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Patriarchat wortlich Vaterherrschaft beschreibt in der Soziologie der Politikwissenschaft und verschiedenen Gesellschaftstheorien ein System von sozialen Beziehungen massgebenden Werten Normen und Verhaltensmustern das von Vatern und Mannern gepragt kontrolliert und reprasentiert wird 1 Von ahnlicher Bedeutung wie Patriarchat Herrschaft der Vater ist die wenig gebrauchliche Neubildung Androkratie 2 wortlich Herrschaft des Mannes 3 Inhaltsverzeichnis 1 Wortherkunft 2 Geschichte 3 Patriarchat als politische Legitimationsform 4 Patriarchat als evolutionare Entwicklungsstufe 5 Patriarchatsbegriff bei Max Weber 6 Feministischer Patriarchatsbegriff 7 Forschungskontroversen 8 Rezeption im Film 9 Siehe auch 10 Literatur 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseWortherkunft BearbeitenDer Ausdruck Patriarchat ist das Abstraktum zu Patriarch abgeleitet von altgriechisch patriarches Erster unter den Vatern Stammesfuhrer Fuhrer des Vaterlandes gebildet aus pater Vater und arches Oberhaupt zu archein der erste sein Fuhrer sein herrschen Das Adjektiv patriarchalisch hat seit dem 19 Jahrhundert auch die Bedeutung vaterrechtlich vergleiche patrilinear 4 In der altesten bekannten griechischen Ubersetzung der hebraischen Bibel der Septuaginta wird patriarches in der Bedeutung Erzvater verwendet Dementsprechend wurde die Bezeichnung Patriarch im Mittelalter und in der fruhen Neuzeit als Synonym fur die Stammvater der Israeliten vor der Sintflut und danach bis zum Auszug aus Agypten verwendet Daraus erklart sich die Assoziation von Patriarch mit einem alten Mann denn von den Stammvatern der Israeliten wird in der Bibel berichtet dass sie ein sehr hohes Alter erreichten Die von den Romern anerkannte Institution des judischen Patriarchats unter Fuhrung eines Nasi Patriarchen bestand vom 2 bis Anfang des 5 Jahrhunderts in Palastina In der christlichen Kirche wird die Bezeichnung Patriarch ebenfalls seit der Spatantike als Titel fur einen hohen Metropoliten Oberbischof verwendet Entsprechend heissen die von einem Patriarchen regierten Teilkirchen oder Kirchenprovinzen Patriarchate 5 Abgeleitet vom griechischen und romischen Recht wird als Patriarchat in der Familiensoziologie eine familiale Organisation verstanden die dem mannlichen Oberhaupt in Anlehnung an den pater familias als dem Herrn des Hauses die rechtliche und okonomische Macht uber die von ihm abhangigen Familienmitglieder zuschreibt 6 7 Geschichte BearbeitenNomadische Gruppen von Jagern und Sammlern lebten Historikern zufolge weitgehend egalitar Mit der neolithischen Revolution und dem Beginn der Sesshaftigkeit setzte demnach eine Schlechterstellung von Frauen ein Diese Anderung wird unter anderem auf eine veranderte Ernahrungsgrundlage eine geringere Mobilitat und eine damals einsetzende hohere Zahl von Geburten zuruckgefuhrt sowie auf das neu entstandene Erfordernis den Besitz an Land und Vorraten zu verteidigen Die Position der Frau schwachte sich zudem dadurch dass Frauen ublicherweise zu den Familien ihrer Manner zogen ihre eigene Gemeinschaft zurucklassend Virilokalitat 8 Der alteste griechische Text der ein Patriarchat bezeugt ist die Ilias von Homer Bevor die griechische Flotte in See stechen kann opfert der Heerfuhrer Agamemnon seine Tochter Iphigenie um die Gotter die zu Troja halten auf seine Seite zu ziehen Hinter dem Agamemnon des Mythos verbirgt sich der Anfuhrer des kriegerischen Volksstamms der Achaer der im 2 Jahrtausend v Chr die auf der Peloponnes ansassigen Volker unterjochte und etwa um 1500 v Chr die minoische Kultur auf Kreta die einzige europaische Hochkultur ohne Patriarchat abloste 9 Wie im Reich der Achaer so herrschte auch im klassischen Athen das Patriarchat Uwe Wesel schrieb 1980 Die griechische Demokratie war eine Mannerdemokratie die Unterdruckung der Frau ohne Beispiel in der damaligen Antike besonders in Athen 10 Plato schrieb die Frauen seien daran gewohnt verborgen und im Dunkel zu leben 11 Das Theater durften sie nicht besuchen und die Schauspieler waren immer Manner mit Masken fur die Frauenrollen Die Manner waren also unter sich wenn die Orestie des Aischylos aufgefuhrt wurde die den Konflikt zwischen Mutterrecht und Vaterrecht behandelt Angeklagt ist Orest Agamemnons Sohn der seine Mutter ermordet hat um den Tod des Vaters zu rachen Am Ende erklart die Gottin Athene Drum wiegt fur mich der Mord an einer Frau doch leichter die den Mann erschlug Weil ihre Stimme den Ausschlag gibt wird Orest freigesprochen 12 Es muss aber auch erwahnt werden dass die Familienplanung nicht abgelehnt wurde Aristoteles schrieb Die Zahl der zu erzeugenden Kinder ist ja bestimmt Wenn aber Eheleute durch die Beiwohnung noch weiteren Nachwuchs uber diese Grenze hinaus erzielen so muss man diese Leibesfruchte bevor Gefuhl und Leben in sie kommt abtreiben 13 Auch die romische Gesellschaft war patriarchal organisiert Der romische Mann hatte das Recht seine Ehefrau wegen Untreue zu toten 14 Die strikte Ablehnung der Empfangnisverhutung und der Abtreibung die im 4 Jahrhundert zum Dogma wurde war ein Ruckschritt im Vergleich zur liberalen Haltung die in der Antike herrschte 15 Das Gebaren und Aufziehen von Kindern wurde zur wichtigsten Aufgabe der Frau Pronatalismus Die Reformation und der Humanismus anderten daran nichts wie auch die folgenden Zitate zeigen In Bezug auf den zu seiner Zeit noch haufigen Tod einer Mutter im Kindbett schrieb Martin Luther 1522 Ob sie sich aber auch mude und zuletzt tot tragen das schadet nicht Lass sie sich nur tot tragen sie sind darum da Es ist besser kurz gesund denn lange ungesund leben 16 Und der englische Humanist Thomas Morus liess seinen Idealstaat Utopia fordern dass die Frauen verheiratet werden sobald sie korperlich ausgereift sind 17 Einer drohenden Ubervolkerung sollte durch Auswanderung und Grundung von Kolonien begegnet werden Im 20 Jahrhundert verlangten die Interessen vor allem der Konsumguterindustrie in den kapitalistischen Landern ein neues Frauenbild Die Frau wurde nun als Kauferin von Konsumgutern und Haushaltsgeraten umworben und dazu diente der von Betty Friedan beschriebene Weiblichkeitswahn 18 Mit ihm hat das Patriarchat sich an die veranderten Verhaltnisse angepasst Aber auch als Arbeitskrafte in traditionellen Mannerberufen wurden Frauen verstarkt benotigt vor allem in und nach den Kriegszeiten 19 Warum das Patriarchat die Jahrtausende uberdauert hat wurde erst spat untersucht In Fortfuhrung einer Theorie von Antonio Gramsci wonach jede stabile Herrschaft auf die zumindest partielle Zustimmung und Mitarbeit der Beherrschten angewiesen ist schrieb die marxistische Feministin Frigga Haug Die einzelnen Frauen finden selbstverstandlich die gesellschaftlichen Verhaltnisse zunachst fertig vor Aber diese Strukturen existieren nur weiter wenn sie von denen die in ihnen leben immer wieder hergestellt werden 20 Patriarchat als politische Legitimationsform BearbeitenRobert Filmer verwendet in seiner im 17 Jahrhundert abgefassten staatstheoretischen Abhandlung Patriarcha 21 den Ausdruck Patriarchat fur eine gottgegebene Autoritat die von Vatern an den altesten Sohn vererbt werden kann 22 Auf dieser Basis beruht nach Filmer die Legitimitat aller politischen Herrschaft Die Schrift ist als Rechtfertigung des Gottesgnadentums und des Absolutismus zu verstehen Die Uberwindung des biblischen Patriarchatsbegriffes zeigt sich zum ersten Mal in der politischen Ideengeschichte als Emanzipation der Sohne Ende des 17 Jahrhunderts bei John Locke der vaterliche Gewalt als Staatsbegrundung ablehnte Als Entgegnung auf Filmer argumentierte Locke dass die Gewalt des Vaters uber den Sohn als Gewalt der Eltern uber die Kinder zu verstehen sei In seiner Neubegrundung politischer Gewalt nehmen die Bruder die politische Stellung des Vaters ein wobei Locke die Emanzipation der Frau vom Mann jedoch ausschloss 23 Die Politikwissenschaftlerin Carole Pateman bezeichnet dies als Geschlechtervertrag sexual contract zwischen Mannern der in dieser Form nicht nur ein vormodernes Phanomen sei sondern das moderne bruderliche Patriarchat begrunde 24 Patriarchat als evolutionare Entwicklungsstufe BearbeitenMit der Entwicklung der Anthropologie im 19 Jahrhundert und evolutionistischen Theorien die alternative Erklarungsmuster zur biblischen Schopfungsgeschichte und Chronologie anboten kamen ab 1860 Vorstellungen einer unilinearen stufenweisen Entwicklung der Menschheit und ihrer sozialen Organisation auf die sich schnell verbreiteten Auf der Suche nach dem Ursprung der Zivilisation postulierten Johann Jakob Bachofen Das Mutterrecht und Henry Sumner Maine Ancient Law das Patriarchat als zivilisatorische Errungenschaft von Mannern dem nach Bachofen ein ursprungliches Mutterrecht oder Matriarchat vorausgegangen war 23 Bachofen historisierte das Geschlechterverhaltnis und stellte die Naturgegebenheit der patriarchalen Familienordnung und das Verhaltnis der Geschlechter in Frage Er hatte dabei keine Kritik am patriarchalen Geschlechtermodell beabsichtigt sondern vielmehr dieses zu legitimieren 25 siehe auch Geschichte der Matriarchatstheorien Damit wurden mit dem Begriff Patriarchat erstmals die Beziehungen zwischen Frauen und Mannern in den Blick genommen 23 Und je nachdem wie man die vermutete evolutionare Entwicklung als Ganzes und die zeitgenossischen gesellschaftlichen Verhaltnisse bewertete wurde das Patriarchat oder das Matriarchat als jeweils hohere oder niedrigere Entwicklungsstufe menschlicher Gesellschaftsordnung beurteilt 26 Fur Bachofen galt der angenommene Ubergang vom Mutterrecht zum Vaterrecht als Durchbruch des geistig mannlichen Prinzips mit dem das hochste Ziel menschlicher Entwicklung erreicht sei 27 Wie Bachofen nahm auch Lewis Henry Morgan ein ursprungliches Mutterrecht an Er war uberzeugt dass diese Gesellschaftsform Vorteile fur Frauen aufwies wahrend der Ubergang zur Patrilinearitat mit negativen Folgen fur die soziale Stellung der Frau verbunden gewesen sei 28 Theoretiker des Sozialismus rezipierten Morgans und Bachofens Ideen vom Mutterrecht positiv Im Gegensatz zu Bachofen beurteilte Friedrich Engels den fiktiven Umsturz des Mutterrechts als die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts 29 Die Frage ob es sich beim Patriarchat um eine politische oder familiale Herrschaftsform handelt entschieden sie zu Gunsten der familialen 23 In diesem Sinne ist Patriarchat als Merkmal der burgerlichen Gesellschaft seitdem ein fester Bestandteil im Kontext marxistischer Weltanschauung und Wissenschaft 30 Darauf basierend kritisieren die Vertreter des Freudomarxismus bzw der kritischen Theorie Fromm 1932 Reich 1933 und Horkheimer 1936 die autoritare Kindererziehung innerhalb der patriarchalen Familie zu einem gesellschaftlich autoritaren Charakter als postulierte Grundbedingung zu faschistischen Systemen siehe auch Studien uber Autoritat und Familie Dieses Konzept der Reproduktion des autoritaren Charakters aus der patriarchalen Familie als Agentur der Gesellschaft wurde von der 1968er Bewegung 31 sowie in der modernen Kindheitssoziologie siehe Konzept Ordnungsfahigkeit aufgegriffen und werden darin als weiterhin gultig verstanden Marxistische Aktivistinnen der neuen zweiten Frauenbewegung beriefen sich insbesondere auf Friedrich Engels der fruhe akademische Feminismus ubernahm Engels Thesen 32 Patriarchatsbegriff bei Max Weber BearbeitenAls Patriarchat wird in der Herrschaftstypologie Max Webers 1864 1920 eine personliche auf Gewalt und Gehorsam beruhende Form der traditionalen Herrschaft klassifiziert 27 Dieser herkommliche Patriatchatsbegriff wurde in den verschiedenen gesellschaftstheoretischen Debatten als zu eng kritisiert da er nur fur eine bestimmte historische Epoche gelte 33 Weber erklarte alle Herrschaftsbeziehungen durch Sozialisation und gesellschaftliche Verhaltnisse mit Ausnahme der Beziehung zwischen Mannern und Frauen die er auf eine naturliche Geschlechterdifferenz zuruckfuhrte Bei der Hausautoritat sind uralte naturgewachsene Situationen die Quelle des auf Pietat ruhenden Autoritatsglaubens Fur alle Hausunterworfenen das spezifisch enge personliche dauernde Zusammenleben im Hause mit seiner inneren und ausseren Schicksalgemeinschaft Fur das haushorige Weib die normale Ueberlegenheit der physischen und geistigen Spannkraft des Mannes Max WeberFeministischer Patriarchatsbegriff BearbeitenIn der feministischen Theoriebildung seit den 1960er Jahren ging es darum die Naturwuchsigkeit der Beziehung zwischen Mannern und Frauen wie von Weber vorausgesetzt und damit der Nachrangigkeit von Frauen in Frage zu stellen 23 Die zweite Frauenbewegung weitete den Patriarchatbegriff auf die Bedeutung allgemeiner nahezu global verbreiteter Mannerdominanz aus 27 und erweiterte ihn zu einem Synonym fur mannliche Herrschaft und Unterdruckung der Frauen Patriarchat wurde zu einem Sammelbegriff fur Strukturen und Formen von Nachrangigkeit Ausbeutung und direkter sowie symbolischer Gewalt die Frauen betreffen und zur Grundlage feministischer Theorie und Praxis 34 33 Patriarchat bedeutet wortlich die Herrschaft von Vatern Aber heute geht mannliche Dominanz uber die Herrschaft der Vater hinaus und schliesst die Herrschaft von Ehemannern von mannlichen Vorgesetzten von leitenden Mannern in den meisten gesellschaftlichen Institutionen in Politik und Wirtschaft mit ein Das Konzept Patriarchat wurde durch die neue feministische Bewegung als ein Kampfbegriff wiederentdeckt weil die Bewegung eine Bezeichnung brauchte durch welche die Gesamtheit von bedruckenden und ausbeuterischen Beziehungen die Frauen betreffen sowie ihr systematischer Charakter ausgedruckt werden konnte Ausserdem zeigt der Begriff Patriarchat die historische und gesellschaftliche Dimension der Frauenausbeutung und Unterdruckung an und ist so fur biologistische Interpretationen weniger geeignet als zum Beispiel das Konzept der mannlichen Dominanz Maria Mies 1988 35 Patriarchat bezeichnet demnach zugleich ein analytisches Konzept und einen Zustand den es zu bekampfen und zu uberwinden gilt Als Schlusselbegriff feministischer Theorie und sozialwissenschaftlicher Forschung gewann das Konzept Patriarchat an Bedeutung um Ungleichheiten und Diskriminierungen die Frauen in den unterschiedlichen Lebensspharen betreffen als Teile eines ubergreifenden Phanomens zu erfassen 33 Forschungskontroversen BearbeitenKate Millett skizzierte in ihrem Werk Sexual Politics 1969 deutsch Sexus und Herrschaft Umrisse einer Patriarchatstheorie in der sie postulierte die Verhaltnisse zwischen den Geschlechtern als Herrschaftsverhaltnis zu begreifen da alle Macht von Geburt an in den Handen privilegierter Manner liege Demgegenuber argumentierte die marxistische Soziologin Juliet Mitchell in ihrer Schrift The Woman s Estate 1971 dass eine Theorie die ein universales Patriarchat uber alle Raume und Zeiten behauptet fur das Anliegen von Frauen ihre politischen Rechte einzufordern eher hinderlich sei Eine feministische Geschichtsbetrachtung solle Frauen eine eigene Geschichte zumessen in der sie dem Patriarchat Widerstand geleistet hatten 36 Ute Gerhard sieht die Starken des Konzepts Patriarchat in seinem herrschaftsanalytischen und kritischen Gehalt Feministische Theorie brauche einen eigenstandigen Begriff um das Geschlechterverhaltnis als Herrschaftsverhaltnis zu beschreiben 37 Diese Annahme wurde insbesondere von Judith Butler kritisiert Die politische Annahme dass der Feminismus eine universale Grundlage haben musse die in einer quer durch die Kulturen existierenden Identitat zu finden sei geht haufig mit der Vorstellung einher dass die Unterdruckung der Frauen eine einzigartige Form besitzt die in der universalen oder hegemonialen Struktur des Patriarchats bzw der mannlichen Herrschaft auszumachen sei Judith Butler 1991 38 Mit Hilfe des analytischen Konzepts Patriarchat hat es die britische Soziologin Sylvia Walby unternommen die Benachteiligung von Frauen in allen zentralen Lebensbereichen in einer systematischen und zusammenfassenden Weise zu erklaren und als empirische Realitat in Geschichte und Gegenwart nachzuweisen Um dem Begriff Patriarchat seine universalistischen und ahistorischen Tendenzen zu nehmen kategorisierte sie sechs Strukturen die aus ihrer Sicht durch die Unterdruckung und Ausbeutung von Frauen durch Manner bestimmt sind und von denen Frauen auf unterschiedliche Weise betroffen sein konnen Beschaftigungssystem Reproduktionsarbeit Sexualitat Kultur Gewalt und die staatliche Regelung von Geschlechterbeziehungen 39 Eva Cyba und die Politikwissenschaftlerin Marion Loffler kritisierten dass der Kategorisierung die Annahme einer uberwiegend passiven Rolle von Frauen zugrunde liege 33 40 Seit Mitte der 1980er Jahre findet im feministischen Diskurs und in der Gesellschafts und Geschlechterforschung eine Auseinandersetzung um das Theorem Patriarchat statt Kritisiert wird dass der Begriff nicht geeignet sei die historischen und kulturubergreifenden Formen der Nachrangigkeit von Frauen angemessen zu erfassen weil er haufig undifferenziert und ahistorisch verwendet werde 41 42 43 Die Soziologin Eva Cyba argumentiert dass dem Konzept Patriarchat ein grundlegender Mangel anhafte da es die Aufmerksamkeit zu einseitig auf die Rolle von Mannern und die von ihnen dominierten Strukturen lenke und es Konstellationen gebe die von niemandem beabsichtigt sondern aufgrund ihrer Tragheit als selbstverstandliche Tradition reproduziert werden 33 Eine Erklarung wie es zur Reproduktion von Tradition kommt lieferte bereits Max Weber Darauf weist Heike Kahlert hin 44 Demnach beruht die Fugsamkeit der Gewaltunterworfenen bei der patriarchalen Herrschaft auf dem Glauben an die Unverbruchlichkeit des immer so Gewesenen als solchem Die Tatsache der traditionalen Herrschaft gehe im Bewusstsein der Unterworfenen allem anderen voraus 45 Frauen so schlussfolgert Kahlert wirken in dieser Sichtweise an der Aufrechterhaltung der Geschlechterhierarchie mit Und es sei zu fragen welche Beitrage Frauen zur Reproduktion der bestehenden Geschlechterverhaltnisse leisten und unter welchen Voraussetzungen sie ihre Zustimmung zur patriarchalen Herrschaft entziehen oder gar offen verweigern 44 So ermogliche Webers handlungstheoretische Sichtweise die Aufmerksamkeit auch auf die Veranderbarkeit der Geschlechterverhaltnisse zu lenken 44 Um die konkreten historischen und gegenwartigen Ursachen und Wirkungsweisen von Unterdruckung und Benachteiligung von Frauen zu analysieren und zu erklaren mussen so Cyba und Walby zum Konzept Patriarchat weitere Spezifizierungen hinzukommen beispielsweise die Verschrankung von patriarchalen Strukturen mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise sowie die Rolle des Staates 33 Die Auseinandersetzung um den Patriarchatsbegriff verweise nach Heike Kahlert darauf dass eine differenzierte Theorie geschlechtlicher Herrschaft in Vergangenheit und Gegenwart fehle 44 Auch die Soziologin Gudrun Axeli Knapp pladiert dafur an Stelle eines undifferenzierten Patriarchatsbegriffes die Debatte um die Theoretisierung von Macht und Herrschaft im Geschlechterverhaltnis wieder aufzunehmen 46 Rezeption im Film BearbeitenAnnabella Misuglio L aggettivo donna Dokumentarfilm Italien 1971 Kritik des Patriarchats in Italien analysiert die doppelte Ausbeutung der Arbeiterinnen die Isolation der Hausfrauen und die Abrichtung der in die Schulen eingesperrten von den anderen Menschen getrennten Kindern Paolo Taviani Vittorio Taviani Padre Padrone Mein Vater mein Herr Spielfilm Italien 1977 original Padre Padrone preisgekronter Film der Tavianis uber die Unterdruckung eines Sohnes durch seinen Vater nach dem autobiographischen Roman Padre padrone von Gavino Ledda 1975 Siehe auch BearbeitenHeteropatriarchat AndrozentrismusLiteratur BearbeitenPierre Bourdieu Die mannliche Herrschaft 5 Auflage Suhrkamp Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 518 58435 9 franzosisch La domination masculine Ubersetzt von Jurgen Bolder Eva Cyba Patriarchat Wandel und Aktualitat In Ruth Becker Beate Kortendiek Hrsg Handbuch Frauen und Geschlechterforschung Theorie Methoden Empirie VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2010 ISBN 978 3 531 17170 8 S 17 22 Karin Hausen Geschlechtergeschichte als Gesellschaftsgeschichte Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2012 ISBN 978 3 525 37025 4 S 359 360 Maria Mies Patriarchat und Kapital Frauen in der internationalen Arbeitsteilung 5 Auflage Rotpunkt Zurich 1996 ISBN 3 85869 050 3 Sylvia Walby Theorizing Patriarchy Wiley Blackwell Oxford u a 1990 ISBN 0 631 14769 1 englisch Sylvia Walby Structuring patriarchal Societies In Anthony Giddens Philip W Sutton Hrsg Sociology Introductory Readings 3 Auflage Polity Cambridge 2010 ISBN 978 0 7456 4884 2 S 30 31 englisch Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft Grundriss der verstehenden Soziologie 3 Abschnitt Patriarchale und Patrimoniale Herrschaft 5 revidierte Auflage Mohr Siebeck Tubingen 2002 ISBN 3 16 147749 9 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Erstausgabe 1922 Studienausgabe Theorien zur Patriarchatsentstehung Ernest Bornemann Das Patriarchat Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems 8 Auflage Fischer Frankfurt am Main 1994 ISBN 3 596 23416 6 Erstausgabe 1975 Gerda Lerner Die Entstehung des Patriarchats dtv Munchen 1997 ISBN 3 423 04710 0 englisch The Creation of Patriarchy Women amp History Ubersetzt von Walmot Moller Falkenberg Weblinks BearbeitenZDF Terra X Funf Fakten Warum wir im Patriarchat leben 8 Juli 2020 abgerufen am 3 Januar 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Karl Heinz Hillmann Worterbuch der Soziologie Kroners Taschenausgabe Band 410 5 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 2007 ISBN 978 3 520 41005 4 S Androkratie ist eine Neubildung von altgriechisch ἀnhr anḗr deutsch Mann zu Genitiv ἀndros andros mit dem Wortstamm kratos kratos Herrschaft Beispielsweise Birgit Sauer Die Allgegenwart der Androkratie feministische Anmerkungen zur Postdemokratie In Politik und Zeitgeschichte APuZ 1 2 2011 Bundeszentrale fur politische Bildung 28 Dezember 2012 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Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis Stuttgart u a 2000 S 198 217 hier S 201 mit Hinweis auf R Filmer Patriarchia The natural Power of Kings defended against the Unnatural Liberty of the People 1640 1680 Nachdruck 1991 englisch a b c d e Marion Loffler Feministische Staatstheorien Eine Einfuhrung Campus Verlag 2011 S 142 f Steffen Kailitz Schlusselwerke der Politikwissenschaft VS Verlag fur Sozialwissenschaften 2007 ISBN 978 3 531 14005 6 S 352 f Susanne Lenward Mythos Mutterrecht und Magie Zur Geschichte religionswissenschaftlicher Begriffe Reimer Berlin 1993 S 78 vgl auch Peter Davis Myth matriarchy and modernity Johann Jakob Bachofen in German Culture 1860 1945 De Gruyter Berlin New York 2010 ISBN 978 3 11 022708 6 insbesondere Kapitel 2 S 49 ff a b c Elke Hartmann Zur Geschichte der Matriarchatsidee Antrittsvorlesung Humboldt Universitat Berlin 2004 PDF auf hu berlin de Meret Fehlmann Die Rede vom Matriarchat Zur Gebrauchsgeschichte eines Arguments Chronos Verlag Zurich 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Because Engels recognised that the Victorian bourgeois family was not the acme of an evolutionary process but merely a transitory form his ideas were useful for feminists arguing for social change a b c d e f Eva Cyba Patriarchat Wandel und Aktualitat In Becker Kortendiek Hrsg Handbuch der Frauen und Geschlechterforschung VS Verlag 2010 ISBN 978 3 531 92041 2 S 17 ff Sylvia Walby Theorizing Patriarchy John Wiley amp Sons 1990 ISBN 978 3 8252 3061 6 Maria Mies Patriarchat und Kapital 5 Auflage Rotpunktverlag Zurich 1996 ISBN 978 3 85869 050 0 S erstveroffentlicht 1988 Claudia Opitz Nach der Gender Forschung ist vor der Gender Forschung Pladoyer fur die historische Perspektive in der Geschlechterforschung In Rita Casale Barbara Rendtorff Hrsg Was kommt nach der Genderforschung Die Zukunft der feministischen Theoriebildung Transcript Verlag Bielefeld 2008 ISBN 978 3 89942 748 6 S 15 f Ute Gerhard Bewegung im Verhaltnis der Geschlechter und Klassen und der Patriarchalismus der Moderne In 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