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Der Trotzkismus ist eine von Leo Trotzki ausgehende Richtung des Marxismus sowie ein politischer Kampfbegriff den Josef Stalin zur Diffamierung und Verfolgung politischer Gegner verwendete Trotzki und seine zeitgenossischen Anhanger praferierten die Selbstbezeichnung Bolschewisten Leninisten und Bolschewismus Leninismus fur ihre politische Einstellung Eine zentrale Praxis des Trotzkismus ist der Entrismus Leo Trotzki um 1929 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalte 2 Geschichte 3 Organisationen und Parteien 3 1 Im deutschsprachigen Raum 3 2 International 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseInhalte BearbeitenDer Trotzkismus weicht insbesondere von der durch Josef Stalin vorgegebenen Linie des orthodoxen Marxismus Leninismus hinsichtlich der Revolutionstheorie und der Parteilehre ab Wesentlicher Bestandteil ist die Theorie der Permanenten Revolution das heisst die sozialistische Revolution als weltweiter standiger Prozess unter Fuhrung von Arbeiterraten Nach eigenem Verstandnis vertrat Trotzki die ursprunglichen international ausgerichteten leninschen Lehren der russischen Oktoberrevolution im Gegensatz zur spateren Umdeutung durch den Stalinismus Sozialismus in einem Land Er definierte den Begriff in den 1920er Jahren als die richtige Anwendung des Marxismus auf die neue Etappe in der Entwicklung der Oktoberrevolution und unserer Partei 1 Im Gegensatz zu der von Stalin vertretenen These vom moglichen Sozialismus in einem Land stand Leo Trotzki fur einen konsequenten Internationalismus Nach seiner Theorie der permanenten Revolution kann der Sozialismus als Ubergangsgesellschaft zum Kommunismus nur auf internationaler Ebene funktionieren weswegen die ganze Welt durch eine Revolution vom Kapitalismus befreit werden musse Ausgangspunkt fur den Trotzkismus ist aber vor allem auch die von Trotzki 1936 verfasste Studie Verratene Revolution Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie Darin arbeitete er eine Analyse der Burokratisierung der haufig als degenerierte Arbeiterstaaten bezeichneten Lander aus in denen eine proletarische Revolution stattgefunden hatte Trotzkisten verstehen sich wie viele andere marxistische Stromungen auch als Vertreter des Leninismus Eine unter anderem von trotzkistischen Bewegungen verwendete Methode ist jene des Entrismus der offenen oder verdeckten Mitarbeit in Parteien und Organisationen Ziel kann dabei sein die eigene Ideologie zu verbreiten Mitglieder zu gewinnen den Kurs der Organisation zu verandern in Zeiten der Marginalisierung beziehungsweise des Verbots revolutionarer Organisationen nicht vollstandig vom politischen Geschehen isoliert zu sein oder eine legale politische Arbeitsmoglichkeit zu haben Trotzkismus als politischer Begriff wurde vor 1917 in erster Linie innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands zur Charakterisierung von Trotzkis Auffassungen verwendet Bei Stalin fungierte der Begriff nach 1923 als Modellfall fur samtliche Formen der Linksopposition in der kommunistischen Bewegung bzw der Sowjetunion 2 um dann schliesslich ab Mitte der 1930er Jahre hauptsachlich in der politischen Auseinandersetzung mit der sogenannten Linken Opposition innerhalb der III Internationalen als Kampf und Propagandabegriff verwendet zu werden Abweichler von der Parteilinie der KPdSU wurden oft als Trotzkisten bezeichnet so zum Beispiel in den Moskauer Prozessen 1936 bis 1938 in denen unter anderem ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees verurteilt wurden Leo Trotzki und seine Anhangerschaft bezeichneten sich selbst jedoch als Bolschewisten Leninisten um ihre Verbundenheit mit der bolschewistischen Ideologie unter Lenin zu betonen 3 Geschichte BearbeitenDer Begriff Trotzkismus bezieht sich auf den kommunistischen Revolutionar Leo Trotzki Mitglied des Zentralkomitees der Russischen Revolution nach dem Sturz der burgerlichen Regierung Kerenski Volkskommissar des Ausseren Aussenminister und Kriegskommissar Kriegsminister im Burgerkrieg auf der Seite der Bolschewiki Laut Trotzki selbst ist der Ursprung des Terminus Trotzkismus jedoch schon fruher zu datieren so wurde er erstmals 1905 vom damaligen russischen Aussenminister Milkujow benutzt 4 Nach dem Tod Lenins entwickelten sich ideologische Auseinandersetzungen zwischen der Linken Opposition um Trotzki und den Anhangern des Stalinismus uber den zukunftigen Weg In diesem Zusammenhang wurde der Begriff Trotzkismus vom herrschenden Triumvirat Stalin Sinowjew und Kamenew zur Bekampfung der politischen Gegner angewandt Karl Radek gab dazu 1927 das Zeugnis ab Ich war bei dem Gesprach mit Kamenew anwesend wo L B gemeint ist Kamenew sagte dass er vor dem Plenum des ZK offen erklaren wurde wie sie das heisst Kamenew und Sinowjew sich zusammen mit Stalin entschieden die alten Uneinigkeiten zwischen L D gemeint ist Trotzki und Lenin zu nutzen um dadurch Genossen Trotzki nach Lenins Tod von der Fuhrung der Partei fernzuhalten Uberdies habe ich wiederholt aus dem Munde von Sinowjew und Kamenew die Erzahlung daruber gehort wie sie den Trotzkismus als einen aktuellen Slogan erfunden hatten K Radek 25 Dezember 1927 5 Zum Zweck der Erfindung des Trotzkismus schreibt Trotzki selbst 1932 in Lenins unterdrucktes Testament weiter Ahnliche geschriebene Zeugnisse wurden von Preobrashinski Pjatakow Rakowski und Jelzin abgegeben Pjatakow der gegenwartige Direktor der Staatsbank fasste Sinowjews Zeugnis in den folgenden Worten zusammen Trotzkismus war zu dem Zweck erfunden worden die wirklichen Meinungsunterschiede durch fiktive Unterschiede zu ersetzen das heisst vergangene Unterschiede zu nutzen die keine Auswirkung auf die Gegenwart hatten die aber zu dem oben erwahnten bestimmten Zweck kunstlich wiederbelebt wurden 5 dd 1925 ruhmte sich Sinowjew auch gegenuber Rakowski seiner erfolgreichen Taktik gegen Trotzki und bedauerte nur dieses Kapital schlecht angewandt und vergeudet zu haben 6 Ab 1926 kam es dann innerhalb der KPdSU der III Internationale und den in ihr zusammengeschlossenen Parteien immer wieder zu Sauberungen von oft als Trotzkisten bezeichneten Abweichlern von der herrschenden Generallinie der KPdSU Teilweise wurden die Anhanger der Linken Opposition aus der Partei entfernt andere in die Verbannung geschickt und weitere gingen ins Exil Nach den Parteiausschlussen und dem Schock uber die Machtubernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland wurde 1938 die Vierte Internationale gegrundet die sich als marxistische weltumspannende Organisation verstand Die inhaltliche Grundlage wurde durch Arbeiten Leo Trotzkis erganzt Die Vierte Internationale erlebte 1953 eine Spaltung in zwei Flugel Pablisten und orthodoxe Trotzkisten die sich 1963 zum Teil wieder vereinigten Splitter dieser Spaltung grundeten zum Teil eigene internationale Organisationen oder beanspruchen teilweise auch den Titel IV Internationale Herrschende Diskurse im Realsozialismus bezeichneten den Trotzkismus als eine kleinburgerliche Stromung die dem Marxismus Leninismus der internationalen kommunistischen Bewegung und dem sozialistischen Weltsystem insbesondere der Sowjetunion feindlich gegenubersteht 7 Manche Trotzkisten haben sich ideologisch geoffnet und in einigen Punkten vom orthodoxen Marxismus abgegrenzt Nach den Studentenbewegungen der 1960er und 1970er Jahre haben sich Trotzkisten auch den sogenannten neuen Fragen zu Okologie Patriarchat und Frauenunterdruckung und Ahnlichem gestellt Organisationen und Parteien BearbeitenEinige der heutigen trotzkistischen Organisationen beanspruchen in der ungebrochenen Tradition der Vierten Internationale zu stehen die aus ihrer Sicht entweder ununterbrochenen Bestand hatte oder Gegenstand einer Wiedergrundung war Manche davon haben viele Gemeinsamkeiten und uberschneiden sich in ihrer Ausrichtung sehr stark zudem unterscheidet sich die Anzahl der Mitglieder stark Gewisse Richtungen jedoch die sich als trotzkistisch verstehen argumentieren dass die Vierte Internationale nicht mehr existiere wobei sie auch keinen Wiederaufbau anstreben Andere wiederum sind der Auffassung dass die Bezeichnung Vierte Internationale in einem Masse diskreditiert sei dass eine Funfte Internationale gegrundet werden musse Wichtige Unterscheidungsmerkmale sind das Verhaltnis zur Sozialdemokratie und zum Ex Stalinismus Im deutschsprachigen Raum Bearbeiten Sektionen der wiedervereinigten Vierten Internationale Internationale Sozialistische Organisation ISO nach Fusion 8 von Revolutionar Sozialistischer Bund Vierte Internationale RSB Deutschland internationale sozialistische linke isl Deutschland Sozialistische Alternative SOAL OsterreichSektionen der Vierten Internationale Internationales Komitee Sozialistische Gleichheitspartei DeutschlandSektionen der Internationalen Kommunistischen Liga Vierte Internationalisten Spartakist Arbeiterpartei DeutschlandsSektionen des Committee for a Workers International Sozialistische Alternative SAV Deutschland Sozialistische LinksPartei SLP OsterreichSektionen der Liga fur die Funfte Internationale Gruppe ArbeiterInnenmacht Deutschland Arbeiter innenstandpunkt AST OsterreichMitglieder der International Socialist Tendency Marx21 Deutschland Linkswende OsterreichSektionen der International Marxist Tendency Der Funke in Deutschland Osterreich und der SchweizSonstige Organisationen Internationale Bolschewistische Tendenz Deutsche Sektion Revolutionar Sozialistische Organisation RSO Osterreich und Deutschland Revolutionare Internationalistische Organisation RIO Bewegung fur den Sozialismus BFS Schweiz Trotzkistische Fraktion Vierte InternationaleAufgeloste trotzkistische Organisationen und Parteien Gruppe Internationale Marxisten GIM Linksruck Deutschland Voran Deutschland Maulwurf Revolutionare Marxistische Liga RML Sozialistische Arbeiterpartei SAP SchweizInternational Bearbeiten Hauptartikel Liste trotzkistischer OrganisationenLiteratur BearbeitenRobert J Alexander International Trotskyism 1929 1985 A Documented Analysis of the Movement Duke University Press Durham NC 1991 ISBN 0 8223 0975 0 englisch Loren Balhorn Hat der Trotzkismus eine Zukunft in Arbeit Bewegung Geschichte Heft 1 2022 S 71 92 Gunter Bartsch Trotzkismus als eigentlicher Sowjetkommunismus Die IV Internationale und ihre Konkurrenzverbande Dietz Berlin Bonn 1977 ISBN 3 8012 1098 7 Daniel Bensaid Was ist Trotzkismus Ein Essay ubersetzt von Harald Etzbach Paul B Kleiser und Patrick Ramponi ISP Koln 2004 ISBN 978 3 89900 108 2 als PDF Datei 136 Seiten 257 KB Alex Callinicos Trotskyism Open University Press 1990 englisch Manuel Kellner Trotzkismus Schmetterling Stuttgart 2004 ISBN 3 89657 584 8 Manuel Kellner Trotzkismus 2 0 Schmetterling Stuttgart 2022 ISBN 3 89657 178 8 David King Roter Stern uber Russland Eine visuelle Geschichte der Sowjetunion von 1917 bis zum Tode Stalins Mehring Essen 2010 ISBN 978 3 88634 091 0 Wolfgang Lubitz Petra Lubitz Trotsky Bibliography An international classified list of publications about Leon Trotsky and Trotskyism 1905 1997 3 totally revised and essentially enlarged edition 2 Bande Saur Munchen 1999 ISBN 3 598 11391 9 englisch Ernest Mandel Trotzki als Alternative Dietz Berlin 1992 ISBN 3 320 01730 6 Herbert Meissner Trotzki und der Trotzkismus gestern und heute Wiljo Heinen Berlin 2011 ISBN 978 3 95514 002 1 David North Das Erbe das wir verteidigen Ein Beitrag zur Geschichte der Vierten Internationale Mehring Verlag Essen 2018 ISBN 3 88634 139 9 Wadim S Rogowin Trotzkismus Mehring Essen 2010 ISBN 978 3 88634 080 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Trotzkismus Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Trotzkismus Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Broadleft org Linkverzeichnis zu trotzkistischen Organisationen Stand 2005 Encyclopedia of Trotskyism On Line ETOL englisch Das trotzkistische Spektrum im Linksextremismus Dossier Linksextremismus Bundeszentrale fur Politische Bildung 28 Oktober 2010 The Lubitz Trotskyana Net dealing with Leon Trotsky Trotskyism and Trotskyists englisch Einzelnachweise Bearbeiten Trotzki Die Falschung der Geschichte der russischen Revolution Buchverlag und vertrieb Wolfgang Droge Dortmund 1977 ISBN 3 88191 002 6 S 68 Pierre Severac Trotzkismus in Kritisches Worterbuch des Marxismus Bd 7 Argument Verlag 1997 ISBN 3 88619 067 6 Christophe Bourseiller Doktrinarer Rigorismus und strategischer Pragmatismus Trotzki und der Trotzkismus In Uwe Backes Stephane Courtois Hg Ein Gespenst geht um in Europas Das Erbe kommunistischer Ideologien Koln 2002 S 213 228 hier S 216 Leo Trotzki Mein Leben Berlin 1930 S 273 a b Trotzki Lenins unterdrucktes Testament zitiert nach 1 englischer Text eigene Ubersetzung Trotzki Stalin Eine Biographie 2 Auflage Arbeiterpresse Verlag Essen 2006 ISBN 3 88634 078 3 S 446 Kleines Politisches Worterbuch Dietz Verlag Berlin 3 uberarbeitete Auflage 1978 S 901 Internationale Sozialistische Organisation gegrundetNormdaten Sachbegriff GND 4061029 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Trotzkismus amp oldid 234751167