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Der Satz von Baire auch Bairescher Kategoriensatz 1 Satz von Baire Hausdorff 2 oder einfach Kategoriensatz genannt ist ein Lehrsatz aus der Mathematik Er wird in der Literatur in verschiedenen Versionen formuliert und enthalt im Kern eine topologische Aussage 1 3 Diese Aussage ist in verschiedenen angrenzenden Teilgebieten der Mathematik wie der deskriptiven Mengenlehre der Masstheorie und der Funktionalanalysis von erheblicher Bedeutung So lassen sich der Satz von Banach Steinhaus das Prinzip der gleichmassigen Beschranktheit und der Satz uber die offene Abbildung aus dem Satz von Baire ableiten 4 Die Benennung als Kategoriensatz beruht auf der Tatsache dass fur die Formulierung des Satzes spezielle Mengen verwendet werden die als Mengen erster und Mengen zweiter Kategorie bezeichnet werden Es besteht kein direkter Bezug zur Kategorientheorie Die ersten Versionen des Satzes stammen von William Fogg Osgood 1897 Herleitung fur den Spezialfall der reellen Achse R displaystyle mathbb R und von Rene Louis Baire 1899 Herleitung fur den Spezialfall des euklidischen Raumes R n displaystyle mathbb R n 5 Eine allgemeinere Version wurde von Felix Hausdorff im Jahr 1914 gezeigt 2 Inhaltsverzeichnis 1 Vorbemerkung 2 Aussage 3 Anwendungen 3 1 Existenz nirgends differenzierbarer Funktionen 3 2 Basis eines Banachraums 3 3 Abzahlbare lokalkompakte topologische Gruppen 4 Vergleichbare Begriffsbildungen in der Masstheorie 5 Einzelnachweise 6 LiteraturVorbemerkung BearbeitenZur Formulierung des Satzes von Baire sind einige Begriffe notwendig Sie werden folgend kurz definiert eine detaillierte Ausfuhrung mit Beispielen und Bemerkungen findet sich in den entsprechenden Hauptartikeln Eine Menge heisst nirgends dicht wenn das Innere ihres Abschlusses leer ist Eine Menge heisst eine magere Menge wenn sie eine abzahlbare Vereinigung von nirgends dichten Mengen ist Magere Mengen werden auch synonym Mengen erster Baire Kategorie genannt Eine Menge heisst eine fette Menge wenn sie nicht mager ist Fette Mengen werden auch synonym Mengen zweiter Baire Kategorie genannt Eine Menge heisst eine komagere Menge wenn sie das Komplement einer mageren Menge ist Komagere Mengen werden auch synonym residuelle Mengen genannt Aussage BearbeitenAnm In Klammern sind gleichwertige Aussagen mit alternativen Formulierungen durch die oben aufgefuhrten Begriffe zu finden Sei X d displaystyle X d nbsp ein vollstandiger metrischer Raum Dann gelten die folgenden vier aquivalenten Aussagen 6 und werden als Satz von Baire bezeichnet Der Schnitt von abzahlbar vielen dichten offenen Mengen ist wieder dicht 7 Jede offene nichtleere Teilmenge ist fett Jede offene nichtleere Menge ist von zweiter Kategorie 8 Das Komplement einer mageren Mengen ist dicht in X displaystyle X nbsp Jede komagere Menge in X displaystyle X nbsp ist dicht in X displaystyle X nbsp 9 Jede Vereinigung von abzahlbar vielen abgeschlossenen Mengen ohne innere Punkte hat keinen inneren Punkt Teils wird auch die folgende schwachere Aussage als Satz von Baire bezeichnet 10 11 Ist X displaystyle X nbsp ein nichtleerer vollstandiger metrischer Raum und sind A n n N displaystyle A n n in mathbb N nbsp abgeschlossene Mengen die X displaystyle X nbsp uberdecken so existiert ein k 0 displaystyle k 0 nbsp so dass A k 0 displaystyle A k 0 nbsp ein nichtleeres Inneres besitzt Ein nichtleerer vollstandiger metrischer Raum ist von zweiter Kategorie in sich Allgemeiner wird die folgende Aussage als Satz von Baire bezeichnet Jeder vollstandig metrisierbare Raum und jeder lokalkompakte Hausdorff Raum ist ein Baire Raum 6 Anwendungen BearbeitenDer Satz von Baire ermoglicht elegante Beweise zentraler Satze der klassischen Funktionalanalysis 12 Prinzip der gleichmassigen Beschranktheit Satz von Banach Steinhaus Satz uber die offene Abbildung Satz von Osgood Funktionalanalysis Existenz nirgends differenzierbarer Funktionen Bearbeiten Auf 0 1 displaystyle 0 1 nbsp existieren stetige Funktionen die an keiner Stelle differenzierbar sind Um dies zu sehen setzt man fur n N displaystyle n in mathbb N nbsp O n f C 0 1 t 0 1 sup 0 lt h lt 1 n f t h f t h gt n displaystyle O n left f in C 0 1 left forall t in 0 1 colon sup 0 lt h lt frac 1 n left frac f t h f t h right gt n right right nbsp Versieht man den Vektorraum C 0 1 displaystyle C 0 1 nbsp mit der Supremumsnorm so kann man zeigen dass O n displaystyle O n nbsp offen und dicht im C 0 1 displaystyle C 0 1 nbsp liegt Aufgrund des Satzes von Baire weiss man dass der Raum D n 1 O n displaystyle textstyle D bigcap n 1 infty O n nbsp dicht in C 0 1 displaystyle C 0 1 nbsp liegt Die Funktionen in D displaystyle D nbsp sind stetig und an keiner Stelle differenzierbar Basis eines Banachraums Bearbeiten Eine andere Anwendung des Satzes von Baire zeigt dass jede Basis eines unendlichdimensionalen Banachraumes uberabzahlbar ist Beweis durch die Gegenannahme es gabe eine abzahlbare Basis b n n N displaystyle left b n right n in mathbb N nbsp des Banachraumes V displaystyle left V right nbsp Sei V n s p a n b 1 b 2 b n displaystyle V n mathrm span left b 1 b 2 dots b n right nbsp Dann gilt als endlichdimensionale Vektorraume sind die V n displaystyle left V n right nbsp abgeschlossen ihre Vereinigung ergibt den ganzen Raum n N V n V displaystyle cup n in mathbb N V n V nbsp Nach dem Satz von Baire muss einer der V n displaystyle left V n right nbsp eine Kugel enthalten Ein Untervektorraum der eine Kugel enthalt ist aber immer der ganze Raum Dadurch wurde V displaystyle left V right nbsp zu einem endlichdimensionalen Raum was zu einem Widerspruch fuhrt Abzahlbare lokalkompakte topologische Gruppen Bearbeiten Mit dem Satz von Baire lasst sich zeigen dass hochstens abzahlbare lokalkompakte hausdorffsche topologische Gruppen diskret sind Sie sind die Vereinigung hochstens abzahlbar vieler einelementiger Mengen Diese sind abgeschlossen somit muss nach dem Satz von Baire mindestens eine von ihnen offen sein Das heisst es gibt in der Gruppe einen isolierten Punkt damit sind aber auch alle Punkte isoliert da topologische Gruppen homogen sind und die Topologie diskret Vergleichbare Begriffsbildungen in der Masstheorie BearbeitenIn der Masstheorie wird gezeigt dass sich der Raum R n displaystyle mathbb R n nbsp versehen mit dem Hausdorff bzw Lebesgue Mass nicht als abzahlbare Vereinigung von Nullmengen schreiben lasst Ersetzt man hier den Begriff Nullmenge durch magere Menge erhalt man in diesem Spezialfall die Aussage des baireschen Kategoriensatzes Die baireschen Kategorien konnen somit als topologisches Analogon zu Nullmengen bzw Massraumen in der Masstheorie gesehen werden In der Tat bestehen weitreichende Gemeinsamkeiten Diese werden in Oxtoby 1980 ausfuhrlich beschrieben Man beachte aber dass es im R n displaystyle mathbb R n nbsp magere Mengen gibt die keine Nullmengen sind und umgekehrt Einzelnachweise Bearbeiten a b Dirk Werner Funktionalanalysis 7 korrigierte und erweiterte Auflage Springer Verlag Heidelberg Dordrecht London New York 2011 ISBN 978 3 642 21016 7 S 139 doi 10 1007 978 3 642 21017 4 a b Winfried Kaballo Grundkurs Funktionalanalysis 1 Auflage Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011 ISBN 978 3 8274 2149 4 S 144 145 Boto von Querenburg Mengentheoretische Topologie 3 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 2001 ISBN 978 3 540 67790 1 S 174 176 doi 10 1007 978 3 642 56860 2 Hans Wilhelm Alt Lineare Funktionalanalysis 6 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg 2012 ISBN 978 3 642 22260 3 S 229 333 doi 10 1007 978 3 642 22261 0 Bourbaki Elements of Mathematics General Topology Part 2 1966 S 193 194 272 273 a b Boto von Querenburg Mengentheoretische Topologie 3 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 2001 ISBN 978 3 540 67790 1 S 173 174 doi 10 1007 978 3 642 56860 2 Manfred Dobrowolski Angewandte Funktionalanalysis Funktionalanalysis Sobolev Raume und elliptische Differentialgleichungen 2 korrigierte und uberarbeitete Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg 2010 ISBN 978 3 642 15268 9 S 43 doi 10 1007 978 3 642 15269 6 Winfried Kaballo Grundkurs Funktionalanalysis 1 Auflage Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011 ISBN 978 3 8274 2149 4 S 145 Dirk Werner Funktionalanalysis 7 korrigierte und erweiterte Auflage Springer Verlag Heidelberg Dordrecht London New York 2011 ISBN 978 3 642 21016 7 S 140 doi 10 1007 978 3 642 21017 4 Hans Wilhelm Alt Lineare Funktionalanalysis 6 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg 2012 ISBN 978 3 642 22260 3 S 229 doi 10 1007 978 3 642 22261 0 Dirk Werner Funktionalanalysis 7 korrigierte und erweiterte Auflage Springer Verlag Heidelberg Dordrecht London New York 2011 ISBN 978 3 642 21016 7 S 141 doi 10 1007 978 3 642 21017 4 Reinhold Meise Dietmar Vogt Einfuhrung in die Funktionalanalysis Vieweg Braunschweig u a 1992 ISBN 3 528 07262 8 Kapitel 1 8 Folgerungen aus dem Satz von Baire Literatur BearbeitenRene Baire Sur les fonctions de variables reelles In Annali di Matematica Pura ed Applicata Band 3 Nr 1 1899 S 1 123 doi 10 1007 BF02419243 Nicolas Bourbaki Elements of Mathematics General Topology Part 2 ADIWES International Series in Mathematics Addison Wesley Publishing Company Reading MA u a 1966 William F Osgood Non Uniform Convergence and the Integration of Series Term by Term In American Journal of Mathematics Band 19 Nr 2 1897 S 155 190 doi 10 2307 2369589 John C Oxtoby Measure and Category A Survey of the Analogies between topological and measure Spaces Graduate Texts in Mathematics 2 2nd edition Springer New York NY u a 1980 ISBN 3 540 90508 1 Horst Schubert Topologie Eine Einfuhrung 4 Auflage B G Teubner Stuttgart 1975 ISBN 3 519 12200 6 Dirk Werner Funktionalanalysis 5 erweiterte Auflage Springer Berlin u a 2005 ISBN 3 540 21381 3 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Satz von Baire amp oldid 238818679