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Mit der sowjetischen Besetzung Estlands ab dem Sommer 1940 erreichte auch der stalinistische Terror das Land Wesentlicher Zug des Regimes war wie in anderen sowjetisch besetzten Gebieten auch die zwangsweise Umsiedlung von Bevolkerungsgruppen Hauptziele waren die Beseitigung tatsachlicher oder vermeintlicher Gegner des Regimes die Einschuchterung der Bevolkerung die Durchsetzung der Zwangskollektivierung sowie die Russifizierung der besetzten Gebiete Die Deportationen von grossen Teilen der estnischen Bevolkerung in die inneren Gebiete der Sowjetunion von 1940 bis zum Tode Stalins haben bis heute tiefe Spuren im historischen Gedachtnis Estlands hinterlassen Tallinner Sportler fordern spontan den Anschluss an die Sowjetunion Beginn der sowjetischen Besetzung Estlands Tallinn Freiheitsplatz 17 Juli 1940 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Besetzung Estland und sowjetischer Terror 3 Juni 1941 4 Juli 1941 5 Schicksal der Deportierten 6 Deutsche Besetzung 1941 1944 7 August 1945 8 Marz 1949 9 April 1951 10 Ruckkehr und Aufarbeitung 11 Literatur 12 Weblinks 13 AnmerkungenVorgeschichte BearbeitenIm Geheimen Zusatzprotokoll des deutsch sowjetischen Nichtangriffspakts vom 23 August 1939 legten Hitler und Stalin ihre Interessensspharen in Mitteleuropa fest und teilten den Kontinent untereinander auf Estland wurde ebenso wie Ostpolen Lettland Litauen und Finnland der Sowjetunion zugeschlagen Am 17 Juni 1940 besetzten die sowjetischen Truppen Estland Lettland und Litauen In Tallinn ubernahm der sowjetische Parteichef von Leningrad Andrei Schdanow de facto die Macht Die neuen stalinistischen Machthaber versuchten sofort ihre Herrschaft mit Zwangsmassnahmen zu festigen Die estnischen politischen Organisationen wurden verboten Vereine und Medien gleichgeschaltet und eine Marionettenregierung unter dem Kommunisten Johannes Vares eingesetzt Der sowjetische Terror richtete sich vor allem gegen die bisherige politische militarische wirtschaftliche und kulturelle Elite des Landes aber auch gegen nationale Minderheiten wie Juden und exilierte Russen die nach der Oktoberrevolution ins westliche Ausland geflohen waren Namenslisten von potenziell antisowjetischen Personen hatten die sowjetischen Sicherheitsorgane gemeinsam mit ihren ortlichen Helfershelfern bereits seit Anfang der 1930er Jahre erstellt Besetzung Estland und sowjetischer Terror BearbeitenBereits im Juni 1940 wurden die ersten Esten auf Grundlage dieser Listen festgenommen und Repressalien unterworfen Am 17 Juli 1940 wurde der Oberbefehlshaber der estnischen Streitkrafte Johan Laidoner gemeinsam mit seiner Frau nach Pensa ins Innere der Sowjetunion deportiert Am 30 Juli 1940 wurden der estnische Staatsprasident Konstantin Pats und seine Familie nach Ufa verschleppt Am 6 August 1940 wurde Estland Teil der Sowjetunion Bis Ende 1940 liessen die sowjetischen Machthaber mehr als 1 000 Esten verhaften bzw hinrichten Kurz danach begannen konkrete Vorbereitungen fur die geplanten Massendeportationen der fuhrenden Schichten Estlands Die sowjetischen Stellen hatten diese Methode bereits in der Ukraine und in Weissrussland angewandt Mit der streng geheimen Direktive des Zentralkomitees der KPdSU Nr 1299 526 vom 14 Mai 1941 wurden die Deportationen aus den baltischen Republiken der Ukraine Weissrussland sowie Moldawiens rechtlich angeordnet Juni 1941 BearbeitenIn der Nacht vom 13 auf den 14 Juni 1941 rollte in Estland Lettland Litauen der Bukowina und Bessarabien die erste sowjetische Massendeportation an Entsprechend vorgefertigter Listen verschleppten bewaffnete Verhaftungskommandos ohne Vorwarnung oder Anklage Menschen aus ihren Wohnungen In der Estnischen SSR waren 11 102 Personen zur Deportation vorgesehen ihnen wurde eine Stunde Zeit gegeben die notwendigste Habe zu packen In Lkws wurden sie zu Sammelstellen an Bahnhofen in Tallinn Kopli Paaskula Haapsalu Keila Tamsalu Narva Petseri Valga Tartu und Jogeva gebracht wo bereits 490 Viehwagons fur den Transport bereitstanden Die meisten Familien wurden an den Sammelstellen getrennt In Wagons mit der Aufschrift A wurden die erwachsenen Manner in Wagons mit der Aufschrift B Frauen und Kinder verladen wie es im Sowjetjargon hiess 1 Zwischen dem 14 und 17 Juni 1941 wurden laut den Aufzeichnungen des NKWD 9 156 Menschen ins Innere der Sowjetunion transportiert die genaue Zahl liegt wahrscheinlich jedoch hoher 2 Unter den Deportierten waren rund 7 000 Frauen Kinder oder altere Menschen ein Viertel der Verschleppten waren Kinder unter 16 Jahren 3 Uberdurchschnittlich stark betroffen waren die estnischen Juden von denen 400 deportiert wurden dies entspricht rund 10 der damaligen judischen Bevolkerung Estlands Juli 1941 BearbeitenVom 30 Juni bis 1 Juli 1941 fanden Deportationsaktionen auch auf den westestnischen Inseln statt Allein 654 Einwohner von Saaremaa fielen den Massnahmen zum Opfer Schicksal der Deportierten BearbeitenEnde 1941 wurden die in die sowjetischen Gefangenenlager deportierten Manner Untersuchungsausschussen vorgefuhrt Hunderte wurden dabei zum Tode verurteilt und erschossen Die meisten Frauen und Kinder wurden in die Oblast Kirow und die Oblast Nowosibirsk deportiert wo viele an Mangelernahrung Kalte und bei der Zwangsarbeit starben Nach estnischen Angaben kehrten nur 4 311 der Deportierten nach Estland zuruck Insgesamt betrug die Zahl der 1941 von den sowjetischen Behorden Deportierten aus Estland Lettland Litauen Polen und Bessarabien 95 000 Deutsche Besetzung 1941 1944 Bearbeiten1941 besetzte die deutsche Wehrmacht im Zuge des Krieges gegen die Sowjetunion das Baltikum Die deutschen Truppen errichteten dort ein Terrorregime gegen angebliche sowjetische Kollaborateure Gegner des deutschen Besatzungsregimes Juden Russen Roma und andere Gruppen August 1945 BearbeitenMit der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg brachte die Rote Armee 1944 erneut ganz Estland unter ihre Kontrolle und begann mit Vergeltungsmassnahmen sowie mit der Festigung ihrer Macht Am 15 August 1945 deportierten die sowjetischen Sicherheitsorgane 407 Menschen in die ASSR der Komi im Nordwesten Russlands die meisten von ihnen deutschbaltischer Abstammung 4 Marz 1949 Bearbeiten Hauptartikel Marzdeportationen 1949 im Baltikum 1946 wurde im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Estlands EKP erneut die Forderung laut kommunistische Regimegegner ausser Landes zu bringen Damit sollten auch die Kollektivierungen im Wirtschaftsleben gefestigt und das Kulakentum beseitigt werden Die geheimen Vorbereitungen fur die Aktion dauerten uber zwei Jahre Am 25 Marz 1949 durchzog dann eine neue Deportationswelle das Land Innerhalb weniger Tage wurden 20 722 Esten 5 etwa 3 der damaligen Bevolkerung uberraschend verhaftet und nach Sibirien deportiert Cheforganisator der grossen Deportationswelle von 1949 war wie 1941 der estnische Kommunist Boris Kumm 1897 1958 der bis 1950 die sowjetischen Sicherheitsbehorden in Estland dirigierte 6 Durch mangelhafte Vorbereitung und chaotische Durchfuhrung konnte etwa ein Drittel der auf den Deportationslisten aufgefuhrten Esten Ende Marz 1949 nicht verhaftet werden und zunachst untertauchen Um die Quote zu fullen EKP Parteivorsitzender Nikolai Karotamm wurden daher willkurlich andere Personen aufgegriffen und deportiert Die Mehrheit der Deportierten waren Frauen 49 4 und Kinder 29 8 Etwa 5 000 Esten wurden in die Region Krasnojarsk und die Oblast Omsk 7 gebracht auf der sich seit 1949 das Atomwaffentestgelande Semipalatinsk befand Zahlreiche Deportierte wurden dort verstrahlt oder brachten behinderte Kinder zur Welt April 1951 BearbeitenDie letzte Deportationswelle in der Estnischen SSR fand im April 1951 statt 353 estnische Zeugen Jehovas und ihre Familien wurden von den sowjetischen Sicherheitsorganen nach Sibirien deportiert Ruckkehr und Aufarbeitung Bearbeiten nbsp Denkmal in Paldiski fur die in den Jahren 1941 und 1949 DeportiertenErst Ende der 1950er Jahre konnten im Zuge der Entstalinisierung die Uberlebenden der Deportationen aus Sibirien nach Estland zuruckkehren Die meisten blieben dort weiterhin im Fadenkreuz der Sicherheitsbehorden Das in den 1940er Jahren beschlagnahmte Vermogen wurde nicht zuruckgegeben Die Deportierten wurden erst 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wiedererlangung der estnischen Unabhangigkeit rehabilitiert 1998 setzte der estnische Staatsprasident Lennart Meri selbst mit seinem Vater Georg Meri ein Uberlebender der Deportation von 1941 8 eine historische Kommission Estonian International Commission for the Investigation of Crimes against Humanity unter Leitung des finnischen Diplomaten Max Jakobson ein die Verbrechen gegen Menschlichkeit unter der sowjetischen und deutschen Besetzung Estlands untersuchen sollte Am 18 Februar 2002 erklarte das estnische Parlament Riigikogu Deportation zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit Der 14 Juni 1941 und der 25 Marz 1949 sind in Estland staatlich anerkannte Gedenktage der Erinnerung und der Trauer Literatur BearbeitenKristi Kukk Toivo Raun Hrsg Soviet Deportations in Estonia impact and legacy Articles and life histories PDF 2 3 MB Tartu 2007 Lauri Malksoo Soviet Genocide Communist Mass Deportations in the Baltic States and International Law In Leiden Journal of International Law Nr 14 2000 S 757 787 Weblinks BearbeitenSchlussfolgerungen der Estonian International Commission for the Investigation of Crimes against Humanity Mart Laar Deportation from Estonia in 1941 and 1949 PDF 227 kB Estnisches Okkupationsmuseum Okkupationsmuseum Estland Die Deportationen und Vertreibungen der Esten Letten und Litauer 1941 1949 60 Jahrestag Deportationen Baltischer Staatsburger Baltische Rundschau 25 Marz 2009 Anmerkungen Bearbeiten Mart Laar Eesti iseseisvus ja selle having I osa Tallinn 2000 S 178 Sulev Vahtre Hrsg Eesti Ajalugu VI Tartu 2005 S 177 Archivlink Memento vom 15 Oktober 2008 im Internet Archive Sulev Vahtre Hrsg Eesti Ajalugu VI Tartu 2005 S 276 Zigmantas Kiaupa Ain Maesalu Ago Pajur Guido Straube Geschichte des Baltikums Tallinn 2002 S 181 Mart Laar Eesti iseseisvus ja selle having I osa Tallinn 2000 S 165 Tonu Tannberg Ain Maesalu Mati Laur Ago Pajur History of Estonia Tallinn 2000 S 283 Lennart Meri schildert seine eigenen Erlebnisse in Andreas Oplatka Lennart Meri Ein Leben fur Estland Dialog mit dem Prasidenten Zurich 1999 S 68 114 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deportation aus Estland amp oldid 238122314