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Das Massproblem ist ein Problem in der Mathematik das grundlegend fur die Masstheorie ist Es stellt die Frage ob man jeder Teilmenge der Ebene das heisst jeder in beliebiger Weise aus Punkten der Ebene zusammengesetzten Menge in vernunftiger Weise ein Flachenmass oft auch Flacheninhalt genannt zuordnen kann Abhangig davon was als vernunftig gelten soll lautet die uberraschende Antwort nein Nicht nur in der zweidimensionalen Ebene sondern auch in anderen Dimensionen ist die entsprechende Fragestellung negativ zu beantworten Inhaltsverzeichnis 1 Das Massproblem in der Ebene 2 Das Massproblem in n Dimensionen 3 Unlosbarkeit des Massproblems 4 Historische Bemerkungen 5 QuellenDas Massproblem in der Ebene Bearbeiten nbsp Komplexer werdende Teilmengen der Ebene und ihre FlacheninhalteSchon in der elementaren Schulmathematik lernt man gewissen Teilmengen der Ebene die man Flachen nennt Zahlen als ihren Flacheninhalt zuzuordnen Ein Rechteck erhalt den Flacheninhalt Seite mal Seite einem Dreieck wird Grundseite mal Hohe durch 2 zugeordnet Spater kommen krummlinig berandete Flachen wie Kreise p displaystyle pi nbsp mal Radius zum Quadrat hinzu noch spater werden Flachenstucke unter Kurven betrachtet die Methoden zur Ermittlung des Flacheninhalts werden dabei zunehmend komplexer Kann man das immer weiter treiben und schliesslich jeder Teilmenge der Ebene in vernunftiger Weise eine Zahl als Flacheninhalt zuordnen An ein vernunftiges Flachenmass das jeder Menge A R 2 displaystyle A subset mathbb R 2 nbsp also jeder Teilmenge A displaystyle A nbsp der Ebene eine Zahl m A displaystyle mu A nbsp als Flacheninhalt zuordnet wird man folgende Forderungen stellen der griechische Buchstabe m soll dabei an Mass erinnern Positivitat Fur jede Menge A R 2 displaystyle A subset mathbb R 2 nbsp ist m A 0 displaystyle mu A geq 0 nbsp wobei auch displaystyle infty nbsp zugelassen ist Negative Zahlen werden nicht als Flacheninhalte zugelassen Kongruenz Sind zwei Mengen A B R 2 displaystyle A B subset mathbb R 2 nbsp kongruent d h sie gehen durch Parallelverschiebung Spiegelung oder Drehung auseinander hervor so sollen sie dasselbe Flachenmass haben d h es soll m A m B displaystyle mu A mu B nbsp gelten Normiertheit Das Einheitsquadrat 0 1 2 R 2 displaystyle 0 1 2 subset mathbb R 2 nbsp soll das Flachenmass 1 haben d h m 0 1 2 1 displaystyle mu left 0 1 2 right 1 nbsp Damit ist die einfache aber wenig sinnvolle Losung alle Flacheninhalte auf 0 festzulegen ausgeschlossen nbsp Ausschopfung eines Kreises durch DreieckeFur die nachste Eigenschaft erinnern wir uns daran wie man einen Kreis durch eine Folge immer kleiner werdender Dreiecke ausschopfen kann Man beginnt damit dem Kreis ein gleichseitiges Dreieck einzubeschreiben Anschliessend setzt man auf jede Dreiecksseite ein gleichschenkliges Dreieck dessen Spitze auf der Kreislinie liegt und dessen Grundseite nicht dazugehoren soll und erhalt so ein dem Kreis einbeschriebenes Sechseck Indem man dies wiederholt erhalt man ein Zwolfeck dann ein 24 Eck usw Man sieht dass sich der Kreis aus unendlich vielen nicht uberlappenden Dreiecken zusammensetzt Der Flacheninhalt des Kreises berechnet sich dann als die unendliche Summe der immer kleiner werdenden Dreiecke Damit solche Konstruktionen erfolgreich sein konnen muss man an das Flachenmass noch folgende Anforderung stellen s displaystyle sigma nbsp Additivitat Ist A 1 A 2 A 3 R 2 displaystyle A 1 A 2 A 3 ldots subset mathbb R 2 nbsp eine Folge von paarweise punktfremden Mengen d h A i A j displaystyle A i cap A j emptyset nbsp fur i j displaystyle i neq j nbsp so soll die unendliche Vereinigung A 1 A 2 A 3 displaystyle A 1 cup A 2 cup A 3 cup ldots nbsp die Reihe m A 1 m A 2 m A 3 displaystyle mu A 1 mu A 2 mu A 3 ldots nbsp als Flachenmass haben d h in kompakter Schreibweise m i 1 A i i 1 m A i displaystyle mu left bigcup i 1 infty A i right sum i 1 infty mu A i nbsp falls A i A j displaystyle A i cap A j emptyset nbsp fur alle i j displaystyle i neq j nbsp Das s displaystyle sigma nbsp in der Bezeichnung s displaystyle sigma nbsp Additivitat soll darauf hinweisen dass hier abzahlbar unendliche Summen behandelt werden Bezeichnet man die Menge aller Teilmengen von R 2 displaystyle mathbb R 2 nbsp wie ublich mit P R 2 displaystyle mathcal P left mathbb R 2 right nbsp so lautet das Massproblem in seiner prazisen Form Gibt es eine Abbildung m P R 2 0 displaystyle mu colon mathcal P left mathbb R 2 right rightarrow 0 infty nbsp die die oben genannten Eigenschaften Positivitat Kongruenz Normiertheit und s displaystyle sigma nbsp Additivitat erfullt Das Massproblem in n Dimensionen BearbeitenDas Massproblem kann leicht auf n displaystyle n nbsp dimensionale Raume ausgedehnt werden das umfasst die der Anschauung zuganglichen Dimensionen 1 2 und 3 wobei man es dann mit Langen Flachen bzw Volumenmessung zu tun hat Das Massproblem in n displaystyle n nbsp Dimensionen lautet Gibt es eine Abbildung m n P R n 0 displaystyle mu n mathcal P left mathbb R n right rightarrow 0 infty nbsp mit folgenden Eigenschaften Positivitat m n A 0 displaystyle mu n A geq 0 nbsp fur alle A R n displaystyle A subset mathbb R n nbsp diese Bedingung steckt eigentlich bereits in der Vorgabe des Bildbereichs der Abbildung Kongruenz m n A m n B displaystyle mu n A mu n B nbsp falls A und B kongruent sind Normiertheit m n 0 1 n 1 displaystyle mu n left 0 1 n right 1 nbsp s displaystyle sigma nbsp Additivitat m n i 1 A i i 1 m n A i displaystyle mu n left bigcup i 1 infty A i right sum i 1 infty mu n left A i right nbsp falls A i A j displaystyle A i cap A j emptyset nbsp fur alle i j displaystyle i neq j nbsp Man konnte sogar noch weitere naheliegende Forderungen an eine Massfunktion stellen Leere Menge m n 0 displaystyle mu n emptyset 0 nbsp Einpunktmenge m n x 0 displaystyle mu n left x right 0 nbsp fur alle Punkte x R n displaystyle x in mathbb R n nbsp Additivitat m n A 1 A 2 m n A 1 m n A 2 displaystyle mu n A 1 cup A 2 mu n A 1 mu n A 2 nbsp falls A 1 A 2 displaystyle A 1 cap A 2 emptyset nbsp oderMonotonie m n A m n B displaystyle mu n A leq mu n B nbsp falls A B displaystyle A subset B nbsp Diese Eigenschaften konnen leicht als einfache Konsequenzen der eingangs formulierten Eigenschaften erkannt werden sie stellen also keine weitergehenden Forderungen dar Unlosbarkeit des Massproblems BearbeitenHier wird mittels einer auf den italienischen Mathematiker Giuseppe Vitali zuruckgehenden Idee gezeigt dass das Massproblem fur den eindimensionalen Fall R 1 R displaystyle mathbb R 1 mathbb R nbsp nicht losbar ist Dazu konstruiert man eine Menge V 0 1 displaystyle V subset 0 1 nbsp die sogenannte Vitali Menge mit folgenden Eigenschaften Sind p displaystyle p nbsp und q displaystyle q nbsp verschiedene rationale Zahlen so ist p V q V displaystyle p V cap q V emptyset nbsp Dabei ist p V displaystyle p V nbsp die um p displaystyle p nbsp verschobene Menge Ist die Folge p n n N displaystyle p n n in mathbb N nbsp eine Abzahlung der im Intervall 1 1 displaystyle 1 1 nbsp enthaltenen rationalen Zahlen so ist 0 1 n 1 p n V displaystyle textstyle 0 1 subset bigcup n 1 infty p n V nbsp Daraus ergibt sich nun leicht die Unlosbarkeit des Massproblems Ware namlich m displaystyle mu nbsp eine Losung so ware wegen der zweiten Eigenschaft und weil jedes p n V displaystyle p n V nbsp im Intervall 1 2 displaystyle 1 2 nbsp liegt 0 1 n 1 p n V 1 2 displaystyle 0 1 subset bigcup n 1 infty p n V subset 1 2 nbsp Da 1 2 1 0 0 1 1 2 displaystyle 1 2 1 0 cup 0 1 cup 1 2 nbsp uberlegt man sich leicht dass m 1 2 3 displaystyle mu 1 2 3 nbsp sein muss Aus der Monotonie ergibt sich daher 1 m n 1 p n V 3 displaystyle 1 leq mu left bigcup n 1 infty p n V right leq 3 nbsp Nach der ersten Eigenschaft sind die Mengen p n V displaystyle p n V nbsp paarweise disjunkt so dass aus der s displaystyle sigma nbsp Additivitat 1 n 1 m p n V 3 displaystyle 1 leq sum n 1 infty mu p n V leq 3 nbsp folgt Nun sind die Mengen p n V displaystyle p n V nbsp alle kongruent denn sie gehen durch Verschiebungen auseinander hervor Daher sind die Zahlen m p n V displaystyle mu p n V nbsp alle gleich Dann kann die unendliche Summe aber nur 0 oder displaystyle infty nbsp sein sie kann jedenfalls nicht zwischen 1 und 3 liegen Dieser Widerspruch zeigt dass das Massproblem nicht losbar ist Es bleibt noch die Aufgabe die Menge V displaystyle V nbsp anzugeben Q R displaystyle mathbb Q subset mathbb R nbsp ist eine Untergruppe Jede Nebenklasse von Q displaystyle mathbb Q nbsp enthalt Elemente aus 0 1 displaystyle 0 1 nbsp Mit Hilfe des Auswahlaxioms wahlen wir aus jeder Nebenklasse von Q displaystyle mathbb Q nbsp ein solches Element und fassen diese zur Menge V displaystyle V nbsp zusammen Dann ist V displaystyle V nbsp in 0 1 displaystyle 0 1 nbsp enthalten und man uberlegt sich leicht dass V displaystyle V nbsp auch die beiden genannten Eigenschaften hat Die erste Eigenschaft gilt da V displaystyle V nbsp aus jeder Nebenklasse genau ein Element enthalt Zum Nachweis der zweiten Eigenschaft sei x 0 1 displaystyle x in 0 1 nbsp beliebig Dieses x displaystyle x nbsp muss in irgendeiner Nebenklasse liegen denn die Vereinigung uber alle Nebenklassen ist R displaystyle mathbb R nbsp Da V displaystyle V nbsp aus jeder Nebenklasse ein Element enthalt gibt es ein v V displaystyle v in V nbsp das in derselben Nebenklasse wie x displaystyle x nbsp liegt fur dieses gilt daher x v Q displaystyle x v in mathbb Q nbsp Da x displaystyle x nbsp und v displaystyle v nbsp beide zwischen 0 und 1 liegen ist auch x v 1 1 displaystyle x v in 1 1 nbsp d h es gibt ein m displaystyle m nbsp mit x v p m displaystyle x v p m nbsp Dann folgt x p m v p m V n 1 p n V displaystyle textstyle x p m v in p m V subset bigcup n 1 infty p n V nbsp was den Beweis beendet Damit ist die Unlosbarkeit des Massproblems fur R 1 displaystyle mathbb R 1 nbsp vollstandig gezeigt Daraus ergibt sich sofort auch die Unlosbarkeit in hoheren Dimensionen denn ware m n displaystyle mu n nbsp eine Losung des Massproblems fur die Dimension n displaystyle n nbsp so ware durch m 1 A m n A 0 1 n 1 displaystyle mu 1 A mu n A times 0 1 n 1 nbsp eine Losung des eindimensionalen Falls gegeben von deren Nichtexistenz wir uns aber gerade uberzeugt haben Historische Bemerkungen BearbeitenMathematiker vergangener Tage waren mit Begriffen wie Flacheninhalt oder Volumen recht sorglos umgegangen Erst durch die cantorsche Mengenlehre und die damit einhergehende strengere Formalisierung der Mathematik konnten solche Probleme uberhaupt erkannt und formuliert werden Die alteste Formulierung des Massproblems geht auf Henri Leon Lebesgue zuruck In seiner 1902 eingereichten Dissertation weist er darauf hin es nicht allgemein losen zu konnen sondern nur fur eine bestimmte Klasse von Mengen die er messbar nannte Bereits 1904 konnte Giuseppe Vitali die Unlosbarkeit des Massproblems zeigen Die Messung der Grosse einer Menge Lange Flacheninhalt Volumen ist aber eine der wesentlichen Aufgabenstellungen in der Mathematik was nicht nur fur Anwendungen sondern auch fur viele mathematische Theorien von fundamentaler Bedeutung ist Ein Ausweg aus diesem Dilemma konnte darin bestehen die Forderungen an das Mass abzuschwachen Das hat Felix Hausdorff 1914 getan indem er die s displaystyle sigma nbsp Additivitat durch die schwachere Forderung der Additivitat ersetzte Man spricht dann nicht von einem Mass sondern von einem Inhalt Es ist klar dass Vitalis Argumentation fur Inhalte zusammenbricht und Felix Hausdorff konnte tatsachlich zeigen dass es in den Dimensionen 1 und 2 Inhalte gibt aber fur n 3 displaystyle n geq 3 nbsp gibt es diese auch nicht mehr siehe Banach Tarski Paradoxon Als sehr viel erfolgreicher hat sich ein anderer Ausweg erwiesen Man behalt die starkere und fur viele Beweise wichtige technische Forderung der s displaystyle sigma nbsp Additivitat bei und verkleinert den Bereich der Mengen denen man ein Mass zuordnet wie es Lebesgue bereits in seiner Doktorarbeit getan hat Daraus sind die Masstheorie und die lebesguesche Integrationstheorie hervorgegangen Felix Hausdorff schreibt 1914 in seinem Buch Grundzuge der Mengenlehre dazu Die Theorie des Inhalts hat sich in zwei Stufen entwickelt die man am besten durch zwei Gesetze fur additives Verhalten charakterisiert Der Inhaltsbegriff der alteren Stufe auf Ansatzen von G Cantor und H Hankel beruhend und von G Peano und C Jordan vervollstandigt erfullt die Gleichung dd f A B f A f B displaystyle f A B f A f B nbsp fur zwei oder endlich viele paarweise fremde Mengen der Inhaltsbegriff der neueren Stufe den wir E Borel und H Lebesgue verdanken erfullt die Gleichung dd f A B C f A f B f C displaystyle f A B C cdots f A f B f C cdots nbsp fur eine endliche oder abzahlbare Menge von Summanden Der alteren Stufe entspricht der Riemannsche der neuen der Lebesguesche Integralbegriff Der Ubergang vom Endlichen zum Abzahlbaren darf als einer der grossten Fortschritte in der Mathematik bezeichnet werden dd Man beschrankt sich also auf die sogenannten Lebesgue messbaren Mengen Vitalis Argument zeigt dann dass die oben angegebene Menge V nicht Lebesgue messbar sein kann was auch als Satz von Vitali bekannt ist Das Verfahren zur Gewinnung dieser Menge V ist nicht konstruktiv da das Auswahlaxiom verwendet wurde Die Frage ob die Verwendung des Auswahlaxioms oder einer schwacheren Variante dieses Axioms zwingend ist wurde 1970 von Robert M Solovay mit ja beantwortet indem er ein Modell der Mengenlehre angab in dem das Auswahlaxiom nicht gilt und in dem jede Teilmenge von R displaystyle mathbb R nbsp messbar ist Quellen BearbeitenFelix Hausdorff Grundzuge der Mengenlehre Veit amp Co Leipzig 1914 Zahlreiche Nachdrucke Donald L Cohn Measure Theory Birkhauser Boston MA u a 1980 ISBN 3 7643 3003 1 Robert M Solovay A model of set theory in which every set of reals is Lebesgue measurable In Annals of Mathematics Second Series Bd 92 Nr 1 1970 S 1 56 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Massproblem amp oldid 228750722