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Der Kaiserkult auch Herrscherkult war eine kultische Verehrung der Kaiser des Romischen Reichs Man brachte den toten oder lebenden Herrschern Opfer dar betete teils ihr Bildnis an und machte sie dadurch zwar nicht zu einem Gott deus wohl aber zu einem Vergottlichten divus Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Der hellenistische Herrscherkult 1 2 Vorlaufer des Kaiserkults in Rom 1 3 Der Kaiserkult im Prinzipat 1 4 Das Ende des Kaiserkults 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDer hellenistische Herrscherkult Bearbeiten Der romische Kaiserkult ist eine Sonderform des in der Antike verbreiteten Herrscherkults und geht indirekt unter anderem auf den Makedonen Alexander den Grossen zuruck Dieser hatte laut Autoren wie Arrian bereits zu Lebzeiten seine eigene Vergottlichung gefordert Nach seinem Tod so glaubte man vielfach wurde er wegen seiner grossen Taten und Hilfe fur das Volk in die Gottergemeinschaft aufgenommen und leistete von dort aus seinen Verehrern weiterhin Hilfe Nach Alexander wurden weiteren Konigen des Hellenismus kultische Ehren zuteil Diese werden von der heutigen Forschung siehe Chaniotis 2003 uberwiegend als eine Sonderform des Euergetismus verstanden Die Initiative zur Einrichtung eines Herrscherkultes ging zumindest in den ersten Jahrzehnten nicht vom jeweiligen Konig sondern stets von der betreffenden Polis aus diese durfte dafur durchaus Gegenleistungen vom Konig erwarten entsprechend dem Grundgedanken des do ut des der auch fur die griechische Religion charakteristisch war Eine Sonderform bildete der Dynastiekult der Ptolemaer der starker auf agyptischen Traditionen fusste und die kultische Verehrung der Konige aktiv einforderte Der Herrscherkult ermoglichte es die Beziehung zwischen den Konigen und den von ihnen kontrollierten griechischen Stadten in eine ausserlich akzeptable Form zu bringen dies war notwendig da die Griechen die Monarchie eigentlich prinzipiell ablehnten siehe Tyrannis Kultische Ehrungen waren geeignet die Abhangigkeit der Poleis und die hierarchische Beziehung zu den Konigen auszudrucken ohne die Herrschaft der Monarchen uber die nominell demokratisch regierte Stadt ausdrucklich anzuerkennen In der Regel wurden dabei auch jene Konige die zu Lebzeiten gottlicher Verehrung teilhaftig geworden waren erst nach ihrem Tod vergottlicht Apotheose Dass hellenistische Konige selbst zu Lebzeiten verlangten als theoi Gotter verehrt zu werden war abgesehen von Alexander selbst und den agyptischen Herrschern eine spatere Entwicklung siehe etwa Antiochos I von Kommagene Im spaten Hellenismus gewahrte man ubrigens auch nicht koniglichen Wohltatern kultische Verehrung was die enge Verbindung zwischen griechischem Herrscherkult und Euergetismus unterstreicht Orientalische Einflusse hingegen werden zwar immer wieder diskutiert lassen sich aber erst fur den spaten Hellenismus nachweisen nicht fur die Entstehungszeit der Praxis deren Anfange bereits vor Alexander lagen siehe Lysander Vorlaufer des Kaiserkults in Rom Bearbeiten Wie stark der Kaiserkult vom hellenistischen Herrscherkult beeinflusst war ist umstritten Norena 2015 Die Romer kamen jedenfalls spatestens um 200 v Chr im Zuge ihrer Eroberungen mit dem griechisch hellenistischen Herrscherkult in Beruhrung der der romischen Religion bis dahin unbekannt gewesen war Seit dem zweiten Jahrhundert vor Christus erwies das Volk in den eroberten griechischen Gebieten sowohl romischen Provinzstatthaltern zuerst Titus Quinctius Flamininus aufgrund von Wohltaten gottliche Verehrung als auch dem romischen Volk und der Dea Roma 1 In die offizielle romische Staatsreligion aufgenommen wurde eine mogliche Vorform des Herrscherkultes um 217 v Chr mit dem Kult des Genius Publicus bzw Genius Populi Romani in dem die Volkssouveranitat und die Gemeinschaft des romischen Volkes gewissermassen vergottlicht wurden Ob man dies in eine direkte Reihe mit dem spateren Kaiserkult stellen kann ist umstritten Gaius Iulius Caesar kam zu Lebzeiten besondere Ehre zu da er so sagte man von den Gottern auserwahlt und mit ubernaturlichen Kraften ausgestattet gewesen sei Er erfuhr aber noch keine kultische Verehrung als vergottlichter Herrscher Im Jahr 42 v Chr nach seiner Ermordung am 15 Marz 44 v Chr wurde er auf Druck seines Adoptivsohnes zum Gott erhoben und ging als Divus Iulius in die romische Gottergemeinschaft ein wobei die Romer im Ubrigen stets zwischen einem deus einem Gott und einem divus einem Vergottlichten unterschieden Der Kaiserkult im Prinzipat Bearbeiten Caesars Nachfolger Augustus wurde 27 v Chr erster romischer Kaiser bzw princeps und blieb es bis zu seinem Tod gut 40 Jahre spater Als Adoptivsohn Caesars nannte er sich selbst zu Lebzeiten divi filius also Sohn des Vergottlichten Unmittelbar nach seinem Tod wurde auch er unter die Gotter erhoben Im mit dem Herrscherkult vertrauten griechischen Osten waren ihm aber bereits zu Lebzeiten entsprechende Ehrungen zuteilgeworden Eine gottliche Verehrung des lebenden Kaisers durch romische Burger widersprach hingegen im Kern der Prinzipatsideologie nach der die res publica vorgeblich noch immer bestand Im Westen insbesondere in Italien gestatteten bzw veranlassten Augustus und sein Nachfolger Tiberius ihre Verehrung zu Lebzeiten daher wohl nur in eingeschranktem Masse erst spater setzte sich der Kaiserkult dann auch hier flachendeckend durch Im Kult des Genius Augusti wurde daher gewissermassen das Charisma der Kaiser verehrt Der Herrscher war seit Augustus zu Lebzeiten auch oberster Staatspriester pontifex maximus und konnte neue religiose Gesetze schaffen bzw bestehendes Recht endgultig auslegen 2 Sollte ein Kaiser aufgrund seiner angeblichen Wohltaten fur das Volk nach seinem Tod vergottlicht werden Apotheose bzw Divinisierung wurde der Leichnam des Kaisers verbrannt Feuerbestattung Bei dieser Zeremonie wurde ein Adler das Symboltier Jupiters freigelassen welcher die Seele des Verstorbenen in das Reich der Gotter bringen sollte Der Aufstieg der Seele musste amtlich bezeugt werden Der Senat erkannte dann den Status des toten Kaisers als divus an Faktisch entschied aber naturlich nicht der Senat sondern der jeweils neue Herrscher wie mit dem Andenken seines Vorgangers zu verfahren sei So erzwang Antoninus Pius 138 die Divinisierung des beim Senat verhassten Hadrian Der Vergottlichte bekam eigene Tempel und eine eigene Priesterschaft Nach dem Tod unbeliebter Kaiser konnte der Senat umgekehrt auch die Damnatio memoriae Verfluchung des Andenkens beschliessen sofern dies der neue Herrscher wunschte Lebende Kaiser konnten formal keine Apotheose erlangen aber sie konnten sich durch ein Hofzeremoniell mit einer Aura gottlicher Macht umgeben Im griechischen Osten setzte sich daneben vielerorts das Prinzip des hellenistischen Herrscherkultes fast bruchlos fort Im lateinischen Westen war die Situation komplizierter vor allem in Rom und Italien Die Herrscher Caligula 37 41 Nero 54 68 und Domitian 81 96 praktizierten eine besonders absolutistische Regierungsform und liessen sich schon zu Lebzeiten im Stil hellenistischer Gottkonige verehren Sie scheiterten aber politisch weitgehend mit ihren Planen und erhielten nach ihrem Tod keine weitere Verehrung Decius Kaiser von 249 251 versuchte nach schweren Wirtschaftskrisen und Einbruchen vor allem der Franken Alemannen und Goten die Reichseinheit mit einer Ruckbesinnung auf die altromische Staatsreligion zu erneuern Dazu baute er die Sakralisierung der romischen Monarchie weiter aus In seiner Person oder mindestens zu seinem Schutz sollte Gottes Wesen erscheinen Epiphanie Kaiser Aurelian 270 275 steigerte dies Er machte den Sol invictus unbesiegter Sonnengott zum Reichsgott was aber nur kurzfristig gelang Diokletian 284 305 knupfte indirekt an die Vorstellung von den Gottern als Garanten der staatlichen Ordnung an Er wollte die Tetrarchie von Kaisern als irdische Manifestation des gottlichen Weltregiments von Jupiter etc betrachtet wissen Aus einer antagonistischen christlichen Geschichtsschau heraus hat sich die Vorstellung entwickelt der Kaiserkult sei ein massgeblicher Konfliktpunkt zwischen dem Kaiserreich und der jungen christlichen Bewegung gewesen Diese Perspektive findet sich jedoch so nicht in den Quellen und wurde von Althistorikern weitgehend aufgegeben 3 Der Kaiserkult wird lediglich in drei bekannten Quellen mit der Christenverfolgung in Verbindung gebracht wobei in einem Fall das Opfer an den Kaiser als die weniger schwerwiegende Alternative zum Opfer an die Gotter angeboten wird 4 Daruber hinaus wird in der Forschung nicht davon ausgegangen dass normale Burger an den Kulthandlungen teilnahmen ausgenommen an etwaigen Festessen 5 6 7 Das Ende des Kaiserkults Bearbeiten Bereits um die Mitte des 3 Jahrhunderts wurden die Hinweise auf die stadtromischen Priesterkollegien fur die vergottlichten Kaiser sehr viel seltener was als Indiz fur einen Bedeutungsverlust des Kultes fur die herrscherliche Legitimation interpretiert wird Nach dem Tod Diokletians leitete dann Konstantin eine religionspolitische Wende von grosser Tragweite ein so genannte konstantinische Wende und stellte ab 312 das Christentum anderen Religionen gleich In ihm sah er eine neue Grundlage fur die religiose Einung des Reiches und fur die Legitimation der Alleinherrschaft so dass er der Kirche nun weitgehende Privilegien gegenuber anderen Kulten auch den bisherigen Staatsgottern einraumte und ihre innere Einheit aktiv vorantrieb Allerdings gestattete Konstantin andererseits ausdrucklich den Kaiserkult ohne blutige Opfer 8 Er wurde zwar kurz vor seinem Tod getauft danach aber dennoch offiziell zum divus erhoben Seine bereits christlich erzogenen Sohne liessen die Apotheose ihres Vaters auf eigens gepragten Munzen feiern Seit der vollstandigen Christianisierung des Reiches unter Theodosius 379 395 verschwand der Kaiserkult dann ausserlich zuletzt wohl in Nordafrika wo er sich bis weit ins 5 Jahrhundert hielt Die Bildnisse der Kaiser wurden zwar weiterhin bekranzt und verehrt doch war dies nun ein rein politischer Ausdruck von Loyalitat Traditionell wurden verstorbene Kaiser aber weiterhin als divus bezeichnet um deutlich zu machen dass ihre Nachfolger sie als legitime Herrscher anerkannten dies ist noch fur Anastasius 491 518 bezeugt Der Machtanspruch des Kaisers uber die Religion blieb bis weit in das Mittelalter und die Neuzeit hinein bestehen Aus dem divus wurde der Kaiser von Gottes Gnaden Das Hofzeremoniell blieb bis in die Einzelheiten weitgehend dasselbe und wurde parallel auch vom Papsttum kopiert Literatur BearbeitenHubert Cancik Hrsg Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen Mohr Siebeck Tubingen 2003 ISBN 3 16 147895 9 Angelos Chaniotis The Divinity of Hellenistic Rulers In Andrew Erskine Hrsg A companion to the Hellenistic world Blackwell Oxford 2003 S 431 ff guter knapper Uberblick zum hellenistischen Herrscherkult Manfred Clauss Kaiser und Gott Herrscherkult im romischen Reich Saur Munchen 1999 ISBN 3 598 77444 3 sehr umstrittene Studie die im Gegensatz zu den meisten Forschern davon ausgeht dass dem Kaiserkult tatsachlich religiose Motive zugrunde gelegen hatten Wilhelm Drexler Kaiserkultus In Wilhelm Heinrich Roscher Hrsg Ausfuhrliches Lexikon der griechischen und romischen Mythologie Band 2 1 Leipzig 1894 Sp 901 919 Digitalisat Duncan Fishwick The imperial cult in the Latin west Studies in the ruler cult of the western provinces of the Roman Empire Drei Bande in sieben Teilbanden Brill Leiden 1987 2004 ISBN 90 04 07179 2 Ittai Gradel Emperor worship and Roman religion Clarendon Press Oxford 2002 ISBN 0 19 815275 2 Panagiotis Iossif Andrzej Chankowski Catharine Lorber Hrsg More than Men less than Gods Studies on Royal Cult and Imperial Worship Peeters Leuven 2011 ISBN 978 9 0429247 0 3 Anne Kolb Marco Vitale Hrsg Kaiserkult in den Provinzen des Romischen Reiches De Gruyter Berlin 2016 ISBN 978 3 11 041671 8 Carlos Norena Ritual and Memory Hellenistic Ruler Cults in the Roman Empire In Karl Galinsky Kenneth Lapatin Hrsg Cultural Memories in the Roman Empire Los Angeles 2015 S 86 ff Simon R F Price Rituals and power The Roman imperial cult in Asia Minor Cambridge University Press Cambridge 1984 und Nachdrucke ISBN 0 521 31268 X Frank W Walbank Konige als Gotter Uberlegungen zum Herrscherkult von Alexander bis Augustus In Chiron 17 1987 S 365 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kaiserkult im Antiken Rom Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Chr Mileta Die offenen Arme der Provinz Uberlegungen zur Funktion und Entwicklung der proromischen Kultfeste der Provinz Asia erstes Jahrhundert v Chr In Festrituale in der romischen Kaiserzeit Tubingen 2008 S 89 114 Ders Die proromischen Kulte der Provinz Asia im Spannungsverhaltnis von Religion und Politik In Die Religion des Imperium Romanum Koine und Konfrontation Tubingen 2009 S 139 160 Altere Bibliographie zu Augustuskult und Religion zur Zeit des Augustus hier Religionsgeschichtliches Handbuch von Karl Prumm S J Pohlmann W Art Herrscherkult II TRE 15 1986 251 Millar F The Imperial Cult and the Persecutions EnAC 19 1973 149 151 Nilsson M Geschichte der griechischen Religion Bd 2 die Hellenistische und romische Zeit Munchen 1961 S 186 Oakes P Re mapping the Universe Paul and the Emperor in 1 Thessalonians and Philippians JSNT 27 3 2005 301 322 hier S 311f Tsochos C Die Religion in der romischen Provinz Makedonien Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beitrage 40 Stuttgart 2012 S 69 Corpus Inscriptionum Latinarum CIL XI 5265 Normdaten Sachbegriff GND 4159652 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kaiserkult amp oldid 236099072