab 16 Nationales Erwachen Bearbeiten Die ersten deutsch baltischen Guter wurden erst in den 1830er Jahren an Esten verkauft Doch noch lange danach blieb es eher die Ausnahme als die Regel dass ein estnischer Bauer seinem Gutsherrn das Gut abkaufen konnte Ein signifikanter Anstieg solcher Kaufvertrage fand erst in den 1860er Jahren statt Bis zum Ende des 19 Jahrhunderts waren in Livland etwa drei Viertel der Guter in den Handen estnischer Bauern und etwa die Halfte in Nordestland 16 Livland und vor allem Tartu wurden dann zu den Zentren des nationalen Erwachens 17 Auf Saaremaa hingegen dauerte es langer bis estnische Bauern die Guter kaufen konnten was wesentlich daran lag dass die Insel allgemein armer als das Festland war Der erste Verkauf eines Guts fand hier erst 1863 statt 16 Die Erlangung eigener Hofstellen ebnete den Weg zu einem Bewusstsein fur die Erlangung eines eigenen Landes Der Historiker und ehemalige Ministerprasident Mart Laar formulierte dies wie folgt Die Herrschaft im eigenen Hof war der erste Schritt um die Herrschaft im ganzen Land zu erlangen 18 Je mehr die estnischen Bauern eigene Hofe erwarben desto mehr verloren die Deutsch Balten an Einfluss in den landlichen Gebieten und desto mehr gingen auf lokaler Ebene auch das Gerichtswesen und die Selbstverwaltung allmahlich auf die Estem uber Damit einher ging die zunehmende Starkung des estnischen Selbstbewusstseins und die Idee einer selbstbeherrschten estnischen Nation Sichtbaren Ausdruck fand dies in der Ausbreitung estnischer Sprache und Kultur sowie in deren Erzeugnissen 1838 wurde die Gelehrte Estnische Gesellschaft Opetatud Eesti Selts in Tartu gegrundet Sie sammelte estnisches Kulturgut erforschte Sprache und Geschichte der Esten und gab zahlreiche Bucher in estnischer Sprache heraus So wurde im Jahre 1862 unter Mitwirkung der Gelehrten Estnischen Gesellschaft namentlich durch Initiative des Mitglieds Friedrich Robert Faehlmann das Nationalepos Kalevipoeg Der Sohn des Kalev veroffentlicht Das neue Selbstbewusstsein manifestierte sich daneben auch sichtbar in der ersten Ausgabe der 1857 vom Schulmeister und Publizisten Johann Voldemar Jannsen in Parnu herausgegebenen Zeitung Parnu Postimees Der Postmann von Parnu Mit den Worten Liebes estnisches Volk wandte er sich an seine Leser Sangerchore und Blasorchester wurden gegrundet 1869 fand in Tartu das erste Liederfest statt organisiert vom bereits erwahnten Johann Voldemar Jannsen Jannsen hatte zuvor mehrere Male am Baltischen Sangerfest in Riga teilgenommen Er erhielt die Erlaubnis zum 50 Jahrestag der Bauernbefreiung in Livland ein erstes estnisches Sangerfest in Tartu auszurichten An diesem Ereignis nahmen etwa 900 Sanger und etwa 15 000 Zuschauer teil 19 Trager der nationalen Ideen waren zunachst vor allem Pfarrer die die Erforschung der estnischen Sprache und der estnischen Geschichte voranzutreiben suchten spater dann auch und gerade Studenten Eine zentrale Rolle spielte bei dieser Entwicklung zur eigenen kulturellen und politischen Identitat die Universitat Tartu auf der sich seit den 1870er Jahren die studierenden Esten bewusst nicht mehr uber die Mitgliedschaft in den Korporationen assimilieren wollten sondern vorwiegend im Verein Studierender Esten und weiteren Korporationen eine eigene Identitat forderten Es waren dann auch Studenten in Tartu die die blau schwarz weisse Flagge die spater zur estnischen Nationalflagge werden sollte schufen 1904 gewannen in Tallinn erstmals Esten die Lokalwahlen und verdrangten damit die Deutschen aus der Stadtverwaltung 14 Russifizierungspolitik Bearbeiten Dem zunehmenden nationalen Erwachen versuchten die russischen Zaren ab Alexander III 1881 1894 durch eine rigorose Russifizierungspolitik in den baltischen Landern zu begegnen So wurde in den 1880er Jahren das estnische Bildung Gerichts und Selbstverwaltungssystem russifiziert was sowohl die Rechte der Esten als auch der ansassigen grossenteils baltendeutschen Oberschicht immer weiter einschrankte Hatten die russischen Zaren nach Katharina II eine gewisse Autonomie der baltischen Ostseeprovinzen akzeptiert so griff Alexander III nun als erster Herrscher wieder massiv in diese Autonomien ein Ein erstes Zeichen der Russifizierung war der Umstand dass Zar Alexander III bei seiner Thronbesteigung im Jahre 1881 als erster Zar die baltischen Privilegien der Deutsch Balten nicht bestatigte Eine starke Symbolkraft hatte die Umbenennung Tartus in Jurjew im Jahre 1882 20 da die Stadt Zentrum der nationalen Bewegung geworden war Es wurden das russische Polizeiwesen und die russische Prozessordnung eingefuhrt Russisch wurde zur einzigen offiziellen Gerichtssprache 1887 wurde der Unterricht in estnischer Sprache selbst in den Grundschulen verboten An die Stelle des Estnischen trat fortan allein das Russische als Unterrichtssprache Estnisch durfte allerdings weiterhin als Sprache fur religiose Erziehung sowie fur die muttersprachliche Ausbildung verwendet werden 1889 wurde die Autonomie der Universitat von Tartu wie auch die aller ubrigen Universitaten im Russischen Reich aufgehoben 21 Die Revolution von 1905 und ihre Folgen Bearbeiten Nach der Niederlage Russlands im Russisch Japanischen Krieg von 1904 5 und vor dem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen kam es im Januar 1905 in St Petersburg zu einer friedlichen Demonstration Nachdem hierbei jedoch mehrere Demonstranten erschossen wurden breiteten sich die Unruhen als Revolution uber das gesamte russische Reich aus Auch in Estland kam es in den Stadten immer wieder zu Kundgebungen Sie richteten sich vor allem gegen die Unterdruckung der estnischen Bevolkerung sowie gegen die soziale Kluft zwischen den verschiedenen Berufsgruppen Als tragisch erwies sich die Nacht vom 16 Oktober 1905 tausende Menschen hatten sich in Tallinn am Neumarkt zum Protest versammelt Nachdem Militars das Feuer auf sie eroffnet hatten starben etwa 100 Menschen und etwa so viele wurden verletzt Am Folgetag des Blutbads verkundete Zar Nikolaus II sein Oktober Manifest Dieses gewahrte den Esten wie auch den ubrigen Untertanen des russischen Reichs gewisse burgerliche Grundrechte allen voran das Recht Versammlungen abzuhalten Redefreiheit sowie politische Parteien zu grunden So wurde noch im selben Jahr die erste estnische Partei unter der Leitung von Jaan Tonisson gegrundet die Eesti Eduerakond Estnische Erfolgspartei 16 Erste Unabhangigkeit 1918 bis 1940 BearbeitenLoslosung von Russland Bearbeiten Nach der Oktoberrevolution ubernahm Viktor Kingissepp am 27 Oktoberjul 9 November 1917greg im Namen des bolschewistisch dominierten Estnisch Militarrevolutionaren Komitees die Macht vom Gebietskommissar der Provisorischen Regierung Jaan Poska Die Bolschewiki konkurrierten dabei mit dem Maapaev Provisorischer Landtag der sich am 15 Novemberjul 28 November 1917greg als Reaktion darauf dass die Bolschewiki seine Auflosung erklart hatten zum alleinigen Regierungsorgan erklarte Die Bolschewiki agierten nicht ohne Ruckhalt der Bevolkerung Bei den Wahlen zur Russischen verfassungsgebenden Versammlung im November 1917 schnitten sie in Estland erheblich besser ab als in Russland insgesamt Aber sie befurworteten als einzige politische Kraft Estlands die Anlehnung an Moskau Dadurch und durch ihre Versuche die enteigneten Ritterguter in Kolchosen umzuwandeln statt das Land zu verteilen stellten sie sich ins politische Abseits Anfang 1918 wurde klar dass die Bolschewiki die Macht nicht auf demokratischem Weg wurden behaupten konnen Ende Januar 1918 brachen sie noch die Auszahlung der Wahl zur Estnischen verfassungsgebenden Versammlung ab wahrend das Exekutivkomitee des Tallinner Sowjets am 27 Januarjul 9 Februar 1918greg den deutschbaltischen Adel fur vogelfrei erklarte woraufhin uber 500 Menschen festgenommen wurden Aber am 11 Februarjul 24 Februar 1918greg zogen die sowjetischen Truppen ab und ein Estnisches Rettungskomitee proklamierte mit dem Manifest an alle Volker Estlands die Republik Estland eine provisorische Regierung unter Konstantin Pats kam jedoch nicht mehr dazu die Macht zu ubernehmen Bereits einen Tag spater wurde Estland durch die 8 deutsche Armee besetzt Die meisten estnischen Bolschewiki verliessen Estland daraufhin nach Russland Der Freiheitskrieg von 1918 bis 1920 Bearbeiten nbsp Eine estnische Landkarte aus dem Jahr 1925Die eigentliche Unabhangigkeit Estlands wurde im Freiheitskrieg 1918 1920 erkampft obwohl Sowjetrussland bereits am 27 August 1918 formell in einem Zusatzabkommen zum Friedensvertrag von Brest Litowsk auf Estland verzichtet hatte Die Kampfe begannen am 28 November 1918 als das junge Sowjetrussland Narva angriff Zunachst hatten sich Esten wie auch Letten der Russen spater der im Land verblieben deutschen Baltischen Landeswehr zu erwehren Unterstutzung erhielten die baltischen Staaten hierbei vor allem aus Finnland ferner aus Schweden und Danemark Alle drei Lander entsandten Truppen und lieferten kriegswichtige Versorgungsguter Seeseitig unterstutzte die Royal Navy die Esten namentlich zum Schutz vor der russischen Flotte Unter dem Kommando des Oberbefehlshabers Johan Laidoner gelang es den Esten die Russen bereits bis Ende Januar 1919 ausser Landes zu treiben Ein neuerlicher russischer Angriff im Fruhjahr 1919 wurde abgeschlagen Als das Land somit zumindest vorerst von russischen Truppen befreit war konnten die ersten unabhangigen Parlamentswahlen abgehalten werden Frauen und Mannern im Wahlgesetz der konstituierenden Versammlung vom 24 November 1918 das allgemeine Wahlrecht zuerkannt 22 23 So wurde im Fruhjahr 1919 die Konstituierende Versammlung Asutav Kogu gewahlt die eine Verfassung ausarbeitete und die Landreform betrieb Die Verfassung von 1920 bestatigte das allgemeine aktive und passive Frauen und Mannerwahlrecht 22 Im Juni 1919 gerieten Estland und Lettland dann in den so genannten Landeswehrkrieg gegen die Baltische Landeswehr In schweren Kampfen gelang es der Allianz die deutschen Truppen zu zerschlagen und in Lettland die nationale Regierung wiederherzustellen Nach weiteren missgluckten Eroberungsversuchen liess sich Sowjetrussland auf Friedensverhandlungen ein Mit dem Frieden von Tartu vom 2 Februar 1920 erkannte es die Unabhangigkeit Estlands auf alle Zeiten an 24 Der Freiheitskrieg ist damals wie heute von zentraler Bedeutung im kollektiven Bewusstsein der Esten Erstmals nach der danischen Eroberung von 1219 und somit erstmals nach 700 Jahren waren die Esten nicht mehr Fremde im eigenen Land sondern konnten fortan selbst die Geschicke ihres eigenen Staates bestimmen Die Landreform von 1919 Bearbeiten Auch nach Ende des Ersten Weltkriegs blieben erhebliche Teile Estlands in den Handen deutschbaltischer Gutsbesitzer Angesichts der Kriegserfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und vor allem nach den Kampfen gegen die Baltische Landeswehr entwickelte sich eine zunehmend ablehnendere Haltung gegenuber den Deutsch Balten estnische Politiker radikalisierten sich in diesem Punkt Immer lauter wurde die Forderung den deutschbaltischen Adel zu enteignen und sein Land zu verteilen Obwohl immer mehr estnische Bauern ihren deutschen Gutsherren die Guter abkauften waren am Vorabend des Freiheitskrieges etwa 50 der estnischen Bauern ohne Land Zahlreiche Bauern waren auf der Suche nach Land zum russisch orthodoxen Glauben konvertiert und gingen nach Russland Uberdies erschien eine Landreform notwendig um die Machtverhaltnisse im Staat dauerhaft zu andern durch Enteignung sollten der deutschen Ritterschaft die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen und so deren Machtstellung gebrochen werden 25 Vor diesem Hintergrund wurde am 10 Oktober 1919 die Estnische Landreform in Gang gesetzt deren zentraler Gegenstand die Enteignung deutscher Grossgrundbesitzer und die Umverteilung ihres Landes an estnische Bauern war 97 des deutschbaltischen Gutslandes wurden zum Gegenstand von Enteignung Aus ihnen wurden im Laufe der folgenden 20 Jahre insgesamt etwa 57 000 Hofe fur estnische Bauern erschaffen Die Hofe hatten eine durchschnittliche Grosse von 20 ha Etwa 400 000 Menschen und damit fast die Halfte der damaligen Bevolkerung Estlands profitierten von den Reformen 16 Das politische System Bearbeiten Nachdem die Landreform als vordringlichstes Problem gelost worden war galt es dem jungen Staat eine Verfassung zu geben Eine solche wurde am 15 Juni 1920 verabschiedet und trat am 21 Dezember desselben Jahres in Kraft 26 Sie machte Estland zu einer parlamentarischen Demokratie Die Regierung unterstand der standigen Kontrolle des Parlaments Einen Staatsprasidenten gab es nicht Staatsoberhaupt war der Ministerprasident der zugleich den Titel Staatsaltester Riigivanem trug 25 Der Aufbau eines unabhangigen Staates gestaltete sich als schwierig Ein ganzer Staat samt Institutionen musste aufgebaut werden wobei die Esten wenig bis keine Erfahrung mit Selbstverwaltung und Staatsfuhrung hatten Die politische Landschaft war gepragt von einer Vielfalt von Parteien und instabilen Regierungen wobei die kommunistische Partei bereits seit Ende des Freiheitskrieges verboten war Gleichwohl fanden kommunistische Abgeordnete unter anderen Parteibezeichnungen ihre Wege ins Parlament Zudem war Estland wirtschaftlich weiterhin stark von Sowjetrussland abhangig Die von den Esten lang ersehnte Unabhangigkeit fuhrte angesichts dieser Schwierigkeiten zu Enttauschungen uber den jungen Staat Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum dass das Land von 1920 bis 1933 insgesamt 17 Regierungen hatte 25 Am 1 Dezember 1924 unternahmen von der Moskauer Regierung unterstutzte kommunistische Verbande den Versuch eines Staatsstreichs Sie zogen durch die Strassen Tallinns und versuchten gewaltsam strategisch wichtige Punkte wie Bahnhofe und Kasernen zu besetzen Da die Putschisten in der Bevolkerung jedoch nur sehr wenig Unterstutzung fanden blieb die Bewegung auf insgesamt etwa 500 Teilnehmer beschrankt Sie wurde noch am selben Tag unter der Fuhrung General Laidoners niedergeschlagen Kulturautonomie fur Minderheiten Bearbeiten So wie Lettland betrieb auch Estland eine tolerante Gesetzgebung gegenuber Minderheiten Durch das Minderheitengesetz vom 2 Februar 1925 wurde den Minderheiten den Deutschen Russen Schweden und Juden die Kulturautonomie eingeraumt Dieses Gesetz galt international als wegweisend und wird noch bis heute als vorbildlich angesehen 27 Im Kern gewahrte es den Minderheiten kulturelle Selbstverwaltung Selbst nach 1934 als Ministerprasident Konstantin Pats ein autoritares Regime etablierte blieb die Kulturautonomie in ihren wesentlichen Punkten bestehen Von der Moglichkeit Kulturautonomie zu beantragen machten sowohl die Deutschen als auch die Juden Gebrauch Russen und Schweden hingegen taten dies nicht da sie jeweils bereits in zusammenhangenden Siedlungsgebieten lebten und dort faktisch Selbstverwaltung hatten Um als nationale Minderheit anerkannt zu werden musste die Gruppierung mindestens 3000 Mitglieder umfassen Aus ihrer Mitte hatte die Gruppe einen Kulturrat zu wahlen wodurch sie den Status einer Korperschaft offentlichen Rechts erlangte Die Mitglieder des Kulturrates wahlten dann wiederum aus ihrer Mitte die Kulturverwaltung 27 Finanziert wurden die Korperschaften zum einen durch den estnischen Staat und zum anderen durch die jeweilige Korperschaft selbst Der Staat stellte Schulen und gewahrte Zuschusse die Korperschaften hatten das Recht Steuern gegenuber ihren Mitgliedern zu erheben und erhielten zudem auch Spenden und Erbschaften Wirtschaftlicher Aufschwung in den 1920er Jahren Bearbeiten In den 1920er und 1930er Jahren erlebte Estland eine wirtschaftliche und kulturelle Blutezeit Bedeutendster Industriezweig war die Textilindustrie der es schon recht bald gelang uber die Grenzen der baltischen Markte hinauszugehen und sich internationale Markte zu erschliessen Zudem bluhte der Alkohol Schmuggel uber die Ostsee nach Finnland das im Jahre 1919 die Prohibition beschlossen hatte 28 In der Landwirtschaft gab es zunachst Ruckschlage da mit der Landreform die Notwendigkeit einherging die Gutsbetriebe nun in Kleinbetriebe umzuwandeln und die Wirtschaftsweise entsprechend umzustellen Der junge Staat bemuhte sich jedoch um eine umfassende Forderung der Landwirtschaft Diese wirtschaftliche Blutezeit kam wie auch in vielen anderen europaischen Staaten durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 zum Erliegen Autoritares Regime unter Konstantin Pats Bearbeiten Mit der Weltwirtschaftskrise anderte sich die Atmosphare im Land Steigende Preise und steigende Arbeitslosigkeit sorgten fur Unmut Estnische Produkte fanden zunehmend weniger Absatz sodass Arbeitsplatze wegfielen Zudem wurde die Estnische Krone um 35 abgewertet was zu einer Verteuerung aller Produkte fuhrte In einem Klima instabiler Regierungen und unzufriedener Bevolkerung gewann die anti parlamentarische quasi faschistische Vereinigung Verband der Freiheitskampfer Vabadussojalaste Liit an Aufschwung Im Jahre 1933 legte die Bewegungen einen Vorschlag fur eine neue Verfassung vor die vom Parlament sodann auch verabschiedet wurde Die neue Verfassung die im Januar 1934 in Kraft trat wandelte das Regierungssystem von einer parlamentarischen in einer Prasidialdemokratie Fortan sollte es in Estland einen Staatsprasidenten mit umfangreichen Machtbefugnissen geben Im Oktober 1933 wurde Konstantin Pats zum neuen Ministerprasidenten gewahlt Er regierte mit einer Minderheitsregierung Als sich nach mehreren Lokalwahlen abzeichnete dass der Verband der Freiheitskampfer zum wahren Machthaber des Landes aufrucken wurde erklarte Pats am 12 Marz 1934 den Ausnahmezustand Er erklarte General Laidoner abermals zum Oberkommandierenden und stattete ihn mit umfangreichen Vollmachten aus Der Verband der Freiheitskampfer wurde aufgelost ebenso das Parlament Parteien wurden verboten Zensur wurde eingefuhrt Pats regierte fortan per Dekret 29 Ihr autoritares Regime lockerte sich erst 1938 mit der Einfuhrung einer neuen Verfassung Auf deren Grundlage fanden wieder Parlamentswahlen statt und es trat sodann ein neues Parlament zusammen 30 Doch bevor die innenpolitische Lage zum demokratischen Standard zuruckkehren konnte wurde die Entwicklung durch aussenpolitisches Geschehen unterbrochen Die 1930er Jahre waren eine Zeit schnellen Fortschritts Wenn auch der Lebensstandard noch hinter jenem westeuropaischer Staaten zuruckblieb so war er doch vergleichbar mit jenem in Finnland Die unabhangige Republik Estland schaffte es mit allen bedeutenden Staaten offizielle Beziehungen zu knupfen und ihr Vorhandensein im Bewusstsein der Europaer zu festigen Sowjetische und deutsche Okkupation Bearbeiten nbsp Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrages zwischen Estland Lettland und Deutschland am 7 Juni 1939 von links nach rechts die Aussenminister Munters Lettland Joachim von Ribbentrop Deutschland und Selter Estland Estland im Zweiten Weltkrieg ein Uberblick Bearbeiten Ab Juni 1940 wurde Estland von der Sowjetunion besetzt und im Oktober dann vollstandig annektiert Land und Menschen waren heftigen Repressalien und dem Terror der neuen Machthaber ausgesetzt Nach dem deutschen Uberfall auf die Sowjetunion verliessen die sowjetischen Besatzer das Land im Juli 1941 an ihre Stelle traten deutsche Besatzer Auch unter ihnen erlebte das Land Unterdruckung und Terror Allerdings war es schnell nicht mehr Frontgebiet so dass es mit Ausnahme von Partisanenkampfen von Kampfhandlungen verschont blieb Dies anderte sich erst wieder 1944 als im September die sowjetischen Besatzer zuruckkamen Sie blieben bis 1991 Gemessen an seiner Bevolkerungszahl erlitt Estland im Zweiten Weltkrieg infolge von Kriegshandlungen und Besatzungsterror so schwere Verluste wie kaum ein anderes Land Etwa jeder achte Este kam ums Leben fast die gesamte burgerliche und intellektuelle Elite wurde ausgeloscht 31 Bis heute Stand 2018 hat Estland die Zahl seiner Vorkriegsbevolkerung nicht wieder erreicht Der Hitler Stalin Pakt 1939 Bearbeiten Die Selbstandigkeit Estlands fand 1940 ihr Ende am 23 August 1939 hatten die Sowjetunion und das Dritte Reich einen Nichtangriffspakt den sogenannten Hitler Stalin Pakt oder Ribbentrop Molotow Pakt genannt geschlossen Er schlug Estland ebenso wie auch Lettland und Litauen der sowjetischen Einflusssphare zu Zuvor hatte das Deutsche Reich noch einen Nichtangriffspakt mit Estland geschlossen Als Folge des deutsch sowjetischen Paktes wurden die Deutsch Balten heim ins Reich gerufen und sodann im Warthegau angesiedelt Die erste sowjetische Okkupation von 1940 41 Bearbeiten Von der unabhangigen Republik zur Estnischen Sowjetrepublik Bearbeiten Am 24 September 1939 verlangte die Sowjetunion von Estland ultimativ die Erlaubnis in Estland Militarbasen einrichten zu durfen Zugleich versprach die Sowjetunion die estnische Souveranitat nicht antasten zu wollen Fur den Fall der Weigerung drohte sie mit einem Angriff Solche Forderungen ergingen auch an Lettland und Litauen sowie an Finnland Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen hatte die Sowjetunion entlang der estnischen und lettischen Grenze insgesamt 437 235 Mann 2 635 Geschutze und 3 052 Panzer stationiert Gleichzeitig blockierte die Rote Flotte den Zugang zur See und sowjetische Flugzeuge drangen in den estnischen Luftraum ein 32 Unter diesem militarischen Druck und im Vertrauen auf das Versprechen die eigene Souveranitat behalten zu durfen willigte die estnische Regierung ein am 28 September 1939 unterzeichneten Estland und die Sowjetunion den Pakt uber gegenseitige Hilfeleistung Auch Lettland und Litauen verhielten sich in gleicher Weise Nur Finnland willigte nicht ein und wurde infolgedessen von der Sowjetunion angegriffen konnte seine Unabhangigkeit jedoch auf Kosten von Gebietsverlusten behaupten Die Sowjetunion gab sich damit jedoch nicht zufrieden und arbeitete Plane zur vollstandigen Annexion aus Mit der Direktive Nr 02622 vom 9 Juni 1940 wurden Vorbereitungen fur einen Angriff auf Estland eingeleitet Das Land wurde zu Land zur See und zur Luft blockiert am 14 Juni 1940 schoss die sowjetische Luftwaffe das finnische Passagierflugzeug Kaleva ab das auf dem Weg von Tallinn nach Helsinki war Am selben Tag stellte die Sowjetunion Litauen ein Ultimatum Ein solches erging an Estland am 16 Juni 1940 Es forderte den baltischen Staat dazu auf 100 000 weitere Rotarmisten ins Land zu lassen und eine prosowjetische Regierung zu bilden 33 Noch bevor die estnische Regierung dem Ultimatum zustimmte hatten die bereitstehenden Rotarmisten die Grenze bereits uberschritten Die nunmehr 115 000 im Land befindlichen Rotarmisten besetzten umgehend Bahnhofe Hafen und Flughafen sowie Postamter und Verwaltungsgebaude und ubernahmen dort jeweils die Kontrolle Damit hatte Estland seine Unabhangigkeit de facto bereits am 17 Juni 1940 verloren Unter Leitung des sowjetischen Sonderbeauftragten Andrei Schdanow wurde in Tallinn eine prosowjetische Gegenregierung gebildet und sodann eine Arbeiterkundgebung am 21 Juni 1940 organisiert die einen Regierungswechsel forderte Diese Kundgebung war letztlich ein bewaffneter Aufstand unterstutzt von Rotarmisten und Panzern Gewaltsam wurde so die alte Regierung gesturzt und eine Marionettenregierung unter Johannes Vares etabliert Diese erhielt von Schdanow den Auftrag Geruchte uber eine Eingliederung Estlands in die Sowjetunion zu zerstreuen um so den Widerstand der Esten gegen die Besatzer zu mindern Am 14 und 15 Juli 1940 liessen die neuen Machthaber dann eine Parlamentsneuwahl durchfuhren Sie war jedoch eine blosse Scheinwahl alle Gegenkandidaten der prosowjetischen Kandidaten wurden von der Regierung Vares von den Wahllisten gestrichen Die auf diese Weise gewahlte Regierung fasste auf Schdanows Verordnung hin den Entschluss Estland zur Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik Estnische SSR zu erklaren und zugleich um die Aufnahme in die Sowjetunion zu bitten Die Eingliederung erfolgte dann am 6 Oktober 1940 Die meisten westlichen Staaten erkannten diese Eingliederung nie an 34 Bis heute besteht zwischen Estland und Russland Uneinigkeit daruber ob Estland der Sowjetunion freiwillig beigetreten sei oder von ihr rechtswidrig annektiert wurde Der estnische Staat erachtet die Annexion als rechtswidrig und folglich auch alle in der Besatzungszeit bis 1991 erlassenen Rechts und Verwaltungsakte als nichtig Roter Terror und Widerstand Bearbeiten Die sowjetische Besatzung entfesselte Terror in Estland Das Wirtschaftssystem und die bisherige Lebensordnung wurden zerstort die Burgergesellschaft unterdruckt und jegliche nationale Selbstdarstellung verboten zahlreiche estnische Burger wurden verhaftet deportiert und ermordet ihre Hofe wurden verstaatlicht Vor allem die burgerliche und intellektuelle Elite als Trager des estnischen Nationalbewusstseins waren betroffen Den vorlaufigen Hohepunkt erreichte der Terror in der Nacht vom 13 auf den 14 Juni 1941 als mehr als 10 000 Esten vornehmlich Frauen und Kinder nach Sibirien deportiert wurden Ohne Vorankundigung Anklage und Gerichtsurteil wurden sie des Landes verwiesen 35 Dieser Akt wurde als Junideportation bekannt Als unmittelbare Folge der Junideportation fluchteten zahlreiche Menschen in die Walder und sammelten sich zum bewaffneten Widerstand Sie gruppierten sich um den Aufklarungstrupp Erna Erna war eine Gruppierung von Esten die nach Finnland gegangen war um sich dort militarisch ausbilden zu lassen Als Waldbruder kampften sie gegen die Besatzer und unterstutzten die vorruckende Wehrmacht in deren Kampf gegen die Rote Armee Mit Vernichtungsbataillonen bekampften die Sowjets die Widerstandsbewegung sie ermordeten tatsachliche und vermeintliche Mitglieder sowie deren Angehorige und brannten zahlreiche Hofe nieder 36 In den Jahren 1940 und 1941 verubte die Sowjetunion Repressalien gegenuber 52 750 Personen 18 090 kamen dabei ums Leben 37 In den Jahren 1940 bis 1944 verliessen 70 000 bis 75 000 Esten ihr Land in westliche Richtung auf der Flucht vor allem vor der sowjetischen aber auch der deutschen Okkupation 38 Deutsche Okkupation von 1941 bis 1944 Bearbeiten Am 22 Juni 1941 begann Hitler den Uberfall auf die Sowjetunion Anfang Juli erreichten die ersten deutschen Verbande die Sudgrenze Estlands Bis Ende August 1941 hatten die deutschen Truppen mit Unterstutzung estnischer Partisanen nahezu ganz Estland eingenommen Als letzte sowjetische Widerstandsnester verblieben bis Dezember 1941 die estnischen Inseln Marionettenregierung statt Eigenstaatlichkeit Bearbeiten Vielerorts wurden die deutschen Truppen als Befreier empfangen Mit ihrem Einzug verbanden viele Esten die Hoffnung von erneuter Eigenstaatlichkeit und Souveranitat Wie wenig dies den Vorstellungen der Deutschen entsprach zeigte sich symbolisch am 29 August 1941 Am Tag zuvor hatten die deutschen und estnischen Truppen Tallinn eingenommen woraufhin die Esten die estnische Nationalflagge auf dem Langen Herrmann einem Turm in Tallinn hissten Dieser Akt ist von grosser Symbolkraft da traditionell derjenige dessen Flagge dort zu sehen ist als Herrscher der Stadt gilt Nachdem die estnische Flagge also am 28 August 1941 gehisst worden war wurde sie schon am Folgetag durch die deutsche ersetzt Bereits am 29 Juli 1941 hatte der letzte Premierminister Juri Uluots den Deutschen ein Memorandum vorgelegt mit dem er die Wiederherstellung estnischer Eigenstaatlichkeit forderte Die Antwort hierauf war die Bildung der Estnischen Selbstverwaltung mit beschrankten Machtbefugnissen Ab dem 5 Dezember 1941 unterstand das Land als Generalbezirk Estland dem Reichskommissariat Ostland Besondere Bedeutung fur die deutsche Fuhrung hatten die Vorkommen von Olschiefer in Nordostestland Insbesondere nachdem sich die Plane die kaukasischen Olvorkommen zu nutzen mit dem zunehmenden Ruckzug der deutschen Truppen aus dem Osten zerschlagen hatten stieg die Bedeutung der estnischen Vorrate Mithilfe der Haftlinge des Stammlagers Vaivara sollte der Olschiefer gewonnen werden Widerstand Bearbeiten Wahrend sich ein Teil der Waldbruder den Deutschen anschloss richtete ein anderer Teil der Partisanen seine Tatigkeit nun gegen die neuen Besatzer Die Vertreter der verschiedenen politischen Parteien gingen ebenfalls in den Untergrund und schufen auf der Grundlage der Verfassung von 1938 das Rettungskomitee der Republik Estland Als verfassungsmassiger Stellvertreter des inhaftierten Staatsprasidenten Konstantin Pats ubernahm Juri Uluots die Fuhrung des Komitees Die Tatigkeiten des Komitees umfassten Kontakt mit Westmachten die Herausgabe von Flugblattern und die Organisation von Kundgebungen Estnische Soldaten in den Reihen der Deutschen Bearbeiten Obwohl die deutsche Fuhrung die estnische Eigenstaatlichkeit nicht wiederherstellte glaubten viele Esten weiterhin daran dass der Weg zum eigenen Staat nur uber die Deutschen fuhren wurde In dieser Hoffnung schlossen sich zahlreiche Waldbruder die zuvor als Partisanen gegen die Rote Armee gekampft hatten nun den Truppen der Waffen SS an vor allem der 20 Waffen Grenadier Division der SS Estnische Nr 1 Die Reihen der Wehrmacht blieben den Esten als Nicht Germanen hingegen verschlossen Daneben unternahmen die Besatzer auch Zwangsrekrutierungen So kampften im Februar 1942 fast 21 000 Esten in den Reihen der Deutschen 39 Etwa 5000 junge Manner flohen vor der Zwangsrekrutierung nach Finnland nachdem das Rettungskomitee der Republik Estland mit der Parole Manner nach Finnland hierzu aufgerufen hatte Anwerbungen auf freiwilliger Basis hatten jedoch zunachst insgesamt nur wenig Erfolg Dies anderte sich erst im Jahre 1944 als die Ruckkehr der Roten Armee drohte Nachdem die Rote Armee die Belagerung von Leningrad durchbrochen und beendet hatte rief die Estnische Selbstverwaltung eine Generalmobilmachung aus Mit den Erfahrungen aus dem Schreckensjahr 1940 41 erachteten auch die Angehorigen des Rettungskomitees die deutsche Herrschaft als das geringere Ubel Obwohl sie bislang aus dem Untergrund heraus gegen die Marionettenregierung agiert hatten unterstutzten sie nun die Mobilisierung indem sie auch ihre Anhanger dazu aufriefen sich den Verteidigungskraften anzuschliessen Lief die Mobilisierung zunachst nur schwach an so anderte sich dies mit dem Radio Interview von Juri Uluots vom 7 Februar 1944 Bis Mitte des Jahres kampften so etwa 70 000 Esten auf Seiten der Deutschen 40 In den nachfolgenden Jahrzehnten entbrannten immer wieder Kontroversen um die Frage ob und inwieweit die estnische Soldaten die auf deutscher Seite gegen die Sowjetunion kampften richtig gehandelt hatten Insbesondere wurde immer wieder die Frage aufgeworfen ob auch sie als Kampfer fur die estnische Freiheit gleich jenen Soldaten die 1918 bis 1920 fur Estland kampften zu ehren sind Estnische Soldaten fanden sich somit in der Roten Armee teils freiwillig teils zwangsrekrutiert estnische Soldaten fanden sich auf Seiten der Deutschen ebenfalls entweder als Freiwillige oder als Zwangsrekrutierte und estnische Soldaten kampften als Freiwillige in den Reihen der finnischen Verbande Verfolgung von Juden und anderen Gruppen Bearbeiten Vor der heranruckenden deutschen Armee gelang etwa 75 der judischen Bevolkerung Estlands die Flucht in die Sowjetunion oder nach Finnland Insgesamt wurden 929 und damit fast alle in Estland verbliebenen Juden bis Ende 1941 von den Nationalsozialisten ermordet ebenso 243 Sinti und Roma 41 Der Umstand dass so vielen judischen Burgern die Flucht gelang ist ganz wesentlich darauf zuruckzufuhren dass innerhalb der estnischen Bevolkerung weniger anti judische Ressentiments als in anderen europaischen Staaten jener Zeit bestanden Estland war das erste Land das auf der Wannseekonferenz am 20 Januar 1942 fur judenfrei erklart wurde Nachdem die deutschen Besatzer die Vernichtung des Judentums in Estland recht schnell fur beendet erklart hatten errichteten sie mehrere Konzentrationslager auf estnischem Boden In diese wurden Juden und andere Verfolgte aus ganz Mittel und Osteuropa verbracht Auf diese Weise sind wahrend der deutschen Besatzung etwa 10 000 Juden in Estland ermordet worden Besonders bekannt ist das Stammlager Vaivara mit seinen 20 Aussenstellen allen voran mit dem Lager Klooga Als im Sommer und Herbst 1944 die Rote Armee Estland zuruckeroberte ermordete die Waffen SS etwa 2000 Menschen in den Waldern um Klooga Ruckkehr der Roten Armee Bearbeiten nbsp Die Strasse Harju in Tallinn im Juli 2018 Die heutigen Frei und Grunflachen waren bis zur Bombennacht vom 9 Marz 1944 von dichter Wohn und Geschaftsbebauung gepragt Im Hintergrund die Nikolaikirche Im Februar 1944 erreichte die Rote Armee den Fluss Narva Trotz heftiger Angriffe gelang es ihr zunachst jedoch nicht die deutschen und estnischen Verteidiger zu uberwinden Als Teil einer neuen Grossoffensive fasste die russische Fuhrung nun die Bombardierung grosser Stadte in Estland ins Auge Am 6 Marz legten russische Bomber Narva in Schutt und Asche am 9 Marz wurde Tallinn bombardiert Dem Angriff auf die Hauptstadt fielen etwa 500 Menschenleben zum Opfer etwa 25 000 Menschen wurden obdachlos da 40 des Wohnraums zerstort wurden 42 Zudem zerstorte das Bombardement das Nationaltheater Estonia Sichtbar sind die Folgen der Zerstorung vor allem in der Strasse Harju in Tallinn fruher mit dichten Hauserzeilen bebaut befindet sich hier heute eine grosse Freiflache eine Gedenktafel erinnert an die Bombardierung Im Fruhjahr 1944 gelang der Roten Armee dann nach langen Kampfen die Eroberung Narvas Damit waren die russischen Verbande zuruck auf estnischem Boden Abermals setzte eine grosse Fluchtbewegung der estnischen Bevolkerung ein westwarts uber das Land oder die Ostsee Im Juli und August desselben Jahres gelangen der Roten Armee im Zuge der Operation Bagration vielerorts grosse Durchbruche Tallinn fiel am 22 September In der ersten Oktoberhalfte 1944 zogen sich die Wehrmacht Truppen aus Estland zuruck um einer Einkesselung zu entgehen Die Kampfe dauerten auf estnischem Boden noch bis zum 24 November 1944 an da estnische Verbande auf den Inseln noch erbitterten Widerstand leisteten Estnische SSR Bearbeiten Hauptartikel Estnische Sozialistische Sowjetrepublik nbsp Flagge der Estnischen SSR nbsp Grenzveranderungen zugunsten Russlands in der Zeit der sowjetischen OkkupationIm Herbst 1944 besetzte die Rote Armee erneut das Land Ein grosser Teil der schwedischsprachigen Minderheit vor allem auf den Inseln ging ins Exil und wurde von Schweden aufgenommen Die Estnische SSR ESSR wurde wieder eingerichtet und damit Estland wieder der Sowjetunion eingegliedert ein Schritt der vom Westen nicht anerkannt aber hingenommen wurde Erneut wurden Tausende von Esten nach Sibirien deportiert Wegen einer massiven Einwanderung uberwiegend russischsprachiger Zuwanderer Russifizierungspolitik wurden die Esten in den ostlichen Regionen gebietsweise z B in Narva zu einer Minderheit im eigenen Land Wahrend der sowjetischen Besetzung wurde die estnische Ostgrenze zugunsten Russlands verschoben Estland verlor so die Gebiete um Iwangorod estn Jaanilinn und Petschory Petseri Die Abschottung des Landes gegen westliche Einflusse gelang der Staatsmacht in der Estnischen SSR aber weniger als in fast allen anderen Sowjetrepubliken denn jenseits des nur 80 Kilometer breiten Finnischen Meerbusens liegt Finnland Durch die Ahnlichkeit der Sprachen sind finnische Radio und Fernsehsendungen fur Esten problemlos zu verstehen und wurden gerade in der Zeit der sowjetischen Herrschaft von vielen regelmassig empfangen Bevor eine explizit politische Abgrenzung zu Russland moglich war ausserte sich das estnische Selbstbewusstsein in einer lebhaften Volksliedbewegung deren grosse Chorveranstaltungen beruhmt waren siehe Singende Revolution Estnisches Liederfest Am 13 November 1989 erklarte das Parlament der ESSR die Besetzung Estlands im Jahr 1940 durch die Sowjetunion fur rechtlich ungultig und bekraftigte seine Forderung nach mehr Unabhangigkeit der ESSR gegenuber der Sowjetunion 43 Erneute Unabhangigkeit seit 1991 Bearbeiten nbsp Edgar Savisaar Ministerprasident von 1990 bis 1992Unabhangigkeitserklarung Bearbeiten Am 8 Mai 1990 erklarte der Oberste Rat der Estnischen Sowjetischen Sozialistischen Republik unter dem Vorsitzenden Arnold Ruutel einseitig seine erneute Souveranitat unter der Bezeichnung Republik Estland die es 1991 zusammen mit Litauen und Lettland durchsetzen konnte Am 18 Dezember 1990 verzichtete Estland auf eine weitere Mitarbeit im Obersten Sowjet der UdSSR Bei einer Volksabstimmung am 3 Marz 1991 uber den kunftigen Status der Republik stimmten 78 der Teilnehmer bei einer Abstimmungsbeteiligung von 84 fur die Unabhangigkeit Der Vorsitzende des Obersten Rates der Republik Estland Arnold Ruutel erklarte dass ein Referendum keine rechtlich bindende Wirkung habe Nach dem Augustputsch in Moskau am 20 August 1991 erklarte der Oberste Rat die volle Unabhangigkeit von der Sowjetunion Am 23 August 1991 wurde der sowjetische Geheimdienst KGB verboten und am 25 August alle Organe der Kommunistischen Partei der Sowjetunion KPdSU Um den friedlichen Ubergang in die Unabhangigkeit nicht zu gefahrden und den Anteil der russischsprachigen Bevolkerung nicht noch weiter zu erhohen verzichtete man auf die Ruckgabe der von Russland zur Zeit der Okkupation abgetrennten Gebiete Am 6 September 1991 erfolgte die Anerkennung der unabhangigen Republik Estland durch die Sowjetunion Das Abkommen zum endgultigen Abzug der noch im Land verbliebenen russischen Truppen wurde am 26 Juli 1994 von Estlands Prasidenten Lennart Meri und dem russischen Prasidenten Boris Jelzin in Moskau unterzeichnet und bis Ende August umgesetzt 44 Von sehr schwierigen Anfangen zum baltischen Tiger Bearbeiten Vielfaltige Herausforderungen Bearbeiten Anfang der 1990er Jahre sah sich der junge Staat grossen Herausforderungen gegenuber Ein neuer Staat mit Regierung Verwaltung und Justiz musste errichtet und die Gesetze reformiert werden die Wirtschaft lag am Boden und war weiterhin von Russland abhangig und die Umwelt hatte schwer gelitten Anfang des Jahres 1992 war die Situation derart dramatisch dass die estnische Bevolkerung unter Kalte und Hunger litt begleitet wurde dies von einer massiven Inflation und Massenarbeitslosigkeit Extremismus von links und von rechts machte sich breit 45 Besondere Schwierigkeiten fur die Landwirtschaft Bearbeiten Besonders schwierig gestaltete sich der okonomische Wandel in der Landwirtschaft Dies hing vor allem damit zusammen dass es zunachst galt die alten Kolchosen aufzulosen das Land zu reprivatisieren und marktwirtschaftliche Produktionsweisen einzufuhren Wahrend sich die Wirtschaft in den Stadten bereits modernisiert und stabilisiert hatte wurde auf dem Land noch immer nach gangbaren Wegen gesucht Wurden zunachst vor allem Genossenschaften als geeignete Nachfolgerinnen der Kolchosen gesehen so stellte sich angesichts ernuchternder Ergebnisse bald Enttauschung ein Es waren dann grosse Unternehmen die die Landwirtschaft ubernahmen Insgesamt war die Landbevolkerung von den Veranderungen der 1990er und 2000er Jahre starker betroffen als jene in den grossen Stadten Die Historiker Norbert Angermann und Karsten Bruggemann sprechen von den Transformationsverlierern 46 Auch wenn die grossen Probleme vergangener Tage heute gelost zu sein scheinen ziehen nach wie vor mehr Menschen vom Land in die Stadte als andersherum Der Untergang der Estonia psychisch ein schwerer Schlag Bearbeiten nbsp Gedenktafel in Tallinn fur die Opfer der gesunkenen Fahre EstoniaEin schwerer Schlag war 1994 auch der Untergang der Fahre Estonia bei dem 852 Menschen ums Leben kamen Hieran erinnert heute das Denkmal Katkenud Liin Unterbrochene Linie samt Gedenktafel in Tallinn Die unterbrochene Linie stellt die Fahrt der Estonia von Tallinn nach Stockholm dar die durch den Untergang am 28 September 1994 unterbrochen wurde Daneben gibt es uber Estland verteilt noch weitere Denkmaler zu der Schiffskatastrophe Radikale Neuerungen weisen den Weg bergauf Bearbeiten Estland wahlte einen Weg radikaler Neuerungen So war es im Juni 1992 das erste der drei baltischen Lander das sich eine neue Verfassung gab Im selben Monat wurde es das erste Land der gesamten ehemaligen Sowjetunion das den Rubel als Wahrung aufgab und mit der Estnischen Krone eine eigene Wahrung einfuhrte Die neue Wahrung wurde an die Deutsche Mark gekoppelt 1994 wurde Estland zum gesamteuropaischen Vorbild indem es einen pauschalen einheitlichen Einkommenssteuersatz von 26 einfuhrte 47 In den nachfolgenden Jahren wurde er immer weiter herabgesetzt aktuell Stand 2018 liegt er bei 20 48 Es waren dann vor allem finnische und schwedische Unternehmen die fruhzeitig in Estland investierten und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau beitrugen Bis heute bestehen enge wirtschaftliche Verbindungen mit beiden Landern Estland ist mehr noch als Lettland und Litauen zum baltischen Tiger avanciert 49 Das Wirtschaftssystem ist kapitalistisch ausgerichtet Verstandlich wird dies vor dem Hintergrund dass die Esten eine strikte Abkehr von der sowjetischen Planwirtschaft suchten und angesichts der wirtschaftlich desolaten Lage in den fruhen 1990er Jahren ein radikaler Kurswechsel erforderlich erschien Und der Umstand dass sich in Estland Wirtschaft und Lebensstandard recht schnell erholt und zunehmend ausgeweitet haben scheint diesem Weg recht zu geben Deutlich zu Tage tritt diese wirtschaftliche Pragung im Zivilrecht beispielhaft sei hier das Mietrecht genannt Die funf Zivilgesetzbucher orientieren sich an den funf Buchern des deutschen Burgerlichen Gesetzbuchs BGB die Normen wurden grossteils wortgleich ubernommen Auch im Mietrecht finden sich die deutschen BGB Paragrafen wortgleich wieder doch hat das estnische Mietrecht gerade die sozialen Bestimmungen des deutschen Mietrechts nicht mitubernommen E Estonia der Tigersprung Bearbeiten nbsp Lennart Meri Prasident von 1992 bis 20011991 hatte nicht einmal die Halfte aller Esten einen Telefonanschluss Zudem galt es im wieder unabhangigen Estland Verwaltung Justiz und Kommunikationssysteme neu aufzubauen Um das Land zu modernisieren und fur auslandische Investoren attraktiver zu gestalten wurde ab 1997 die Digitalisierung des Landes vorangetrieben Dies war der Startschuss des sogenannten Tigersprungs Tiigrihuppe der das Land binnen kurzer Zeit zu einem modernen Staat machte und zu einer kontinuierlichen Steigerung des allgemeinen Lebensniveaus fuhrte Seit dem Jahr 2000 hat jeder estnische Burger Anspruch auf Zugang zum Internet Der ehemalige Prasident Lennart Meri 1992 2001 gilt als Vater der Modernisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs Im Jahre 2005 war Estland das erste Land der Welt das seinen Burgern die Moglichkeit eroffnete online an den Wahlen teilzunehmen Heute sind Verwaltung und Justiz weitgehend digitalisiert ebenso das Gesundheitswesen Die Burger haben rund um die Uhr Zugriff auf fast alle Dienstleistungen des Staates Selbst eine OU Osauhing das estnische Aquivalent zur deutschen GmbH kann innerhalb weniger Stunden online gegrundet werden Der Schlussel hierzu war die Einfuhrung der digitalen Signatur Ausgenommen von den online Dienstleistungen sind lediglich hochstpersonliche Rechtsgeschafte Eheschliessung Scheidung und Immobilienkauf Im Jahre 2017 wurde zwischen Estland und Finnland eine offentliche Stelle fur den Datenaustausch eingerichtet Der Weg nach Westen Bearbeiten 2004 traten die baltischen Staaten sowohl der EU als auch der NATO bei Anfangs bestand in weiten Teilen der estnischen Bevolkerung eine gewisse Skepsis gegenuber der EU Nach den Erfahrungen innerhalb der Sowjetunion befurchteten sie Bevormundung und den Verlust der noch jungen Unabhangigkeit Schon bald aber entwickelte sich eine regelrechte Euphorie und heute gilt Estland als europaischer Musterknabe Seit dem 1 Januar 2011 nimmt das Land an der Europaischen Wahrungsunion teil der Euro loste die Estnische Krone ab Obwohl Estland stark von europaischer Unterstutzung profitierte und profitiert brachte der EU Beitritt dem Land nicht nur Vorteile So sinkt die Bevolkerungszahl kontinuierlich wobei vor allem jungen Esten die Gelegenheit nutzen das Land zu verlassen Als Hauptgrunde hierfur werden das Wohlstandsgefalle sowie bessere Arbeitsmoglichkeiten in anderen Landern Europas erachtet In den letzten Jahren hat der Bevolkerungsruckgang abgenommen doch halt er nach wie vor an Von besonderer Bedeutung war fur alle baltischen Staaten der Beitritt zur NATO Neben der Mitgliedschaft in der Europaischen Union soll gerade das Militarbundnis Garant dauerhafter Unabhangigkeit sein Denn auch nach der Befreiung aus der Sowjetunion haben sich die Verhaltnisse zu Russland nicht normalisiert Politische Spannungen mit dem grossen Nachbarn lassen immer wieder die Furcht vor militarischen Massnahmen aufflammen Mit besonderer Sorge wurde die volkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im Marz 2014 beobachtet nachdem das dortige Regionalparlament fur einen Anschluss an Russland votiert hatte Im estnischen Landkreis Ida Viru im Nordosten des Landes und an der Grenze zu Russland bilden die Esten russischer Ethnie die Mehrheit Auch hier konnte so die Befurchtung ein entsprechendes Votum zu einem Anschluss an Russland fuhren Der Bronzesoldat von Tallinn Unruhen und Cyber Attacken Bearbeiten Im April 2007 kam es zu den schwersten Unruhen die das unabhangige Estland bislang erlebt hat Russische Esten protestierten teils gewaltsam gegen die Versetzung der Statue Bronzesoldat von Tallinn Diese Statue hatte sich bis zum 27 April 2007 am Tonismae in Tallinn in unmittelbarer Zentrumsnahe befunden Sie stellte einen sowjetischen Soldaten dar Jedes Jahr versammelten sich zahlreiche Esten russischer Abstammung sowohl am 9 Mai als auch am 22 September zum einen um das Ende des Zweiten Weltkriegs zu feiern und zum anderen die Wiederinbesitznahme Tallinns durch die Rote Armee Fur viele Esten verbanden sich damit jedoch Erinnerungen an Leid und Schmach da diese Daten zugleich auch den Beginn erneuter sowjetischer Okkupation und Repression bedeuteten Die russischen Feiern im Herzen Tallinns waren somit zugleich ein Affront gegenuber den Esten Vor diesem Hintergrund wurde beschlossen die Statue vom Tonismae auf den Kriegsgefallenenfriedhof zu verlegen und sie somit aus dem Zentrum zu entfernen 50 Hiergegen regte sich heftiger Widerstand der russischen Esten der sich teils gewaltsam in der Tallinner Innenstadt entlud Hierbei kam einer der Demonstranten ums Leben mehr als 700 Menschen wurden verletzt Bereits am selben Tag dem 27 April kam es zu Hackerangriffen auf das estnische Internet die mehrere Wochen andauerten Sie richteten sich schwerpunktmassig gegen Regierungs und Verwaltungsseiten Verdachtigte die estnische Regierung zunachst den russischen Staat so bekannte sich im Marz 2009 Konstantin Goloskokow ein Funktionar der russischen Jugendorganisation Naschi als Drahtzieher der Angriffe 51 Literatur BearbeitenKarsten Bruggemann Die Grundung der Republik Estland und das Ende des Einen und unteilbaren Russland Die Petrograder Front des russischen Burgerkriegs 1918 1920 Harrassowitz Wiesbaden 2002 ISBN 3 447 04481 0 Suzanne Champonnois Francois de Labriolle L Estonie des Estes aux Estoniens Editions Karthala collection Meridiens Paris 1997 ISBN 2 86537 724 5 Suzanne Champonnois Francois de Labriolle Estoniens Lettons Lituaniens histoire et destins Editions Armeline Crozon 2004 ISBN 2 910878 26 0 Suzanne Champonnois Francois de Labriolle Dictionnaire historique de l Estonie Editions Armeline Brest 2005 ISBN 2 910878 38 4 Seraina Gilly Der Nationalstaat im Wandel Estland im 20 Jahrhundert In Arbeiten aus dem Historischen Seminar der Universitat Zurich Band 97 Bern Berlin u a 2002 ISBN 3 906769 19 4 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 ISBN 978 9949 605 10 1 Aleksander Loit Carl Fredrik Valdemar Meinander Estland In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 7 Walter de Gruyter Berlin New York 1989 ISBN 3 11 011445 3 S 586 601 Gert von Pistohlkors Hrsg Baltische Lander In Deutsche Geschichte im Osten Europas Band 3 Siedler Verlag Berlin 2002 ISBN 3 88680 774 6 Neil Taylor Estonia A modern history C Hurst amp Co London 2018 ISBN 978 1 84904 957 3 Ralph Tuchtenhagen Geschichte der Baltischen Lander Beck 2 Auflage Munchen 2009 ISBN 978 3 406 50855 4 Aleksander Varma Erik Thomson Die historischen politischen und rechtlichen Grundlagen des Freistaates Estland 1960 Belletristik Bearbeiten Die finnisch estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen hat mit ihren Romanen Fegefeuer 2008 und Als die Tauben verschwanden 2012 die Zeiten der sowjetischen und deutschen Besatzungen literarisch verarbeitet Siehe auch Bearbeiten nbsp Portal Estland Ubersicht zu Wikipedia Inhalten zum Thema Estland Liste der Kriege und Schlachten EstlandsWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Geschichte Estlands Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Estland Quellen und Volltexte Kleine Geschichte der baltischen Staaten Uberblicksartikel der Bundeszentrale fur politische Bildung uber die Geschichte der drei baltischen Staaten Estland seit 20 Jahren unabhangig In Zeitblende von Schweizer Radio und Fernsehen vom 20 August 2011 Audio Einzelnachweise Bearbeiten Elmar Rompczyk Estland Lettland Litauen Geschichte Gegenwart Identitat Dietz Bonn 2016 S 22 f Bremisches Urkundenbuch Bd 1 Lieferung 1 S 154 1224 Juli 21 Urkunde 132 Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 29 ff Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 39 Tiina Kala Lubeck Law and Tallinn Tallinna Linnaarhiiv Tallinn 1998 S 13 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 S 14 Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 115 Nobert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 121 Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 122 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 S 17 Elmar Rompczyk Estland Lettland Litauen Geschichte Gegenwart Identitat Dietz Bonn 2016 S 32 f Alexander Schmidt Geschichte des Baltikums 3 Auflage Piper Munchen 1999 S 91 a b Alexander Schmidt Geschichte des Baltikums 3 Auflage Piper Munchen 1999 S 93 a b c Karsten Bruggemann Kleine Geschichte der baltischen Staaten Bundeszentrale fur politische Bildung 17 Februar 2017 abgerufen am 18 September 2018 a b Elmar Rompczyk Estland Lettland Litauen Geschichte Gegenwart Identitat Dietz Bonn 2016 S 35 a b c d e Notizen vom Besuch des Museums fur estnische Nationalgeschichte Maarjamae in Tallinn am 10 September 2018 Robert von Lucius Drei Baltische Wege Mitteldeutscher Verlag Halle 2011 S 98 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 S 21 Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 205 Elmar Rompczyk Estland Lettland Litauen Geschichte Gegenwart Identitat Dietz Bonn 2016 S 36 Alexander Schmidt Geschichte des Baltikums 3 Auflage Piper Munchen 1999 S 122 a b Mart Martin The Almanac of Women and Minorities in World Politics Westview Press Boulder Colorado 2000 S 125 Helen Biin Anneli Albi Suffrage and the Nation Women s Vote in Estonia In Blanca Rodriguez Ruiz Ruth Rubio Marin The Struggle for Female Suffrage in Europe Voting to Become Citizens Koninklijke Brill NV Leiden und Boston 2012 ISBN 978 90 04 22425 4 S 111 141 S 120 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 S 41 a b c Alexander Schmidt Geschichte des Baltikums 3 Auflage Piper Munchen 1999 S 254 Text in deutscher Ubersetzung bei Eugen Maddisoo Oskar Angelus Hrsg Das Grundgesetz des Freistaats Estland vom 15 Juni 1920 Berlin Heymann 1928 Digitalisat Universitatsbibliothek Tartu a b Alexander Schmidt Geschichte des Baltikums 3 Auflage Piper Munchen 1999 S 270 Notizen vom Besuch des Museums Rocca al Mare in Tallinn am 6 September 2018 Alexander Schmidt Geschichte des Baltikums 3 Auflage Piper Munchen 1999 S 259 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 S 44 Robert von Lucius Drei Baltische Wege Mitteldeutscher Verlag Halle 2011 S 110 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 7 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 8 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 11 f Mart Laar Der Rote Terror Repressalien der sowjetischen Besatzungsmacht in Estland Grenader Tallinn 2005 S 15 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 17 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 13 Estnische Botschaft in Deutschland Estnische Sprache und Kultur im Ausland Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 22 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 28 ff Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 25 Mart Laar Estland im Zweiten Weltkrieg Grenader Tallinn 2017 S 37 Tagesschau vom 13 11 1989 Tagesschau vor ARD 13 November 1989 abgerufen am 22 Oktober 2016 Franz Preissler Bestimmungsfaktoren auswartiger Minderheitenpolitik Russland und die Frage der Russischsprachigen im Baltikum 1991 2004 LIT Verlag Munster 2014 ISBN 978 3 643 12380 0 S 191 Mart Laar Streifzug durch die estnische Geschichte Grenader Tallinn 2017 S 62 ff Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 332 Norbert Angermann Karsten Bruggemann Geschichte der baltischen Lander Reclam Stuttgart 2018 S 331 Eesti ee offizielle Internetseite der Republik Estland Income tax Abgerufen am 11 Oktober 2018 englisch Thomas Kunze Thomas Vogel Das Ende des Imperiums Was aus den Staaten der Sowjetunion wurde 2 Auflage Ch Links Berlin 2015 S 104 Karsten Bruggemann Denkmaler des Grolls Estland und die Kriege des 20 Jahrhunderts in Osteuropa 6 2008 S 129 131 Kreml Jugend bekennt sich zu Attacke auf Estland Die Welt 11 Marz 2009 abgerufen am 8 Oktober 2018 Geschichte neuzeitlicher Staaten in Europa Geschichte Europas45 europaische Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Albanien Andorra Belarus Belgien Bosnien und Herzegowina Bulgarien Danemark Deutschland Estland Finnland Frankreich Griechenland Irland Island Italien Kasachstan Kroatien Lettland Liechtenstein Litauen Luxemburg Malta Moldau Monaco Montenegro Niederlande Nordmazedonien Norwegen Osterreich Polen Portugal Rumanien Russland San Marino Schweden Schweiz Serbien Slowakei Slowenien Spanien Tschechien Turkei Ukraine Ungarn Vereinigtes KonigreichEuropaisches Nichtmitglied der Vereinten Nationen VatikanstadtAbhangige Gebiete Alandinseln Faroer Gibraltar Guernsey Isle of Man JerseyUmstrittene Gebiete Kosovo TransnistrienGeschichte der Staaten von Afrika Asien Nordamerika Ozeanien Sudamerika Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte Estlands amp oldid 236642627