www.wikidata.de-de.nina.az
Die Funktionalanalysis ist der Zweig der Mathematik der sich mit der Untersuchung von unendlichdimensionalen topologischen Vektorraumen und Abbildungen auf solchen befasst Hierbei werden Analysis Topologie und Algebra verknupft Ziel dieser Untersuchungen ist es abstrakte Aussagen zu finden die sich auf verschiedenartige konkrete Probleme anwenden lassen Die Funktionalanalysis ist der geeignete Rahmen zur mathematischen Formulierung der Quantenmechanik 1 und zur Untersuchung partieller Differentialgleichungen 2 Inhaltsverzeichnis 1 Grundlegende Begriffe 2 Topologische Vektorraume 3 Normierte Raume Banachraume 4 Operatoren Banachalgebren 5 Partielle Differentialgleichungen 6 Literatur 6 1 Lehrbucher Einstieg 6 2 Monografien und Weiterfuhrend 6 3 Historie und Andere 6 4 Klassische Werke 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGrundlegende Begriffe BearbeitenVon zentraler Bedeutung sind die Begriffe Funktional fur eine Abbildung von Vektoren z B Funktionen auf skalare Grossen und Operator fur eine Abbildung von Vektoren auf Vektoren Der Begriff des Operators ist eigentlich viel allgemeiner Sinnvollerweise betrachtet man sie jedoch auf algebraisch und topologisch strukturierten Raumen wie z B topologischen metrischen oder normierten Vektorraumen aller Art Beispiele fur Funktionale sind die Begriffsinhalte Folgengrenzwert Norm bestimmtes Integral oder Distribution Beispiele fur Operatoren sind etwa Differentiation unbestimmtes Integral quantenmechanische Observable oder Shift Operatoren fur Folgen Grundbegriffe der Analysis wie Stetigkeit Ableitungen usw werden in der Funktionalanalysis auf Funktionale und Operatoren erweitert Gleichzeitig weitet man die Resultate der linearen Algebra beispielsweise den Spektralsatz auf topologisch lineare Raume beispielsweise Hilbertraume aus was mit sehr bedeutsamen Ergebnissen verbunden ist Die historischen Wurzeln der Funktionalanalysis liegen im Studium der Fourier Transformation und ahnlicher Transformationen und der Untersuchung von Differential und Integralgleichungen Der Wortbestandteil funktional geht auf die Variationsrechnung zuruck Als Begrunder der modernen Funktionalanalysis gelten Stefan Banach Frigyes Riesz und Maurice Rene Frechet Weitere Beitrage stammen von z B Eduard Helly Mark Grigorjewitsch Krein John von Neumann Alexander Grothendieck Nicolas Bourbaki 3 Topologische Vektorraume Bearbeiten Hauptartikel Topologischer Vektorraum und Lokalkonvexer Raum Grundlage der Funktionalanalysis sind Vektorraume uber den reellen oder komplexen Zahlen Der Grundbegriff ist hier der topologische Vektorraum der dadurch gekennzeichnet ist dass die Vektorraumverknupfungen stetig sind etwas konkreter werden auch lokalkonvexe topologische Vektorraume und Frechet Raume untersucht Wichtige Aussagen sind dabei der Satz von Hahn Banach der Satz von Baire und der Satz von Banach Steinhaus Insbesondere in der Losungstheorie partieller Differentialgleichungen spielen diese eine wichtige Rolle daruber hinaus in der Fredholm Theorie Normierte Raume Banachraume Bearbeiten Hauptartikel Normierter Raum und Banachraum Der wichtigste Spezialfall lokalkonvexer topologischer Vektorraume sind normierte Vektorraume Sind diese zusatzlich vollstandig dann heissen sie Banachraume Noch spezieller betrachtet man Hilbertraume bei denen die Norm von einem Skalarprodukt erzeugt wird Diese Raume sind von grundlegender Bedeutung fur die mathematische Formulierung der Quantenmechanik Ein wichtiger Untersuchungsgegenstand sind stetige lineare Operatoren auf Banach oder Hilbertraumen Hilbertraume konnen vollstandig klassifiziert werden Fur jede Machtigkeit einer Orthonormalbasis existiert bis auf Isomorphie genau ein Hilbertraum zu einem Korper Da endlich dimensionale Hilbertraume von der linearen Algebra erfasst werden und jeder Morphismus zwischen Hilbertraumen in Morphismen von Hilbertraumen mit abzahlbarer Orthonormalbasis zerlegt werden kann betrachtet man in der Funktionalanalysis hauptsachlich Hilbertraume mit abzahlbarer Orthonormalbasis und ihre Morphismen Diese sind isomorph zum Folgenraum ℓ 2 displaystyle ell 2 nbsp aller Folgen mit der Eigenschaft dass die Summe der Quadrate aller Folgenglieder endlich ist Banachraume sind dagegen viel komplexer Es gibt zum Beispiel keine praktisch nutzbare allgemeine Definition einer Basis so lassen sich Basen vom unter Basis Vektorraum beschriebenen Typ auch Hamelbasis genannt im unendlich dimensionalen Fall nicht konstruktiv angeben und sind auch stets uberabzahlbar siehe Satz von Baire Verallgemeinerungen der Hilbertraum Orthonormalbasen fuhren zum Begriff der Schauderbasis aber nicht jeder Banachraum hat eine solche Fur jede reelle Zahl p 1 displaystyle p geq 1 nbsp gibt es den Banachraum aller Lebesgue messbaren Funktionen deren p displaystyle p nbsp te Potenz des Betrags ein endliches Integral hat siehe Lp Raum dieser ist genau fur p 2 displaystyle p 2 nbsp ein Hilbertraum Beim Studium normierter Raume ist die Untersuchung des Dualraumes wichtig Der Dualraum besteht aus allen stetigen linearen Funktionen vom normierten Raum in seinen Skalarkorper also in die reellen oder komplexen Zahlen Der Bidual also der Dualraum des Dualraums muss nicht isomorph zum ursprunglichen Raum sein aber es gibt stets einen naturlichen Monomorphismus von einem Raum in seinen Bidual Ist dieser spezielle Monomorphismus auch surjektiv dann spricht man von einem reflexiven Banachraum Der Begriff der Ableitung lasst sich auf Funktionen zwischen Banachraumen zur sogenannten Frechet Ableitung verallgemeinern so dass die Ableitung in einem Punkt eine stetige lineare Abbildung ist Operatoren Banachalgebren Bearbeiten Hauptartikel Banachalgebra und C Algebra Wahrend die Banachraume bzw Hilbertraume Verallgemeinerungen der endlich dimensionalen Vektorraume der linearen Algebra darstellen verallgemeinern die stetigen linearen Operatoren zwischen ihnen die Matrizen der linearen Algebra Die Diagonalisierung von Matrizen die eine Matrix als direkte Summe von Streckungen von sogenannten Eigenvektoren darzustellen versucht erweitert sich zum Spektralsatz fur selbstadjungierte oder normale Operatoren auf Hilbertraumen was zur mathematischen Formulierung der Quantenmechanik fuhrt Die Eigenvektoren bilden die quantenmechanischen Zustande die Operatoren die quantenmechanischen Observablen Da Produkte von Operatoren wieder Operatoren sind erhalt man Algebren von Operatoren die mit der Operatornorm Banachraume sind so dass fur zwei Operatoren A displaystyle A nbsp und B displaystyle B nbsp auch die multiplikative Dreiecksungleichung A B A B displaystyle A circ B leq A B nbsp gilt Dies fuhrt zum Begriff der Banachalgebra deren zuganglichste Vertreter die C Algebren und Von Neumann Algebren sind Zur Untersuchung lokalkompakter Gruppen G displaystyle G nbsp zieht man den Banachraum L 1 G displaystyle L 1 G nbsp der bezuglich des Haarmasses integrierbaren Funktionen heran der mit der Faltung als Multiplikation zu einer Banachalgebra wird Dies begrundet die Harmonische Analyse als funktionalanalytischen Zugang zur Theorie der lokalkompakten Gruppen die Fourier Transformation ergibt sich bei dieser Sichtweise als Spezialfall der in der Banachalgebren Theorie untersuchten Gelfand Transformation Partielle Differentialgleichungen Bearbeiten Hauptartikel Partielle Differentialgleichung Die Funktionalanalysis bietet einen geeigneten Rahmen zur Losungstheorie partieller Differentialgleichungen Solche Gleichungen haben haufig die Form D u f displaystyle Du f nbsp wobei die gesuchte Funktion u displaystyle u nbsp und die rechte Seite f displaystyle f nbsp Funktionen auf einem Gebiet W R n displaystyle Omega subset mathbb R n nbsp sind und D displaystyle D nbsp ein Differentialausdruck ist Dazu kommen sogenannte Randbedingungen die das Verhalten der gesuchten Funktion u displaystyle u nbsp auf dem Rand W displaystyle partial Omega nbsp von W displaystyle Omega nbsp vorschreiben Ein Beispiel fur einen solchen Differentialausdruck ist etwa der Laplace Operator D 2 x 1 2 2 x n 2 displaystyle textstyle D frac partial 2 partial x 1 2 dotsb frac partial 2 partial x n 2 nbsp weitere wichtige Beispiele ergeben sich aus der Wellengleichung oder aus der Warmeleitungsgleichung Der Differentialausdruck wird nun als Operator zwischen Raumen differenzierbarer Funktionen angesehen im Beispiel des Laplace Operators etwa als Operator zwischen dem Raum der zweimal stetig differenzierbaren Funktionen und dem Raum der stetigen Funktionen auf W displaystyle Omega nbsp Derartige Raume von im klassischen Sinne differenzierbaren Funktionenraumen erweisen sich allerdings fur eine erschopfende Losungstheorie als ungeeignet Durch Ubergang zu einem allgemeineren Differenzierbarkeitsbegriff schwache Ableitung Distributionstheorie kann man den Differentialausdruck als Operator zwischen Hilbertraumen sogenannten Sobolew Raumen die aus geeigneten L2 Funktionen bestehen ansehen In diesem Rahmen lassen sich in wichtigen Fallen befriedigende Satze uber Existenz und Eindeutigkeit von Losungen beweisen Dazu werden Fragen wie die Abhangigkeit von der rechten Seite f displaystyle f nbsp sowie Fragen nach der Regularitat das heisst Glattheitseigenschaften der Losung u displaystyle u nbsp in Abhangigkeit von Glattheitseigenschaften der rechten Seite f displaystyle f nbsp mit funktionalanalytischen Methoden untersucht Dies lasst sich weiter auf allgemeinere Raumklassen etwa Raume von Distributionen verallgemeinern Ist die rechte Seite f displaystyle f nbsp gleich der Delta Distribution und hat man fur diesen Fall eine Losung gefunden eine sogenannte Fundamentallosung so kann man in manchen Fallen Losungen fur beliebige rechte Seiten mittels Faltung konstruieren In der Praxis werden numerische Methoden zur naherungsweisen Bestimmung von Losungen solcher Differentialgleichungen herangezogen etwa die Finite Elemente Methode insbesondere dann wenn keine Losung in geschlossener Form angegeben werden kann Auch bei der Konstruktion solcher Naherungen und der Bestimmung der Approximationsgute spielen funktionalanalytische Methoden eine wesentliche Rolle Literatur BearbeitenFur spezielle Fachliteratur zu Einzelthemen siehe die Literaturangaben in Lineare Operatoren Spektraltheorie usw Lehrbucher Einstieg Bearbeiten Dirk Werner Funktionalanalysis Springer Lehrbuch 8 vollstandig uberarbeitete Auflage Springer Spektrum Berlin 2018 ISBN 978 3 662 55406 7 doi 10 1007 978 3 662 55407 4 Hans Wilhelm Alt Linear Functional Analysis Universitext Springer London London 2016 ISBN 978 1 4471 7279 6 doi 10 1007 978 1 4471 7280 2 englisch Jurgen Voigt A Course on Topological Vector Spaces Compact Textbooks in Mathematics Springer International Publishing Cham 2020 ISBN 978 3 03032944 0 doi 10 1007 978 3 030 32945 7 englisch Monografien und Weiterfuhrend Bearbeiten V Hutson J S Pym Michael J Cloud Applications of functional analysis and operator theory Mathematics in science and engineering Band 200 2 Auflage Elsevier Amsterdam Boston 2005 ISBN 978 0 444 51790 6 englisch Martin Schechter Principles of Functional Analysis Graduate studies in mathematics Band 36 2 Auflage American Mathematical Society Providence RI 2002 ISBN 978 0 8218 2895 3 englisch Historie und Andere Bearbeiten Harro Heuser u a Contributions to Functional Analysis Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 1966 ISBN 978 3 642 85999 1 doi 10 1007 978 3 642 85997 7 englisch Albrecht Pietsch History of Banach Spaces and Linear Operators Birkhauser Boston Boston MA 2007 ISBN 978 0 8176 4367 6 doi 10 1007 978 0 8176 4596 0 englisch Klassische Werke Bearbeiten Harro Heuser Funktionalanalysis Theorie und Anwendung G Kothe K D Bierstedt G Trautmann Hrsg Mathematische Leitfaden Vieweg Teubner Verlag Wiesbaden 1986 ISBN 978 3 519 12206 7 doi 10 1007 978 3 322 96755 8 Friedrich Hirzebruch Winfried Scharlau Einfuhrung in die Funktionalanalysis Hochschultaschenbuch Unverand Nachdr d 1 Aufl v 1971 Spektrum Akad Verl Heidelberg Berlin Oxford 1996 ISBN 978 3 86025 429 5 mpg de PDF A N Kolmogorow S W Fomin Reelle Funktionen und Funktionalanalysis Hochschulbucher fur Mathematik Band 78 Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1975 Reinhold Meise Dietmar Vogt Einfuhrung in die Funktionalanalysis Vieweg Teubner Verlag Wiesbaden 1992 ISBN 978 3 528 07262 9 doi 10 1007 978 3 322 80310 8 Friedrich Riesz Bela Sz Nagy Vorlesung uber Funktionalanalysis Hochschulbucher fur Mathematik Band 27 2 Auflage Deutscher Verlag der Wissenschaften 1968 S L Sobolew Einige Anwendungen der Funktionanalysis auf Gleichungen der mathematischen Physik Akademie Verlag Berlin 1964 W I Sobolew L A Ljusternik Elemente der Funktionalanalysis Mathematische Lehrbucher und Monographien Band 8 3 Auflage Akademie Verlag Berlin 1965 Angus Ellis Taylor David C Lay Introduction to Functional Analysis 2nd Auflage Wiley New York 1980 ISBN 978 0 471 84646 8 Kosaku Yosida Functional Analysis Classics in Mathematics Band 123 Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 1995 ISBN 978 3 540 58654 8 doi 10 1007 978 3 642 61859 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Funktionalanalysis Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Francois David The Formalisms of Quantum Mechanics Lecture Notes in Physics Band 893 Springer International Publishing Cham 2015 ISBN 978 3 319 10538 3 doi 10 1007 978 3 319 10539 0 Haim Brezis Functional Analysis Sobolev Spaces and Partial Differential Equations Springer New York New York NY 2011 ISBN 978 0 387 70913 0 doi 10 1007 978 0 387 70914 7 Mathematics Is Made by Mathematicians In History of Banach Spaces and Linear Operators Birkhauser Boston Boston MA 2007 ISBN 978 0 8176 4367 6 S 589 672 doi 10 1007 978 0 8176 4596 0 8 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Funktionalanalysis amp oldid 235502051