www.wikidata.de-de.nina.az
Ein Mass ist in der Mathematik eine Funktion die geeigneten Teilmengen einer Grundmenge Zahlen zuordnet die als Mass fur die Grosse dieser Mengen interpretiert werden konnen Dabei mussen sowohl der Definitionsbereich eines Masses also die messbaren Mengen als auch die Zuordnung selbst gewisse Voraussetzungen erfullen wie sie beispielsweise durch elementargeometrische Begriffe der Lange einer Strecke dem Flacheninhalt einer geometrischen Figur oder dem Volumen eines Korpers nahegelegt werden Ein Mass ordnet Teilmengen einer Grundmenge Zahlen zu Das Bild illustriert die Monotonieeigenschaft von Massen das heisst grossere Mengen haben auch ein grosseres Mass Das Teilgebiet der Mathematik das sich mit der Konstruktion und der Untersuchung von Massen beschaftigt ist die Masstheorie Der allgemeine Massbegriff geht zuruck auf Arbeiten von Emile Borel Henri Leon Lebesgue Johann Radon und Maurice Rene Frechet Dabei stehen Masse stets in engem Zusammenhang mit der Integration von Funktionen und bilden die Grundlage moderner Integralbegriffe siehe Lebesgue Integral Seit der Axiomatisierung der Wahrscheinlichkeitsrechnung durch Andrei Kolmogorow ist die Stochastik ein weiteres grosses Anwendungsgebiet fur Masse Dort werden Wahrscheinlichkeitsmasse verwendet um zufalligen Ereignissen die als Teilmengen eines Ergebnisraums aufgefasst werden Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen Inhaltsverzeichnis 1 Einfuhrung und Geschichte 2 Definition 3 Anmerkungen und erste Beispiele 4 Eigenschaften 4 1 Rechenregeln 4 2 Stetigkeitseigenschaften 4 3 Eindeutigkeitssatz 4 4 Linearkombinationen von Massen 5 Konstruktion von Massen 5 1 Masserweiterungssatz 5 2 Nullmengen Vervollstandigung von Massen 5 3 Masse auf den reellen Zahlen 5 4 Einschrankung von Massen 5 5 Bildmass 5 6 Masse mit Dichten 5 7 Produktmasse 6 Masse auf topologischen Raumen 6 1 Borelmasse und Regularitat 6 2 Haarsches Mass 6 3 Konvergenz von Massen 7 Anwendungen 7 1 Integration 7 2 Raume integrierbarer Funktionen 7 3 Wahrscheinlichkeitstheorie 7 4 Statistik 7 5 Finanzmathematik 8 Verallgemeinerungen 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseEinfuhrung und Geschichte BearbeitenDer elementargeometrische Flacheninhalt ordnet ebenen geometrischen Figuren wie Rechtecken Dreiecken oder Kreisen also gewissen Teilmengen der euklidischen Ebene Zahlenwerte zu Flacheninhalte konnen gleich null sein beispielsweise bei der leeren Menge aber auch bei einzelnen Punkten oder bei Strecken Auch der Wert infty unendlich kommt z B bei Halbebenen oder dem Ausseren von Kreisen als Flacheninhalt vor Allerdings durfen keine negativen Zahlen als Flacheninhalte auftreten Abzahlbare Additivitat eines Masses m mu Das Mass einer abzahlbaren disjunkten Vereinigung ist gleich der Summe uber die Masse der einzelnen Teilmengen Weiterhin besitzt der Flacheninhalt ebener geometrischer Figuren eine Eigenschaft die Additivitat genannt wird Zerlegt man eine Figur in zwei oder mehr Teile beispielsweise ein Rechteck mittels einer Diagonale in zwei Dreiecke dann ist der Flacheninhalt der Ausgangsfigur die Summe der Flacheninhalte der Teile Zerlegen bedeutet hier dass die Teile paarweise disjunkt sein mussen je zwei Teile haben also keine gemeinsamen Punkte und dass die Vereinigung aller Teile die Ausgangsfigur ergibt Fur die Messung von Flacheninhalten komplizierterer Figuren wie Kreisflachen oder Flachen die zwischen Funktionsgraphen eingeschlossen sind also fur die Berechnung von Integralen mussen Grenzwerte von Flacheninhalten betrachtet werden Dazu ist es wichtig dass die Additivitat auch dann noch gilt wenn Flachen in eine Folge von paarweise disjunkten Teilflachen zerlegt werden Diese Eigenschaft wird abzahlbare Additivitat oder s Additivitat genannt Henri Leon LebesgueDie Bedeutung der s Additivitat fur den Massbegriff wurde erstmals von Emile Borel erkannt der 1894 bewies dass die elementargeometrische Lange diese Eigenschaft besitzt Das eigentliche Massproblem formulierte und untersuchte Henri Lebesgue im Jahre 1902 in seiner Doktorarbeit Er konstruierte ein s additives Mass fur Teilmengen der reellen Zahlen das Lebesgue Mass das die Lange von Intervallen fortsetzt allerdings nicht fur alle Teilmengen sondern fur ein System von Teilmengen die er messbare Mengen nannte 1 Im Jahre 1905 zeigte Giuseppe Vitali dass eine konsistente Erweiterung des Langenbegriffs auf alle Teilmengen der reellen Zahlen unmoglich ist also dass das Massproblem nicht losbar ist 2 Da wichtige Masse wie eben das Lebesgue Mass nicht fur alle Teilmengen also auf der Potenzmenge der Grundmenge definiert werden konnen mussen geeignete Definitionsbereiche fur Masse betrachtet werden Die s Additivitat legt es nahe dass Systeme messbarer Mengen abgeschlossen gegenuber abzahlbaren Mengenoperationen sein sollten Das fuhrt auf die Forderung dass die messbaren Mengen eine s Algebra bilden mussen Das heisst Die Grundmenge selbst ist messbar und Komplemente sowie abzahlbare Vereinigungen messbarer Mengen sind wiederum messbar In der Folgezeit erweiterten Thomas Jean Stieltjes und Johann Radon die Konstruktion des Lebesgue Masses auf allgemeinere Masse im d d dimensionalen Raum die Lebesgue Stieltjes Masse Maurice Rene Frechet betrachtete ab 1915 auch Masse und Integrale auf beliebigen abstrakten Mengen Im Jahre 1933 veroffentlichte Andrei Kolmogorow sein Lehrbuch Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung in dem er Masstheorie verwendet um eine strenge axiomatische Begrundung der Wahrscheinlichkeitstheorie zu geben siehe auch Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung 3 Definition BearbeitenEs sei A mathcal A eine s Algebra uber einer nicht leeren Grundmenge W Omega Eine Funktion m A 0 mu colon mathcal A to 0 infty heisst Mass auf A mathcal A wenn die beiden folgenden Bedingungen erfullt sind m 0 mu emptyset 0 s Additivitat Fur jede Folge A n n N A n n in mathbb N paarweise disjunkter Mengen aus A mathcal A gilt m n 1 A n n 1 m A n mu left bigcup n 1 infty A n right sum n 1 infty mu A n Ist die s Algebra aus dem Zusammenhang klar so spricht man auch von einem Mass auf W Omega Eine Teilmenge von W Omega die in A mathcal A liegt wird messbar genannt Fur solch ein A A A in mathcal A heisst m A mu A das Mass der Menge A A Das Tripel W A m Omega mathcal A mu wird Massraum genannt Das Paar W A Omega mathcal A bestehend aus der Grundmenge und der darauf definierten s Algebra heisst Messraum oder auch messbarer Raum Ein Mass m mu ist also eine auf einem Messraum definierte nicht negative s additive Mengenfunktion mit m 0 mu emptyset 0 Das Mass m mu heisst Wahrscheinlichkeitsmass oder normiertes Mass wenn zusatzlich m W 1 mu Omega 1 gilt Ein Massraum W A m Omega mathcal A mu mit einem Wahrscheinlichkeitsmass m mu ist ein Wahrscheinlichkeitsraum Ist allgemeiner m W lt mu Omega lt infty so nennt man m mu ein endliches Mass Existieren abzahlbar viele Mengen deren Mass endlich ist und deren Vereinigung ganz W Omega ergibt dann wird m mu ein s endliches oder s finites Mass genannt 4 Anmerkungen und erste Beispiele BearbeitenEin Mass nimmt also nicht negative Werte aus den erweiterten reellen Zahlen R bar mathbb R an Fur das Rechnen mit infty gelten die ublichen Konventionen zusatzlich ist es nutzlich 0 0 0 cdot pm infty 0 zu setzen Da alle Summanden der Reihe n 1 m A n displaystyle textstyle sum n 1 infty mu A n nicht negativ sind ist diese entweder konvergent oder divergiert gegen infty Die Forderung dass die leere Menge das Mass null besitzt schliesst den Fall aus dass alle A A A in mathcal A das Mass m A mu A infty besitzen In der Tat lasst sich die Forderung m 0 mu emptyset 0 aquivalent ersetzen durch die Bedingung dass ein A A A in mathcal A existiert mit m A lt mu A lt infty 5 Dagegen sind die trivialen Falle m A 0 mu A 0 fur alle A A A in mathcal A das sogenannte Nullmass sowie m A mu A infty fur alle A A A in mathcal A setminus emptyset und m 0 mu emptyset 0 Masse im Sinne der Definition Fur ein Element x W x in Omega wird durchd x A 1 falls x A 0 sonst delta x A begin cases 1 amp text falls x in A 0 amp text sonst end cases dd fur A A A in mathcal A ein Mass definiert Es wird Diracmass an der Stelle x x genannt und ist ein Wahrscheinlichkeitsmass Die Abbildung m A 0 mu colon mathcal A to 0 infty die jeder endlichen Menge A A A in mathcal A die Anzahl ihrer Elemente also ihre Machtigkeit A A sowie den unendlichen Mengen in A mathcal A den Wert infty zuweist heisst Zahlmass Das Zahlmass ist ein endliches Mass wenn W Omega eine endliche Menge ist und ein s endliches Mass wenn W Omega hochstens abzahlbar ist Das d d dimensionale Lebesgue Mass l lambda ist ein Mass auf der s Algebra der Lebesgue messbaren Teilmengen von R d mathbb R d Es ist eindeutig bestimmt durch die Forderung dass es den d d dimensionalen Hyperrechtecken ihr Volumen zuordnet l a 1 b 1 a d b d b 1 a 1 b d a d lambda a 1 b 1 times dotsb times a d b d b 1 a 1 dotsm b d a d dd Das Lebesgue Mass ist nicht endlich aber s endlich Das Hausdorff Mass ist eine Verallgemeinerung des Lebesgue Masses auf nicht notwendig ganzzahlige Dimensionen Mit seiner Hilfe lasst sich die Hausdorff Dimension definieren ein Dimensionsbegriff mit dem beispielsweise fraktale Mengen untersucht werden konnen Eigenschaften BearbeitenRechenregeln Bearbeiten Direkt aus der Definition ergeben sich die folgenden elementaren Rechenregeln fur ein Mass m A 0 mu colon mathcal A to 0 infty endliche Additivitat Fur paarweise disjunkte Mengen A 1 A m A A 1 dotsc A m in mathcal A gilt m A 1 A m n 1 m m A n displaystyle textstyle mu A 1 cup ldots cup A m sum n 1 m mu A n Subtraktivitat Fur A B A A B in mathcal A mit B A B subseteq A und m B lt mu B lt infty gilt m A B m A m B mu A setminus B mu A mu B Monotonie Fur A B A A B in mathcal A mit B A B subseteq A gilt m B m A mu B leq mu A Fur A B A A B in mathcal A gilt stets m A B m A B m A m B mu A cup B mu A cap B mu A mu B Mit dem Prinzip von Inklusion und Exklusion lasst sich diese Formel im Falle endlicher Masse auf Vereinigungen und Schnitte endlich vieler Mengen verallgemeinern s Subadditivitat Fur eine beliebige Folge A n n N A n n in mathbb N von Mengen aus A mathcal A gilt m n 1 A n n 1 m A n displaystyle textstyle mu left bigcup n 1 infty A n right leq sum n 1 infty mu A n Stetigkeitseigenschaften Bearbeiten Die folgenden Stetigkeitseigenschaften sind grundlegend fur die Approximation messbarer Mengen Sie folgen direkt aus der s Additivitat s Stetigkeit von unten Ist A 1 A 2 displaystyle A 1 subseteq A 2 subseteq dotsb eine aufsteigende Folge von Mengen aus A mathcal A und A n 1 A n A bigcup n 1 infty A n dann gilt lim n m A n m A lim n to infty mu A n mu A s Stetigkeit von oben Ist A 1 A 2 displaystyle A 1 supseteq A 2 supseteq dotsb eine absteigende Folge von Mengen aus A mathcal A mit m A 1 lt mu A 1 lt infty und A n 1 A n A bigcap n 1 infty A n dann gilt lim n m A n m A lim n to infty mu A n mu A Eindeutigkeitssatz Bearbeiten Hauptartikel Masseindeutigkeitssatz Fur zwei Masse m n A 0 mu nu colon mathcal A to 0 infty auf einem gemeinsamen Messraum W A Omega mathcal A gilt der folgende Eindeutigkeitssatz Es gebe einen durchschnittsstabilen Erzeuger E mathcal E von A mathcal A d h es gilt A s E mathcal A sigma mathcal E und fur alle E 1 E 2 E E 1 E 2 in mathcal E ist E 1 E 2 E E 1 cap E 2 in mathcal E mit folgenden Eigenschaften Fur alle E E E in mathcal E gilt m E n E mu E nu E also m E n E mu mathcal E nu mathcal E und Es gibt eine Folge E n n N E n n in mathbb N von Mengen in E mathcal E mit n 1 E n W bigcup n 1 infty E n Omega und m E n n E n lt mu E n nu E n lt infty fur alle n N n in mathbb N Dann gilt m n mu nu Fur endliche Masse mit m W n W mu Omega nu Omega ist die Bedingung 2 automatisch erfullt Insbesondere sind zwei Wahrscheinlichkeitsmasse gleich wenn sie auf einem durchschnittsstabilen Erzeuger der Ereignisalgebra ubereinstimmen Der Eindeutigkeitssatz liefert zum Beispiel die Eindeutigkeit der Fortsetzung eines Pramasses zu einem Mass mittels eines ausseren Masses und dem Masserweiterungssatz von Caratheodory Linearkombinationen von Massen Bearbeiten Poisson Verteilungen hier dargestellt fur die Parameterwerte l 1 lambda 1 blau l 5 lambda 5 grun und l 10 lambda 10 rot sind Masse auf N 0 mathbb N 0 Sie lassen sich als Konvexkombinationen von Diracmassen konstruieren Fur eine Familie m i i I mu i i in I von Massen auf dem gleichen Messraum und fur nicht negative reelle Konstanten a i i I alpha i i in I wird durch m i I a i m i displaystyle textstyle mu sum i in I alpha i mu i wieder ein Mass definiert Insbesondere sind Summen und nicht negative Vielfache von Massen ebenfalls Masse Ist beispielsweise W w i i N Omega omega i i in mathbb N eine abzahlbare Grundmenge und a i 0 alpha i geq 0 dann ist m i N a i d x i displaystyle textstyle mu sum i in mathbb N alpha i delta x i mit den Diracmassen d x i delta x i ein Mass auf der Potenzmenge von W Omega Umgekehrt kann man zeigen dass man auf diese Weise bei abzahlbarer Grundmenge alle Masse auf der Potenzmenge erhalt Sind m i i N mu i i in mathbb N Wahrscheinlichkeitsmasse auf W A Omega mathcal A und a i i N alpha i i in mathbb N nicht negative reelle Zahlen mit i N a i 1 displaystyle textstyle sum i in mathbb N alpha i 1 dann ist die Konvexkombination m i N a i m i displaystyle textstyle mu sum i in mathbb N alpha i mu i wieder ein Wahrscheinlichkeitsmass Durch Konvexkombination von Diracmassen erhalt man diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen allgemein ergeben sich Mischverteilungen Konstruktion von Massen BearbeitenMasserweiterungssatz Bearbeiten Constantin CaratheodoryDa die Elemente von s Algebren wie beispielsweise bei der borelschen s Algebra auf R d mathbb R d oft nicht explizit angegeben werden konnen werden Masse haufig durch Fortsetzung von Mengenfunktionen konstruiert Das wichtigste Hilfsmittel hierzu ist der Masserweiterungssatz von Caratheodory Er besagt dass sich jede nicht negative s additive Mengenfunktion auf einem Mengenring R mathcal R ein sog Pramass zu einem Mass auf der von R mathcal R erzeugten s Algebra fortsetzen lasst 6 Die Fortsetzung ist eindeutig wenn das Pramass s endlich ist Beispielsweise bilden alle Teilmengen von R d mathbb R d die sich als endliche Vereinigung von achsenparallelen d d dimensionalen Intervallen darstellen lassen einen Mengenring Der elementare Volumeninhalt dieser sogenannten Figuren der Jordan Inhalt ist ein Pramass auf diesem Mengenring Die von den Figuren erzeugte s Algebra ist die borelsche s Algebra und die Fortsetzung des Jordan Inhalts nach Caratheodory ergibt das Lebesgue Borel Mass 7 Nullmengen Vervollstandigung von Massen Bearbeiten Hauptartikel Nullmenge und Vollstandiger Massraum Ist m mu ein Mass und A A A in mathcal A eine Menge mit m A 0 mu A 0 dann heisst A A Nullmenge Es ist naheliegend Teilmengen einer Nullmenge ebenfalls das Mass null zuzuordnen Allerdings mussen solche Mengen nicht unbedingt messbar sein also wieder in A mathcal A liegen Ein Massraum in dem Teilmengen von Nullmengen stets messbar sind wird vollstandig genannt Zu einem Massraum der nicht vollstandig ist lasst sich ein vollstandiger Massraum genannt die Vervollstandigung konstruieren Zum Beispiel ist die Vervollstandigung des Lebesgue Borel Masses das Lebesgue Mass auf den Lebesgue messbaren Teilmengen des R d mathbb R d 8 Masse auf den reellen Zahlen Bearbeiten Das Lebesgue Mass l lambda auf R mathbb R ist dadurch charakterisiert dass es Intervallen a b R a b subseteq mathbb R ihre Lange b a b a zuweist Dessen Konstruktion kann mit Hilfe einer monoton wachsenden Funktion F R R F colon mathbb R to mathbb R verallgemeinert werden zu den Lebesgue Stieltjes Massen l F lambda F die den Intervallen a b a b die gewichtete Lange F b F a F b F a zuordnen Wenn die Funktion F F zusatzlich rechtsseitig stetig ist dann wird hierdurch ein Pramass auf dem Mengenring der endlichen Vereinigungen solcher Intervalle definiert Dieses kann nach Caratheodory zu einem Mass auf den Borelmengen von R mathbb R bzw zu dessen Vervollstandigung erweitert werden Beispielsweise ergibt sich fur die identische Abbildung F x x F x x wieder das Lebesgue Mass ist dagegen F F eine stuckweise konstante Treppenfunktion so erhalt man Linearkombinationen von Diracmassen 9 Die Cantor Funktion hier mit 10 Iterationen dargestellt ist Verteilungsfunktion eines Wahrscheinlichkeitsmasses auf R mathbb R der Cantor Verteilung Falls eine rechtsseitig stetige und monoton wachsende Funktion F R R F colon mathbb R to mathbb R zusatzlich noch die Bedingungen lim x F x 0 lim limits x to infty F x 0 und lim x F x 1 lim limits x to infty F x 1 erfullt ist das auf diese Weise konstruierte Lebesgue Stieltjes Mass l F lambda F ein Wahrscheinlichkeitsmass Dessen Verteilungsfunktion ist gleich F F das bedeutet F x l F x F x lambda F infty x Umgekehrt besitzt jede Verteilungsfunktion F F eines Wahrscheinlichkeitsmasses auf R mathbb R die obigen Eigenschaften Mit Hilfe von Verteilungsfunktionen lassen sich daher auch solche Wahrscheinlichkeitsmasse auf R mathbb R einfach darstellen die weder diskret sind noch eine Lebesgue Dichte besitzen wie zum Beispiel die Cantor Verteilung 10 Einschrankung von Massen Bearbeiten Wie jede Funktion lasst sich ein Mass m A 0 mu colon mathcal A to 0 infty naturlich auf einen kleineren Definitionsbereich also auf eine s Algebra B A mathcal B subseteq mathcal A einschranken Beispielsweise erhalt man durch Einschrankung des Lebesgue Masses auf die borelsche s Algebra wieder das Lebesgue Borel Mass zuruck Interessanter ist eine Einschrankung auf eine kleinere Grundmenge X W X subseteq Omega Ist W A m Omega mathcal A mu ein Massraum und X A X in mathcal A dann wird durch A X A X A A mathcal A X A cap X mid A in mathcal A eine s Algebra auf X X definiert die sogenannte Spur s Algebra Es gilt A A X A in mathcal A X genau dann wenn A A A in mathcal A und A X A subseteq X ist Fur diese A A wird durch m X A m A mu X A mu A ein Mass auf A X mathcal A X definiert das Einschrankung oder Spur von m mu auf X X genannt wird Zum Beispiel erhalt man durch Einschrankung des Lebesgue Masses l lambda von R mathbb R auf das Intervall 0 1 0 1 wegen l 0 1 1 lambda 0 1 1 ein Wahrscheinlichkeitsmass auf 0 1 0 1 die stetige Gleichverteilung 11 Bildmass Bearbeiten Hauptartikel Bildmass Masse lassen sich mit Hilfe von messbaren Funktionen von einem Massraum auf einen weiteren Messraum transformieren Sind W A Omega mathcal A und W A Omega mathcal A Messraume dann heisst eine Funktion T W W T colon Omega to Omega messbar wenn fur alle A A A in mathcal A das Urbild T 1 A T 1 A in A mathcal A liegt Ist nun m mu ein Mass auf A mathcal A dann ist die Funktion m A 0 mu colon mathcal A to 0 infty mit m A m T 1 A mu A mu T 1 A fur A A A in mathcal A ein Mass auf A mathcal A Es heisst Bildmass von m mu unter T T und wird haufig mit m T mu T oder m T 1 mu circ T 1 bezeichnet Das Verhalten von Integralen bei der Transformation von Massen wird durch den Transformationssatz beschrieben Durch Bildmasse ist es in der Analysis moglich Masse auf Mannigfaltigkeiten zu konstruieren Bildmasse von Wahrscheinlichkeitsmassen sind wieder Wahrscheinlichkeitsmasse Diese Tatsache spielt bei der Betrachtung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Zufallsvariablen in der Stochastik eine wichtige Rolle 12 Masse mit Dichten Bearbeiten Die Standardnormalverteilung ist ein Mass auf den reellen Zahlen das mit Hilfe seiner Lebesgue Dichte angegeben werden kann Masse werden oft als unbestimmte Integrale von Funktionen bezuglich anderer Masse konstruiert Ist W A m Omega mathcal A mu ein Massraum und f W 0 f colon Omega to 0 infty eine nicht negative messbare Funktion dann wird durch n A A f d m nu A int A f mathrm d mu fur A A A in mathcal A ein weiteres Mass auf W A Omega mathcal A definiert Die Funktion f f wird Dichtefunktion von n nu bezuglich m mu kurz eine m mu Dichte genannt Eine ubliche Schreibweise ist f d n d m f tfrac mathrm d nu mathrm d mu Der Satz von Radon Nikodym gibt Auskunft daruber welche Masse mit Hilfe von Dichten dargestellt werden konnen Ist m mu s endlich so ist dies genau dann moglich wenn alle Nullmengen von m mu auch Nullmengen von n nu sind In der Stochastik werden die Verteilungen stetiger Zufallsvariabler wie beispielsweise die Normalverteilung haufig durch Dichten bezuglich des Lebesgue Masses angegeben Produktmasse Bearbeiten Hauptartikel Produktmass Lasst sich eine Grundmenge als kartesisches Produkt schreiben und sind auf den einzelnen Faktoren Masse gegeben so kann auf ihr ein sogenanntes Produktmass konstruiert werden Fur zwei Massraume W 1 A 1 m 1 Omega 1 mathcal A 1 mu 1 und W 2 A 2 m 2 Omega 2 mathcal A 2 mu 2 bezeichne A A 1 A 2 mathcal A mathcal A 1 otimes mathcal A 2 die Produkt s Algebra Das ist die kleinste s Algebra auf W W 1 W 2 Omega Omega 1 times Omega 2 die alle Mengenprodukte A 1 A 2 A 1 times A 2 mit A 1 A 1 A 1 in mathcal A 1 und A 2 A 2 A 2 in mathcal A 2 enthalt Falls m 1 mu 1 und m 2 mu 2 s endlich sind dann existiert genau ein Mass m mu auf W A Omega mathcal A mit m A 1 A 2 m 1 A 1 m 2 A 2 mu A 1 times A 2 mu 1 A 1 cdot mu 2 A 2 das Produktmass genannt und mit m 1 m 2 mu 1 otimes mu 2 bezeichnet wird Vollig analog lassen sich auch Produkte endlich vieler Masse bilden Beispielsweise erhalt man so das Lebesgue Borel Mass auf dem d d dimensionalen euklidischen Raum R d mathbb R d als d d faches Produkt aus dem Lebesgue Borel Mass auf den reellen Zahlen Mit Hilfe des Satzes von Fubini lassen sich Integrale bezuglich eines Produktmasses m 1 m d mu 1 otimes dotsb otimes mu d meist berechnen indem man schrittweise Integrationen bezuglich der einzelnen Masse m i mu i ausfuhrt Auf diese Weise konnen beispielsweise Flachen und Volumenberechnungen auf die Bestimmung eindimensionaler Integrale zuruckgefuhrt werden 13 Im Gegensatz zu allgemeinen Massen konnen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wahrscheinlichkeitsmassen beliebige sogar uberabzahlbare Produkte gebildet werden Produkte von Wahrscheinlichkeitsraumen modellieren beispielsweise die unabhangige Wiederholung von Zufallsexperimenten 14 Masse auf topologischen Raumen BearbeitenFalls die Grundmenge W Omega zusatzlich ein topologischer Raum ist interessiert man sich vor allem fur Masse die ahnliche Eigenschaften wie das Lebesgue Mass oder die Lebesgue Stieltjes Masse auf dem topologischen Raum R d mathbb R d mit der Standardtopologie besitzen Eine einfache Uberlegung zeigt dass die borelsche s Algebra auf R d mathbb R d nicht nur von der Menge der d d dimensionalen Intervalle sondern auch von den offenen Teilmengen erzeugt wird Ist daher W T Omega mathfrak T ein Hausdorff Raum mit Topologie T mathfrak T also der Menge der offenen Mengen so definiert man die borelsche s Algebra auf W Omega als B B W s T mathcal B mathcal B Omega sigma mathfrak T also als kleinste s Algebra die alle offenen Mengen enthalt Naturlich enthalt dann B mathcal B insbesondere auch alle abgeschlossenen Mengen sowie alle Mengen die sich als abzahlbare Vereinigungen oder Durchschnitte abgeschlossener bzw offener Mengen schreiben lassen vgl Borel Hierarchie Borelmasse und Regularitat Bearbeiten Hauptartikel Borelmass und Regulares Mass Ein Mass m B 0 mu colon mathcal B to 0 infty auf einem Messraum W B Omega mathcal B W Omega Hausdorff Raum und B mathcal B die borelsche s Algebra heisst Borelmass wenn es lokal endlich ist Das heisst jedes w W omega in Omega besitzt eine offene Umgebung deren Mass endlich ist Ist W Omega zusatzlich lokalkompakt so ist das damit aquivalent dass alle kompakten Mengen endliches Mass besitzen Ein Radonmass ist ein Borelmass das von innen regular ist das bedeutet dass fur jedes A B A in mathcal B gilt m A sup m K K A K kompakt displaystyle mu A sup mu K mid K subset A K text kompakt Ist ein Radonmass zusatzlich von aussen regular das heisst fur jedes A B A in mathcal B gilt m A inf m U A U U offen displaystyle mu A inf mu U mid A subset U U text offen so wird es regulares Borelmass genannt 15 Zahlreiche wichtige Borelmasse sind regular es gelten namlich unter anderem die folgenden Regularitatsaussagen Ist W Omega ein lokalkompakter Hausdorff Raum mit abzahlbarer Basis zweites Abzahlbarkeitsaxiom dann ist jedes Borelmass auf W Omega regular 16 Jedes Borelmass auf einem polnischen Raum ist regular 17 Wahrscheinlichkeitsmasse auf polnischen Raumen spielen in zahlreichen Existenzfragen der Wahrscheinlichkeitstheorie eine wichtige Rolle Haarsches Mass Bearbeiten Hauptartikel Haarsches Mass Der d d dimensionale euklidische Raum ist nicht nur ein lokalkompakter topologischer Raum sondern sogar eine topologische Gruppe bezuglich der ublichen Vektoraddition als Verknupfung Das Lebesgue Mass l lambda respektiert auch diese Struktur in dem Sinne dass es invariant gegenuber Translationen ist Fur alle Borelmengen A A und alle x R d x in mathbb R d gilt l A x l A lambda A x lambda A Der Begriff des Haarschen Masses verallgemeinert diese Translationsinvarianz auf linksinvariante Radonmasse auf hausdorffschen lokalkompakten topologischen Gruppen Ein solches Mass existiert stets und ist bis auf einen konstanten Faktor eindeutig bestimmt Das Haarsche Mass ist genau dann endlich wenn die Gruppe kompakt ist in diesem Fall kann es also zu einem Wahrscheinlichkeitsmass normiert werden 18 Haarsche Masse spielen eine zentrale Rolle bei der harmonischen Analyse in der Methoden der Fourier Analysis auf allgemeine Gruppen ubertragen werden Konvergenz von Massen Bearbeiten Der wichtigste Konvergenzbegriff fur Folgen von endlichen Massen ist die schwache Konvergenz die mit Hilfe von Integralen folgendermassen definiert werden kann Es sei W Omega ein metrischer Raum Eine Folge m n n N mu n n in mathbb N endlicher Masse auf W B W Omega mathcal B Omega heisst schwach konvergent gegen ein endliches Mass m B W 0 mu colon mathcal B Omega to 0 infty in Zeichen m n w m mu n xrightarrow w mu wenn fur alle beschrankten stetigen Funktionen f W R f colon Omega to mathbb R gilt lim n W f d m n W f d m lim n to infty int Omega f mathrm d mu n int Omega f mathrm d mu Das Portmanteau Theorem gibt einige andere Bedingungen an die zur schwachen Konvergenz von Massen aquivalent sind Beispielsweise gilt m n w m mu n xrightarrow w mu genau dann wenn lim n m n A m A lim n to infty mu n A mu A fur alle Borelmengen A A mit m A 0 mu partial A 0 gilt wobei A partial A den topologischen Rand von A A bezeichnet 19 Die schwache Konvergenz von Wahrscheinlichkeitsmassen hat eine wichtige Anwendung bei der Verteilungskonvergenz von Zufallsvariablen wie sie beim zentralen Grenzwertsatz auftritt Schwache Konvergenz von Wahrscheinlichkeitsmassen kann mit Hilfe von charakteristischen Funktionen untersucht werden Eine weitere fur Anwendungen bedeutende Frage ist wann man aus Folgen von Massen schwach konvergente Teilfolgen auswahlen kann also wie die relativ folgenkompakten Mengen von Massen charakterisiert werden konnen Nach dem Satz von Prochorow ist eine Menge M M endlicher Masse auf einem polnischen Raum W Omega genau dann relativ folgenkompakt wenn sie beschrankt und straff ist Beschranktheit bedeutet hier dass sup m W m M lt sup mu Omega mid mu in M lt infty ist und Straffheit dass es zu jedem e gt 0 varepsilon gt 0 ein Kompaktum K W K subseteq Omega gibt mit m W K lt e mu Omega setminus K lt varepsilon fur alle m M mu in M 20 Eine Variation der schwachen Konvergenz fur Radon Masse ist die vage Konvergenz bei der lim n W f d m n W f d m lim n to infty int Omega f mathrm d mu n int Omega f mathrm d mu fur alle stetigen Funktionen mit kompaktem Trager gefordert wird Anwendungen BearbeitenIntegration Bearbeiten Im Gegensatz zur Konstruktion des Riemann Integrals blau werden beim Lebesgue Integral rot Flachen unter Funktionsgraphen durch Linearkombinationen der Masse von Borelmengen approximiert Der Begriff des Masses ist eng mit der Integration von Funktionen verknupft Moderne Integralbegriffe wie das Lebesgue Integral und seine Verallgemeinerungen werden meist aus einer masstheoretischen Grundlage heraus entwickelt Der fundamentale Zusammenhang ist dabei die Gleichung W x A d m m A int Omega chi A mathrm d mu mu A fur alle A A A in mathcal A wobei ein Massraum W A m Omega mathcal A mu vorgegeben ist und x A chi A die Indikatorfunktion der messbaren Menge A A bezeichnet also die Funktion x A W R chi A colon Omega to mathbb R mit x A w 1 chi A omega 1 fur w A omega in A und x A w 0 chi A omega 0 sonst Mit Hilfe der gewunschten Linearitats und Monotonieeigenschaften lasst sich die Integration schrittweise zunachst auf einfache Funktionen dann auf nicht negative messbare Funktionen und schliesslich auf alle reell bzw komplexwertigen messbaren Funktionen f f mit W f d m lt displaystyle textstyle int Omega f mathrm d mu lt infty ausdehnen Letztere werden m mu integrierbar genannt und ihr Integral W f d m displaystyle textstyle int Omega f mathrm d mu heisst verallgemeinertes Lebesgue Integral bezuglich des Masses m mu oder kurz m mu Integral 21 Dieser Integralbegriff stellt eine starke Verallgemeinerung klassischer Integralbegriffe wie dem Riemann Integral dar denn er ermoglicht die Integration von Funktionen auf beliebigen Massraumen Das ist wiederum in der Stochastik von grosser Bedeutung Dort entspricht das Integral einer Zufallsvariable bezuglich eines gegebenen Wahrscheinlichkeitsmasses ihrem Erwartungswert 22 Allerdings ergeben sich auch fur reelle Funktionen einer reellen Variablen Vorteile gegenuber dem Riemann Integral Hier sind vor allem die Konvergenzeigenschaften bei Vertauschung von Grenzwertbildung und Integration zu nennen die beispielsweise durch den Satz von der monotonen Konvergenz und den Satz von der majorisierten Konvergenz beschrieben werden 23 Raume integrierbarer Funktionen Bearbeiten Raume integrierbarer Funktionen spielen als Standardraume der Funktionalanalysis eine wichtige Rolle Die Menge aller messbaren Funktionen f W R f colon Omega to mathbb R auf einem Massraum W A m Omega mathcal A mu die W f d m lt displaystyle textstyle int Omega f mathrm d mu lt infty erfullen also m mu integrierbar sind bildet einen Vektorraum L 1 m R mathcal L 1 mu mathbb R Durch f 1 W f d m f 1 int Omega f mathrm d mu wird eine Halbnorm auf L 1 m R mathcal L 1 mu mathbb R definiert Identifiziert man Funktionen aus diesem Raum miteinander falls sie sich nur auf einer Nullmenge voneinander unterscheiden gelangt man zu einem normierten Raum L 1 m R L 1 mu mathbb R Eine analoge Konstruktion kann man allgemeiner mit Funktionen durchfuhren fur die f p f p fur ein p 1 p geq 1 m mu integrierbar ist und gelangt so zu den Lp Raumen L p m R L p mu mathbb R mit der Norm f p W f p d m 1 p f p left int Omega f p mathrm d mu right 1 p Ein zentrales Ergebnis auf das die grosse Bedeutung dieser Raume in Anwendungen zuruckzufuhren ist ist ihre Vollstandigkeit Sie sind also fur alle p 1 p geq 1 Banachraume Im wichtigen Spezialfall p 2 p 2 stellt sich die Norm sogar als von einem Skalarprodukt induziert heraus es handelt sich bei L 2 m R L 2 mu mathbb R daher um einen Hilbertraum Vollig analog lassen sich L p L p Raume komplexwertiger Funktionen definieren Komplexe L 2 L 2 Raume sind ebenfalls Hilbertraume sie spielen eine zentrale Rolle in der Quantenmechanik wo Zustande von Teilchen durch Elemente eines Hilbertraums beschrieben werden 24 Wahrscheinlichkeitstheorie Bearbeiten In der Wahrscheinlichkeitstheorie werden Wahrscheinlichkeitsmasse verwendet um zufalligen Ereignissen Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen Zufallsexperimente werden durch einen Wahrscheinlichkeitsraum W S P Omega Sigma P beschrieben also durch einen Massraum dessen Mass P P die Zusatzbedingung P W 1 P Omega 1 erfullt Die Grundmenge W Omega der Ergebnisraum enthalt die verschiedenen Ergebnisse die das Experiment liefern kann Die s Algebra S Sigma besteht aus den Ereignissen denen das Wahrscheinlichkeitsmass P P Zahlen zwischen 0 displaystyle 0 und 1 1 zuordnet Bereits der einfachste Fall eines endlichen Ergebnisraums W Omega mit der Potenzmenge als s Algebra und der durch P A A W P A tfrac A Omega definierten Gleichverteilung hat zahlreiche Anwendungsmoglichkeiten Er spielt in der elementaren Wahrscheinlichkeitsrechnung eine zentrale Rolle zur Beschreibung von Laplace Experimenten wie dem Werfen eines Wurfels und dem Ziehen aus einer Urne bei denen alle Ergebnisse als gleich wahrscheinlich angenommen werden Wahrscheinlichkeitsmasse werden haufig als Verteilungen von Zufallsvariablen also als Bildmasse erzeugt Wichtige Beispiele fur Wahrscheinlichkeitsmasse auf N 0 mathbb N 0 sind die Binomial und die Poisson Verteilung sowie die geometrische und hypergeometrische Verteilung Bei den Wahrscheinlichkeitsmassen auf R mathbb R mit Lebesgue Dichte nimmt unter anderem wegen des zentralen Grenzwertsatzes die Normalverteilung eine herausragende Stellung ein Weitere Beispiele sind die stetige Gleichverteilung oder die Gammaverteilung die zahlreiche weitere Verteilungen wie etwa die Exponentialverteilung als Spezialfall umfasst Die mehrdimensionale Normalverteilung ist ebenfalls ein wichtiges Beispiel fur Wahrscheinlichkeitsmasse auf dem d d dimensionalen euklidischen Raum R d mathbb R d Noch allgemeinere Massraume spielen in der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie eine Rolle bei der Konstruktion von stochastischen Prozessen wie etwa das Wiener Mass auf einem geeigneten Funktionenraum zur Beschreibung des Wiener Prozesses Brownsche Bewegung der auch in der stochastischen Analysis eine zentrale Stellung einnimmt 25 Statistik Bearbeiten Die Grundaufgabe der mathematischen Statistik besteht darin aufgrund von Beobachtungsergebnissen zufalliger Stichproben zu Aussagen uber die Verteilung von Merkmalen in einer Grundgesamtheit zu kommen sog schliessende Statistik Entsprechend enthalt ein statistisches Modell X F P ϑ ϑ 8 displaystyle mathcal X mathcal F P vartheta vartheta in Theta nicht nur ein einzelnes als bekannt angenommenes Wahrscheinlichkeitsmass wie bei einem Wahrscheinlichkeitsraum sondern eine ganze Familie P ϑ ϑ 8 P vartheta vartheta in Theta von Wahrscheinlichkeitsmassen auf einem gemeinsamen Messraum X F mathcal X mathcal F Einen wichtigen Spezialfall stellen die parametrischen Standardmodelle dar die dadurch gekennzeichnet sind dass die Parameter Vektoren aus R d mathbb R d sind und alle P ϑ P vartheta eine Dichte bezuglich eines gemeinsamen Masses besitzen 26 Aus der Beobachtung von x X x in mathcal X soll nun auf den Parameter ϑ vartheta und damit auf das Mass P ϑ P vartheta geschlossen werden Dies geschieht in der klassischen Statistik in der Form von Punktschatzern die mit Hilfe von Schatzfunktionen konstruiert werden oder mit Konfidenzbereichen die den unbekannten Parameter mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit enthalten Mit Hilfe statistischer Tests konnen ausserdem Hypothesen uber das unbekannte Wahrscheinlichkeitsmass gepruft werden 27 Im Gegensatz dazu werden in der bayesschen Statistik Verteilungsparameter nicht als Unbekannte sondern selbst als zufallig modelliert Dazu wird ausgehend von einer angenommenen A priori Verteilung mit Hilfe der durch die Beobachtungsergebnisse gewonnenen Zusatzinformation eine A posteriori Verteilung des Parameters bestimmt Diese Verteilungen sind im Allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmasse auf dem Parameterraum 8 Theta fur A priori Verteilungen kommen jedoch unter Umstanden auch allgemeine Masse in Frage sog uneigentliche A priori Verteilungen Finanzmathematik Bearbeiten Die moderne Finanzmathematik verwendet Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie insbesondere stochastische Prozesse zur Modellierung der zeitlichen Entwicklung der Preise von Finanzinstrumenten Eine zentrale Fragestellung ist die Berechnung fairer Preise von Derivaten Ein Masswechsel hier dargestellt durch unterschiedliche Farbintensitaten kann einen Wiener Prozess mit Drift links in ein Martingal rechts transformieren Typisch ist hierbei die Betrachtung verschiedener Wahrscheinlichkeitsmasse auf dem gleichen Messraum Neben dem realen durch die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer bestimmten Mass werden risikoneutrale Masse verwendet Faire Preise ergeben sich dann als Erwartungswerte abgezinster Auszahlungen bezuglich eines risikoneutralen Masses In arbitragefreien und vollkommenen Marktmodellen ist dabei Existenz und Eindeutigkeit risikoneutraler Masse sichergestellt Wahrend sich einfache zeit und preisdiskrete Modelle bereits mit elementarer Wahrscheinlichkeitsrechnung analysieren lassen sind insbesondere bei stetigen Modellen wie dem Black Scholes Modell und seinen Verallgemeinerungen moderne Methoden der Martingaltheorie und der stochastischen Analysis notig Dabei werden als risikoneutrale Masse aquivalente Martingalmasse verwendet Das sind Wahrscheinlichkeitsmasse die bezuglich des realen risikobehafteten Masses eine positive Dichte besitzen und fur die der abgezinste Preisprozess ein Martingal oder allgemeiner ein lokales Martingal ist Von Bedeutung ist hierbei zum Beispiel der Satz von Girsanow der das Verhalten von Wiener Prozessen bei einem Wechsel des Masses beschreibt 28 Verallgemeinerungen BearbeitenDas Konzept des Masses erlaubt zahlreiche Verallgemeinerungen in verschiedene Richtungen Ein Mass im Sinne dieses Artikels wird daher zur Verdeutlichung in der Literatur manchmal positives Mass oder noch genauer s additives positives Mass genannt Durch Abschwachung der in der Definition geforderten Eigenschaften erhalt man Funktionen die in der Masstheorie als Vorstufen von Massen betrachtet werden Der allgemeinste Begriff ist der einer nicht negativen Mengenfunktion also einer Funktion die den Mengen eines Mengensystems uber einer Grundmenge Werte aus 0 0 infty zuordnet wobei meist noch gefordert wird dass die leere Menge den Wert null bekommt Ein Inhalt ist eine endlich additive Mengenfunktion ein s additiver Inhalt heisst Pramass Der Jordan Inhalt auf den Jordan messbaren Teilmengen von R d mathbb R d ist ein Anwendungsbeispiel fur eine additive Mengenfunktion die jedoch nicht s additiv ist Ein Mass ist somit ein Pramass dessen Definitionsbereich eine s Algebra ist 29 Aussere Masse also Mengenfunktionen die monoton und s subadditiv sind stellen eine wichtige Zwischenstufe in der Konstruktion von Massen aus Pramassen nach Caratheodory dar Ein Pramass auf einem Mengenring wird zunachst zu einem ausseren Mass auf der ganzen Potenzmenge fortgesetzt dessen Einschrankung auf messbare Mengen ein Mass ergibt 30 Anders geartete Verallgemeinerungen des Massbegriffs erhalt man wenn man die Forderung aufgibt dass die Werte in 0 0 infty liegen mussen jedoch die ubrigen Eigenschaften beibehalt Bei einem signierten Mass sind auch negative Werte zugelassen es kann also Werte im Intervall infty infty alternativ auch infty infty annehmen Bei komplexen Zahlen als Wertebereich spricht man von einem komplexen Mass Der Wert infty ist hierbei allerdings nicht zugelassen das heisst ein positives Mass ist zwar stets auch ein signiertes Mass aber nur endliche Masse konnen auch als komplexe Masse aufgefasst werden Im Gegensatz zu positiven Massen bilden die signierten und die komplexen Masse uber einem Messraum einen Vektorraum Solche Raume spielen nach dem Darstellungssatz von Riesz Markow eine wichtige Rolle als Dualraume von Raumen stetiger Funktionen Signierte und komplexe Masse lassen sich nach dem Zerlegungssatz von Hahn und Jordan als Linearkombinationen aus positiven Massen schreiben Auch der Satz von Radon Nikodym bleibt fur sie gultig 31 Eine noch weitergehende Verallgemeinerung stellen Masse mit Werten in beliebigen Banachraumen dar die sogenannten vektoriellen Masse Masse auf den reellen Zahlen deren Werte orthogonale Projektionen eines Hilbertraums sind sogenannte Spektralmasse werden im Spektralsatz zur Darstellung selbstadjungierter Operatoren verwendet was unter anderem in der mathematischen Beschreibung der Quantenmechanik eine wichtige Rolle spielt siehe auch Positive Operator Valued Probability Measure 32 Masse mit orthogonalen Werten sind Hilbertraum wertige Masse bei denen die Masse disjunkter Mengen orthogonal zueinander sind Mit ihrer Hilfe konnen Spektraldarstellungen von stationaren Zeitreihen und stationaren stochastischen Prozessen angegeben werden 33 Zufallige Masse sind Zufallsvariablen deren Werte Masse sind Sie werden beispielsweise in der stochastischen Geometrie zur Beschreibung zufalliger geometrischer Strukturen verwendet Bei stochastischen Prozessen deren Pfade Sprungstellen aufweisen wie etwa den Levy Prozessen konnen die Verteilungen dieser Sprunge durch zufallige Zahlmasse dargestellt werden Literatur BearbeitenHeinz Bauer Mass und Integrationstheorie 2 Auflage De Gruyter Berlin 1992 ISBN 3 11 013626 0 Gebunden ISBN 3 11 013625 2 Broschiert Martin Brokate Gotz Kersting Mass und Integral Birkhauser Basel 2011 ISBN 978 3 7643 9972 6 Jurgen Elstrodt Mass und Integrationstheorie 7 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2011 ISBN 978 3 642 17904 4 Paul R Halmos Measure Theory Springer Berlin Heidelberg New York 1974 ISBN 3 540 90088 8 Achim Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2008 ISBN 978 3 540 76317 8 Norbert Kusolitsch Mass und Wahrscheinlichkeitstheorie Eine Einfuhrung Springer Wien 2011 ISBN 978 3 7091 0684 6 Klaus D Schmidt Mass und Wahrscheinlichkeit 2 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2011 ISBN 978 3 642 21025 9 Walter Rudin Reelle und komplexe Analysis 2 Auflage Oldenbourg Munchen 2009 ISBN 978 3 486 59186 6 Dirk Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2009 ISBN 978 3 540 79599 5 Weblinks BearbeitenV V Sazonov Measure In Michiel Hazewinkel Hrsg Encyclopedia of Mathematics Springer Verlag und EMS Press Berlin 2002 ISBN 1 55608 010 7 englisch encyclopediaofmath org David Jao Andrew Archibald measure In PlanetMath englisch Eric W Weisstein Measure In MathWorld englisch Einzelnachweise Bearbeiten Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 33 34 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 5 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 34 Brokate Kersting Mass und Integral 2011 S 19 Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 S 215 Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 S 222 Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 S 226 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 63 65 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 Kapitel II 3 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 Kapitel II 8 Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2008 S 33 Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2008 S 43 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 Kapitel V Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2008 Kapitel 14 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 313 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 319 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 320 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 351 377 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 385 Elstrodt Mass und Integrationstheorie 2011 S 398 Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 Abschnitt IV 5 Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2008 104ff Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 Abschnitt IV 6 Dirk Werner Funktionalanalysis 6 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2007 ISBN 978 3 540 72533 6 S 13 ff Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2008 Hans Otto Georgii Stochastik Einfuhrung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik 4 Auflage de Gruyter Lehrbuch Berlin 2009 ISBN 978 3 11 021526 7 S 196ff Hans Otto Georgii Stochastik Einfuhrung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik 4 Auflage de Gruyter Lehrbuch Berlin 2009 ISBN 978 3 11 021526 7 Teil II Albrecht Irle Finanzmathematik Die Bewertung von Derivaten 3 Auflage Springer Spektrum Wiesbaden 2012 ISBN 978 3 8348 1574 3 Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 S 214 215 Werner Einfuhrung in die hohere Analysis 2009 Abschnitt IV 3 Rudin Reelle und komplexe Analysis 2009 Kapitel 6 Dirk Werner Funktionalanalysis 6 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2007 ISBN 978 3 540 72533 6 Kapitel VII Jens Peter Kreiss Georg Neuhaus Einfuhrung in die Zeitreihenanalyse Springer Berlin Heidelberg 2006 ISBN 3 540 25628 8 Kapitel 5 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mass Mathematik amp oldid 222140818