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Soziale Normen gesellschaftliche Normen soziale Skripte sind konkrete Handlungsanweisungen die das Sozialverhalten betreffen Sie definieren verantwortungsbewusstes soziales Handeln in Situationen des alltaglichen Lebens und der Arbeit Sie unterliegen immer dem sozialen Wandel sind gesellschaftlich und kulturell bedingt und sind daher von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden Normen bringen ausserliche Erwartungen der Gesellschaft an das Verhalten von Individuen zum Ausdruck Die Verbindlichkeit dieser Erwartungen variiert siehe auch Tabu Sie konnen unterschieden werden von innerer vernunftgemasser Gewissensprufung von Handlungen siehe Moral Ethik kategorischer Imperativ Formelle sowie informelle Normen sind Bestandteile sozialer Ordnung Emile Durkheim war einer der ersten Soziologen die die Wirkung normativer Regelungen untersuchten Spater erforschte insbesondere Talcott Parsons die Wirkung von Normen auf das Verhalten von Individuen Inhaltsverzeichnis 1 Kontrolle und Wirkung von Normen 2 Sozialisation von Normen 3 Normen in den Sozialwissenschaften 4 Empirischer Nachweis 4 1 Statistische Norm 4 2 Ideale Norm 4 3 Funktionale Norm 4 4 Rekonstruktion von Partikularnormen bei Popitz 5 Befolgung von Normen oder ethische Gewissensprufung 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseKontrolle und Wirkung von Normen BearbeitenSoziale Normen sind von den meisten Gesellschaftsmitgliedern sozialen Akteuren akzeptierte und vertretene Vorstellungen Handlungsmaximen und Verhaltensmassregeln wie z B in unserer Kultur dass man beim Essen nicht schmatzt dass man den Hosenschlitz in einem unbeobachteten Moment zuzieht oder dass man andere Menschen nicht anrempelt Soziale Normen strukturieren so die Erwartungen der Interaktionspartner in einer Situation und machen das Handeln und Reagieren in einem gewissen Masse vorhersagbar sie reduzieren daher Komplexitat im sozialen Miteinander engen in der Negativsicht die Verhaltensmoglichkeiten ein schaffen auf der anderen Seite innerhalb der normativen Grenzen die freie Entfaltung ohne Zwange Normvorstellungen konnen miteinander konkurrieren vgl soziale Rolle Systemtheoretisch aufgefasst stehen sie jedoch miteinander in einem hierarchischen Bezug bei dem die jeweils weiter oben angesiedelten Handlungsempfehlungen einen Allgemeinbegriff einsetzen wo die Einzelnorm einen besonderen Fall beschreibt Beispiel Eine Einzelnorm besagt dass man beim Essen begrundet z B mit der Verletzungsgefahr kein Nahrungsmittel mit dem Messer aufspiessen und zum Mund fuhren soll Beim Verzehr eines Frankfurter Handkases gilt jedoch die umgekehrte Norm dass dieser aufgrund ortsublicher Sitte ausschliesslich mit dem Messer verzehrt werden darf Die allgemeinere Norm formuliert in diesem Fall Man soll so speisen wie es die jeweilige Verzehrsvorschrift anrat Die gultige Ausnahme erzwingt und rechtfertigt alterer redensartlicher Sprachgebrauch bestatigt damit die Aufstellung einer allgemeineren Regel Sehr weit vom konkreten Einzelfall abstrahierte allgemeine moralische Handlungsempfehlungen bezeichnet man als Maximen Die Einhaltung sozialer Normen wird von Mitmenschen oder von Personen in einer bestimmten Machtposition z B Lehrern kontrolliert Sie konnen auf diese reagieren mit Sanktionen Belohnung oder Bestrafung oder mit Ignorieren d h sie konnen reagieren mussen es aber nicht Die Einhaltung der sozialen Normen unterliegt der sozialen Kontrolle Die Formen der Normabweichung reichen von blosser Exzentrik bis hin zur Kriminalitat Auch der zivilisierte Umgang mit Normverstossen und eine wohldosierte und auf die Wiederherstellung von harmonischem Zusammenleben gerichtete Konfliktkultur sind fester Bestandteil gesellschaftlicher Norm Soziale Normen werden im realen gesellschaftlichen Zusammenleben nicht gleich gewichtet Ihre Durchsetzung orientiert sich an ihrer Wertigkeit fur die beteiligten Individuen bzw dem Grad ihrer allgemeinen Akzeptanz Ihre Bedeutung hangt von den Anstrengungen ab die zu ihrer Durchsetzung unternommen werden Bei hoher Relevanz z B beim Schutz der menschlichen Wurde werden soziale Normen durch Gesetze kodifiziert und uber Strafe Sanktionen durchgesetzt Normen werden haufig aus ethisch moralischen Zielvorstellungen Werten abgeleitet Verhalt sich jemand entsprechend einer Norm ohne dabei bewusst an die mit dieser Norm verbundenen Sanktionen zu denken so hat er die Norm internalisiert Normen dienen dazu dass soziales Handeln vereinfacht wird durch die Existenz von Normen wird es moglich Erwartungen uber das Verhalten anderer Personen zu bilden Sozialisation von Normen BearbeitenDas Kind erlernt die jeweils in der Gesellschaft geltenden sozialen Normen wahrend der Erziehung u a im Elternhaus und in der Schule Sozialisation Mit den Jahren erweitert sich die Anzahl der Normen und der Heranwachsende passt sich immer mehr der Gesellschaft an Von einem erwachsenen Menschen erwarten die Leute dass er die meisten Normen kennt und beachtet sodass er in der Offentlichkeit nicht unangenehm auffallt Als Zeichen von hoherer Bildung gilt es wenn man die Einzelnormen aus den jeweils hoher stehenden Maximen abzuleiten in der Lage ist Einsicht in die Notwendigkeit Als Zeichen niedriger Bildung gilt die blosse Kenntnis und unreflektierte Befolgung der wichtigsten Einzelnormen fremdbestimmtes moralisches Handeln Oberste Maxime der moralischen Erziehung ist die grosstmogliche Hebung der moralischen Urteilsfahigkeit beim Individuum Normen in den Sozialwissenschaften BearbeitenIn den Sozialwissenschaften sind Normen Regelungen des sittlichen oder konventionellen Verhaltens der Menschen die innerhalb einer gesellschaftlichen Gruppe gelten Dazu gehoren z B Sitten und Gebrauche Verbote und Gesetze Sie dienen dem Schutz von Werten sie ermoglichen dem Individuum zu leben und in der Gemeinschaft zusammenzuleben Fur den Einzelnen haben sie eine Entlastungsfunktion Sie geben ihm Orientierung und befreien ihn von dem dauernden Druck sich selbst Verhaltensregeln suchen zu mussen In einer offenen Gesellschaft sind Normen nicht ein fur alle Mal festgelegt sondern unterliegen einem stetigen Legitimationsdruck Im Allgemeinen unterscheidet man drei Arten von gesellschaftlichen Normen Kann Soll und Mussnormen Empirischer Nachweis BearbeitenDie Akzeptanz von Normen kann durch Beobachtung oder Befragung ermittelt werden Dabei gilt dass jede Einzelmessung mit einem Messfehler behaftet ist selbst eine Messung des Gewichtes und der Korpergrosse umso mehr physiologische Messungen Blutdruck und psychodiagnostische Messungen Intelligenz Extraversion Angstneigung Daher kann nie mit absoluter Sicherheit gesagt werden ob die tatsachliche Merkmalsauspragung der wahre Wert einer Person der beobachteten soeben gemessenen entspricht Ausserdem kann sich sogar der wahre Wert mehr oder weniger schnell verschieben so kann sich die Personlichkeit einer Person uber das Leben hinweg verandern oder der Blutdruck durch die Aufregung des Arztbesuches erhoht sein obwohl er sonst im Normbereich liegt Statistische Norm Bearbeiten Die Norm ist mitunter ein Mittelwert arithmetisches Mittel Median Modalwert bzw allgemeiner ein Kennwert der zentralen Tendenz dieser lasst sich gut durch die Gausssche Normalverteilung darstellen Ein bestimmter Bereich um diesen Mittelwert z B eine Standardabweichung wird als normal definiert im psychodiagnostischen Bereich ist der Begriff durchschnittlich gebrauchlicher Abweichungen von diesem Durchschnittsbereich werden ublicherweise als uber unterdurchschnittlich bzw abweichend sowie die Extrembereiche als abnorm bezeichnet Weitere ubliche Begriffe sind knapp und stark uberdurchschnittlich sowie bei klinischen Testverfahren klinisch relevant Eine Person zeigt eine Abweichung von der Norm wenn ein Merkmal oder ein bestimmtes Verhalten weniger haufig haufiger auftritt bzw weniger oder starker ausgepragt ist als bei Menschen die in den Durchschnittsbereich fallen Bei nicht normalverteilten Variablen werden fur gewohnlich Prozentrange herangezogen um die statistische Norm festzulegen Ein Prozentrang zwischen 25 und 75 kann beispielsweise als durchschnittlich gelten d h der Bereich in dem 50 der Werte in der Grundgesamtheit Bevolkerung liegen Ideale Norm Bearbeiten Als ideale Norm wird ein Zustand der Vollkommenheit bezeichnet der als erstrebenswert gilt Ideale Normen beschreiben Moglichkeiten des Menschen die als Musterleitbilder fur das menschliche Streben und Handeln dienen sollen Die Beurteilung als normal oder abnorm wird hier aus der Sicht ethischer ideologischer oder anderer Wertsetzungen vorgenommen Jede Nichteinhaltung dieser Norm wird als Abweichung angesehen und so als abnorm betrachtet Ein bekanntes Beispiel fur diese Art der Norm ist das Gebot Du sollst nicht lugen Obwohl jeder Mensch lugt es also statistisch gesehen vollig normal ist wird ein anderer Zustand als erstrebenswert betrachtet Funktionale Norm Bearbeiten Die funktionale Norm bezieht sich auf Zielsetzungen und Leistungen einer Person Sie gibt an ob die Person ihre Ziele erreicht und den ihre gestellten Aufgaben gerecht wird Entwicklungs und Funktionsbedingungen die den Verhaltensmoglichkeiten einer Person entsprechen gelten als normal Eine funktionelle Beeintrachtigung liegt vor wenn eine Person bei der Bewaltigung einer bestimmten Aufgabe scheitert obwohl sie diese mit den ihr zur Verfugung stehenden Moglichkeiten losen konnte Beispiel Das Versagen bei einer Prufung trotz ausreichender Kenntnisse und gewissenhafter Vorbereitung Rekonstruktion von Partikularnormen bei Popitz Bearbeiten Zu Beginn der Normrekonstruktion ist zu klaren ob eine Norm allein fur eine Subgruppe oder daruber hinaus fur alle Gesellschaftsmitglieder gultig ist Sind die rekonstruierten Normen einer untersuchten Gruppe zweifelsfrei von den Normen anderen Gruppen unterscheidbar Als soziale Norm definiert Popitz daruber hinaus jedes Verhalten das zukunftig zu erwarten ist das regelmassig wiederkehrt das gewollt wird und das mit einem Sanktionsrisiko bei Abweichung verbunden ist vgl Popitz 1961 85 1 Zur Rekonstruktion einer Norm ist dann zu prufen ob das erinnerte Verhalten gesollt und regelmassig ist zukunftig erwartet werden kann und mit einem Sanktionsrisiko einhergeht vgl Popitz 1961 85 ff Beantwortet werden also vier Prufungsfragen Steckt hinter gultigen Massstaben eine Absicht das heisst haben sie einen desiderativen Charakter Gelangen die Verhaltenserwartung regelmassig zur Anwendung Stehen die Massstabe in direktem Bezug auf zukunftige Erwartungen der Fremdplatzierten Kann ich ein Sanktionsrisiko rekonstruieren welches Verhaltensabweichungen verhindern soll Erst wenn alle vier Fragen zweifelsfrei bejaht wurden spreche ich von einer sozialen Norm die nur fur eine Subgruppe der Gesellschaft gultig ist eine Partikularnorm Befolgung von Normen oder ethische Gewissensprufung BearbeitenNach Immanuel Kants Maximenethik bestimmen sittliche Gebote die Wertmassstabe menschlichen Handelns z B volkstumlich formuliert Was du nicht willst dass man dir tu das fug auch keinem andern zu Goldene Regel Fur mundige Menschen gewinnen Handlungsnormen nicht schon dadurch Gultigkeit dass sie gegeben sind sondern ihr Verpflichtungscharakter ergibt sich nach verantwortlicher Prufung Eine Norm die nicht auf einem Wert grundet hat keine sittliche Bindekraft Da die Befolgung von Normen eng an Belohnungen Bestrafungen gekoppelt ist kann das durchaus in Widerspruch zu ethischen Grundsatzen geraten Siehe auch BearbeitenBrauch Rechtsnorm Heteronormativitat Paranormal ErziehungsnormLiteratur BearbeitenJurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Metzler Stuttgart Weimar 1995 ISBN 3 476 01354 5 Nachauflage 2004 ISBN 3 476 02012 6 Stichworte Norm handlungstheoretisch moralphilosophisch und Norm juristisch sozialwissenschaftlich Reinhold Zippelius Verhaltenssteuerung durch Recht und kulturelle Leitideen Duncker amp Humblot Berlin 2004 ISBN 3 428 11456 6 Heinrich Popitz Soziale Normen Suhrkamp Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 518 29394 X Bernhard Schafers Johannes Kopp Hrsg Grundbegriffe der Soziologie 9 Auflage Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2006 ISBN 3 531 14686 6 Stichwort Norm Soziale Einzelnachweise Bearbeiten H Popitz Soziale Normen 1961 In W Essbach F Pohlmann Hrsg Heinrich Popitz Soziale Normen Suhrkamp Frankfurt am Main 2006 S 59 204 Normdaten Sachbegriff GND 4132883 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Soziale Norm amp oldid 230809115