www.wikidata.de-de.nina.az
Eine Konvention Aussprache kɔnvɛnˈʦi oːn vom lateinischen conventio fur Ubereinkunft oder Zusammenkunft ist eine nicht notwendig geschriebene Regel oder Verhaltensnorm die von einer Gruppe von Menschen aufgrund eines beschlossenen Konsenses eingehalten wird Die Ubereinkunft kann stillschweigend zustande gekommen oder ausgehandelt worden sein Entsprechend schwankt die Bedeutung des Begriffs zwischen willkurlicher Ubereinkunft einerseits Tradition oder Sitte andererseits Zum selben Wortstamm gehoren auch die Begriffe Konvent und Konventionalismus Das Adjektiv konventionell hat neben der Bedeutung den gesellschaftlichen Konventionen entsprechend auch die von herkommlich oder hergebracht beispielsweise konventionelle Kriegfuhrung als Abgrenzung zu atomarer biologischer chemischer konventionelle Landwirtschaft als Abgrenzung zur okologischen Landwirtschaft In der Kunst bezeichnet konventionell eine nicht neue nicht originelle schopferische Leistung Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 2 Konventionen als soziale Handlungsanweisungen 3 Konventionstheorie der Sprache 4 Konvention als multilateraler Vertrag 5 Technische Konventionen 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseBegriffsgeschichte BearbeitenDie grosse franzosische Encyclopedie verwendet den Begriff convention noch fur alle Formen von Vereinbarungen Vertragen Verpflichtungen und Versprechen Erst David Hume definiert Konvention als a general sense of common interest which sense all the members of the society express to one another and which induces them to regulate their conduct by certain rules ein Gefuhl fur die gemeinsamen Interessen das die Mitglieder einer Gesellschaft gegenseitig zum Ausdruck bringen und welches sie veranlasst ihr Verhalten durch gewisse Regeln zu ordnen Damit grenzt er die Konvention klar vom Vertrag und vom expliziten Versprechen ab 1 Wichtig fur das Zustandekommen sind nur Kommunikationsfahigkeit Interesse an Kooperation und wechselseitige Verhaltenserwartungen Durch Gewohnung verlieren sie ihre Kunstlichkeit und werden als naturwuchsig gegeben akzeptiert Ferdinand Tonnies sieht die Entstehung einer Konvention in umgekehrter Reihenfolge Eine Verhaltensgewohnheit oder Sitte verliert irgendwann ihre Naturlichkeit an ihre Stelle tritt eine Kunstsitte z B eine Zeremonie die als eine dem allgemeinen und dem je eigenen Nutzen zugleich entsprechende Regel empfunden wird 2 Die oberste Regel der konventionellen Gesellschaft ist die Hoflichkeit 3 Max Weber nimmt nur eine typologische Unterscheidung von Sitte und Konvention vor er diskutiert die Entstehung von Konventionen nicht genauer Fur ihn wird die eingelebte Sitte allein durch Gewohnheit und Nachahmung die Konvention hingegen durch Billigung bzw Missbilligung der Umwelt nicht jedoch durch einen Zwangsapparat aufrechterhalten wie etwa das Recht und selbst das Gewohnheitsrecht 4 Der Philosoph David Kellogg Lewis benutzt im Anschluss an Hume den Konventionsbegriff im Sinne eines sich selbst stabilisierenden und perpetuierenden Systems von Erwartungen Praferenzen und Verhaltensregeln die den Interessen bei der Losung von Koordinationsproblemen in Interaktionsprozessen dienen Die gefundene Regel selbst ist beliebig z B das Links oder Rechtsfahrgebot auf der Strasse sie kommt oft dadurch zustande dass sich Akteure erinnern dass sie fruher schon einmal ein Problem auf eine bestimmte Art zufriedenstellend gelost haben Wenn jemand von einer solchen fur alle befriedigenden Regel abweicht hat er keine Vorteile davon 5 Damit ahnelt die Konvention einem de facto Standard Fur John Niemeyer Findlay 6 stutzen sich moralische Urteile nicht auf individuelle Gefuhle und Praferenzen sondern auf Konventionen hinsichtlich des Gebrauchs von Wortern wie moralisch oder ethisch Nur durch die Untersuchung dieser Konventionen sind moralische Urteile fur Findley sind das stets emotionale nicht kognitive Aussagen zu rechtfertigen Konventionen als soziale Handlungsanweisungen BearbeitenIn der Soziologie von Emile Durkheim Norbert Elias Talcott Parsons und Erving Goffman bis zu Pierre Bourdieu und Anthony Giddens werden ungeschriebene nicht formalisierte soziale Normen Gesellschaftliche Normen auch Soziale Skripte oft als Konventionen bezeichnet Sie definieren mogliche Verhaltensweisen in einer sozialen Situation und geben Verhaltensregelmassigkeiten an Konventionen sind Teil der Kultur einer Gesellschaft und mit der gesellschaftlichen Entwicklung wandelbar Fur Norbert Elias sind verhaltensregulierende Konventionen neben der Monopolisierung der Gewalt durch den Staat ein wichtiges Kennzeichen der modernen Zivilisation Sie konnen auch als Mittel einer Einschrankung des Einzelnen seiner Rechte oder Moglichkeiten betrachtet werden Wer gegen bestehende Konventionen verstosst verhalt sich unkonventionell Uber den Sinn der Konvention schreibt Kurt Volkmann 7 Man kann einem Zwanzigjahrigen nicht die Weisheit eines grauen Hauptes beibringen man kann Dumme nicht klug machen aber man kann einem reifenden Menschen Form geben Haltung ist beim Jungling wichtiger als Klugheit Kurt VolkmannKonventionstheorie der Sprache BearbeitenParmenides und Demokrit konnen als erste Vertreter des Verstandnisses von Sprache als einer Konvention gelten Platon diskutiert im Kratylos 8 explizit das Problem ob die Namen der Dinge auf Natur oder Ubereinkunft bzw Brauch beruhen Er zeigt dass sich die sprachlichen Zeichen von der bezeichneten Sache unterscheiden Eindeutiger als Platon beantwortet Aristoteles die Frage nach der Konventionalitat der Sprache was fur ihn jedoch keine willkurliche Setzung der Sprachzeichen und keine Annahmen uber ihre historische Entwicklung impliziert 9 Auch Thomas Hobbes und John Locke vertreten einen konventionalistischen Ansatz obwohl sie die Sprache und die Sprachfahigkeit als von Gott geschaffen ansehen David Hume betrachtet diese Konventionen erstmals als soziale weil durch das Interesse der Menschen an geregelter Kommunikation bedingte Mit der anthropologisch kulturalistischen Sprachbetrachtung durch Johann Gottfried Herder und die Romantik verliert die Konventionstheorie der Sprache bzw der sprachlichen Zeichen an Bedeutung und wird erst im 20 Jahrhundert wieder aufgegriffen v a in der Linguistik durch Ferdinand de Saussure und in Ludwig Wittgensteins Spatwerk Siehe auch SprachnormKonvention als multilateraler Vertrag BearbeitenDer Begriff Konvention bezeichnet auch einen volkerrechtlichen Vertrag der multilateral mehrseitig geschlossen wird und Rechtsnormen kodifiziert 10 11 Im Speziellen wird der Begriff Konvention oft fur solche multilateralen Vertrage benutzt die von einer Vielzahl von Staaten unter der Schirmherrschaft einer internationalen Organisation vereinbart werden in Abgrenzung zu anderen multilateralen Vertragen wie Grundungsvertragen internationaler Organisationen oft Charta oder Statut genannt oder Anderungs und Zusatzvereinbarungen oft Protokoll 12 Eine Rahmenkonvention legt Rechtsgrundlagen und rahmen fest weitere Vertrage sorgen fur die Ausgestaltung und Erganzung Rahmenabkommen Zu den Konventionen zahlen etwa die Vertragswerke die unter dem Dach der Vereinten Nationen entstehen UN Konvention Im offiziellen deutschen Sprachgebrauch wird meist der sinngemasse Ausdruck Ubereinkommen verwendet Bedeutende Beispiele fur Konventionen sind die bilaterale Konvention von Tauroggen 1812 ein deutsch russisches Beistandsversprechen die Wiener Vertragsrechtskonvention ein multilaterales Ubereinkommen zum Volkerrecht selbst oder die Klimarahmenkonvention zum Klimaschutz die als Rahmenabkommen durch weitere Vertrage wie das Kyoto Protokoll erganzt worden ist Technische Konventionen BearbeitenTechnische Konventionen werden in Normungen festgelegt Siehe auch BearbeitenNorm Berner Konvention Genfer Konventionen Kinderrechtskonvention Vertragsstrafe auch Konventionalstrafe Namenskonvention Datenverarbeitung ZeichenLiteratur BearbeitenDavid Lewis Convention Harvard University Press Cambridge MA 1969 Dennis Buscher Ulbrich Stefanie Kadenbach Martin Kindermann Innovation Konvention Transdisziplinare Beitrage zu einem kulturellen Spannungsfeld transcript 2014 Weblinks Bearbeiten Wiktionary Konvention Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Stanford Encyclopedia of Philosophy Michael Rescorla ConventionEinzelnachweise Bearbeiten David Hume A treatise of human nature 1738 1740 Band III 2 2 Ferdinand Tonnies Die Sitte In Die Gesellschaft Sammlung sozialpsychologischer Monographien Hrsg Martin Buber Rutten amp Loening Frankfurt 1909 S 7 f Tonnies 1909 S 54 Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft 5 Auflage Tubingen 1980 S 15 Anmerkung 187 David Lewis Convention A Philosophical Study Harvard University Press 1969 J N Findlay Morality by Conventions in Mind Vol 33 No 210 1944 S 142 169 Die Tubinger Rhenanen 5 Auflage 2002 S 167 Platon Kratylos 384 c e 432 c d 435 a d Aristoteles De interpretatione 16a Andreas von Arnauld Volkerrecht C F Muller 2014 ISBN 978 3 8114 6323 3 S 76 Otto Kimminich Einfuhrung in das Volkerrecht De Gruyter 2013 ISBN 978 3 11 153378 0 S 248 Jost Delbruck Rudiger Wolfrum Hrsg Die Formen des volkerrechtlichen Handelns Die inhaltliche Ordnung der internationalen Gemeinschaft De Gruyter 2013 ISBN 978 3 11 090696 7 S 541 542 Normdaten Sachbegriff GND 4197552 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konvention amp oldid 232532404