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Signiertes Mass ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der Masstheorie Es ist wie das Mass eine auf einem Mengensystem meist einer s Algebra definierte Funktion und unterscheidet sich von diesem nur darin dass auch negative Werte zugelassen sind Das signierte Mass stellt somit eine Verallgemeinerung des Massbegriffs dar Manchmal werden signierte Masse auch als Ladungsverteilungen bezeichnet da sie bildlich jedem Teil eines geladenen Korpers die in ihm enthaltene Ladung zuweisen Mengen signierter Masse besitzen im Vergleich zu den gewohnlichen Massen mehr Struktur So bildet beispielsweise die Menge aller signierten Masse auf einem gemeinsamen Messraum einen Vektorraum mit einer Norm Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Bemerkungen zur Definition 3 Beispiele 3 1 Differenz von Massen 3 2 Integralinduzierte signierte Masse 4 Eigenschaften 4 1 Stetigkeit von oben 4 2 Stetigkeit von unten 5 Abgeleitete Begriffe 5 1 Positive und negative Mengen 5 2 Signierter Massraum 5 3 Endliches signiertes Mass 5 4 s endliches signiertes Mass 5 5 Regulares signiertes Mass 6 Wichtige Aussagen 6 1 Hahn Jordan Zerlegung 6 2 Satz von Radon Nikodym 6 3 Zerlegungssatz von Lebesgue 6 4 Satz von Vitali Hahn Saks 7 Raume signierter Mass 8 Anwendungen 9 LiteraturDefinition BearbeitenSei W displaystyle Omega nbsp eine nichtleere Menge und C 2 W displaystyle mathcal C subseteq 2 Omega nbsp ein Mengensystem auf W displaystyle Omega nbsp mit C displaystyle emptyset in mathcal C nbsp Eine Mengenfunktion n displaystyle nu nbsp von C displaystyle mathcal C nbsp nach displaystyle infty infty nbsp oder displaystyle infty infty nbsp heisst signiertes Mass wenn gilt n 0 displaystyle nu emptyset 0 nbsp Fur jede disjunkte Familie A i i N displaystyle A i i in mathbb N nbsp mit A i C displaystyle A i in mathcal C nbsp und i N A i C displaystyle textstyle bigcup i in mathbb N A i in mathcal C nbsp giltn i N A i i N n A i displaystyle nu left bigcup i in mathbb N A i right sum i in mathbb N nu A i nbsp Diese Eigenschaft wird als s Additivitat bezeichnet dd Ist das Mengensystem C displaystyle mathcal C nbsp eine s Algebra so wird es im Folgenden mit A displaystyle mathcal A nbsp bezeichnet Insbesondere ist dann i N A i displaystyle textstyle bigcup i in mathbb N A i nbsp immer in A displaystyle mathcal A nbsp enthalten Bemerkungen zur Definition BearbeitenDie Konvergenz der Reihe i N n A i displaystyle textstyle sum i in mathbb N nu A i nbsp ist als unbedingte Konvergenz in R displaystyle bar mathbb R nbsp zu betrachten das heisst ihr Grenzwert ist n i N A i displaystyle textstyle nu left bigcup i in mathbb N A i right nbsp Die Einschrankung auf entweder die Bildmenge displaystyle infty infty nbsp oder die Bildmenge displaystyle infty infty nbsp erfolgt um die Assoziativitat der Addition zu erhalten Ausserdem vermeidet sie das Auftreten von nicht definierten Ausdrucken wie displaystyle infty infty nbsp Wahlt man als Bildraum die Menge displaystyle infty infty nbsp so kann auf die Forderung n 0 displaystyle nu emptyset 0 nbsp verzichtet werden Dies folgt daraus dass n displaystyle nu emptyset nbsp eine reelle Zahl ist und n i N n displaystyle nu emptyset sum i in mathbb N nu emptyset nbsp gilt Beispiele BearbeitenDie beiden hier angegebenen Beispiele sind gleichzeitig die klassischen Methoden signierte Masse zu konstruieren Differenz von Massen Bearbeiten Sind m 1 m 2 displaystyle mu 1 mu 2 nbsp endliche Masse auf dem Messraum W A displaystyle Omega mathcal A nbsp so sind n 1 m 1 m 2 und n 2 m 2 m 1 displaystyle nu 1 mu 1 mu 2 text und nu 2 mu 2 mu 1 nbsp signierte Masse auf W A displaystyle Omega mathcal A nbsp Bei einem der beiden Masse m 1 m 2 displaystyle mu 1 mu 2 nbsp kann auf die Endlichkeit verzichtet werden wenn man zulassen will dass die signierten Masse die Werte displaystyle infty nbsp oder displaystyle infty nbsp annehmen konnen Integralinduzierte signierte Masse Bearbeiten Signierte Masse treten auch in der Integrationstheorie auf sie werden von einem unbestimmten Integral induziert Sei W A m displaystyle Omega mathcal A mu nbsp ein Massraum und f W R displaystyle f colon Omega rightarrow bar mathbb R nbsp eine A B R displaystyle mathcal A mathcal B bar mathbb R nbsp messbare Funktion Ist f displaystyle f nbsp positiv nimmt Werte in 0 displaystyle 0 infty nbsp an oder quasiintegrierbar so existiert das Integral W f x A d m displaystyle textstyle int Omega f chi A d mu nbsp mit x displaystyle chi nbsp als Indikatorfunktion und A A displaystyle A in mathcal A nbsp immer Die Abbildung f d m A R displaystyle textstyle int fd mu colon mathcal A rightarrow bar mathbb R nbsp mit f d m A W f x A d m displaystyle int fd mu A int Omega f chi A d mu nbsp definiert das unbestimmte m displaystyle mu nbsp Integral Ist f displaystyle f nbsp positiv so ist f d m displaystyle textstyle int fd mu nbsp ein Mass Ist f displaystyle f nbsp integrierbar so ist f d m displaystyle textstyle int fd mu nbsp ein endliches signiertes Mass das heisst f d m A R displaystyle textstyle int fd mu A in mathbb R nbsp fur A A displaystyle A in mathcal A nbsp Ist f displaystyle f nbsp quasiintegrierbar so ist f d m displaystyle textstyle int fd mu nbsp ein signiertes Mass Man verwendet fur f d m A displaystyle textstyle int fd mu A nbsp ublicherweise die Kurzschreibweise A f d m displaystyle textstyle int A fd mu nbsp Eigenschaften BearbeitenGegeben seien A B A displaystyle A B in mathcal A nbsp und B A displaystyle B subset A nbsp Ist n A lt displaystyle nu A lt infty nbsp so ist auch stets n B lt displaystyle nu B lt infty nbsp denn es gilt n A n A B n B displaystyle nu A nu A setminus B nu B nbsp Aus der s Additivitat folgt dann die Endlichkeit der rechten Seite Ist A A i i N A displaystyle A A i i in mathbb N in mathcal A nbsp mit disjunkten A i displaystyle A i nbsp und ist A i N A i sowie n A lt displaystyle A bigcup i in mathbb N A i text sowie nu A lt infty nbsp so ist die Reihe i 1 n A i displaystyle sum i 1 infty nu A i nbsp absolut konvergent Denn es ist fur jede Bijektion p N N displaystyle pi colon mathbb N to mathbb N nbsp immer i N A p i A i N A i displaystyle bigcup i in mathbb N A pi i A bigcup i in mathbb N A i nbsp und somit i 1 n A p i i 1 n A i displaystyle sum i 1 infty nu A pi i sum i 1 infty nu A i nbsp Also konvergiert die Reihe unbedingt und damit auch absolut Stetigkeit von oben Bearbeiten Ist C displaystyle mathcal C nbsp ein Ring so ist n displaystyle nu nbsp stetig von oben es gilt folglich dass fur jede monoton fallende Folge A i i N displaystyle A i i in mathbb N nbsp mit A i C displaystyle A i in mathcal C nbsp n A 1 lt displaystyle nu A 1 lt infty nbsp und i N A i C displaystyle textstyle bigcap i in mathbb N A i in mathcal C nbsp lim i n A i n i N A i displaystyle lim i rightarrow infty nu A i nu left bigcap i in mathbb N A i right nbsp gilt Ist C displaystyle mathcal C nbsp eine s Algebra so ist die Eigenschaft immer erfullt Stetigkeit von unten Bearbeiten Ein signiertes Mass auf einer s Algebra A displaystyle mathcal A nbsp ist stetig von unten das heisst fur eine monoton wachsende Mengenfolge A i i N displaystyle A i i in mathbb N nbsp aus A displaystyle mathcal A nbsp gilt lim i n A i n i N A i displaystyle lim i rightarrow infty nu A i nu left bigcup i in mathbb N A i right nbsp Abgeleitete Begriffe BearbeitenPositive und negative Mengen Bearbeiten Eine Menge A A displaystyle A in mathcal A nbsp wird eine positive Menge genannt wenn fur jede weitere Menge B A displaystyle B subset A nbsp mit B A displaystyle B in mathcal A nbsp gilt dass n B 0 displaystyle nu B geq 0 nbsp Ebenso wird eine Menge A A displaystyle A in mathcal A nbsp eine negative Menge genannt wenn fur jede weitere Menge B A displaystyle B subset A nbsp mit B A displaystyle B in mathcal A nbsp gilt dass n B 0 displaystyle nu B leq 0 nbsp Der Begriff der Nullmenge ubertragt sich direkt von Massen auf signierte Masse Signierter Massraum Bearbeiten Ist A displaystyle mathcal A nbsp eine s Algebra uber der Grundmenge W displaystyle Omega nbsp und n displaystyle nu nbsp ein signiertes Mass so nennt man das Tripel W A n displaystyle Omega mathcal A nu nbsp einen signierten Massraum Endliches signiertes Mass Bearbeiten Ein signiertes Mass n displaystyle nu nbsp heisst endlich wenn n A lt displaystyle nu A lt infty nbsp fur alle A A displaystyle A in mathcal A nbsp Dies ist aquivalent zu n W lt displaystyle nu Omega lt infty nbsp oder zur Endlichkeit der Variation von n displaystyle nu nbsp s endliches signiertes Mass Bearbeiten Ein signiertes Mass heisst s endlich wenn es eine Folge A n n N displaystyle A n n in mathbb N nbsp von Mengen aus A displaystyle mathcal A nbsp gibt so dass W n N A n displaystyle Omega bigcup n in mathbb N A n nbsp und n A n lt displaystyle nu A n lt infty nbsp fur alle n N displaystyle n in mathbb N nbsp Dies ist aquivalent dazu dass die Variation von n displaystyle nu nbsp ein s endliches Mass ist Regulares signiertes Mass Bearbeiten Ein endliches signiertes Mass auf einem Hausdorff Raum versehen mit der borelschen s Algebra heisst regular wenn die Variation des signierten Masses ein regulares Mass ist Wichtige Aussagen BearbeitenHahn Jordan Zerlegung Bearbeiten Hauptartikel Hahn Jordan Zerlegung Die Hahn Jordan Zerlegung liefert eine Aufteilung eines signierten Masses Dabei wird entweder die Grundmenge auf eindeutige Weise in eine positive Menge und eine negative Menge zerlegt Hahnscher Zerlegungssatz oder das signierte Mass in zwei gewohnliche Masse aufgeteilt von denen mindestens eines endlich ist und die zusammen das signierte Mass ergeben Jordanscher Zerlegungssatz Zu jedem signierten Mass m displaystyle mu nbsp existieren also eine positive Menge P displaystyle P nbsp und eine negative Menge N displaystyle N nbsp so dass N P W displaystyle N cup P Omega nbsp und N P displaystyle N cap P emptyset nbsp ist Ebenso existieren Masse m m displaystyle mu mu nbsp die sogenannte positive Variation und die negative Variation von denen mindestens eines endlich ist die singular zueinander sind und fur die m m m displaystyle mu mu mu nbsp gilt Es gilt dann m A m P A m A m N A displaystyle mu A mu P cap A quad mu A mu N cap A nbsp Das Mass m m m displaystyle mu mu mu nbsp nennt man dann die Variation von m displaystyle mu nbsp die Zahl m W displaystyle mu Omega nbsp die Totalvariationsnorm des signierten Masses Satz von Radon Nikodym Bearbeiten Hauptartikel Satz von Radon Nikodym Ist m displaystyle mu nbsp ein s endliches Mass auf dem Messraum X A displaystyle X mathcal A nbsp und ist n displaystyle nu nbsp ein signiertes Mass das absolut stetig bezuglich m displaystyle mu nbsp ist n m displaystyle nu ll mu nbsp so besitzt n displaystyle nu nbsp eine Dichtefunktion bezuglich m displaystyle mu nbsp das heisst es existiert eine messbare Funktion f X R displaystyle f colon X to mathbb R nbsp so dass n E E f d m displaystyle nu E int E f mathrm d mu nbsp fur alle E A displaystyle E in mathcal A nbsp Zerlegungssatz von Lebesgue Bearbeiten Hauptartikel Zerlegungssatz von Lebesgue Ist m displaystyle mu nbsp ein s endliches Mass auf dem Messraum X A displaystyle X mathcal A nbsp und ist n displaystyle nu nbsp ein s endliches signiertes Mass so existiert genau eine Zerlegung n t p displaystyle nu tau pi nbsp wobei t p displaystyle tau pi nbsp signierte Masse sind so dass t displaystyle tau nbsp absolut stetig bezuglich m displaystyle mu nbsp ist und p displaystyle pi nbsp singular bezuglich m displaystyle mu nbsp ist Satz von Vitali Hahn Saks Bearbeiten Hauptartikel Satz von Vitali Hahn Saks Der Satz von Vitali Hahn Saks besagt dass der mengenweise Grenzwert einer Folge von signierten Massen wieder ein signiertes Mass definiert Raume signierter Mass BearbeitenIm Gegensatz zu den Massen bilden die signierten Masse auf einem gemeinsamen Messraum einen reellen Vektorraum wenn sie endlich sind Insbesondere ist jede reelle Linearkombination signierter Masse ebenfalls ein signiertes Mass Die Masse bilden dann einen konvexen Kegel in diesem Vektorraum Wichtige konvexe Teilmengen sind die Wahrscheinlichkeitsmasse und die Sub Wahrscheinlichkeitsmasse Versieht man den Vektorraum der endlichen signierten Masse mit der Totalvariationsnorm als Norm so erhalt man einen normierten Raum Dieser Raum ist sogar vollstandig es handelt sich also um einen Banachraum Dieser Raum kann noch mit einer Ordnungsstruktur versehen werden diese wird definiert als m n m A n A fur alle A A displaystyle mu leq nu iff mu A leq nu A quad text fur alle A in mathcal A nbsp Damit werden die endlichen signierten Masse zum Riesz Raum und sogar zum Banach Verband Ausserdem ist er ordnungsvollstandig Regulare signierte Masse treten beispielsweise auch in der Funktionalanalysis als Dualraum der im unendlichen verschwindenden stetigen Funktionen der sogenannten C0 Funktionen auf Anwendungen BearbeitenMit signierten Massen lassen sich zum Beispiel Verteilungen von positiven und negativen Ladungen in einem Stoff modellieren Literatur BearbeitenKlaus D Schmidt Mass und Wahrscheinlichkeit 2 durchgesehene Auflage Springer Verlag Heidelberg Dordrecht London New York 2011 ISBN 978 3 642 21025 9 doi 10 1007 978 3 642 21026 6 Jurgen Elstrodt Mass und Integrationstheorie 6 korrigierte Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg 2009 ISBN 978 3 540 89727 9 doi 10 1007 978 3 540 89728 6 Achim Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 3 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg 2013 ISBN 978 3 642 36017 6 doi 10 1007 978 3 642 36018 3 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Signiertes Mass amp oldid 239412417