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Der XX Parteitag der KPdSU 20 Parteitag der KPdSU vom 14 bis zum 25 Februar 1956 in Moskau war ein Wendepunkt in der Geschichte der Sowjetunion Es war der erste nationale KPdSU Parteitag nach dem Tod des Diktators Josef Stalin am 5 Marz 1953 Dessen Nachfolger Nikita Chruschtschow machte dort mit einer funfstundigen Geheimrede einige von Stalins Verbrechen vor allem die Sauberungen der 1930er Jahre an kommunistischen Parteimitgliedern bekannt und verurteilte sie Er wollte die KPdSU so auf eine Entstalinisierung vorbereiten und Handlungsspielraum fur eine vorsichtige Reformpolitik gewinnen Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Verlauf des Parteitags 3 Veroffentlichung 4 Wirkungen 5 Einstellung der Dampflokomotivproduktion 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelbelegeVorgeschichte BearbeitenDie Bevolkerung der Sowjetunion hatte Vaterchen Stalin als den Sieger im Grossen Vaterlandischen Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland stark verehrt Zugleich war im ganzen Ostblock seit Stalins Tod Unruhe in den mit der KPdSU verbundeten Parteien eingetreten Sie erhofften sich nun vielfach mehr Unabhangigkeit und Eigenstandigkeit Vor allem der gewaltsam niedergeschlagene Aufstand des 17 Juni 1953 hatte dem Politburo die Notwendigkeit von Reformen deutlich gemacht um der Gefahr einer revolutionaren Absetzbewegung in den Satellitenstaaten der Sowjetunion zu begegnen Mit seiner Rede verfolgte Chruschtschow zwei Hauptabsichten Er wollte innenpolitisch die KPdSU mit Stalins Verbrechen konfrontieren um so eine Reformpolitik einleiten zu konnen und aussenpolitisch als Uberwinder des Stalinismus erscheinen um die Ostblockstaaten umso starker an Moskau zu binden und die Akzeptanz ihrer Parteifuhrungen und Bevolkerungen dafur zu gewinnen Dabei setzte er gemass der seit Lenins Fraktionsverbot eingeleiteten strukturellen Festschreibung des Demokratischen Zentralismus auf eine Parteireform durch eine vom Politburo gesteuerte Parteidiskussion ohne wirkliche Meinungsfreiheit In monatelangen streng geheimen Vorbereitungen hatte Chruschtschow das KGB angewiesen Dokumente uber Stalins Verbrechen zu sammeln und daruber Berichte anzufertigen Dabei achtete er sorgfaltig darauf dass seine eigene Verstrickung in den Stalinismus vertuscht wurde denn er war bis zu Stalins Tod dessen treuer Gefolgsmann gewesen und verdankte dieser Haltung seinen Aufstieg in der KPdSU Er selbst hatte dabei Parteigenossen denunziert und so dem Gulag ausgeliefert Chruschtschow hatte nur die engsten Vertrauten in seinen Plan eingeweiht und setzte bewusst auf eine Schocktherapie fur die Delegierten Erst nach langeren Diskussionen konnte er im Politburo durchsetzen dass die schon langer vorliegenden Ergebnisse einer Untersuchung der Stalinschen Verbrechen den Delegierten dargestellt werden durften Nach seiner Auffassung war nur durch Abwendung vom Personenkult um Stalin eine politische und soziale Weiterentwicklung des Landes moglich Verlauf des Parteitags BearbeitenGemass seinem Plan eroffnete Chruschtschow den Parteitag mit einer Rede die Stalins Verdienste fur die Sowjetunion hervorhob und die Kontinuitat der jetzigen Politik mit seinen Zielen betonte Am 18 Februar liess er seinen Agrarminister in einer kritischen Rede uber Stalins Personenkult die Stimmung der Delegierten testen Diese reagierten erwartungsgemass negativ auf die moderate und formale Kritik ahnten nun aber dass eine Kursanderung im Politburo geplant sein musste Am 25 Februar dem Tag vor dem Abschluss des Parteitags ab 10 00 Uhr vormittags hielt Chruschtschow dann seine lange vorbereitete Geheimrede Uber den Personenkult und seine Folgen hinter verschlossenen Turen Alle Journalisten und Gaste die nicht der Partei angehorten waren ausgeschlossen und alle Aufzeichnungen auch die sonst ublichen Tonbandaufnahmen streng verboten Er belehrte die Parteimitglieder daruber dass Stalin mit seinem ideologischen Kurs schwere Irrtumer begangen habe Er berichtete ihnen uber die Massenmorde der 1930er Jahre an Kommunisten der ersten Generation die die Oktoberrevolution mitgetragen hatten Er kundigte an eine Liste stalinscher Verbrechen zu veroffentlichen die bisher von der Sowjetunion geleugnet worden waren Von den Arbeitslagern und den weitaus grosseren Massenmorden im Verlauf der Zwangskollektivierung an russischen Bauern und orthodoxen Priestern schwieg er jedoch ebenso wie von Verbrechen der Roten Armee wahrend des Zweiten Weltkriegs und danach Er legte besonderen Wert darauf dass die Kritik allein auf Stalin und nicht auf das sowjetische System bezogen wurde Seine Rede legte trotz der ihm bekannten vorbereitenden Archivstudien des KGB nahe die Hauptstossrichtung der stalinistischen Verbrechen habe sich gegen die Eliten in Partei Wirtschaft und Armee gerichtet In Bezug auf die Opferzahlen waren die so genannten Massenoperationen jedoch um ein Mehrfaches bedeutender Sie richteten sich gegen Angehorige sozialer Gruppen die als Risikofaktoren als fremde Volksfeinde galten Hunderttausende dieser Personen wurden entweder erschossen in der Haft umgebracht oder in die Lager des Gulag eingewiesen Zuhorer berichteten nach 1989 das Publikum habe die Rede in volligem Schweigen und mit lahmendem Entsetzen aufgenommen Niemand habe gewagt seinen Nachbarn anzublicken Es habe keine Aussprache gegeben Jede mundliche oder schriftliche Weitergabe des Gehorten wurde den Delegierten untersagt Veroffentlichung BearbeitenAm 5 Marz entschied Chruschtschow da die Rede allmahlich durchsickerte ihre wesentlichen Inhalte schriftlich allen sowjetischen Parteimitgliedern zuganglich zu machen 18 Millionen Sowjetburger erfuhren erstmals dass ihr Idol ein Massenmorder gewesen war Dies loste bei vielen einen tiefen Schock und auch Misstrauen gegen Chruschtschow aus Dieser hatte sogar mit einem Putsch zu seiner Absetzung gerechnet Die westlichen Regierungen hatten nur vage Geruchte uber die Geheimrede gehort und bemuhten sich uber ihre Geheimdienste intensiv den vollen Wortlaut zu erhalten Dazu wurden Geruchte uber eine Belohnung von einer Million Dollar ausgestreut Der polnische Journalist Wiktor Grajewski der mit einer der Sekretarinnen von Edward Ochab dem neuen Chef der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR befreundet war erhielt von ihr das Originalmanuskript fur einige Stunden und leitete eine unvollstandige Kopie davon der israelischen Botschaft in Warschau zu Der Mossad gab die Information an die CIA weiter Nachdem diese den Redetext gepruft und als authentisch erkannt hatte gab sie den Erhalt als ihren eigenen Erfolg aus und zahlte keine Belohnung aus Nur der Mossad dankte Grajewski 30 Jahre spater mit einer Urkunde Im damaligen Stadium des Kalten Krieges versuchte die US Regierung dann aus ihrer Kenntnis moglichst grosse Vorteile zu ziehen Man beriet ob man den erhaltenen Text ganz oder nur teilweise mit bewusst manipulativen Auszugen veroffentlichen solle um die osteuropaischen Kommunisten zu verunsichern und die sowjetische Fuhrung zu destabilisieren US Prasident Dwight D Eisenhower entschied sich fur eine volle Bekanntgabe Diese erfolgte zuerst in der New York Times dann von westlichen Sendern aus auch in den Ostblock darunter dem Sender Freies Berlin am 21 Juni 1956 Obwohl der komplette Text erst 1989 veroffentlicht wurde hatte die Bekanntmachung 1956 gravierende Folgen vor allem fur Polen und Ungarn Wirkungen BearbeitenDie von Chruschtschow selbst veroffentlichten Redeinhalte leiteten in der Sowjetunion zunachst eine Teilamnestie fur unter Stalin als Zwangsarbeiter inhaftierte ehemalige KPdSU Mitglieder ein Sie wurden entlassen mit der strengen Auflage des KGB nichts uber ihre Erlebnisse zu berichten Viele von den traumatisierten Haftlingen der Gulags die sich vergeblich eine neue Zuwendung und Offenheit erhofft hatten erhielten keine staatliche Unterstutzung und fanden nicht ins gesellschaftliche Leben zuruck Vielen Parteikommunisten wiederum galt der 20 Parteitag als Beginn eines Revisionismus also einer Abkehr von den Grundprinzipien des Marxismus Leninismus und damit als Beginn des allmahlichen Zerfalls des Realsozialismus In den Ostblockstaaten kam es nach der Bekanntmachung der Rede durch westliche Radiosender zunachst zur sogenannten Tauwetter Periode Die Reformflugel der Kommunistischen Ostblockparteien sahen sich ermutigt ihre Vorstellungen offener zu vertreten In der DDR distanzierte sich auch Walter Ulbricht nach seiner Ruckkehr aus Moskau im Marz 1956 von Stalin Im Neuen Deutschland erklarte er am 4 Marz Zu den Klassikern des Marxismus kann man Stalin nicht rechnen 1 Er betonte nun die SED brauche keine Entstalinisierung da ihre Mitglieder ohnehin keine Stalinisten seien Obwohl Ulbricht in der DDR und in Moskau unbeliebt war stutzte Chruschtschow ihn weiter da er bei einer Destabilisierung der Parteifuhrung einen erneuten Volksaufstand wie den vom 17 Juni 1953 furchtete Trotzdem diskutierte man in der SED intern uber die Bedeutung der Rede fur ihren Kurs Fur jungere Parteimitglieder wie Gustav Just die nach 1945 durch die stalinistische Form der Entnazifizierung Kommunisten geworden waren bedeutete dies eine erneute Identitatskrise Nach Hitler sei ein weiterer falscher Gotze entthront worden Weitergehende Reformbewegungen wie die der Gruppe Harich wurden zerschlagen die Beteiligten zu langjahrigen Zuchthausstrafen verurteilt 2 Der polnische Parteichef Boleslaw Bierut erlitt nach der Parteitagsrede Chruschtschows einen Herzinfarkt Am 12 Marz 1956 starb er in einem Moskauer Sanatorium Die neue Parteifuhrung in Warschau unter Edward Ochab verordnete Preiserhohungen und Lohnkurzungen Nach Streiks und Arbeiterversammlungen kam es im Juni zum Posener Aufstand Zehntausende Demonstranten versammelten sich im Zentrum der Stadt skandierten Nieder mit den Russen Freiheit und Brot und marschierten dann zum Gebaude der Geheimpolizei UB Dort warfen einige Molotowcocktails auf das Gebaude und versuchten es in Brand zu setzen Daraufhin liess die Warschauer Regierung Panzer auffahren und die Revolte niederschlagen Es gab um die 90 Tote und 900 Verletzte Als Radelsfuhrer angesehene Beteiligte wurden danach in Schauprozessen verurteilt Dadurch wuchs die antisowjetische Stimmung in der Bevolkerung enorm Am 21 Oktober wurde Wladyslaw Gomulka der ehemalige Parteichef der als innerparteilicher Gegner vier Jahre inhaftiert war erneut zum Parteichef gewahlt Gomulka hielt drei Tage spater vor mehreren Hunderttausend Menschen im Zentrum Warschaus eine Rede in der er Reformen und einen polnischen Weg zum Sozialismus versprach Gomulka fuhr vom 16 bis 18 November nach Moskau und erreichte dass mehrere Zehntausend Polen aus der Verbannung in Kasachstan und Sibirien zuruckkehren konnten Der sowjetische Marschall Konstantin Rokossowski der Polens Verteidigungsminister war sowie zahlreiche sowjetische Stabsoffiziere die Schlusselpositionen in den polnischen Streitkraften einnahmen wurden nach Moskau zuruckbeordert Die Industriestadt Stalinogrod bekam wieder ihren alten Namen Katowice Die Bauern mussten nicht mehr den Kollektivgenossenschaften beitreten bestehende Genossenschaften wurden oft aufgelost Tausende politischer Haftlinge wurden gerichtlich rehabilitiert Am 23 Oktober sammelten sich in Budapest zehntausende Studenten die von dem polnischen Triumph gehort hatten am Stalindenkmal sturzten dieses um und zerschlugen es Damit brach sich anders als in Polen ein Hass auf die eigene kommunistische Regierung Bahn Ungarn hatte lange unter einem stalinistischen Regime gelitten Dieses forderte nun sowjetische Hilfe an Am 24 Oktober erreichten die russischen Panzer Budapest konnten die Situation aber nicht beruhigen Der Reformkommunist Imre Nagy der die Sympathien der Bevolkerung genoss erreichte jedoch am 30 Oktober den Abzug der Panzer Bei den Siegesfeiern kam es zu Ausschreitungen gegen die ungarischen Stasimitglieder zu Menschenjagd und Lynchjustiz Nachdem Nagy den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt verkundet hatte liess Chruschtschow die Rote Armee am 4 November erneut einmarschieren um ein Auseinanderbrechen des Ostblocks zu verhindern Bis zum 15 November dauerten die Kampfe bei denen 5 000 Menschen ihr Leben verloren siehe Ungarischer Volksaufstand Mit der Verhaftung von 60 000 Ungarn der Deportation der gesamten ungarischen Regierung geheimen Schauprozessen und Todesurteilen gegen Nagy u a kehrte Chruschtschow zu den stalinistischen Herrschaftsmethoden zuruck Damit war sein Entstalinisierungsversuch praktisch beendet Einstellung der Dampflokomotivproduktion Bearbeiten nbsp Die letzte sowjetische PersonenzugdampflokomotiveDie zweite historisch bedeutsame Entscheidung des Parteitags war die Einstellung der Produktion von Dampflokomotiven Der 20 Parteitag befasste sich mit einem Vermerk mehrerer bedeutender Fachleute darunter Michail Schtschukin Leiter der technischen Abteilung des Ministeriums fur Schwermaschinenbau uber die Zweckmassigkeit des Ersatzes von Dampflokomotiven durch moderne Lokomotivtypen Infolgedessen wurde beschlossen auf den sowjetischen Eisenbahnen mit der Masseneinfuhrung von Diesel und Elektrolokomotiven zu beginnen und den Bau von Dampflokomotiven einzustellen Im selben Jahr produzierten die grossten Dampflokomotivwerke der UdSSR Kolomna und Woroschilowgrad ihre letzten Dampflokomotiven die Personenzuglokomotive P36 251 bzw die Guterlokomotive LW 522 Stattdessen stellten diese Werke auf die Produktion von TE3 Diesellokomotiven um 3 Kurz nach dem Parteitag beschloss der Ministerrat der UdSSR ausserdem den Bau von Dampfschiffen und die Produktion von Dampfmaschinen fur die Volkswirtschaft einzustellen Die Ara des Dampfantriebs in der UdSSR neigte sich dem Ende zu Literatur BearbeitenBund Verlag Hrsg Chruschtschow rechnet mit Stalin ab Wortlaut der Rede von Chruschtschow auf der Geheimsitzung des XX Moskauer Parteitages am 25 Februar 1956 Bund Verlag Frankfurt a M o J 1956 Jan Foitzik Die parteiinterne Behandlung der Geheimrede Chruschtschows auf dem XX Parteitag der KPdSU durch die SED die PVAP und die KPTsch In Inge Kircheisen Hrsg Tauwetter ohne Fruhling Das Jahr 1956 im Spiegel blockinterner Wandlungen und internationaler Krisen Berlin 1995 S 60 83 Karl Heinz Grafe Chruschtschows Geheimrede auf dem XX Parteitag der KPdSU 1956 Mit Anmerkungen zu linkem Selbstverstandnis Stalinismus Macht und den Anforderungen der Gegenwart von Stefan Bollinger Reihe Pankower Vortrage Heft 199 Helle Panke e V Berlin 2016 Wladislaw Hedeler Das Referat Nikita Chruscevs Uber den Personenkult und seine Folgen auf dem 20 Parteitag der KPdSU 1956 und seine Vorgeschichte Betrachtungen im Lichte neuer Quellen In Jahrbuch fur Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung Heft I 2006 Siegfried Prokop Zwischen Tauwetter Fruhling und Frost die DDR in den Monaten nach dem XX Parteitag der KPdSU In Jahrbuch fur Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung Heft II 2006 Weblinks BearbeitenKompletter Text der Geheimrede Chruschtschows Radiobeitrag des Deutschlandfunks zur GeheimredeEinzelbelege Bearbeiten Schroeder Klaus Der SED Staat Geschichte und Strukturen der DDR Munchen 1998 S 133 Zu den Auswirkungen des Parteitages auf die DDR vgl Siegfried Prokop Zwischen Tauwetter Fruhling und Frost die DDR in den Monaten nach dem XX Parteitag der KPdSU in Jahrbuch fur Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung Heft II 2006 V A Rakov Lokomotivy otechestvennyh zheleznyh dorog 1856 1975 Transport Moskau 1999 ISBN 5 277 02012 8 S 9 10 russisch V DParteitage der SDAPR KPR B WKP B und KPdSUSozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands SDAPR I 1898 II 1903 III 1905 IV 1906 V 1907 VI 1917 Kommunistische Partei Russlands Bolschewiki KPR B VII 1918 VIII 1919 IX 1920 X 1921 XI 1922 XII 1923 XIII 1924 Kommunistische Allunions Partei Bolschewiki WKP B XIV 1925 XV 1927 XVI 1930 XVII 1934 XVIII 1939 Kommunistische Partei der Sowjetunion KPdSU XIX 1952 XX 1956 XXI 1959 XXII 1961 XXIII 1966 XXIV 1971 XXV 1976 XXVI 1981 XXVII 1986 XXVIII 1990 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title XX Parteitag der KPdSU amp oldid 232147896