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Die Bezeichnung Stalinismus umfasst die Herrschaft Josef Stalins von 1927 bis 1953 in der Sowjetunion die von Stalin geschaffene theoretische und praktische Auspragung des Marxismus Leninismus die darauf aufbauende Form des Totalitarismus und einen mithilfe marxistischer Argumente begrundeten kritischen Begriff Sie wurde bereits vor Stalins Tod gepragt Josef Stalin um 1942Chruschtschows Stalin Kritik in seiner Geheimrede Uber den Personenkult und seine Folgen auf dem XX Parteitag der KPdSU 1956 forderte in der sogenannten Tauwetter Periode den Prozess der Entstalinisierung 1 der jedoch nach 1964 unter Leonid Breschnew teilweise wieder zuruckgenommen wurde Von vielen Analytikern wird der Stalinismus als Teil des Marxismus Leninismus verstanden Dies wird mit Verweis auf die Stalin Kritik nach 1956 in den kommunistischen und Arbeiterparteien der realsozialistischen Staaten angezweifelt da diese sich auch nach der Abkehr von Stalin zum Marxismus Leninismus bekannten Das zugehorige Adjektiv stalinistisch kann sich auch auf totalitare Regime und Ideologien beziehen die an die Herrschaft Stalins erinnern etwa in der Volksrepublik China Maoismus oder in Nordkorea Juche Ideologie 2 Inhaltsverzeichnis 1 Stalinismus als Bezeichnung fur die Herrschaft Josef Stalins 1 1 Die Stalinschen Sauberungen und der Grosse Terror 1 1 1 Grosser Terror 1 1 2 Nach 1938 1 2 Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft 1 3 Personenkult 1 4 Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit 2 Stalinismus als Theorie 3 Als stalinistisch bezeichnete Staaten und Regime 4 Marxistische Analysen des Stalinismus 5 Neostalinismus 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseStalinismus als Bezeichnung fur die Herrschaft Josef Stalins BearbeitenDurch Trotzkis Kritik an den politischen Verhaltnissen in der Sowjetunion und durch Veroffentlichungen dissidenter Kommunisten so beispielsweise Arthur Koestler wurde der Begriff Stalinismus im westlichen Ausland in der Sozialwissenschaft und in der Alltagssprache zum Synonym fur den ideologischen Dogmatismus und Totalitarismus der Machtpolitik Stalins und der KPdSU in der Kommunistischen Internationale Kontroversen gibt es daruber ob das politische System der nach 1945 entstandenen realsozialistischen Staaten als stalinistisch bezeichnet werden kann Nach Trotzki entstand unter Stalin eine neue privilegierte Schicht die gierig nach der Macht gierig nach den Gutern des Lebens Angst hat um ihre Positionen Angst vor den Massen und jegliche Opposition todlich hasst Nachdem sich Stalin 1926 27 mit Hilfe von Nikolai Bucharin der Linken Opposition mit Trotzki an der Spitze entledigt hatte stellte er danach auch die sogenannten Rechtsabweichler Rechte Opposition um Bucharin Alexei Rykow und Michail Tomski kalt Ausser Trotzki der 1940 in der Emigration einem Attentat des NKWD erlag wurden alle fuhrenden Kopfe sowohl der linken als auch der rechten Opposition in der Partei Opfer der Stalinschen Sauberungen Die Stalinschen Sauberungen und der Grosse Terror Bearbeiten nbsp Erste Seite einer Liste von 1940 mit den Namen von 346 zur Erschiessung vorgesehenen Personen Als Nummer 12 ist Isaak Babel genannt Stalin bestatigt die Liste mit einem dafur und seiner Unterschrift Die angenommene Verscharfung des Klassenkampfes wurde zur Legitimation der Stalinschen Sauberungen deren Opfer ermordet oder in die von der Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager GULag betriebenen sowjetischen Zwangsarbeitslager gebracht wurden Die Zahl der Opfer ist unbekannt die Schatzungen liegen innerhalb des einstelligen Millionenbereichs bis zu zehn Millionen Die Ermordung von Sergei Mironowitsch Kirow der als Stalins Gegenspieler galt lieferte den Vorwand fur die Politik der beruchtigten Sauberungen russisch Tschistki Etwa zwei Drittel derjenigen Parteigenossen die 1934 am Parteitag der Sieger als Delegierte teilgenommen hatten wurden teils in offentlichen Schauprozessen Moskauer Prozesse zum Tode verurteilt darunter auch der Grossteil der Funktionare und Minister Stalin allein entschied welche Minister und Funktionare oder auch ganze Stadte seiner Meinung nach nicht hinter seiner Politik standen und uberliess dem Chef der Geheimpolizei NKWD Nikolai Iwanowitsch Jeschow die Durchfuhrung seiner Instruktionen Grosser Terror Bearbeiten Wahrend der Zeit des Grossen Terrors liefen die Aktionen meist darauf hinaus dass die betreffenden Personen zumindest verhaftet und haufig erschossen wurden Die von der Geheimpolizei angewandten Straftatbestande wegen antisowjetischen Verhaltens trotzkistischer oder anderer Opposition gegen die KPdSU sowie einer Vielzahl anderer Verschworungstheorien galten allesamt als Verstosse gegen den Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR der die rechtliche Grundlage fur die Verfolgungen bildete Zwischen September 1936 und Dezember 1938 wurden schatzungsweise 1 5 Millionen Menschen umgebracht Von diesen Vorgangen betroffen waren auch die Arbeiten an der Marx Engels Gesamtausgabe der sogenannten MEGA1 die auf Grund der Verfolgungen schliesslich abgebrochen wurden Der Leiter des Marx Engels Instituts Dawid Borissowitsch Rjasanow wurde 1938 hingerichtet 3 Umstritten bleibt in der Forschung inwieweit die Verfolgungen von zum Teil treuen Anhangern einen rationalen Kern hatten oder ob man von reinen Wahnvorstellungen Stalins reden muss Das Ergebnis der Sauberungen war dass Stalin nach 1938 die absolute Macht in der Sowjetunion innehatte Nach 1938 Bearbeiten Nach dem Ende der Sauberungen und der Ersetzung Jeschows 1938 durch Lawrenti Beria wurden die willkurlichen Verhaftungen zwar nicht gestoppt die verhafteten Menschen wurden aber meist nicht hingerichtet sondern zu Haftzeiten in Straflagern verurteilt deren Dauer zehn und durch eine Gesetzesanderung im Jahr 1949 25 Jahre betrug 1950 bis 1951 kam es erneut zu Sauberungen Auch Geistliche Angehorige nichtrussischer Volker und zahlreiche vermeintliche und wirkliche politische Gegner wie Wurzellose Kosmopoliten d h Juden und Westler wurden inhaftiert und mitunter der Folter ausgesetzt wobei viele Unschuldige sich dem Vorwurf von Spionage oder konterrevolutionarer Tatigkeit ausgesetzt sahen Die Verhore in der Stalinzeit und teilweise auch noch danach waren gepragt von demutigenden Durchsuchungen Schlafentzug Prugel Hunger Durst und Einschuchterungen Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft Bearbeiten Stalin trieb die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft ab 1928 unnachgiebig voran Dabei brach er rucksichtslos den Widerstand der Bauern die er als Kulaken diffamierte Von 1929 bis 1933 gab es Repressionsmassnahmen zur sogenannten Entkulakisierung durch Verhaftungen Enteignungen Hinrichtungen und Verschleppungen Folge aber auch durchaus erwunschtes Hilfsmittel der Kollektivierung war eine riesige Hungersnot an der Wolga in der Ukraine und im ganzen Land Sie kostete mehrere Millionen Menschen das Leben jedoch sind genaue Opferzahlen nicht bekannt Einzelne Schatzungen geben bis zu 15 Millionen Tote an Die damalige Hungersnot in der Ukraine ist unter dem Begriff Holodomor bekannt geworden Personenkult Bearbeiten nbsp Walter Ulbricht bei der Verleihung des Namens Stalinstadt an die Wohnstadt des Eisenhuttenkombinats Ost 1953Der Personenkult um Stalin nahm in dieser Zeit immer grossere Ausmasse an Zu Lobpreisungs und Ergebenheitswerken in Literatur und bildender Kunst gesellte sich eine allgegenwartige offentliche Prasenz so wurden in fast allen Sowjetrepubliken und Ostblockstaaten einige Stadte in Stalingrad bzw Stalinstadt umbenannt daneben offentliche Gebaude Strassen Werke Sportstatten und anderes mehr Der Stalin Kult war allerdings nur als ein kunstliches wenn auch sicherlich wichtiges Anhangsel dem schon bestehendem leninistischen System hinzugefugt 4 Stalin hatte laut dem Soziologen Erhard Stolting ein kultisches Charisma inne das durch den stetig gesteigerten Personenkult auch durch Terror mental starker in der sowjetischen Gesellschaft der Stalinzeit verankert war denn es war ertraglicher tatsachlich an Verschworungen zu glauben als der politischen Fuhrung Verbrechen zu unterstellen Wichtige und ergebene Mitarbeiter Stalins waren u a Lazar Kaganowitsch der Volkskommissar fur innere Angelegenheiten und NKWD Chef Lawrenti Beria Trofim Lyssenko und Michail Kalinin Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit Bearbeiten nbsp Denkmal Den Opfern des Stalinismus Berlin Charlottenburg Steinplatz 2000 Im Jahre 1939 schloss Stalin einen Nichtangriffspakt mit Hitler den Hitler Stalin Pakt der auch ein Geheimabkommen zur Aufteilung Polens und Osteuropas zwischen den beiden Staaten enthielt Nach dem deutschen Uberfall auf Polen erfolgte am 17 September 1939 die sowjetische Besetzung Ostpolens und im Juni 1940 anderer Staaten die im Hitler Stalin Pakt der Sowjetunion zugesprochen worden waren das Baltikum und Bessarabien Rumanien bis zur Donau Dabei kam es zu Kriegsverbrechen wie der Ermordung von 20 000 gefangenen polnischen Offizieren beim Massaker von Katyn siehe auch Kriegsverbrechen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg Den Winterkrieg gegen Finnland 30 November 1939 bis 13 Marz 1940 gewann die Rote Armee Wahrend des Deutsch Sowjetischen Krieges den Hitler unter dem Vorwand eines Praventivschlages 5 begann war Stalin auch Oberbefehlshaber der Armee Ihm gelang es durch Appelle an den Patriotismus und die allgemeine Wut auf die deutsche Aggression grosse Teile der Bevolkerung zu mobilisieren Auch die Parole Mehr Angst von hinten als von vorn Rotarmisten die zuruckwichen wurden haufig liquidiert trug dazu bei Unter Stalins Fuhrung wurde die Industrialisierung der Sowjetunion Elektrifizierung und Aufbau einer Schwerindustrie der bis dahin agrarisch gepragten UdSSR vorangetrieben eine Voraussetzung fur den Sieg der Sowjetunion im Deutsch Sowjetischen Krieg Millionen Menschen ganze Volker und Volksgruppen wie die Krimtataren die Russlanddeutschen oder die Tschetschenen wurden in dieser Zeit als potentielle Kollaborateure zur Zwangsarbeit in die unwirtlichen Permafrostgebiete nach Sibirien deportiert wo viele zu Tode kamen Auch die Armenier waren von diesen Zwangsumsiedlungen betroffen Die baltischen Staaten verloren so etwa zehn Prozent ihrer Einwohner Siehe auch Arbeitsarmee Stalin liess ein System von Strafarbeitslagern aufbauen das unter dem Namen Gulag bekannt wurde Es umfasste Internierungs und Arbeitslager oder Besserungsanstalten fur politische Gefangene Paragraph 58 des Strafgesetzbuches ermoglichte es den Begriff des politischen Gefangenen sehr weit auszudehnen So war zum Beispiel das Stehlen von Apfeln aus einem Kolchosgarten konterrevolutionare Sabotage Die Anzahl der Gefangenen und Todesopfer des Lagersystems sind seit Offnung der russischen Archive und der Ubernahme des Parteiarchivs der KPdSU durch die Russische Foderation Gegenstand historischer Forschung und sehr umstritten Schatzungen zur Zahl der Gefangenen liegen zwischen 3 7 und 28 7 Millionen Wahrend der Zugang fur Forscher auf die Archive unter der Regierung von Boris Nikolajewitsch Jelzin zu zahlreichen Veroffentlichungen uber die Stalinzeit fuhrte wird er seitdem durch die Behorden restriktiver gehandhabt 6 Stalinismus als Theorie BearbeitenUrsprunglich bezeichnete der Begriff des Stalinismus in den 1920er Jahren in der Sowjetunion die Auffassungen der von Josef Stalin gefuhrten Mehrheit in der KPdSU Bolschewiki im Kampf um die politische und theoretische Nachfolge Lenins hauptsachlich in Auseinandersetzung mit dem Trotzkismus Damals ironisierte Stalin die Begriffsbildung noch Stalinismus sei eine besonders energische Verteidigung des Leninismus Anzumerken ist auch dass der Begriff Marxismus Leninismus auf Stalin und seine ideologische Pragung zuruckzufuhren ist Um Stalins 55 Geburtstag 1934 herum erhob ein Prawda Artikel von Karl Radek die Ideen und die Politik Stalins zu einer eigenstandigen Leistung und es setzte sich die Formel vom Marxismus Leninismus Stalinismus durch Ausdruck dessen war unter anderem dass ausgewahlte Reden und Schriften Stalins zuerst zusammen mit einigen Werken Lenins in Lenin Stalin Ausgewahlte Werke in einem Bande veroffentlicht wurden 1938 erschien sein vom Zentralkomitee der KPdSU herausgegebenes Schulungswerk Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Bolschewiki Kurzer Lehrgang und darin seine Schrift Uber Dialektischen und Historischen Materialismus die eine Weiterentwicklung des Leninismus darstellen sollte 1946 wurde sogar eine 16 bandige Gesamtausgabe der Werke Stalins vom Marx Engels Lenin Institut beim Zentralkomitee der KPdSU B herausgegeben 7 Eckpfeiler der stalinistischen Theorie waren die Entwicklung des Sozialismus in einem Land und die Verscharfung des Klassenkampfes je weiter die Entwicklung hin zum Sozialismus im Sowjetstaat voranschreite Der Widerstand der Klassenfeinde und Volksfeinde dagegen wurde deswegen immer erbitterter Die Verscharfung des Klassenkampfes wurde zur Legitimation von Repressionen und stalinistischen Sauberungen Seine Ideologie die nicht im Geringsten infrage gestellt werden durfte gilt heute als mechanische Rezeption des Gedankenguts von Marx Engels und Lenin Sie diente lediglich zur Rechtfertigung politischer Verfolgungen von sogenannten Renegaten d h Verratern der reinen Lehre Nach der Stalin Kritik auf dem XX Parteitag der KPdSU und der danach in den sozialistischen Landern und den kommunistischen Parteien einsetzenden Entstalinisierung wurde auch der theoretische Beitrag Stalins zum Marxismus Leninismus neu eingeschatzt Stalin wurde nicht mehr in einem Atemzuge mit Marx Engels und Lenin genannt auch das damals ubliche propagandistische Viererportrat wurde auf Marx Engels und Lenin reduziert Die chinesische kommunistische Partei hingegen berief sich weiterhin auf Stalin wobei Mao Zedong postulierte 70 des Gedankengutes und der Praxis Stalins insbesondere im Zweiten Weltkrieg seien gut gewesen 30 aber schadlich In Abgrenzung zur revisionistischen UdSSR erschienen Plakate auf denen als funftes Portrat dasjenige Mao Zedongs verbreitet wurde Unter westlichen Intellektuellen fand der Stalinismus nach dem Tod Stalins nur sehr wenige Anhanger wahrend zu Stalins Lebzeiten sich grosse Teile der Linken nicht vom Stalinismus distanziert hatten Nach der 68er Studentenbewegung bildeten sich in Westeuropa sogenannte K Gruppen kurzlebige Splittergruppen die sich teilweise auch auf Stalin beriefen 8 Armin Pfahl Traughber schrieb 2013 bei der Marxistisch Leninistischen Partei Deutschlands MLPD sei anders als selbst unter Linksextremisten orthodox kommunistischen Typs ein relativ offenes Bekenntnis zu Stalin auszumachen Laut MLPD Parteiprogramm seien die Lehren von Marx Engels Stalin und Mao Tsetung die entscheidende Grundlage fur den Kampf fur den Sozialismus 9 Als stalinistisch bezeichnete Staaten und Regime BearbeitenVolksrepublik China wahrend des Maoismus 1949 1976 Demokratische Volksrepublik Korea seit 1948 Deutsche Demokratische Republik 1949 1956 Sozialistische Volksrepublik Albanien 1948 1976 Demokratisches Kampuchea unter den Roten Khmer 1975 1979 Volksrepublik Polen unter Boleslaw Bierut 1947 1956 Volksrepublik Rumanien unter Gheorghe Gheorghiu Dej 1948 1965 Volksrepublik Ungarn unter Matyas Rakosi 1949 1953 56 Volksrepublik Bulgarien unter Georgi Dimitroff und Walko Tscherwenkow 1946 1956 Tschechoslowakische Republik Tschechoslowakische Sozialistische Republik unter Klement Gottwald und Antonin Novotny 1948 1968 Derg Demokratische Volksrepublik Athiopien unter Mengistu Haile Mariam 1974 1990 10 Mongolische Volksrepublik unter Chorloogiin Tschoibalsan 1936 1952Marxistische Analysen des Stalinismus BearbeitenLeo Kofler 1907 1995 ein undogmatischer marxistischer Philosoph wandte sich gegen den Stalinismus 1951 kurz nachdem er die DDR verlassen hatte erschien seine Broschure uber die Verfalschung der marxistischen Lehre durch die stalinistische Burokratie 1970 veroffentlichte er eine grossere Untersuchung Stalinismus und Burokratie Er interpretierte den Stalinismus als Kaderburokratie die auf der Grundlage einer nachgeholten ursprunglichen Akkumulation herrschte Er setzte sich mit Georg Lukacs auseinander und dessen Verurteilung durch die Stalinanhanger 11 Aus marxistischer Sicht grenzte sich der Soziologe und Volkswirt Werner Hofmann vom Stalinismus ab sein Werk Stalinismus und Antikommunismus Zur Soziologie der Verblendung erschien 1967 Jean Elleinsteins Buch Histoire du phenomene stalinien erschien 1975 kurz darauf schloss die franzosische KP ihn aus Das Buch erklart den Stalinismus aus der russischen und sowjetischen Geschichte heraus 12 Georg Lukacs der linke ungarische Philosoph und Literaturwissenschaftler nahm eine ambivalente Haltung gegenuber Stalin ein Lukacs schrieb 1968 drei Jahre vor seinem Tod Aus dem unvollkommen verstandenen Leninismus ist Stalinismus geworden Das Besondere und Neue in den Werken Stalins sei unter anderem die Prioritat der Taktik vor der Strategie und erst recht vor den Gesamtentwicklungstendenzen der Menschheit gewesen 13 S 93 Lukacs sah in Stalin den schlauen berechnenden uberlegenen Taktiker Dazu gehore aber auch dass er diesen Sieg uber Leo Trotzki und andere sogenannte Abweichler als den der richtigen Lehre Lenins uber deren Entstellungen darzustellen wusste Zum Wesen seiner Personlichkeit gehorte demnach dass er nach dem Sieg nicht mehr bloss als treuer Ausleger und Schuler Lenins offentlich fungieren wollte sondern allmahlich oft taktisch sehr geschickt Situationen zustande brachte in denen er bereits als der echte Nachfolger der allseitig uberlegenen Fuhrerpersonlichkeit seines grossen Vorgangers ins offentliche Bewusstsein trat Dabei sei er nicht mehr als ein sehr kluger Mensch und ein ausserst raffinierter Taktiker gewesen 13 S 85 Der marxistische Historiker Jurgen Kuczynski verwendete als Synonym des Stalinismus oft den Begriff Stalinzeit Er verstand darunter die Gesamtheit der geistigen und realen Geschehnisse wahrend der Stalinschen Herrschaft und zwar ausdrucklich sowohl die positiven wie auch die negativen Auswirkungen Die Verurteilung Stalins und die anschliessende Negierung Stalins lehnte er als Fortsetzung des Stalinismus ab Es sei nicht zu akzeptieren Stalin nicht mehr zu erwahnen nachdem er in Ungnade gefallen war Kuczynski sah zwei grosse Leistungen Stalins Er habe die Industrialisierung mit dem Aufbau einer Schwerindustrie im bauerlichen Russland realisiert Diese sei eine der Voraussetzungen des Sieges uber den NS Staat gewesen Ausserdem habe er das Vertrauen des sowjetischen Volkes besessen Die Verehrung seiner Person und seine Reden hatten dem Volk und den Soldaten moralische und Kampfeskraft gegeben postulierte Kuczynski Kritisch bemerkte er dass Stalin dieses Vertrauen missbraucht habe indem er seine Diktatur brutal durchsetzte Seine laut Kuczynski unzweifelhaft vorhandenen propagandistischen Fahigkeiten setzte Stalin ein um Dogmen zu etablieren und echten wissenschaftlichen Meinungsstreit abzutoten Personlich war Kuczynski in Stalins Sauberungen involviert als er Hermann Duncker die Nachricht von der Verhaftung dessen Sohnes Wolfgang 1909 1942 nicht nur uberbringen sondern ihn auch noch nach eigener Aussage uberzeugen musste dass die Sowjetjustiz auch hier keine Fehler mache 14 Seiner Darstellung zufolge hat er darunter gelitten wider besseres Wissen die Fehlerlosigkeit der Politik Stalins zu unterstreichen Diese apologetische Haltung haben zu Stalins Lebzeiten zahlreiche damalige Kommunisten und teilweise auch linke Intellektuelle eingenommen Nach Franz Marek fuhrte der Burgerkrieg Krieg gegen intervenierende Machte und wirtschaftliches Chaos zu einer Militarisierung der Partei und waren Voraussetzung des Stalinisierung 15 In der Sowjetunion und den mit ihr verbundenen Ostblock Staaten unter Fuhrung der jeweiligen kommunistischen Parteien wurde die Kritik des Stalinismus nach dem XX Parteitag der KPdSU 1956 lange Zeit als Ablehnung des Personenkultes um Stalin verstanden Nach der teilweisen Rehabilitierung Stalins unter Breschnew Neostalinismus wurde nur der Personenkult kritisch propagiert um vom totalitaren Charakter des Stalinismus abzulenken Erst in den 1970er Jahren und nach 1989 verurteilten die euro und postkommunistischen Parteien den Stalinismus in seiner Auspragung als System Heutzutage werden Stalin und der Stalinismus am entschiedensten von maoistischen Gruppierungen verteidigt 16 Neostalinismus Bearbeiten Hauptartikel Neostalinismus Als Neostalinismus werden totalitare realsozialistische Staatsformen die nach dem Tode Josef Stalins dessen Politik meist in einer modifizierten weniger extremen Form fortgefuhrt beziehungsweise wieder aufgegriffen haben bezeichnet 17 18 Hierbei ist die Verwendung des Begriffes nicht ganz einheitlich Gelegentlich wird er fur fast alle totalitaren sozialistischen Regierungen nach dem Tode Stalins 19 verwendet meist aber wird die Zeit der Regierung Nikita Chruschtschow aufgrund ihrer 1956 begonnenen Entstalinisierung und der mit ihr verbundenen Tauwetter Periode davon ausgeschlossen In diesem Fall bezeichnet Neostalinismus dann insbesondere das von Leonid Breschnew gepragte politische System der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten in der Zeit von 1964 bis 1985 20 21 Im offiziellen Sprachgebrauch der betroffenen sozialistischen Regierungen wurde diese Zeit des Neostalinismus als Normalisierung bezeichnet 22 Siehe auch BearbeitenMaoismus NationalbolschewismusLiteratur BearbeitenAnton Antonow Owssejenko Stalin Portrat einer Tyrannei Piper Munchen Zurich 1983 ISBN 3 492 02760 1 Balazs Apor Jan C Behrends u a Hrsg The Leader Cult in Communist Dictatorships Stalin and the Eastern Bloc Palgrave New York 2004 ISBN 1 4039 3443 6 Jorg Baberowski Der rote Terror Die Geschichte des Stalinismus DVA Munchen 2003 ISBN 3 421 05486 X Jorg Baberowski Verbrannte Erde Stalins Herrschaft der Gewalt Beck Munchen 2012 ISBN 978 3 406 63254 9 Isaac Deutscher Stalin Eine politische Biographie Stuttgart 1962 Original Stalin a Political Biography 1949 vollstandige um ein Kapitel erweiterte Neuausgabe 2 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Russland Fanfare Alter Litvin John Keep Stalinism Russian and Western Views at the Turn of the Millennium Routledge Abingdon 2005 ISBN 0 415 35108 1 S 3 J Stalin Werke Band 1 Dietz Verlag Berlin 1950 Vorwort zur deutschen Ausgabe S V Andreas Kuhn Stalins Enkel Maos Sohne Die Lebenswelt der K Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre Campus Verlag Frankfurt New York 2005 ISBN 3 593 37865 5 Armin Pfahl Traughber Die Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands www bpb 9 Marz 2013 https link springer com chapter 10 1007 978 3 658 35497 8 6 noAccess true Leo Kofler Marxistischer oder stalinistischer Marxismus Eine Betrachtung uber die Verfalschung der marxistischen Lehre durch die stalinistische Burokratie Verlag fur Publizistik Koln 1951 ders Der Fall Lukacs Georg Lukacs und der Stalinismus 1952 Stalinismus und Burokratie Neuwied Luchterhand 1970 Deutsche Ubersetzung VSA Berlin 1977 weitere Auflagen u a 1985 ISBN 978 3 87975 102 0 a b Georg Lukacs Demokratisierung heute und morgen 1968 Budapest 1985 Jurgen Kuczynski Dialog mit meinem Urenkel Neunzehn Briefe und ein Tagebuch Aufbau Verlag Berlin Weimar 1983 8 Auflage 1987 S 77 81 ISBN 3 351 00182 7 Franz Marek Von Lenin zu Stalin Stalinismus In Wiener Tagebuch Januar 1975 S 19 21 Uwe Backes Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten Elemente einer normativen Rahmentheorie Springer Wiesbaden 2013 S 141 f als Beispiel siehe Ludo Martens Stalin anders betrachtet EPO vzw Berchem 1998 online Peter Davies Derek Lynch The Routledge Companion to Fascism and the Far Right Routledge London u a 2002 ISBN 0 415 21494 7 S 345 Der russische Historiker Roi Medwedew beschrieb den Neostalinismus in der Sowjetunion wie folgt Es ist nicht so sehr eine wirklich positive Sicht auf Stalin die fur die Neostalinisten charakteristisch ist sondern der Wunsch in Partei und Regierung wieder eine starke und strenge Fuhrung zu besitzen Sie wollen die Ruckkehr des administrativen Terrors der Stalinregierung jedoch unter Vermeidung seiner schlimmsten Exzesse Die Neostalinisten kampfen nicht fur einen Ausbau der sozialistischen Demokratie sondern fur ihre Verringerung Sie stehen fur eine striktere Zensur und die Sauberung der Sozialwissenschaften Literatur und Kunst und die Starkung des burokratischen Zentralismus in allen Bereichen des offentlichen Lebens Ubersetzt und zitiert nach Ferdinand Joseph Maria Feldbrugge Samizdat and Political Dissent in the Soviet Union Sijthoff Leyden 1975 ISBN 90 286 0175 9 S 30 f Hannah Arendt konstatiert in ihrem Buch Elemente und Ursprunge totaler Herrschaft nach Stalins Tod einen Abbau totaler Herrschaft und vertritt die These die Sowjetunion konne seitdem im strengen Sinn nicht mehr totalitar genannt werden Hannah Arendt Elemente und Ursprunge totaler Herrschaft Antisemitismus Imperialismus totale Herrschaft Piper Munchen Zurich 5 Auflage 1996 ISBN 3 492 21032 5 S 632 650 Alexander Dubcek Der Beginn der Regierung Breschnew lautete den Anfang des Neostalinismus ein und die Massnahmen gegen die Tschechoslowakei von 1968 waren der letzte Konsolidierungschritt der neostalinistischen Krafte in der Sowjetunion Polen Ungarn und anderen Landern In Jaromir Navratil Hrsg The Prague Spring 1968 A National Security Archive documents reader Central European University Press Budapest 1998 ISBN 963 9116 15 7 S 300 307 Online Kopie des Interviews mit Dubcek engl Ubersetzung Memento vom 14 Marz 2007 im Internet Archive Robert Vincent Daniels Zwischen 1985 und 1989 suchte Gorbatschow nach einer Abschaffung des Neostalinismus und die Bewegung von intellektuellen Dissidenten deren unabhangiger Geister sich wahrend der Tauwetter Periode in grossem Umfang entfalteten und die sich auch im nachfolgenden Neostalinismus nicht mehr vollstandig unterdrucken liessen In Robert V Daniels The End of the Communist Revolution 1993 S 34 und 72 Jozef Zatkuliak Slovakia in the Period of Normalization and Expectation of Changes 1969 1989 PDF 356 kB In Sociologia Slovak Sociological Review Bd 30 Nr 3 1998 S 251 268 Normdaten Sachbegriff GND 4056883 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stalinismus amp oldid 235255786