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Aristide Briand 28 Marz 1862 in Nantes 7 Marz 1932 in Paris war ein franzosischer Politiker Briand bekleidete zwischen 1909 und 1932 mit Unterbrechungen wechselnd die Amter des franzosischen Ministerprasidenten des Unterrichts Justiz und des Aussenministers Er war insgesamt elfmal Regierungschef und dreiundzwanzigmal Minister in den rasch wechselnden Kabinetten der Dritten Republik 1926 erhielt er fur seine Mitarbeit an den Vertragen von Locarno zusammen mit Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis Aristide Briand Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit und Jugend 1 2 Regionalpolitiker und Sozialist 1 3 Weg ins Kultusministerium 1 4 Premierminister vor dem Ersten Weltkrieg 1 5 Premier und Aussenminister im Ersten Weltkrieg 1 6 Politisches Wirken nach dem Ersten Weltkrieg 1 7 Denkschrift uber die Errichtung einer Europaischen Union 1 8 Krankheit und Tod 2 Ehrungen 3 Werke 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit und Jugend Bearbeiten Briand wurde am 28 Marz 1862 in der westfranzosischen Hafenstadt Nantes geboren Seine Eltern besassen in der Rue du Marchix im Hafenviertel ein bescheidenes kleines Cafe namens Croix Verte Die Gaste waren hauptsachlich Matrosen und Hafenarbeiter Als Briand zwei Jahre alt war zog seine Familie nach Saint Nazaire einer Hafenstadt an der Loiremundung Hier eroffnete sein Vater einen Wein und Spirituosenhandel den er jedoch bald verkaufte um ein Cafe chantant ein kleines Musikcafe zu eroffnen Auch die Gaste dieses Cafes waren Seeleute die hier die Bekanntschaft von Madchen aus der Stadt suchten Briand besuchte die hohere Burgerschule von Saint Nazaire Er war kein fleissiger Schuler und storte gelegentlich den Unterricht durch kleine Spasse jedoch fiel seinen Lehrern schon fruh seine aussergewohnliche Intelligenz Geistesscharfe und Auffassungsgabe auf Er erhielt mehrfach Preise fur das auswendige Rezitieren langer Texte was ihm dank seines hervorragenden Gedachtnisses nicht schwerfiel Er wurde zum Protege des Schulleiters Genty den er papa nannte Dieser unternahm mit Briand lange Spaziergange auf denen er mit dem Jungen viel uber Philosophie und Literatur sprach und so grossen Einfluss auf dessen Denken und Rhetorik hatte Briand behielt seinen Mentor stets in liebevoller Erinnerung und verlieh diesem spater als Unterrichtsminister das Kreuz der Ehrenlegion nbsp Jules Vernes Deux ans de vacancesMit 16 Jahren erhielt Briand aufgrund seiner Begabung ein Stipendium fur das Lycee in Nantes und zog dorthin um als Internatsschuler das Baccalaureat das franzosische Abitur zu machen Bilder aus dieser Zeit zeigen Briand als schlanken gepflegten jungen Mann der leicht kranklich wirkt Seine Freunde nannten ihn scherzhaft Trompe la mort der den Tod betrugt da eine kurze Zeit der Verdacht auf eine Tuberkuloseerkrankung bestand In Nantes begegnete er Jules Verne der Gonner eines Mitschulers von Briand war Der Schriftsteller fand grossen Gefallen an den Gesprachen mit dem intelligenten jungen Mann und lud ihn an Wochenenden wiederholt zu Spaziergangen durch Nantes und die Umgebung ein Verne nahm den Charakter des 16 jahrigen Briand in seinem 1888 veroffentlichten Roman Deux ans de vacances deutscher Titel Zwei Jahre Ferien zum Vorbild fur die Figur des Briant Dieser ist der intelligente und wagemutige Anfuhrer einiger Kinder die durch ein Ungluck allein auf einer einsamen Insel stranden Der Internatsschuler Briand schatzte die franzosische Literatur besonders die Werke von Jean Jacques Rousseau Denis Diderot und Jean Racine Aufgrund seiner einfachen Herkunft gehorte Briand jedoch nie zu jenen typischen Intellektuellen der franzosischen Bourgeoisie deren Ideale stark durch die Aufklarung des 18 Jahrhunderts und die Schriften von Voltaire beeinflusst wurden Regionalpolitiker und Sozialist Bearbeiten Nach seinem Abschluss kehrte Briand 1881 nach Saint Nazaire zuruck und nahm eine Stelle als Schreibkraft in einer kleinen Anwaltskanzlei an Die trockene Aktenarbeit war ihm jedoch schnell zuwider und langweilte ihn 1883 kundigte er daher die Stelle und ging nach Paris um an der Sorbonne das Studium der Rechtswissenschaft aufzunehmen Mit 22 Jahren begann er bei dem stark links orientierten Wochenblatt La Democratie de l Ouest in Saint Nazaire seine journalistische Arbeit In seinen zumeist mit Nihil unterzeichneten Beitragen kritisierte er heftig das bestehende parlamentarische System und die soziale Ungleichheit die von der konservativen Bourgeoisie akzeptiert wurde 1886 verliess Briand als licencie en droit nach bestandenem Staatsexamen Paris um in seiner Heimatstadt als Anwalt zu arbeiten Dank seiner brillanten Rhetorik und grossen Uberzeugungskraft hatte er bald erste Erfolge als Strafverteidiger vor Gericht Viele seiner Mandanten vertrat er insbesondere in politischen Prozessen ohne Honorar 1888 wurde Briand ins Stadtparlament von Saint Nazaire gewahlt Als er 1889 mit erst 27 Jahren als candidat republicain radical revisioniste fur die Parlamentswahl am 22 September und 6 Oktober kandidierte verlor er trotz seines Ruckhalts in der Arbeiterschaft von Saint Nazaire deutlich gegen den konservativen Kandidaten Nach dieser Enttauschung brach er mit dem burgerlichen Linksradikalismus und wendete sich dem sozialistischen Lager zu Von politischen Gegnern wurde dieser Wechsel spater haufig als Beweis fur Briands angebliche Gesinnungslosigkeit angefuhrt 1891 wurde Briand angeblich bei einem Schaferstundchen von der Polizei aufgegriffen Briand und Jeanne Giraudeau Ehefrau eines bekannten Bankiers wurden vom Gericht wegen Verletzung der offentlichen Moral zu einer Gefangnisstrafe von einem Monat und einer Geldstrafe von 200 Francs verurteilt 1 Der angebliche Skandal der begleitet wurde von einer Hetzkampagne des burgerlichen Lagers gegen ihn wurde weit uber Saint Nazaire und Nantes hinaus bekannt Nachdem auch das Appellationsgericht in Rennes das Urteil bestatigte schien Briand politisch und sozial am Ende zu sein Das Kassationsgericht in Poitiers hob schliesslich 1892 das Urteil auf und sprach Briand und Jeanne Giraudeau frei da der einzige Augenzeuge unter den 170 in den drei Prozessen vorgeladenen Zeugen unter dem Druck des Verhors seine Aussage widerrief Briand wurde nach dem Freispruch wieder als Anwalt zugelassen Seit dem 10 Januar 1892 war Briand Mitglied einer franzosischen Sozialistischen Partei Ernuchtert durch die Vorkommnisse wandte er sich von der regionalen Politik ab Briand kehrte seiner Heimat den Rucken um als Redner und Agitator auf sozialistischen Versammlungen Kundgebungen von Gewerkschaften und Arbeiterborsen den Generalstreik als Mittel der proletarischen Selbsthilfe gegen die soziale Ungerechtigkeit zu fordern Nicht ohne Stolz nahm Briand zeitlebens die Vaterschaft fur die Idee des Generalstreiks in Anspruch Die Sozialisten waren untereinander hoffnungslos zerstritten Briand versuchte zu vermitteln brachte jedoch die ausserste Linke gegen sich auf als er sich fur eine Zusammenarbeit der Sozialisten mit der Regierung aussprach Briand stellte sich auf die Seite der parlamentarischen Sozialisten wie Rene Viviani Alexandre Millerand und Jean Jaures Bei der Parlamentswahl 1893 verlor Briand angetreten als revolutionarer Sozialist in La Villette gegen den Dichter Clovis Hugues Bei der Wahl 1898 trat er in Paris Clichy Levallois an und verlor wieder Im Jahr 1901 verteidigte Briand in einem brisanten politischen Gerichtsverfahren Gustave Herve den Bannertrager des Antipatriotismus mit den provokanten Worten Behalten Sie Ihr Vaterland fur sich Herr Staatsanwalt Eben dieses Vaterland hat uns nach Sedan gefuhrt so wie das Vaterland Napoleons nach Waterloo 2 Von 1901 bis 1905 war Briand Generalsekretar der Parti socialiste de France PSDF Im April Mai 1902 wurde er mit 40 Jahren als Abgeordneter fur Saint Etienne in die Abgeordnetenkammer gewahlt Weg ins Kultusministerium Bearbeiten Anfang des 20 Jahrhunderts gestaltete sich die Aufrechterhaltung des Staatskirchenvertrags in Frankreich zunehmend schwieriger Der uberzeugt antiklerikale Ministerprasident Emile Combes nahm 1904 einen Bruch der Konkordatsbestimmungen zum Anlass um dem Parlament dessen Aufkundigung zu empfehlen Die romische Inquisition das heutige Dikasterium fur die Glaubenslehre hatte zwei franzosische Bischofe vorgeladen ohne die franzosische Regierung zu benachrichtigen Auf Combes Initiative hin beauftragte das Parlament im Februar 1905 einen 33 Mitglieder zahlenden Ausschuss verschiedene Entwurfe zur Trennung von Staat und Kirche zu entwickeln und zu prufen Briand wurde Wortfuhrer und Berichterstatter dieses Ausschusses Er wurde in dieser Position von zwei ranghohen liberalen Kirchenvertretern beraten Bischof Lacroix von Tarentaise und Erzbischof Fuzet von Rouen Briand setzte sich fur eine liberale Trennung ein bei der der staatliche Machtanspruch vor dem Bereich der Kirche Halt machen sollte Der laizistische Staat ist nicht antireligios er ist areligios 3 Der Streikfuhrer Briand bewies sich abermals als Vermittler zwischen verharteten Fronten Das Trennungsgesetz sollte sowohl die Antiklerikalen im Parlament als auch die Katholiken im landlichen Frankreich zufriedenstellen Als Maurice Rouvier im Januar 1905 Ministerprasident wurde bot er Briand das Amt des Kultusministers an Nach einer Rucksprache mit Jaures jedoch der ihm von der Beteiligung an einer burgerlichen Regierung vehement abriet lehnte Briand das Angebot ab Das im Dezember 1905 verkundete Gesetz sah vor der Kirche ihr Vermogen zu belassen und fur die Wahrnehmung ihrer materiellen Belange sogenannte associations cultuelles Kultvereinigungen einzurichten Die franzosischen Bischofe sprachen sich im Januar 1906 mit grosser Mehrheit fur die Annahme des Gesetzes aus Papst Pius X lehnte die Trennung in der Enzyklika Vehementer nos ausdrucklich ab und warf der franzosischen Regierung vor die Kirche zu berauben Durch die Einrichtung von Kultvereinigungen werde das Kirchenwesen mittelbar Laien anvertraut und so die kirchliche Hierarchie umgangen Nach Veroffentlichung der Enzyklika am 11 Februar 1906 kam es zu Tumulten bei der Umsetzung des Gesetzes Unter dem Druck der Katholiken und der Linken im Parlament loste sich die Regierung von Rouvier auf Die neue Regierung wurde im Marz 1906 von Ferdinand Sarrien gebildet Dieser konnte Briand gegen den Widerstand Jaures davon uberzeugen das Ministerium fur Kultus und Unterricht zu ubernehmen Mit seinem Eintritt in die burgerliche Regierung Sarriens brach Briand sowohl mit dem sozialistischen Block der ein Jahr zuvor endlich zu einer Einigung gefunden hatte als auch mit seinem langjahrigen Freund Jaures Nach seinem Ausschluss aus der Partei grundete er mit Alexandre Millerand und Rene Viviani den Parti republicain socialiste Briand behielt das Amt auch als Georges Clemenceau der zuvor Justizminister war Sarrien als Ministerprasident und Innenminister abloste Als Kultusminister widmete sich Briand der Durchfuhrung des Trennungsgesetzes und bemuhte sich weiterhin um einen Ausgleich zwischen den aufgebrachten Katholiken und der antiklerikalen Parlamentsmehrheit Durch eine vermittelnde Gesetzgebung schuf Briand die Moglichkeit einer Duldung von Verstossen gegen das Trennungsgesetz um den offenen Kampf mit der katholischen Kirche zu vermeiden die die Kultvereinigungen ablehnte Gottesdienste wurden auch ohne die Einrichtung der Kultvereinigungen zugelassen Die Enzyklika Gravissimo reagierte darauf mit einem formellen Verbot der Kultvereinigungen was nach Massgabe des Trennungsgesetzes einer Preisgabe des kirchlichen Vermogens gleichkam Vermittlungsversuche Briands scheiterten an der Unnachgiebigkeit der katholischen Kirche So wurden im Jahr 1908 dann 400 Millionen Francs die aus der Liquidation von Kirchenvermogen stammten fur Krankenhauser und andere Fursorgeeinrichtungen aufgewendet Erst 16 Jahre spater unter Benedikt XV wurden die Kultvereinigungen als Diozesanverbande eingerichtet Premierminister vor dem Ersten Weltkrieg Bearbeiten Nachdem er 1908 zum Justizminister ernannt worden war trat Briand Ende Juli 1909 auf Wunsch des burgerlich liberalen Prasidenten Armand Fallieres die Nachfolge von Clemenceau als Premierminister an Im Herbst des Folgejahres kam es in Frankreich zu heftigen Arbeitskampfen Die Regierung erklarte den am 12 Oktober 1910 ausgerufenen Generalstreik der Eisenbahner fur eine militarische und wirtschaftliche Gefahr fur Frankreich Briand liess die Streikenden im wehrpflichtigen Alter einberufen und drohte den ubrigen mit Entlassung Vor dem Parlament rechtfertigte Briand der fruhere Verfechter des Generalstreiks dies unter wutendem Protest der Abgeordneten damit dass der Streik das Lebensrecht der Gesellschaft bedrohe und die Nation einer unertraglich erniedrigenden Lage ausgesetzt hatte 4 Das Ende seiner Rede musste er wegen des Tumults vom Rednerpult aus allein dem Stenographen diktieren Obwohl ihm die Kammer am folgenden Tag mit grosser Mehrheit das Vertrauen aussprach trat Briand zuruck und bildete nach der Neuwahl am 2 November ein neues Kabinett aus den Unterstutzern seiner Entscheidung Am 17 Januar 1911 drang ein geistig verwirrter Mann in das Parlament ein und schoss auf Briand der jedoch nicht verletzt wurde Briand trat am 24 Februar 1911 erneut zuruck und Joseph Caillaux wurde neuer Ministerprasident Der Grund waren diesmal Widerstande einiger Abgeordneten gegen seine vermittelnde Politik gegenuber der katholischen Kirche Nachdem die Zweite Marokkokrise durch den Marokko Kongo Vertrag beendet worden war kehrte Briand im Januar 1912 als Justizminister in das von Raymond Poincare neugebildete Kabinett zuruck und war Anfang 1913 erneut zwei Monate lang Regierungschef Bis zum Beginn des ersten Balkankriegs 1912 war Briand kaum in aussenpolitische Fragen involviert Nachdem am veillee des armes dem Vorabend des Krieges jedoch unvermittelt die Aussenpolitik in den Vordergrund trat hielt sich Briand haufig am Quai d Orsay auf um sich mit Poincare zu beraten Premier und Aussenminister im Ersten Weltkrieg Bearbeiten Als Justizminister im Kabinett Viviani vom 26 August 1914 bis 29 Oktober 1915 nahm Briand sich eines grossen Teils der auswartigen Angelegenheiten an Er ernannte mehrere Gesandte und korrespondierte mit zahlreichen Botschaftern Von Oktober 1915 bis Marz 1917 war Briand Premierminister und Aussenminister Briand war massgeblich an der Schaffung der alliierten Front in Sudosteuropa beteiligt Sein Ziel war es die Frontlinie in Frankreich einzufrieren und den so freigewordenen Truppen im Sudosten mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen Clemenceau hielt diese Taktik fur einen Fall fur den Staatsgerichtshof aber der militarische Erfolg der Alliierten im September 1918 sollte Briand recht geben Nordlich von Saloniki erfolgte der erste Bruch in der Front der Mittelmachte Nach einem Konflikt zwischen der Abgeordnetenkammer und Kriegsminister Hubert Lyautey in der dieser sich geweigert hatte bestimmte militarische Details preiszugeben trat Briand mit seinem Kabinett am 17 Marz 1917 zuruck 5 Politisches Wirken nach dem Ersten Weltkrieg Bearbeiten nbsp Stresemann links Chamberlain Mitte und Briand rechts wahrend der Verhandlungen uber die Vertrage von Locarno 1925 Nach dem Ersten Weltkrieg zahlte Briand zu den Unterstutzern internationaler Friedensbemuhungen und des Volkerbundes Nachdem er 1921 erneut die Regierungsgeschafte ubernommen hatte trat er am 12 Januar 1922 wieder zuruck da der Sicherheitspakt zwischen Frankreich und Grossbritannien auf der Konferenz von Cannes nicht ratifiziert wurde und zudem Briands Kritik an den harten Bedingungen des Friedensvertrag von Versailles gegenuber dem Deutschen Reich bei der Bevolkerung auf Widerstand stiess Von 1925 bis 1929 blieb Briand in 14 aufeinander folgenden Regierungen Aussenminister und setzte sich fur Abrustung die Annaherung an Deutschland und internationale Zusammenarbeit ein 1925 war er der Chefarchitekt der Vertrage von Locarno 1926 bekam er dafur zusammen mit dem deutschen Aussenminister Gustav Stresemann mit dem ihn die Mitgliedschaft bei den Freimaurern verband 6 den Friedensnobelpreis Ausserdem war er 1928 Initiator des Briand Kellogg Paktes eines Vertrages uber den gegenseitigen Verzicht auf Krieg zwischen den Staaten Denkschrift uber die Errichtung einer Europaischen Union Bearbeiten Briand unterstutzte die Paneuropa Idee 7 Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltete sein Vorstoss zur europaischen Einigung nachhaltige Wirkung 1930 hatte er in seiner Denkschrift uber die Errichtung einer Europaischen Union L organisation d un regime d union federale europeenne eine europaische Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Volkerbunde vorgeschlagen Diese sollte auf der Grundlage eines Mandats des Volkerbundes und dessen damals 27 europaischen Mitgliedstaaten erfolgen 8 Briands Entwurf war seiner Zeit voraus Zu den Grunden des Scheiterns seiner Bemuhungen fur eine europaische Einigung zahlte das Wiedererstarken der Nationalstaaten wahrend der 1920er Jahre der unuberbruckte Gegensatz zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich Deutsch franzosische Erbfeindschaft und die Weltwirtschaftskrise Auch die von der Weimarer Republik zu bezahlenden hohen Reparationen und die vergebliche Hoffnung auf Revision des Versailler Friedensvertrages die von Frankreich und Grossbritannien zuruckzubezahlenden Kriegsanleihen an die USA die Plane des Deutschen Reiches fur ein mitteleuropaisches Wirtschaftsbundnis mit Osterreich und den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie die das Deutsche Reich begunstigende Wirtschaftshilfe der USA Dawes Plan und die Orientierung Deutschlands an Amerika standen Briands Idee entgegen Die Forderung des Briand Plans nach einer politischen Union als erster Voraussetzung fur die weitere Europaische Integration rief grossen Widerspruch hervor daneben wurde durch den Tod Gustav Stresemanns am 3 Oktober 1929 und die neue franzosische Regierung mit Briand als Aussenminister die deutsch franzosische Verstandigung unterbrochen Die grundsatzlich ablehnende Haltung Grossbritanniens gegenuber der Idee einer europaischen Einigung und der Aufstieg der NSDAP nach der Reichstagswahl 1930 wirkten ebenfalls dampfend Bedeutenden Einfluss hatte Briands Denkschrift auf den europaischen Einigungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg Der Europakongress in Den Haag 1948 befasste sich zentral mit den Ideen Briands er ging uber Briands Plane eines lockeren Staatenbundes hinaus Ein europaischer Bundesstaat oder eine europaische Verfassung stand dabei aber noch nicht zur Debatte Der im Anschluss daran entstandene Europarat konnte die politische Einigung Westeuropas nicht einleiten Von Briands Ideen waren einige seiner Institutionen inspiriert das Ministerkomitee hiess bei Briand Standiger Politischer Ausschuss die standige Vertretung der Mitgliedsstaaten beim Europarat war bei Briand noch beim Volkerbund angesiedelt Konferenzen der Regierungsmitglieder der Mitgliedsstaaten um gemeinsame Fragen zu erortern hatte Briand als Europaische Konferenz vorgeschlagen ein standiges Sekretariat hatte Briand konzipiert und die Forderung kultureller wirtschaftlicher und sozialer Gemeinsamkeiten hatte ebenfalls Briand bereits fur notig gehalten Briands Plan war als sehr lockere Vereinigung gedacht Das Bundesverhaltnis zwischen den Regierungen sollte unter keinen Umstanden und in keiner Weise den souveranen Rechten der Mitgliedsstaaten einer solchen de facto Vereinigung Einbusse tun Auf der Grundlage unbedingter Souveranitat und volliger politischer Unabhangigkeit muss die Verstandigung zwischen den Nationen Europas erfolgen Briand dachte an eine Unterordnung des wirtschaftlichen Problems unter das politische Krankheit und Tod Bearbeiten Briand litt gegen Ende seines Lebens an einer chronischen Uramie die auch sein zentrales Nervensystem befiel Folge war unter anderem eine Umkehr des Tag Nacht Rhythmus die ihn nachts schlaflos bleiben tagsuber aber immer wieder einnicken liess Besonders peinlich war eine Szene als der Aussenminister der fur seine glanzende Rhetorik beruhmt war 1931 in der Abgeordnetenkammer das Wort erteilt bekam aber nichts sagen konnte da er tief schlief 9 Wegen dieser Schlafstorungen musste die Berlinreise die Briand gemeinsam mit Ministerprasident Pierre Laval fur Ende September 1931 geplant hatte verschoben werden In der deutschen Hauptstadt angekommen machte Briand auf seine deutschen Gastgeber einen so kranken Eindruck dass der 83 jahrige Reichsprasident Hindenburg sich besorgt erkundigte ob der alte Herr die Reise denn gut uberstanden habe 10 Eine weitere Folge von Briands uramischer Enzephalopathie war ein euphorischer und oft realitatsferner Uberoptimismus Als im Januar 1932 die nebenwirkungsreichen Digitalismedikamente abgesetzt wurden mit denen er bis dahin behandelt worden war hielt er sich fur ganzlich geheilt Es kostete Laval einige Muhe den kaum noch arbeitsfahigen Briand der zudem politisch immer starker nach links neigte zum Ausscheiden aus dem Amt zu bewegen 11 Briand plante nun auch ohne Amt nur kraft seiner Worte fur den Weltfrieden zu wirken Im Marz 1932 ausserte er sich zuversichtlich in ein paar Wochen den Konflikt zwischen Japan und China beilegen zu konnen die nach dem Mukden Zwischenfall am Rande eines Krieges standen fur die Losung samtlicher Spannungen im Volkerbund werde er weniger als ein Jahr brauchen 12 Dazu kam es nicht Am 7 Marz 1932 erlag er in Paris seiner Krankheit Ehrungen BearbeitenAm 30 Marz 1932 beschloss die Abgeordnetenkammer per Gesetz dass sich Briand ums Vaterland verdient gemacht hat Dieser Satz findet sich auch auf Paul Landowskis Briand gewidmeten Monument a la Paix das 1937 vor dem Ministerium fur Europa und Ausseres am Quai d Orsay im 7 Arrondissement von Paris errichtet wurde Der Briand Fjord in der Antarktis sowie die Aristide Briand Brucke in Berlin Tegel sind nach Briand benannt Werke BearbeitenFrankreich und Deutschland Mit einer Einleitung von Gustav Stresemann herausgegeben von Artur Rosenberg Dresden 1928 Literatur BearbeitenGerard Unger Aristide Briand le ferme conciliateur Editions Fayard 2005 Achille Elisha Aristide Briand la paix mondiale et l union europeenne Editions Ivoire Clair 2003 Edward D Keeton Briand s Locarno Diplomacy French Economics Politics and Diplomacy 1925 1929 2 Auflage New York 1987 Matthias Schulz Aristide Briand 1862 1932 in Europaische Geschichte Online hrsg vom Institut fur Europaische Geschichte Mainz 2010 Zugriff am 14 Juni 2012 Ferdinand Siebert Aristide Briand 1862 1932 Ein Staatsmann zwischen Frankreich und Europa Rentsch Erlenbach Zurich 1973 ISBN 3 7249 0439 8 Georges Suarez Briand sa vie son œuvre 6 Bande Paris 1938 1952 berucksichtigt zahlreiche personliche Papiere Briands Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Aristide Briand Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikiquote Aristide Briand Zitate Literatur von und uber Aristide Briand im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Zeitungsartikel uber Aristide Briand in den Historischen Pressearchiven der ZBW Anne Cecile Renouard Gabriel Eikenberg Aristide Briand Tabellarischer Lebenslauf im LeMO DHM und HdG Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1926 an Aristide Briand englisch Aristide Briand 1862 1932 In Assemblee nationale Abgerufen am 31 Marz 2023 franzosisch Angaben zu Aristide Briand in der Datenbank der Bibliotheque nationale de France abgerufen am 31 Marz 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Bertrand Galimard Flavigny 2012 Ceux qui ont fait la France 200 personnages cles de l histoire de France S 309 online Maurice Baumont Aristide Briand Diplomat und Idealist Musterschmidt Verlag Gottingen 1966 S 13 Maurice Baumont Aristide Briand Diplomat und Idealist Musterschmidt Verlag Gottingen 1966 S 15 Maurice Baumont Aristide Briand Diplomat und Idealist Musterschmidt Verlag Gottingen 1966 S 23 Jean Jacques Becker und Serge Berstein Victoires et frustrations 1914 1929 Nouvelle histoire de la France contemporaine Bd 12 Editions du Seuil Paris 1990 S 60 Alexander Giese Die Freimaurer Eine Einfuhrung Bohlau Munchen 1996 ISBN 3 205 77353 5 S 9 Dietmut Majer Wolfgang Hohne Europaische Einigungsbestrebungen vom Mittelalter bis zur Grundung der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG 1957 Kit Scientific Publishing Karlsruhe 2014 ISBN 978 3 7315 0286 9 S 144 doi 10 5445 KSP 1000043641 Dieser Abschnitt orientiert sich an Kapitel II 2 Denkschrift uber die Errichtung einer Europaischen Union von Aristide Briand 1930 In Anton Schafer Hrsg Die Verfassungsentwurfe zur Grundung einer Europaischen Union Herausragende Dokumente von 1930 bis 2000 BSA Verlag Dornbirn 2001 ISBN 3 9500616 7 3 teilweise zugleich Diplom Arbeit Universitat Innsbruck 2001 S 30 39 verfassungsvertrag eu PDF 420 kB Stand 2008 Ferdinand Siebert Aristide Briand 1862 1932 Ein Staatsmann zwischen Frankreich und Europa Rentsch Erlenbach Zurich 1973 S 624 632 Philipp Heyde Das Ende der Reparationen Deutschland Frankreich und der Youngplan 1929 1932 Schoningh Paderborn 1998 S 268 und 372 Philipp Heyde Das Ende der Reparationen Deutschland Frankreich und der Youngplan 1929 1932 Schoningh Paderborn 1998 S 341 Ferdinand Siebert Aristide Briand 1862 1932 Ein Staatsmann zwischen Frankreich und Europa Rentsch Erlenbach Zurich 1973 S 689 Trager des Friedensnobelpreises 1901 Dunant Passy 1902 Ducommun Gobat 1903 Cremer 1904 IDI 1905 von Suttner 1906 Roosevelt 1907 Moneta Renault 1908 Arnoldson Bajer 1909 Beernaert Estournelles de Constant 1910 IPB 1911 Asser Fried 1912 Root 1913 La Fontaine 1914 1916 nicht verliehen 1917 IKRK 1918 nicht verliehen 1919 Wilson 1920 Bourgeois 1921 Branting Lange 1922 Nansen 1923 1924 nicht verliehen 1925 Chamberlain Dawes 1926 Briand Stresemann 1927 Buisson Quidde 1928 nicht verliehen 1929 Kellogg 1930 Soderblom 1931 Addams Butler 1932 nicht verliehen 1933 Angell 1934 Henderson 1935 von Ossietzky 1936 Lamas 1937 Cecil 1938 Internationales Nansen Buro fur Fluchtlinge 1939 1943 nicht verliehen 1944 IKRK 1945 Hull 1946 Balch Mott 1947 The Friends Service Council AFSC 1948 nicht verliehen 1949 Boyd Orr 1950 Bunche 1951 Jouhaux 1952 Schweitzer 1953 Marshall 1954 UNHCR 1955 1956 nicht verliehen 1957 Pearson 1958 Pire 1959 Noel Baker 1960 Luthuli 1961 Hammarskjold 1962 Pauling 1963 IKRK Liga der Rotkreuz Gesellschaften 1964 King 1965 UNICEF 1966 1967 nicht verliehen 1968 Cassin 1969 IAO 1970 Borlaug 1971 Brandt 1972 nicht verliehen 1973 Kissinger Le 1974 MacBride Satō 1975 Sacharow 1976 Williams Corrigan 1977 Amnesty International 1978 Sadat Begin 1979 Mutter Teresa 1980 Perez Esquivel 1981 UNHCR 1982 Myrdal Garcia Robles 1983 Walesa 1984 Tutu 1985 IPPNW 1986 Wiesel 1987 Arias Sanchez 1988 UN Friedenstruppen 1989 Dalai Lama 1990 Gorbatschow 1991 Suu Kyi 1992 Menchu 1993 Mandela Klerk 1994 Arafat Peres Rabin 1995 Rotblat Pugwash Conferences on Science and World Affairs 1996 Ximenes Belo Ramos Horta 1997 ICBL Williams 1998 Hume Trimble 1999 Arzte ohne Grenzen 2000 Kim 2001 UN Annan 2002 Carter 2003 Ebadi 2004 Maathai 2005 IAEO el Baradei 2006 Yunus Grameen Bank 2007 IPCC Gore 2008 Ahtisaari 2009 Obama 2010 Liu 2011 Sirleaf Gbowee Karman 2012 EU 2013 OPCW 2014 Satyarthi Yousafzai 2015 Quartet du dialogue national 2016 Santos 2017 ICAN 2018 Mukwege Murad 2019 Abiy 2020 WFP 2021 Muratow Ressa 2022 Bjaljazki Memorial Center for Civil Liberties 2023 Mohammadi VorgangerAmtNachfolgerGeorges ClemenceauselbstRaymond PoincareselbstRene VivianiselbstGeorges LeyguesPaul Painleveselbst selbstRaymond PoincarePremierminister von Frankreich 24 07 1909 03 11 191003 11 1910 02 03 191121 01 1913 18 02 191318 02 1913 22 03 191329 10 1915 12 12 191612 12 1916 20 03 191716 01 1921 15 01 192228 11 1925 09 03 192609 03 1926 23 06 192623 06 1926 29 07 192629 07 1929 03 11 1929selbstErnest MonisselbstLouis BarthouselbstAlexandre RibotRaymond Poincare selbstselbstEdouard HerriotAndre TardieuJean Baptiste Bienvenu Martin selbstBildungs und Religionsminister 14 03 1906 20 10 190625 10 1906 04 01 1908selbstGaston DoumergueEdmond Guyot DessaigneJustiz und Religionsminister 25 10 1906 04 01 1908Louis Barthou Justiz Aristide Briand Religion Georges Clemenceau Innen selbst Religion selbstInnen und Religionsminister 24 07 1909 03 11 191003 11 1910 02 03 1911selbstErnest MonisJean BrunKriegsminister 23 02 1911 02 03 1911Maurice BerteauxTheodore SteegselbstInnenminister 21 01 1913 18 02 191318 02 1913 22 03 1913selbstLouis Lucien KlotzJean Baptiste Bienvenu MartinJustizminister 26 08 1914 29 10 1915Rene VivianiRene VivianiselbstGeorges LeyguesEdouard HerriotselbstselbstselbstselbstEdouard HerriotselbstselbstselbstselbstselbstselbstselbstselbstAussenminister 29 10 1915 12 12 191612 12 1916 20 03 191716 01 1921 15 01 192217 04 1925 27 10 192529 10 1925 22 11 192528 11 1925 09 03 192609 03 1926 23 06 192623 06 1926 29 07 192623 07 1926 11 11 192811 11 1928 29 07 192929 07 1929 02 11 192902 11 1929 21 02 193021 02 1930 25 02 193002 03 1930 04 12 193013 12 1930 22 01 193127 01 1931 13 06 193113 06 1931 12 01 1932selbstAlexandre RibotRaymond PoincareselbstselbstselbstselbstEdouard Herriotselbst selbstselbstselbstselbstselbstselbstselbstPierre LavalNormdaten Person GND 118674056 lobid OGND AKS LCCN n50041434 VIAF 49268606 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Briand AristideKURZBESCHREIBUNG franzosischer Ministerprasident und AussenministerGEBURTSDATUM 28 Marz 1862GEBURTSORT Nantes FrankreichSTERBEDATUM 7 Marz 1932STERBEORT Paris Frankreich Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aristide Briand amp oldid 238653886