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Lokalkonvexe Raume genauer lokalkonvexe topologische Vektorraume sind im mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis untersuchte topologische Vektorraume mit zusatzlichen Eigenschaften Es handelt sich dabei um topologische Vektorraume in denen jeder Punkt uber beliebig kleine konvexe Umgebungen verfugt Alternativ konnen lokalkonvexe Raume auch als Vektorraume definiert werden deren Topologie durch eine Familie von Halbnormen erzeugt wird Die Einheitskugel im euklidischen Raum ist eine konvexe Nullumgebung Ein lokalkonvexer Raum kann als eine Verallgemeinerung eines normierten Vektorraumes bzw eines normierbaren Vektorraumes betrachtet werden denn die Normkugeln um 0 sind konvexe Umgebungen des Nullpunktes Inhaltsverzeichnis 1 Geometrische Definition 2 Definition durch Halbnormen 3 Beispiele 4 Eigenschaften 5 Verallgemeinerungen 6 Spezielle Klassen lokalkonvexer Raume 7 Historische Bemerkungen 8 Siehe auch 9 Literatur 10 EinzelnachweiseGeometrische Definition BearbeitenEin topologischer Vektorraum V displaystyle V nbsp uber dem Korper R displaystyle mathbb R nbsp der reellen Zahlen oder dem Korper C displaystyle mathbb C nbsp der komplexen Zahlen heisst lokalkonvex wenn jede Nullumgebung U displaystyle U nbsp d h Umgebung des Nullpunktes eine offene Teilmenge T displaystyle T nbsp mit den folgenden drei Eigenschaften enthalt T displaystyle T nbsp ist konvex T displaystyle T nbsp ist absorbierend T displaystyle T nbsp ist ausgewogen Eine Teilmenge T displaystyle T nbsp eines reellen oder komplexen Vektorraumes V displaystyle V nbsp heisst dabei absorbierend wenn es zu jedem Vektor x displaystyle x nbsp in V displaystyle V nbsp eine positive Zahl r displaystyle r nbsp gibt so dass a x displaystyle alpha x nbsp fur jede reelle bzw komplexe Zahl a displaystyle alpha nbsp mit a lt r displaystyle alpha lt r nbsp ein Element von T displaystyle T nbsp ist Eine Teilmenge T displaystyle T nbsp eines reellen oder komplexen Vektorraumes V displaystyle V nbsp heisst ausgewogen wenn zu jedem Vektor x displaystyle x nbsp in T displaystyle T nbsp und jeder Zahl r displaystyle r nbsp mit r 1 displaystyle r leq 1 nbsp der Vektor r x displaystyle rx nbsp ebenfalls in T displaystyle T nbsp liegt Im Fall eines reellen Vektorraums bedeutet dies dass die Strecke von x displaystyle x nbsp nach x displaystyle x nbsp in T displaystyle T nbsp liegt bei einem komplexen Vektorraum bedeutet es dass T displaystyle T nbsp die Kreisscheibe r x r C r 1 displaystyle rx mid r in mathbb C r leq 1 nbsp enthalt Aufgrund dieser geometrischen Bedeutung werden solche Mengen manchmal auch kreisformig genannt Eine ausgewogene und konvexe Menge heisst absolutkonvexe Menge Es stellt sich heraus dass auf die zweite und dritte Bedingung verzichtet werden kann Es gibt genau dann eine Nullumgebungsbasis aus konvexen absorbierenden und ausgewogenen Mengen wenn es eine Nullumgebungsbasis aus konvexen Mengen gibt 1 Zwei solche Umgebungsbasen mussen naturlich nicht ubereinstimmen aber die Existenz der einen impliziert die Existenz der anderen Definition durch Halbnormen BearbeitenLokalkonvexe Raume lassen sich auch durch Halbnormen Systeme charakterisieren Ein topologischer Vektorraum V displaystyle V nbsp heisst lokalkonvex wenn seine Topologie durch eine Familie P displaystyle mathcal P nbsp von Halbnormen definiert ist Das heisst ein Netz konvergiert genau dann wenn es bezuglich aller Halbnormen aus P displaystyle mathcal P nbsp konvergiert genauer Es ist x i x displaystyle x i rightarrow x nbsp genau dann wenn p x i x 0 displaystyle p x i x rightarrow 0 nbsp fur alle Halbnormen p P displaystyle p in mathcal P nbsp Die Kugeln B p x e y V p x y lt e displaystyle B p x varepsilon left y in V p x y lt varepsilon right nbsp wobei x V e gt 0 p P displaystyle x in V varepsilon gt 0 p in mathcal P nbsp bilden dabei eine Subbasis der Topologie die Mengen B p 0 e displaystyle B p 0 varepsilon nbsp sind absolutkonvexe Nullumgebungen Ist umgekehrt eine Nullumgebungsbasis aus absolutkonvexen Mengen gegeben so bilden die zugehorigen Minkowski Funktionale ein definierendes Halbnormen System Beispiele BearbeitenAlle normierten Raume insb alle Banachraume sind lokalkonvex wobei die Familie P displaystyle mathcal P nbsp nur die echte Norm enthalt Direkte Limites von Banachraumen wie der Raum der stetigen Funktionen mit kompaktem Trager auf R displaystyle mathbb R nbsp Alle topologischen Vektorraume mit der schwachen Topologie Banachraume mit schwacher Topologie sowie Dualraume von Banachraumen mit der schwach Topologie sind lokalkonvex wobei die Familie P displaystyle mathcal P nbsp hier durch die Funktionale aus dem Dual respektive Pradualraum mittels p y x y x displaystyle p y left x right y x nbsp y ist das Funktional erzeugt wird Projektive Limites von Banachraumen sind lokalkonvex Die Familie P displaystyle mathcal P nbsp ist durch die Normen der Banachraume deren Limes gebildet wird gegeben Als Beispiel betrachte C 0 1 displaystyle mathcal C infty 0 1 nbsp mit der Familie der Normenp k f i k max x 0 1 f i x displaystyle p k f sum i leq k max x in 0 1 f i x nbsp Obwohl die Familie aus echten Normen besteht ist der Raum kein Banachraum Beliebige Produkte von Banachraumen wie z B R R displaystyle mathbb R mathbb R nbsp der Raum aller Funktionen von R displaystyle mathbb R nbsp nach R displaystyle mathbb R nbsp mit der Topologie der punktweisen Konvergenz Der Schwartz Raum Folgenraume wie zum Beispiel die Kothe Raume Funktionenraume wie zum Beispiel Raume von Testfunktionen Der Raum Lp 0 1 ist fur 0 lt p lt 1 displaystyle 0 lt p lt 1 nbsp ein topologischer sogar metrisierbarer Vektorraum der nicht lokalkonvex ist Ebenso ist der Raum der Zufallsvariablen auf einem gegebenen Wahrscheinlichkeitsraum mit der Topologie der stochastischen Konvergenz ein topologischer Vektorraum der im Allgemeinen nicht lokalkonvex ist Eigenschaften BearbeitenErfullt die Halbnormenmenge aus obiger Definition x V p x 0 p P 0 displaystyle x in V p x 0 forall p in mathcal P 0 nbsp so ist der Raum ein Hausdorff Raum Viele Autoren betrachten nur Hausdorff sche lokalkonvexe Raume Hausdorffsche lokalkonvexe Raume haben genugend viele stetige lineare Funktionale um Punkte zu trennen d h fur alle x y V x y displaystyle x y in V x not y nbsp gibt es ein stetiges lineares Funktional f displaystyle f nbsp mit f x f y displaystyle f x not f y nbsp Das zeigt sich in der Gultigkeit wichtiger Satze wie Der Satz von Hahn Banach Der Trennungssatz Der Satz von Krein MilmanDie stetigen linearen Funktionale auf einem topologischen Vektorraum V trennen genau dann die Punkte wenn es eine grobere Topologie auf V gibt die V zu einem hausdorffschen lokalkonvexen Raum macht Die Untersuchung lokalkonvexer Raume mittels stetiger linearer Funktionale fuhrt zu einer sehr weitreichenden Theorie die fur allgemeine topologische Vektorraume so nicht moglich ist Es gibt topologische Vektorraume die ausser dem Nullfunktional kein weiteres stetiges lineares Funktional besitzen Verallgemeinerungen BearbeitenTopologischer Vektorraum Topologische Gruppe Uniformer RaumSpezielle Klassen lokalkonvexer Raume Bearbeiten nbsp Beziehungen der Raumklassen untereinander ein Pfeil fuhrt von der spezielleren zur allgemeineren Raumklasse Viele Klassen lokalkonvexer Raume zeichnen sich durch die Gultigkeit bestimmter Satze die aus der Theorie der Banachraume oder normierten Raume bekannt sind aus So sind z B die tonnelierten Raume genau diejenigen lokalkonvexen Raume in denen der Satz von Banach Steinhaus noch gilt Diese Satze konnen in den entsprechenden Raumklassen in Reinkultur untersucht werden ihre Tragweite wird deutlich Die bekanntesten dieser Raumklassen sind bornologische Raume und ultrabornologische Raume tonnelierte Raume und quasitonnelierte Raume metrisierbare lokalkonvexe Raume Frechet Raume normierte Vektorraume Banachraume HilbertraumeRaume differenzierbarer oder holomorpher Funktionen tragen naturliche lokalkonvexe Topologien deren Eigenschaften zu weiteren Raumklassen Anlass geben Die wichtigsten dieser Raumklassen die zu einem tieferen Verstandnis der lokalkonvexen Theorie fuhren sind etwa nukleare Raume Montelraume Schwartz Raume DF Raume und gDF Raume quasinormierbare Raume LF Raume und LB Raume Raume mit GewebeHistorische Bemerkungen BearbeitenBereits 1906 stelle M Frechet fest dass der Abschluss der Menge C b R displaystyle C b mathbb R nbsp der beschrankten stetigen Funktionen auf R displaystyle mathbb R nbsp in der Menge aller beschrankten Funktionen auf R displaystyle mathbb R nbsp bezuglich der punktweisen Konvergenz nicht durch die Menge aller Grenzwerte von Folgen aus C b R displaystyle C b mathbb R nbsp beschrieben werden kann Der dazu erforderliche allgemeinere Umgebungsbegriff wie er 1914 durch F Hausdorff in der allgemeinen Topologie eingefuhrt wurde fand in der Funktionalanalysis erstmals durch J v Neumann in seiner Beschreibung der schwachen bzw starken Nullumgebungen in L H displaystyle L H nbsp H displaystyle H nbsp Hilbertraum Anwendung wobei eine Verallgemeinerung auf Banachraume nicht versucht wurde Der Umgebungsbegriff fur allgemeinere Situationen findet sich bei S Banach 1932 und Bourbaki 1938 in Untersuchungen uber die schwach Topologie wobei man sich zunachst auf separable Raume beschrankte damit die Einheitskugel im Dualraum metrisierbar ist Obwohl die Untersuchung normierter Raume im Vordergrund stand war damit klar dass allgemeinere Raumklassen in naturlicher Weise auftreten S Banach S Mazur und W Orlicz betrachteten Raume deren Topologie durch eine Folge p n n displaystyle p n n nbsp von Halbnormen gegeben ist und definierten den Abstand d x y n 1 1 n p n x y 1 p n x y displaystyle d x y sum n 1 infty frac 1 n cdot frac p n x y 1 p n x y nbsp Fur die vollstandigen unter diesen Raumen die man heute Frechetraume nennt konnte der Satz vom abgeschlossenen Graphen bewiesen werden Dass aber auch metrisierbare Raume nicht ausreichen zeigte die Feststellung J v Neumanns aus dem Jahre 1929 dass die schwache Topologie auf unendlich dimensionalen Hilbertraumen nicht metrisierbar ist 1934 wurden von G Kothe und O Toeplitz neue Typen von Raumen sogenannte Folgenraume eingefuhrt und deren Dualitatstheorie im Kontext der Folgenraume entwickelt In diesem Zusammenhang tauchte der Begriff des starken Dualraums auf Die im Sinne der Metrik beschrankten Mengen verhielten sich nicht wie im Falle normierter Raume es bedurfte einer topologischen Charakterisierung der Beschranktheit wie sie in der unten zitierten Arbeit J v Neumanns aus dem Jahre 1935 gegeben wurde Dieser Beschranktheitsbegriff findet sich im selben Jahr auch bei A N Kolmogorow bei dem Beweis der Aussage dass ein hausdorffscher topologischer Vektorraum genau dann normierbar ist wenn er eine beschrankte und konvexe Nullumgebung besitzt Normierbarkeitskriterium von Kolmogorow Von Neumanns Arbeit enthalt auch erstmals die allgemeine Definition des lokalkonvexen Raums die Aquivalenz der oben angegebenen geometrischen Definition und der Definition durch Halbnormen wird dort bewiesen Dadurch konnten die Ideen von Kothe und Toeplitz in einem allgemeineren Rahmen durchgefuhrt werden Meilensteine waren die Ergebnisse von G Mackey aus dem Jahre 1946 siehe Satz von Mackey Satz von Mackey Arens und die Untersuchungen von Tensorprodukten von A Grothendieck aus dem Jahre 1953 Weitere Bedeutung erlangten die lokalkonvexen Raumen durch von L Schwartz A Grothendieck S L Sobolew S Bochner und anderen durchgefuhrten Untersuchungen in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen und die damit einhergehende Begrundung der Theorie der Distributionen Der Satz vom Kern fuhrte Grothendieck zum wichtigen Begriff des nuklearen Raums Siehe auch BearbeitenLokalkonvexe Algebren sind lokalkonvexe Raume mit einer Algebrenstruktur und Bedingungen an die Multiplikation Normierte Raume mit der schwachen Topologie der schwach Topologie oder der beschrankten schwach Topologie sind lokalkonvexe Raume die in der Theorie der normierten Raume wichtig sind Verschiedene Operatortopologien fuhren zu lokalkonvexen Raumen in der Theorie der Operatoralgebren Literatur BearbeitenJ Dieudonne History of Functional Analysis North Holland Mathematical Studies 49 1981 ISBN 0 444 86148 3 G Kothe Topological Vector Spaces I 2 Auflage Springer 1983 ISBN 3 540 04509 0 G Kothe Topological Vector Spaces II Springer 1979 ISBN 3 540 90400 X K Floret J Wloka Einfuhrung in die Theorie der lokalkonvexen Raume Lecture Notes in Mathematics 56 1968 ISBN 3 540 04226 1 H H Schaefer Topological Vector Spaces Springer 1971 ISBN 0 387 98726 6 H Jarchow Locally Convex Spaces Teubner Stuttgart 1981 ISBN 3 519 02224 9 R Meise D Vogt Einfuhrung in die Funktionalanalysis Vieweg 1992 ISBN 3 528 07262 8 J v Neumann On Complete Topological Spaces Transactions of the American Mathematical Society 37 1935 Seiten 1 20Einzelnachweise Bearbeiten R Meise D Vogt Einfuhrung in die Funktionalanalysis Vieweg 1992 ISBN 3 528 07262 8 Lemma 22 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lokalkonvexer Raum amp oldid 233830577