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Levyprozesse benannt nach dem franzosischen Mathematiker Paul Levy 1886 1971 sind stochastische Prozesse mit stationaren unabhangigen Zuwachsen Sie beschreiben die zeitliche Entwicklung von Grossen die zwar zufalligen aber uber die Zeit in Verteilung gleich bleibenden und voneinander unabhangigen Einflussen ausgesetzt sind Viele wichtige Prozesse wie der Wienerprozess oder der Poissonprozess sind Levyprozesse Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Zeitdiskrete Levyprozesse 3 Zeitstetige Levyprozesse 3 1 Weitere Definition 4 Levy Chintschin Formel 5 Levy Itō Zerlegung 6 Wichtige Eigenschaften 7 Literatur 8 WeblinksDefinition BearbeitenSei X t t T displaystyle X t t in T nbsp ein stochastischer Prozess uber der Indexmenge T displaystyle T nbsp meist T R displaystyle T mathbb R nbsp oder T N 0 displaystyle T mathbb N 0 nbsp Man sagt X t displaystyle X t nbsp habe unabhangige Zuwachse wenn fur alle t 1 lt t 2 lt lt t n T displaystyle t 1 lt t 2 lt dotsb lt t n in T nbsp die Zufallsvariablen X t 2 X t 1 X t 3 X t 2 X t n X t n 1 displaystyle X t 2 X t 1 X t 3 X t 2 dotsc X t n X t n 1 nbsp die Zuwachse von X t displaystyle X t nbsp unabhangig sind Ist die Verteilung der Zuwachse uber gleich langen Zeitintervallen dieselbe d h gilt X t 1 h X t 1 X t 2 h X t 2 t 1 t 2 T h gt 0 displaystyle X t 1 h X t 1 sim X t 2 h X t 2 forall t 1 t 2 in T h gt 0 nbsp so nennt man X t displaystyle X t nbsp einen Prozess mit stationaren Zuwachsen Als Levyprozesse bezeichnet man genau jene Prozesse X t displaystyle X t nbsp die unabhangige und stationare Zuwachse aufweisen Haufig wird zusatzlich noch verlangt dass fast sicher X 0 0 displaystyle X 0 0 nbsp gilt Ist X t displaystyle X t nbsp ein allgemeiner Levyprozess dann wird durch Y t X t X 0 displaystyle Y t X t X 0 nbsp ein Levyprozess Y t displaystyle Y t nbsp mit Y 0 0 displaystyle Y 0 0 nbsp definiert Im Folgenden sei stets X 0 0 displaystyle X 0 0 nbsp vorausgesetzt Zeitdiskrete Levyprozesse BearbeitenGilt speziell T N 0 displaystyle T mathbb N 0 nbsp so lasst sich die Klasse der Levyprozesse sehr einfach charakterisieren Es gibt namlich fur alle solche Prozesse X n n N 0 displaystyle X n n in mathbb N 0 nbsp eine Darstellung X n i 1 n Z i displaystyle X n sum i 1 n Z i nbsp wobei Z 1 Z 2 displaystyle Z 1 Z 2 ldots nbsp unabhangige und identisch verteilte Zufallsvariablen sind Andererseits ist fur jede Folge von unabhangigen Zufallsvariablen Z i i N displaystyle Z i i in mathbb N nbsp die alle die gleiche beliebig vorgegebene Verteilung haben durch X 0 0 displaystyle X 0 0 nbsp und X n i 1 n Z i displaystyle textstyle X n sum i 1 n Z i nbsp ein Levyprozess X definiert Im zeitdiskreten Fall ist ein Levyprozess also im Prinzip nichts anderes als ein Random Walk mit beliebiger aber gleich bleibender Sprungverteilung Das einfachste Beispiel fur einen zeitdiskreten Levyprozess ist demnach auch der einfache symmetrische Random Walk bei dem 2 X 1 1 displaystyle 2X 1 1 nbsp symmetrisch bernoulliverteilt ist Hier bewegt sich der Prozess X startend bei X 0 0 displaystyle X 0 0 nbsp in jedem Schritt mit Wahrscheinlichkeit um Eins nach oben andernfalls um Eins nach unten Zeitstetige Levyprozesse Bearbeiten nbsp Ein Gamma Prozess ist ein Levyprozess bei dem die Zuwachse unabhangig und gammaverteilt sind Dies ist moglich da die Gammaverteilung unendlich teilbar ist Der Prozess ist fast sicher monoton wachsend er ist also ein Subordinator Der Prozess hat unendliche Aktivitat und keine Diffusionskomponente Die beiden zufalligen Pfade sind von Trajektorien von Gamma Prozessen mit den shape Parametern 0 7 rot und 0 25 blau Im Fall T 0 displaystyle T 0 infty nbsp ist die Charakterisierung nicht mehr so leicht So gibt es zum Beispiel keinen zeitstetigen Levyprozess bei dem X 1 displaystyle X 1 nbsp wie oben bernoulliverteilt ist Jedoch sind zeitstetige Levyprozesse eng verwandt mit dem Begriff der unendlichen Teilbarkeit Ist namlich X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp ein Levyprozess so ist X 1 displaystyle X 1 nbsp unendlich teilbar Andererseits legt eine unendlich teilbare Zufallsvariable X 1 displaystyle X 1 nbsp bereits die Verteilung des gesamten Levyprozesses X t t 1 displaystyle X t t geq 1 nbsp eindeutig fest Jedem Levyprozess entspricht also eine unendlich teilbare Verteilungsfunktion und umgekehrt nbsp Drei Trajektorien von Levyprozessen vom Typ Variance GammaWichtige Beispiele fur zeitstetige Levyprozesse sind der Wienerprozess auch Brownsche Bewegung genannt bei dem die unendlich teilbare Verteilung von X 1 displaystyle X 1 nbsp eine Normalverteilung ist oder der Poissonprozess bei dem X 1 displaystyle X 1 nbsp poissonverteilt ist Doch auch viele andere Verteilungen beispielsweise die Gammaverteilung oder die Cauchyverteilung konnen zur Konstruktion von Levyprozessen herangezogen werden Neben dem deterministischen Prozess X t s t displaystyle X t sigma t nbsp ist der Wienerprozess mit konstanter Drift und konstanter Volatilitat der einzige stetige Levyprozess d h aus der Stetigkeit eines Levyprozesses folgt schon die Normalverteilung seiner Zuwachse Es existiert jedoch beispielsweise kein Levyprozess mit gleichverteilten Zustanden Wichtig ist auch der Begriff der endlichen und unendlichen Aktivitat Gibt es in einem Intervall unendlich viele und damit unendlich kleine Sprunge oder nicht Auskunft daruber gibt auch das Levymass Weiterhin sind Subordinatoren von Bedeutung das sind Levyprozesse mit fast sicher monoton wachsenden Pfaden Ein Beispiel dafur ist der Gamma Prozess Die Differenz von zwei Gamma Prozessen wird als variance gamma process bezeichnet Weitere Definition Bearbeiten Ein stochastischer Prozess X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp uber einem Wahrscheinlichkeitsraum W F P displaystyle Omega mathcal F P nbsp heisst Levyprozess wenn X 0 0 displaystyle X 0 0 nbsp X t displaystyle X t nbsp unabhangige und stationare Zuwachse hat und X t displaystyle X t nbsp stochastisch stetig ist d h fur beliebige e gt 0 displaystyle varepsilon gt 0 nbsp und t 0 0 displaystyle t 0 geq 0 nbsp giltlim t t 0 P X t X t 0 gt e 0 displaystyle lim t to t 0 P vert X t X t 0 vert gt varepsilon 0 nbsp Levy Chintschin Formel Bearbeiten Hauptartikel Levy Khinchin Formel Fur jeden R d displaystyle mathbb R d nbsp wertigen Levyprozess X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp lasst sich seine charakteristische Funktion schreiben in der Form E e i z X t e t ps z displaystyle operatorname E mathrm e izX t mathrm e t psi z nbsp mit dem charakteristischen Exponenten ps z 1 2 z A z i g z R d e i z x 1 i z x 1 x 1 n d x displaystyle psi z frac 1 2 langle z Az rangle i langle gamma z rangle int mathbb R d mathrm e i langle z x rangle 1 i langle z x rangle 1 x leq 1 nu mathrm d x nbsp und dem charakteristischen Tripel A n g displaystyle A nu gamma nbsp Dabei ist A R d d displaystyle A in mathbb R d times d nbsp eine symmetrische positiv definite Matrix g R d displaystyle gamma in mathbb R d nbsp ein Vektor und n displaystyle nu nbsp ein Mass auf R d displaystyle mathbb R d nbsp mit n 0 0 displaystyle nu 0 0 nbsp und R d min x 2 1 d n x lt displaystyle int mathbb R d min x 2 1 mathrm d nu x lt infty nbsp Das charakteristische Tripel ist durch den Prozess eindeutig bestimmt Benannt ist diese Darstellung der charakteristischen Funktion eines Levyprozesses nach Paul Levy und Alexandr Chintschin Levy Itō Zerlegung BearbeitenJeder Levyprozess kann als eine Summe aus einer brownschen Bewegung einem linearen Driftprozess und einem reinen Sprungprozess welcher alle Sprunge des ursprunglichen Levyprozesses beinhaltet dargestellt werden Diese Aussage ist bekannt als Levy Itō Zerlegung Sei X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp ein Levyprozess in R d displaystyle mathbb R d nbsp mit charakteristischem Tripel A n g displaystyle A nu gamma nbsp Dann gibt es drei unabhangige Levyprozesse die alle auf dem gleichen Wahrscheinlichkeitsraum definiert sind X 1 displaystyle X 1 nbsp X 2 displaystyle X 2 nbsp X 3 displaystyle X 3 nbsp so dass X 1 displaystyle X 1 nbsp ist eine brownsche Bewegung mit Drift also ein Levyprozess mit charakteristischem Tripel A 0 g displaystyle A 0 gamma nbsp X 2 displaystyle X 2 nbsp ist ein Levyprozess mit charakteristischem Tripel 0 n R d x x 1 0 displaystyle 0 nu mathbb R d backslash x x geq 1 0 nbsp also ein Compound Poissonprozess X 3 displaystyle X 3 nbsp ist ein quadratintegrierbares Martingal und ein reiner Sprungprozess mit dem charakteristischen Tripel 0 n x x lt 1 0 displaystyle 0 nu x x lt 1 0 nbsp Wichtige Eigenschaften BearbeitenDie Erwartungswertfunktion eines Levyprozesses X t displaystyle X t nbsp ist linear in t d h E X t t E X 1 displaystyle operatorname E X t t operatorname E X 1 nbsp Analog gilt fur die Varianz Var X t t Var X 1 displaystyle operatorname Var X t t operatorname Var X 1 nbsp vorausgesetzt die entsprechenden Momente existieren zum Zeitpunkt 1 Fur die Kovarianzfunktion gilt Cov X s X t Var X min s t min s t Var X 1 displaystyle operatorname Cov X s X t operatorname Var X min s t min s t operatorname Var X 1 nbsp dd Falls E X 1 0 displaystyle E X 1 0 nbsp gilt so ist X t displaystyle X t nbsp ein Martingal Literatur BearbeitenJ Bertoin Levy Processes Cambridge Tracts in Mathematics Vol 121 Cambridge University Press 2002 ISBN 0 521 64632 4 A E Kyprianou Introductory Lectures on fluctuations of Levy process with applications Universitext Springer Philip E Protter Stochastic Integration and Differential Equations Springer Berlin 2003 ISBN 3 540 00313 4 Rama Cont Peter Tankov Financial Modelling with Jump Processes Chapman amp Hall 2003 ISBN 1 58488 413 4 Ken iti Sato Levy Processes and Infinitely Divisible Distributions Cambridge studies in advanced mathematics 1999 ISBN 0 521 55302 4Weblinks BearbeitenUni Skriptum uber Levy Prozesse Jan Kallsen Levy Prozesse anschaulich erklart PDF 778 kB Normdaten Sachbegriff GND 4463623 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Levyprozess amp oldid 239040419