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Dei Gratia ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Weitere Bedeutungen von Dei Gratia finden sich unter Dei Gratia Begriffsklarung Das Gottesgnadentum ist eine im spatantiken und mittelalterlichen Europa entwickelte Legitimation der Monarchie die sich allein auf den vorgeblichen Willen oder die Gnade Gottes stutzt nicht auf die Zustimmung menschlicher Einrichtungen oder Institutionen oder gar auf die des Volkes Der Begriff der sich in dem lateinischen Titelzusatz Dei gratia von Gottes Gnaden widerspiegelt steht insbesondere fur das absolutistische Konigtum des bis an die Schwelle des 19 Jahrhunderts bestehenden Ancien Regime Inhaltsverzeichnis 1 Mittelalter 1 1 Byzantinisches Reich 1 2 Karolinger und Ottonen 1 3 Salier und Staufer 1 4 Britische Inseln 2 Neuzeit 2 1 Heiliges Romisches Reich Deutscher Nation 2 2 Habsburg und Bourbon 2 3 England 2 4 Vereinigte Staaten von Amerika 2 5 Deutscher Bund und Deutsches Reich 3 Gegenwart 3 1 Als Titel in konstitutionellen Monarchien 3 2 Bewertung 4 Einzelnachweise 5 Literatur 6 WeblinksMittelalter BearbeitenByzantinisches Reich Bearbeiten Das Konzept des Gottesgnadentums geht zuruck auf die Spatantike Im Romischen Reich war es ublich den Kaiser als Divus gottlich zu verehren Mit der Christianisierung des Reiches die Kaiser Konstantin der Grosse 313 mit der Konstantinischen Wende einleitete und Kaiser Theodosius I 379 bis 394 vollendete kam der Kaiserkult allmahlich ausser Gebrauch Stattdessen bildete sich die Vorstellung heraus der Kaiser stehe in einem besonderen Nahverhaltnis zu Gott und garantiere dadurch die Wohlfahrt des Reiches Bereits von Konstantin ist das Selbstverstandnis uberliefert ihm habe der himmlische Wille alles Irdische zur Lenkung anvertraut lateinisch curae nutu suo caelesti terrena omnia moderanda commisit Von der besonderen Frommigkeit des Kaisers die seine Herrschaft legitimierte nahm man bald an sie wurde sich auf seine Sohne vererben womit sich im Byzantinischen Reich die Vorstellung eines Gottesgnadentums mit dem dynastischen Prinzip verband 1 Karolinger und Ottonen Bearbeiten Im Westen grundeten zur gleichen Zeit die Merowinger ihren Herrschaftsanspruch uber das Frankenreich noch allein auf das Geblutsrecht und das Konigsheil das vom rechtmassigen Konig auf seine leiblichen Nachkommen ubertragen wurde Dies anderte sich als Pippin der Jungere der erste Karolinger auf dem frankischen Thron seinen merowingischen Vorganger absetzte und dadurch eine neue Herrschaftslegitimation benotigte Er holte die Zustimmung des Papstes zum Dynastiewechsel ein und liess sich im Jahre 751 in Soissons in einer sakralen Kronungszeremonie nach dem Vorbild der biblischen Herrscher Israels zum Konig salben Seit dieser Salbung einer Neuerung im Akt der Konigserhebung enthalten die frankischen Konigsurkunden die Formel Dei gratia Die Vorstellung von einer durch gottliche Gnade verliehenen Herrschaft fusst auf dem spatantiken christlichen Konigsbild des rex iustus des gerechten Konigs das auf Augustinus von Hippo De civitate Dei zuruckgeht 2 Die durch Pippin begrundete frankische Tradition wurde von seinem Sohn Karl dem Grossen fortgefuhrt Insbesondere nach seiner Kaiserkronung im Jahr 800 sah er seine Herrschaft auf der Basis antiker und christlicher Vorstellungen durch gottliches Recht legitimiert Davon zeugen Titulaturen wie a deo coronatus imperator von Gott gekronter Kaiser Karl verstand sein Reich als eine Einheit von Staat Kirche und Religion Otto I liess 936 im Jahr seiner Thronbesteigung die Formel Dei Gratia in das ostfrankische Konigssiegel einfugen In der um das Jahr 1000 geschaffenen Reichskrone des Heiligen Romischen Reichs verweist der alttestamentliche Sinnspruch Per me reges regnant Durch mich regieren die Konige Buch der Sprichworter 8 15 auf das Gottesgnadentum ihrer Trager Auch im Kronungseid der deutschen Konige klang die Uberzeugung vom Gottesgnadentum an Er beginnt mit der Formel Nos divina favente clementia rex Romanorum Wir durch die Gunst der gottlichen Gnade Konig der Romer nbsp Sakramentar Karls des Kahlen um 870 Gottes Hand halt die Krone uber das Haupt Karls des Kahlen nbsp Liuthar Evangeliar um 1000 Darstellung des Gottesgnadentums Kaiser Ottos III nbsp Bildplatte in der Reichskrone des Heiligen Romischen Reichs Christus flankiert von zwei Engeln daruber der Sinnspruch P er me reges regnant Durch mich regieren die Konige nbsp Perikopenbuch Heinrichs II Christus selbst verleiht Heinrich II und seiner Gemahlin Kunigunde die KonigswurdeDas christlich fundierte Legitimationskonzept des Gottesgnadentums erwies sich als uberzeugender als die schon in vorchristlicher Zeit bei den Germanen nachweisbare Idee des Konigsheils Die Idee des Gottesgnadentums liess dieses allmahlich in den Hintergrund treten auch wenn sich die paganistische Vorstellung von den besonderen Heilkraften die die Gotter dem legitimen Konig verliehen nie ganz verloren In der Vorstellungswelt der romischen Antike hatten die Kaiser zu Lebzeiten die Rolle eines Pontifex Maximus also die Rolle eines Mittlers zwischen den Gottern und den Menschen nach dem Tode konnten sie aufgrund des Kaiserkultes selbst zu Gottern Divi aufsteigen Apotheose Salier und Staufer Bearbeiten Salische und staufische Kaiser des Heiligen Romischen Reichs versuchten die christliche Vorstellung dass der Herrscher von Gott uber seine Untertanen eingesetzt sei zur Begrundung der Auffassung zu nutzen dass der weltliche Herrscher gegenuber dem Papst uber einen eigenstandigen Herrschaftsanspruch verfuge Zweigewaltenlehre 3 Das Gottesgnadentum wird im Neuen Testament konkretisiert Der Brief des Paulus an die Romer Rom 13 1 7 Pflichten gegenuber dem Staat EU erlautert die christliche Vorstellung dass jede staatliche Gewalt von Gott verliehen und Widerstand gegen diese Gewalt ein Verstoss gegen den Willen Gottes sei Jeder leiste den Tragern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam Denn es gibt keine staatliche Gewalt die nicht von Gott stammt jede ist von Gott eingesetzt Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt stellt sich gegen die Ordnung Gottes und wer sich ihm entgegenstellt wird dem Gericht verfallen Britische Inseln Bearbeiten Nach der normannischen Eroberung Englands im Jahr 1066 ersetzte die Curia Regis Gerichtshof des Konigs Koniglicher Rat den angelsachsischen Witenagemot Der Gerichtshof des Konigs entwickelte sich langsam zum Englischen Parlament nachdem die Rebellion englischer Adliger 1215 die Anerkennung der Magna Charta durch Konig Johann Ohneland erzwungen hatte 4 Neuzeit BearbeitenHeiliges Romisches Reich Deutscher Nation Bearbeiten Im Heiligen Romischen Reich Deutscher Nation erhoben sich Bauern im Deutschen Bauernkrieg um bestimmte Freiheitsrechte einzufordern In seiner 1525 verfassten Schrift Wider die Mordischen und Reuberischen Rotten der Bawren rechtfertigte Martin Luther das gewaltsame Vorgehen der Fursten gegen die Bauern mit dem neutestamentlich im Romerbrief verburgten Gottesgnadentum der Fursten Im gleichen Jahr legte Luther in der Schrift De servo arbitrio dar dass der Mensch gegen die von der Gnade des christlichen Gottes vorgesehenen Herrschaftsverhaltnisse nicht aufbegehren durfe denn dies widersprache der Theologie von der Pradestination Damit lieferte Luther eine Grundlage fur das Herrschaftsverstandnis des Absolutismus Aufgrund des neutestamentlichen Gottesgnadentums sei ein christlicher Herrscher weder absetzbar noch in einer anderen Weise an der Ausubung seiner Regentschaft zu hindern Dieses Herrschaftsverstandnis war im christlich abendlandischen Europa bis in die Zeit der Franzosischen Revolution massgebend Prominente Vertreter waren etwa die Bourbonen in Frankreich das Erzhaus Habsburg oder die russischen Zaren Habsburg und Bourbon Bearbeiten Unter der habsburgischen Monarchie in Deutschland wie auch im bourbonischen Frankreich wurde das Gottesgnadentum auf die willkurliche Religionssetzung fur die Untertanen nach der Regel cuius regio eius religio ausgeweitet Dies fuhrte zu zahlreichen angeblichen Religionskriegen um die jeweilige absolute Herrschaft der katholischen Monarchen zu festigen England Bearbeiten Hauptartikel Parlamentssouveranitat und Parlamentarismus In England rang das Parlament in einer jahrzehntelangen Entwicklung dem Konigtum Befugnisse ab Das Habeas Corpus Gesetz im Jahr 1679 war ein historischer Schritt hin zum Rechtsstaat Die Glorious Revolution von 1688 89 mit der Bill of Rights machte das englische Parlament zum Trager der Staatssouveranitat Vereinigte Staaten von Amerika Bearbeiten in der Unabhangigkeitserklarung der Vereinigten Staaten 1776 wurde das monarchische Gottesgnadentum mit der von Thomas Jefferson verfassten Formel all men are created equal Alle Menschen sind gleich erschaffen negiert Denselben Gedanken hatte 1776 schon Thomas Paine in der Schrift Common Sense vertreten Er beruht etwa auf der im 1 Buch Mose beschriebenen Gleichheit der ersten Menschen und findet sich in der naturrechtlich argumentierenden Staatsphilosophie John Lockes Die Sklaverei in den Vereinigten Staaten widersprach allerdings dem Gleichheitssatz Auch Rassismus ist mit dem Gleichheitssatz unvereinbar Deutscher Bund und Deutsches Reich Bearbeiten nbsp Friedrich Wilhelm IV von Preussen lehnt die ihm von Volksvertretern angetragene insofern mit dem Gedanken der Volkssouveranitat verbundene Kaiserkrone ab politische Karikatur von Isidor Popper 1849 Der Romantiker und Protestant Friedrich Wilhelm IV von Preussen dem die deutschen Volksvertreter mit der Paulskirchenverfassung 1849 ein deutsches Erbkaisertum antrugen lehnte ab weil die Rolle des Monarchen von der Idee des Gottesgnadentums bestimmt sei Ein demokratisch legitimierter Kaiser der uber einem souveranen Volk thront solche aufgeklarten Gedanken wies Friedrich Wilhelm zuruck und trug damit zum Scheitern der burgerlich demokratischen und nationalen Bestrebungen der Marzrevolution in Deutschland bei Teilweise haben die Fursten der Zeit den Zusatz V G G fur von Gottes Gnaden auf Umschriften ihrer Munzen erganzt um die Behauptung eines Gottesgnadentums zu unterstreichen Der Wegfall des Zusatzes V G G auf einem Taler des Konigreichs Hannover im Revolutionsjahr 1848 fuhrte dazu dass dieser vom Volksmund als Angsttaler bezeichnet wurde Konig Ludwig II von Bayern griff noch in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts auf die voraufklarerische Vorstellung vom Gottesgnadentum zuruck als er im Schloss Neuschwanstein den Thronsaal nach der Form einer byzantinischen Kirche errichten liess und anstelle eines Altars einen Thron setzen wollte der jedoch nie fertiggestellt wurde Allerdings muss hier einschrankend und erklarend gesagt werden dass Ludwig II das Konigtum in Neuschwanstein wie ebenso in Herrenchiemsee keineswegs als sein damaliges politisches Konigtum Bayerns verstehen wollte Vielmehr war dieser Thronsaal eine literarisch spatromantische Erfindung als Huldigung an die Vergangenheit wie das ganze Schloss eine begehbare Buhne Rauch zu seiner Ruckversetzung in vergangene auch literarische Welten sein sollte Auch den Absolutismus Frankreichs hat Ludwig II keineswegs fur seine Zeit in Anspruch zu nehmen gedacht In seinem Schloss Herrenchiemsee wollte er die Kunst dieser Zeit und deren Auftraggeber verehren Das letzte deutsche Staatsoberhaupt das sich auf das Gottesgnadentum berief war Wilhelm II Sein imperialer Wahlspruch lautete Gott mit uns Gegenwart BearbeitenAls Titel in konstitutionellen Monarchien Bearbeiten Die Monarchen von Danemark protestantisch episkopal Liechtenstein katholisch Monaco katholisch der Niederlande reformiert und des Vereinigten Konigreichs anglikanisch episkopal fuhren in ihrem grossen Titel bis heute den Zusatz von Gottes Gnaden Eine mehr als zeremonielle Rolle spielt dieser Titel allerdings nicht mehr da die Politik aller dieser Lander vorwiegend von gewahlten Parlamenten und Regierungen bestimmt wird Nach Artikel 56 der spanischen Verfassung von 1978 wird der spanische Konig zwar einfach als Rey de Espana bezeichnet doch ebenso wird ihm das Recht zugestanden alle traditionellen Titel der Krone weiterzufuhren podra utilizar los demas que correspondan a la Corona So ist auch der Konig von Spanien ein Konig von Gottes Gnaden Der Titel des spanischen Diktators Francisco Franco war bis zu seinem Tod Fuhrer Spaniens von Gottes Gnaden Bewertung Bearbeiten Im Zeitalter der konstitutionellen Monarchien ist zu unterscheiden zwischen der Legitimation eines absoluten Herrschers und der Frage wer das Staatsoberhaupt eingesetzt hat Ein glaubiger Monarch der seine Stellung der Erbfolge verdankt versteht sein Amt als von Gott gegeben Diese Auffassung von Legitimitat im Sinn der rechtmassigen Erbfolge war in der Zeit der Restauration nach den napoleonischen Umwalzungen massgeblich fur die Wiedereinsetzung der alten Dynastien Nach Ricarda Huch ist Gottesgnadentum keine Rechtfertigung fur eine absolutistische Macht von oben nach unten abgeleitet etwa aus deistischen Gottesvorstellungen Im Heiligen Romischen Reich hatten die Fursten ihre Interpretation des Romerbriefs und des Gottesgnadentums dazu genutzt ihre Macht gegen Kaiser andere Stande und die Bevolkerung absolutistisch auszuweiten 5 Ausweislich der Hiskija Bildplatte in der ottonischen Reichskrone ist das Gottesgnadentum auch oder insbesondere als ein Zeitgeschenk Gottes zu verstehen Ecce adiciam super dies tuos XV annos Wohlan ich will zu deinen Lebensjahren noch 15 Jahre hinzufugen Jes 38 5 EU Einzelnachweise Bearbeiten Rene Pfeilschifter Der Kaiser und Konstantinopel Kommunikation und Konfliktaustrag in einer spatantiken Metropole Walter de Gruyter Berlin Boston 2013 ISBN 978 3 11 026688 7 S 76 83 abgerufen uber De Gruyter Online Karl Bosl Die germanische Kontinuitat im deutschen Mittelalter In Paul Wilpert Willehad P Eckert Hrsg Antike und Orient im Mittelalter Vortrage der Kolner Mediaevistentagungen 1956 1959 Walter de Gruyter Berlin 1962 ISBN 3 11 002395 4 S 13 Bjorn Riecken Gottesgnadentum Memento vom 11 November 2010 im Internet Archive Artikel im Glossar Christliche Legitimation von Herrschaft mit weiteren Literaturhinweisen abgerufen am 29 Marz 2012 Curia Regis In West s Encyclopedia of American Law 2 Ausgabe 2008 Abgerufen am 8 September 2016 Vgl die Kritik von Ricarda Huch an den deistischen und absolutistischen Vorstellungen der Fursten in dies Stein Der Erwecker des Reichsgedankens Atlantis Berlin 1925 3 Auflage 1932 S 9 16 Auszuge online auf pkgodzik de PDF 74 kB Literatur BearbeitenThomas Benner Die Strahlen der Krone Die religiose Dimension des Kaisertums unter Wilhelm II vor dem Hintergrund der Orientreise 1898 Tectum Verlag Marburg 2001 ISBN 3 8288 8227 7 Zugleich Leipzig Universitat Habilitations Schrift 2001 Thomas Busk Von Gottes Gnaden Konige und alle Menschen Preussen ein Paradigma Schmidt Neustadt an der Aisch 2000 ISBN 3 87707 544 4 Georg Flor Gottesgnadentum und Herrschergnade Uber menschliche Herrschaft und gottliche Vollmacht Bundesanzeiger Beilage 43 119a Bundesanzeiger Koln 1991 ISBN 3 88784 287 1 Fritz Kern Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im fruheren Mittelalter Zur Entwicklungsgeschichte der Monarchie 7 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1980 ISBN 3 534 00129 X unveranderter Nachdruck der 2 Auflage von 1954 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Gottesgnadentum Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gottesgnadentum amp oldid 236503380