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Reitervolker ist im klassischen Sinne eine zusammenfassende Bezeichnung fur Ethnien Stamme Stammesverbande oder Volker der eurasischen Steppe deren Lebensweise Okonomie und Weltanschauung eng mit der Nutzung des Pferdes verknupft war Der von diesen Kulturen bewohnte Steppenraum reichte von der Mandschurei im Osten bis nach Ungarn bzw in das Burgenland im Westen weshalb fur diese Gruppen auch der Begriff Steppenvolker gebrauchlich ist Noch heute spielt das Pferd in der Kultur des fruheren Reitervolkes der Kasachen eine besonders wichtige Rolle Diese Reitervolker pflegten eine halb oder vollnomadische Lebensweise mit einem Wechsel der Weidegebiete Pferde waren zunachst eine ihrer Nahrungsgrundlagen fruheste forensisch archaologische Beweise des Reitens stammen aus der Botai Kultur vor etwa 5500 Jahren vor kurzem wurden die altesten Hinweise im europaischen Teil des Steppengurtels aus der Jamnaja Kultur vor ca 5000 Jahren publiziert Spatestens seit etwa 4 000 Jahren sind Pferde wichtigstes Fortbewegungsmittel der Reitervolker wobei relativ fruh auch Kamele oder Trampeltiere als Transportmittel genutzt wurden Eine im Laufe der Zeit entwickelte spezialisierte Lebensweise ermoglichte den Reiternomaden das Uberleben auch in okologisch schwierigen Siedlungsgebieten und spricht gegen eine oft angenommene primitive Lebensform Die verschiedenen oft eher kurzlebigen Steppenreiche umfassten oft auch urbane Zentren die von den Reiterkriegern erobert oder seltener von ihnen selbst gegrundet wurden Das Verhaltnis zwischen Reitervolkern und sesshaften Zivilisationen war ambivalent Ein Merkmal ist der oft belegte Konflikt zwischen nomadischen oft heterogen zusammengesetzten Reitervolkern die nicht uber eine dauerhafte staatliche Organisation verfugten und der angrenzenden sesshaften Bevolkerung die seit der Antike zunehmend in Staaten organisiert war Die Nomaden konnten zwar aus ihrer Viehwirtschaft Uberschusse erwirtschaften nicht selten waren die Ertrage jedoch nicht ausreichend zur Versorgung Hinzu kam eine zu wenig ausgepragte wirtschaftliche Spezialisierung in vielen Lebensbereichen die hingegen in sesshaften Gesellschaften stattfand Aufgrund dieser oft prekaren Existenzgrundlage waren Reitervolker auf den Austausch mit sesshaften Gesellschaften in der agrarischen Kulturzone und auf deren landwirtschaftliche sowie handwerkliche Ressourcen angewiesen wodurch sich eine als endemischer Konflikt bezeichnete Spannungssituation ergab 1 Dies fuhrte nicht selten zu gewaltsamen Konflikten wobei militarisch potente Reitervolker eine regelrechte Politik betrieben okonomisch relevante Tributleistungen von angrenzenden wohlhabenden Reichen zu erzwingen so im Fall der Hunnen gegenuber Rom oder im Fernen Osten die Xiongnu und folgende Gruppen gegenuber China um so ihr Herrschaftsgebilde zu stabilisieren Nur sehr selten wird auch bei den berittenen Indianervolkern Nord und Sudamerikas die sich zwischen dem 16 und 18 Jahrhundert das von den Europaern eingefuhrte Pferd zunutze machten von Reitervolkern gesprochen 2 Im Gegensatz zu den Ethnien der Alten Welt war bei ihnen jedoch nicht das ganze okonomische Leben beritten Vor allem der periodische Wechsel des Wohnorts erfolgte bei den Indianern grosstenteils zu Fuss Inhaltsverzeichnis 1 Die klassischen Reitervolker Eurasiens 1 1 Historische Reitervolker 1 2 Nomaden und agrarische Hochkulturen 2 Die Reiterkulturen Amerikas 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenDie klassischen Reitervolker Eurasiens Bearbeiten nbsp Mongolenreiter im 14 Jh nbsp Durch die enorme Mobilitat die das Pferd den Hunnen verlieh konnten sie in kurzer Zeit weit bis nach Mitteleuropa vordringen Historische Reitervolker Bearbeiten Kontakte mit klassischen Reitervolkern beeinflussten verschiedene Kulturen im eurasischen Raum 3 Dies gilt spatestens beginnend mit den Skythen die bereits im 6 Jahrhundert v Chr die Grenze des Achamenidenreichs bedrohten und noch in hellenistischer Zeit eine Gefahr darstellten Sie tauchen bereits fruhzeitig im Blickfeld antiker Geschichtsschreiber auf und pragten nachhaltig das Bild von Reitervolkern im Westen indem ihr Name griechisch Skythai als Oberbegriff fur Stammesgruppen nomadischer Pragung diente Ihnen folgten zahlreiche Gruppen nach die ebenso wie sie ethnisch oft nicht einheitlich zusammengesetzt waren Zu erwahnen sind unter anderem die mit den Skythen verwandten Sarmaten die Kimmerer Saken und die Parner die nach einer Uberlieferung im 3 Jahrhundert v Chr im Iran das Partherreich begrundeten In der Spatantike nahm der Kontakt der griechisch romischen Romisches Reich und iranischen Welt Sassanidenreich mit verschiedenen Reitervolkern zu darunter die verschiedenen Gruppen der iranischen Hunnen in Zentralasien die im fruhen 6 Jahrhundert bis nach Nordindien vordrangen Im europaischen Raum tauchten die eigentlichen Hunnen weiter die Kutriguren Onoguren Sabiren Utiguren und im Ubergang zum Fruhmittelalter die Awaren und Protobulgaren auf Im Mittelalter kamen noch unter anderem die Chasaren Magyaren Petschenegen und Kumanen hinzu bis im 13 Jahrhundert der Einbruch der Mongolen erfolgte Mongolensturm die zuvor in Ostasien unter Dschingis Khan ein Grossreich errichtet hatten Ohnehin war der Hauptaktionsraum von Reitervolkern vor allem die Steppenzone zwischen dem Nordrand des Schwarzen Meeres weiter nach Zentral und dann nach Ostasien an die Grenze des machtigen chinesischen Kaiserreichs An der Nordgrenze Chinas hatte sich um 200 v Chr die Stammesfoderation der Xiongnu gebildet die eine wichtige Rolle in der chinesischen Geschichte spielen sollten Es folgten zahlreiche weitere Reitervolker an der chinesischen Nordgrenze bzw im angrenzenden Steppenraum beispielsweise die Yuezhi Tabgatsch Wusun Xianbei Rouran Kok Turken die ein bedeutendes aber relativ kurzlebiges Grossreich errichteten Uiguren Kara Kitai Jurchen die bereits erwahnten Mongolen Kirgisen und Kalmucken Bedeutsam sind die Berichte der antiken und mittelalterlichen sowie chinesischen Geschichtsschreiber die uber diese Kontakte und Konflikte berichteten Von den klassizistisch orientierten griechischen Geschichtsschreibern von der Spatantike bis Byzanz Ostrom wurden etwa die auf die Hunnen nachfolgenden Reitervolker aus dem Steppenraum oft schlicht als Hunnen bezeichnet Dies sagt aber nichts uber ihre Herkunft aus da dieser Begriff wie vorher Skythe oft nur ein Stilmittel im Sinne eines ethnographischen Gattungsbegriffs der griechischen Geschichtsschreiber war um so Volker im pontischen Steppengebiet nordlich des Schwarzen Meeres zu bezeichnen 4 So wurden etwa nach dem Ende des Hunnenreichs im Balkanraum 454 55 auch spater noch die bereits erwahnten Kutriguren Onoguren und Utiguren teils als Hunnen bezeichnet wenngleich ihre genaue Zuordnung problematisch ist Hierbei spielt eine grosse Rolle dass politische Einheiten Stamme der Steppenzone sehr oft heterogen zusammengesetzt und nur sehr locker organisiert waren 5 In diesem Zusammenhang sollte nicht ubersehen werden dass viele Quellen die Reitervolker oft stark negativ schildern 6 Dies ist nicht zuletzt auf die militarischen Auseinandersetzungen zwischen Reitervolkern und sesshaften Zivilisationen zuruckzufuhren wobei Reiterkrieger in der Regel die Aggressoren waren dennoch sind nicht wenige Darstellungen von typischen topischen Barbarenbildern gepragt und verzerren teilweise die historische Betrachtung Dies ist durchaus unabhangig von der sonstigen Qualitat der Darstellung denn selbst ein sonst so zuverlassiger Historiker wie Ammianus Marcellinus folgte dem Barbarentopos in seinem Hunnenexkurs 7 Andererseits ist die Schilderung des Geschichtsschreibers Priskos uber den Hof des Hunnenkonigs Attilas den Priskos als Mitglied einer romischen Delegation im Jahr 449 besuchte recht nuchtern 8 nbsp Reiterbogen der Awaren nbsp Skythe beim Spannen eines doppelt rekurven Kompositbogens Umzeichnung von einem skythischen Elektrumbecher aus Kul Oba Krim Die Bewaffnung der zu Pferd kampfenden Reiter war leicht zu transportieren aber wirkungsvoll Dazu gehorten vor allem Pfeil und Bogen als eine der altesten Fernwaffen Daneben kamen Streitaxte spater auch Streitkolben und Lanzen zum Einsatz Typisch fur Steppennomaden waren seit den fruhen Skythen bis zur Einfuhrung von Feuerwaffen Recurvebogen auch Reiterbogen mit kurvig zuruckgebogenen Spitzen und Griffbereich doppelt rekurver Bogen in Doppel S Form Dabei handelte es sich um Bogen in Kompositbauweise aus verleimtem Holz Horn und Sehnen was ihnen so grosse Elastizitat und Stabilitat gab dass die Pfeile der Reiter wesentlich grossere Reichweite und Durchschlagskraft erzielten als die Pfeile der simplen D formigen holzernen Langbogen Zwar vermuten einige Archaologen dass diese Kompositbogen weder von den Reitervolkern erfunden noch exklusiv von ihnen verwendet wurden sondern alter sind Sie waren jedoch wegen ihrer grossen Reichweite in der offenen Steppe und aufgrund ihrer geringen Grosse zur Verwendung durch Reiter ideal 9 Ihre Taktik war jedoch innovativ Gemeinsam ist den Reitervolkern auch Steppenreitern oder Reiternomaden genannt dass sie durch ihre Schnelligkeit und flexible Kampftechnik den Gegnern auf geeignetem Gelande militarisch uberlegen waren Der Taktik der Nadelstiche mit Fernwaffen und sofortiger Flucht bei Gefahr hatten Fusstruppen oder schwer gepanzerte Reiterheere nichts entgegenzusetzen siehe Parthisches Manover letztlich z B bei der Eroberung Mesopotamiens durch die Mongolen Ausserhalb ihrer nur extensiv bewirtschafteten Herkunftsgebiete mit weitraumigen Weidegrunden bekamen die Reitervolker haufig Nachschubprobleme und wurden langfristig entweder aufgerieben Sieg Ottos des Grossen in der Schlacht auf dem Lechfeld oder in den eroberten Gebieten sesshaft Dabei kam es oft zur sozialen Uberschichtung der bodenstandigen Bevolkerung Die waffentechnische Uberlegenheit der sesshaften Gesellschaften nahm in der Fruhen Neuzeit aber immer mehr zu sodass sie militarisch die Oberhand gegenuber den Steppenvolkern gewannen 10 In der materiellen Kultur des Westens hinterliessen sie einige deutliche Spuren Militarisch ging auf sie z B nicht nur die Lanze der Ulanen oder der Schellenbaum der ehemaligen osmanischen Militarmusik zuruck sondern vor allem Neuerungen der Befestigungstechnik der Stadte Andererseits verdanken Spanien und Portugal ihre Bewasserungskultur und einiges mehr ursprunglich berberischen Reitern Nomaden und agrarische Hochkulturen Bearbeiten Historisch soziologisch wurde von Alexander Rustow 11 die Bedeutung expansiver reiternomadischer Kulturen hervorgehoben deren existenzieller Gegensatz zu bauerlichen und sesshaften Gesellschaften intensiven sozialen Wandel mit sich brachte Zentral ist das Verhaltnis zwischen Reiternomaden und den sesshaften Volkern sei dies nun im europaischen Raum in Mittelasien so gegenuber Persien in der Antike oder an der Grenze Chinas dort beginnend vor allem mit den Xiongnu 12 und dann fortgesetzt durch andere Gruppen bis in die Fruhe Neuzeit Es bestand stets eine Wechselbeziehung zwischen Steppe und Agrarland wobei es sich um einen dynamische Prozess handelte die immer wieder auch zu militarischen Konflikten und politischer Herrschaftsbildung fuhrte einen endemischen Konflikt Dieses Wechselspiel zwischen Nomaden und agrarischen Hochkulturen bestimmte jahrtausendelang den Rhythmus der Geschichte Asiens Reiternomaden entwickelten eine Lebensweise die es ihnen durch Spezialisierung erlaubte in einer okologisch sensiblen Region zu uberleben wobei zwischen Steppenreichen Reiternomaden und Reiterkriegern unterschieden werden sollte 13 Die verschiedenen Reiter bzw Steppenvolker fuhrten eine teils unterschiedliche Lebensweise zumal manche dieser heterogen zusammengesetzten Gruppen spater nur eine halbnomadische Lebensweise pflegten Ihr jeweiliges unterschiedlich umfangreiches Herrschaftsgebiet umfasste teilweise auch urbane Zentren zumal in Zentralasien seit der Antike nicht nur Reiternomaden belegt sind sondern auch urbane Regionen existierten In diesem Zusammenhang stutzten sich Steppenreiche oft auf die dort vorhandenen wirtschaftlichen und administrativen Fahigkeiten so die Gok Turken auf die Sogdier siehe etwa Maniakh oder die mongolische Yuan Dynastie auf chinesische Beamte Vereinzelt wurden von ihnen sogar eigene Stadte gegrundet so Karabalgasun 14 von den Uiguren oder Karakorum von den Mongolen Nomaden waren oft nicht vollkommen selbstversorgend sondern auf den Austausch mit agrarischen Gesellschaften angewiesen Dies betraf in erster Linie Nahrungsmittel aber vor allem Luxusguter und teils Waffen 15 Die Produkte wurden oft per Tauschhandel mit Agrargesellschaften beschafft denen dafur Tierprodukte wie Pelze und Milch und Tiere uberlassen wurden Ebenso waren die Reiterstamme hinsichtlich der Sicherung von Handelsrouten von Bedeutung Dieses Arrangement hatte allerdings das Problem dass die Agrarlander nicht in gleicher Weise auf die Viehprodukte der Nomaden angewiesen waren so dass es etwa zu Preissteigerungen kam und den Nomaden der Absatzmarkt wegbrach Die Folge waren militarische Konflikte zur Sicherung der Lebensgrundlage von Reiterstammen die nun mit Gewalt versuchten zu erreichen was ihnen der normale Handel nicht ermoglichte 16 Hinzu kamen auch Klimaveranderungen die die Lebensweise von Nomaden besonders tangierten Um einen effektiven Kontakt mit agrarischen Gesellschaften pflegen zu konnen war es fur die Stamme notwendig sich strukturell zu organisieren Reitervolker verfugten uber keine komplex organisierte Herrschaftsstruktur sondern agierten in der Regel in sehr locker organisierten Verbunden 17 die sich durchaus aus unterschiedlichen Stammen zusammensetzen konnten Es handelte sich nicht um starre ethnische Verbande vielmehr konnten sich andere Gruppen dem Stamm anschliessen solange sie bereit waren dem Stammesfuhrer zu gehorchen Die Grosse solcher Gruppen unterlag damit einem dynamischen Prozess wobei es entscheidend auf die Erfolge des Stammesfuhrers ankam um den Verband zusammenzuhalten 18 In diesem Zusammenhang spielte bei mehreren Verbanden von Reiterkriegern die von reinen Reiternomaden unterschieden werden sollten aber durchaus ausschliesslich die Aussicht auf reiche Beute eine Rolle Sie gaben spater oft ihre nomadische Lebensweise weitgehend auf um anschliessend den stetige Nachschub an Versorgungs und Prestigegutern aus wohlhabenden Nachbarreichen zu erzielen sei es durch kriegerische Aktionen oder durch Tributleistungen Diese Guter wurden innerhalb der Fuhrungsspitze und deren Kriegeranhang verteilt um den eigenen Herrschaftsanspruch innerhalb des Verbands sicherzustellen Dies gilt unter anderem fur die Hunnen zur Zeit Attilas siehe unten 19 Relativ gut erforscht aufgrund der Quellenlage sind die Beziehungen der Steppenvolker gegenuber China mit seiner kulturellen und okonomischen Uberlegenheit sowie einer ausdifferenzierten politischen Struktur Hierbei traten oft Konfoderationen von Reitervolkern auf die sich rudimentar unter einer Fuhrungsgruppe organisiert hatten und nun die chinesische Grenzzone uberfielen um vom chinesischen Kaiser vertraglich Tribute und Handelsrechte zu erzwingen Derartige Verbande hatten aber aufgrund des sehr lockeren Aufbaus und beschrankten Zielsetzungen nur eine begrenzte Lebensdauer 20 So waren die Mongolen die einzige Gruppe der zentralen Steppenzone der es gelang das chinesische Kernland zu erobern womit sie eine Ausnahme und nicht die Regel darstellen 21 nbsp Ungefahre Ausdehnung des Hunnenreichs unter Attila und abhangige StammeDie Sicherstellung der eigenen Versorgung ist jedoch nur ein Teilaspekt der Beziehungen zwischen Steppe und Agrarland Ebenso konnte es zu militarischen Unternehmungen von Reiterstammen kommen die ausschliesslich auf Gewinn ausgerichtet waren und auch durch keine vorherige Handlung oder externe Faktoren wie Klimaveranderungen ausgelost wurden Dies gilt beispielsweise fur die Hunneneinbruche in das Romerreich seit Beginn des 4 Jahrhunderts die darauf abzielten vor allem materielle Guter zu sichern Der Hunnenherrscher Attila spielte in den 430er und 440er Jahren ganz gezielt mit dieser Politik gegenuber dem romischen West und Ostreich um so die eigene Gefolgschaft zu stabilisieren Als es jedoch 451 zum entscheidenden Konflikt mit dem romischen Westreich kam und Attila faktisch unterlag brockelte der Zusammenhalt seines Reichs das sich nur kurz nach seinem Tod 453 aufloste 22 Ein ahnliches Verhalten gilt fur die sogenannten iranischen Hunnen siehe Kidariten Alchon Nezak und Hephthaliten im spatantiken Zentralasien die auf Kosten des Sassanidenreichs expandierten dessen Nordostgrenze bedrohten und teils regelrecht Gelder erpressten so die Kidariten und Hephthaliten Die Geschichte Chinas wiederum ist ebenso von den jahrhundertelangen Bemuhen zahlreichen Steppenstamme an der chinesischen Nordgrenze gepragt gewesen Gelder und Guter von der kaiserlichen Regierung zu erlangen oder sogar Teile Chinas zu erobern und fur ihren Bedarf zu nutzen Auf die Ressourcen Gelder und Guter der wesentlich reicheren sesshaften Kulturen waren Reiterstamme oft dringend angewiesen wie vor allem zahlreiche Beispiele der Kontakte zwischen Steppenvolkern und China zeigen wie auch zwischen Hunnen und Rom siehe oben Eine erfolgreiche Unterwerfung des Agrarstaates war zur Sicherung eigener Interessen fur Reiterstamme nicht zwingend notwendig vielmehr ist oft zu beobachten dass nomadische Gesellschaften sich mit der Existenz am Rand der agrarischen Gesellschaften begnugten aber allein dadurch eine potentielle Bedrohung darstellen und so Forderungen Nachdruck verleihen konnten 23 Dies geschah im Fall der Xiongnu gegenuber der chinesischen Han Dynastie und im Fall der Hunnen gegenuber Rom um einen Konflikt zu vermeiden flossen Geld oder Luxusguter an die jeweiligen Stamme In China wurde das gezielte Vorgehen zur Besanftigung gegenuber den Xiongnu die um 200 v Chr aggressiv gegenuber dem gerade erst gegrundeten Kaiserreich China agierten 24 als heqin Politik bezeichnet 25 Die Xiongnu wiederum benotigten okonomisch grundsatzlich chinesische Tributleistungen da ihre eigene Lebensweise keine ausreichende materielle Grundlage darstellte Dieses Vorgehen hatte grosse Auswirkungen auf die jeweiligen Stamme wo die Anfuhrer das erhaltene Geld und die Geschenke gezielt einsetzten um Untergebene an sich zu binden In diesem Sinne waren die Xiongnu ebenso wie andere Reitervolker die eine solche Politik gegenuber Staaten der sesshaften Zone betrieben auf die wirtschaftliche Prosperitat des Han Reiches angewiesen 26 Allerdings gaben die chinesischen Han diese Besanftigungspolitik schliesslich im 2 Jahrhundert v Chr weitgehend auf und gingen militarisch erfolgreich in die Offensive was den locker aufgebauten Stammesverbund der Xiongnu empfindlich traf 27 Das von den Xiongnu konzipierte Muster des Verhaltens gegenuber China wurde in der Folgezeit im Rahmen der Kontakte von nomadischen Reiterstammen oft kopiert sowohl gegenuber China als auch kurzzeitig gegenuber Rom und Persien die nachfolgenden Reiterstamme waren in der Regel bestrebt am ungleich grosseren materiellen Reichtum teilzuhaben sei es durch direkte militarische Konfrontationen oder indirekten Druck Allerdings fuhrte dies zu einer Abhangigkeit der betroffenen Stamme sogenannte Prestigeokonomie und die deshalb immer wieder als Bedrohungsfaktor auftraten 28 Erst wenn die materiellen Leistungen ausblieben kam es zum Konflikt Militarische Aktionen machten es wiederum erforderlich ein stets zur Verfugung stehendes Aufgebot zu schaffen was wiederum teilweise dazu fuhrte dass die Anfuhrer einzelner Verbande sich veranlasst sahen andere Stamme oder Stammesverbande durch Kampf unter ihre Oberherrschaft zu zwingen Dieses Gefuge bildete die Nomadenherrschaft Ebenso war jedoch der militarische Druck der herrschenden Stamme ein wichtiger Faktor der Herrschaftsbildung bei Nomadenstammen Erfolgte der Versuch der teilweisen Eroberung musste die Agrarbevolkerung beherrscht werden was allerdings wegen der zahlenmassigen Unterlegenheit der Nomaden zu ihrer raschen Assimilierung fuhrte Der Versuch die zivile Verwaltung des unterworfenen Agrarstaates zu ubernehmen fuhrte auch zur sprachlichen Assimilation hinzu kamen Mischehen Bei spateren Aufstanden war die Beseitigung der ursprunglich nomadischen Oberschicht kein grosses Problem mehr nbsp Das Reitervolk der Mongolen beherrschte Mitte des 13 Jh den grossten Teil Asiens Im Fall Chinas versuchten die Xiongnu sogar eigene Staatsgrundungen auf dem Boden des Kaiserreichs diese gingen allerdings von den bereits sinisierten sudlichen Xiongnu aus die sich im 1 Jahrhundert v Chr den Chinesen unterworfen hatten siehe Liu Cong der die beiden Hauptstadte Chinas 311 bzw 316 eroberte Auch einige folgende Steppenstamme versuchten teils den Weg der Staatsgrundung in China wobei sie aber bis auf den Mongolen nur Teile der nordlichen Grenzregion zeitweise eroberten bzw beherrschten Die Mongolen wiederum die auch in der russischen Steppe ein Grossreich errichteten siehe Goldene Horde wurden nach weniger als 100 Jahren wieder vertrieben Sturz der Yuan Dynastie 1368 bevor die Mandschu 1644 China eroberten und die letzte Kaiserdynastie grundeten Qing Dynastie 29 Die Reiterkulturen Amerikas Bearbeiten nbsp Nordamerikanische Cheyenne nutzten Pferde als Zugtiere fur Travois nbsp Mapuche gelten als sud amerika nische Reiter nation schlecht hin Die Ubernahme des Pferdes von Spaniern und Portugiesen durch zahlreiche Indianervolker fuhrte zu einem tiefgreifenden Kulturwandel der betroffenen Volksgruppen Die fruhen spanischen Expeditionen nach Nordamerika fuhrten Pferde mit sich Entlaufene Pferde verwilderten und verbreiteten sich ab dem 16 Jahrhundert relativ rasch im Sudwesten Nordamerikas dem Grossen Becken und auf den Great Plains siehe Ausbreitungskarte Sie wurden von vielen Indianern dieser Regionen eingefangen und in ihre Kultur integriert 30 Daraus entwickelte sich die Kultur der Prarie Indianer Parallel dazu entstanden auch in verschiedenen Kulturarealen Sudamerikas besonders im Sudkegel des Kontinents Patagonien und in den Savannengebieten Kolumbiens indigene Reiterkulturen die sich im 17 und 18 Jahrhundert stark ausbreiteten Dies beeinflusste unter anderem auch die argentinische Gaucho Kultur Vielfach wurden die Pferde von den einheimischen amerikanischen Ethnien wie auch aus der eurasischen Geschichte bekannt zunachst als Jagdbeute und Nahrungsmittel geschatzt und erst spater als Reitpferde und Statussymbol gehalten Das Einfangen und die Domestizierung verwilderter Pferde siehe auch Mustang und Cimarron aber auch der Diebstahl und die Erbeutung von Pferden im Krieg verschaffte den Indianern Vorteile bei der Nahrungsgewinnung sei es durch Schlachtung und Verzehr des proteinreichen Pferdefleischs sei es durch die Haltung als Nutztier und den Einsatz auf der Jagd und bei Kriegszugen 31 Jene Gruppen die das Pferd in ihre Kultur integrierten wurden mobiler und konnten sich in vormals unzugangliche Gegenden ausbreiten Ein Grossteil der kargen Steppen und Savannenlandschaften Nord und Sudamerikas wurde erst nach Einfuhrung des Pferdes besiedelt Pferde vereinfachten die vorher sehr muhsame Jagd auf die in Nordamerika zu Millionen lebenden Bisons Ahnliches gilt fur die Jagd auf Guanakos und Nandus im Suden Sudamerikas Dort spielte allerdings die massenhafte Vermehrung verwilderter Rinder die ebenfalls als neue Nahrungsquelle dienten sowie der Einsatz des Pferdes im Kampf gegen die spanischen Invasoren eine noch prominentere Rolle 32 Ehemals kleine oder schwachere Stamme wie die Comanche Lakota oder Cheyenne im Norden oder die Charrua Toba oder Tehuelche im Suden entwickelten eine vollig neue Kriegskultur S C Gwynne bezeichnet insbesondere den Machtzugewinn der Comanchen zwischen ca 1625 und 1750 als eine der grossten sozialen und militarischen Transformationen der Geschichte 33 Die neuere Forschung stellt neben den militarischen auch andere kulturelle und wirtschaftliche Folgen der Nutzung des Pferdes in den Vordergrund Es lassen sich unterschiedliche und sehr vielfaltige Entwicklungs und Uberlebensstrategien beobachten die von indigenen Gruppen mit der Haltung des Pferdes verbunden wurden Die Existenzmoglichkeiten als Pferdehalter reichten vom gefurchteten Rauber uber den Viehzuchter bis zum erfolgreichen Handler 34 Literatur BearbeitenBodo Anke Studien zur reiternomadischen Kultur des 4 bis 5 Jahrhunderts Beitrage zur Ur und Fruhgeschichte Mitteleuropas Band 8 2 Teile Beier amp Beran Wilkau Hasslau 1998 ISBN 3 930036 11 8 Bodo Anke Laszlo Revesz Tivadar Vida Reitervolker im Fruhmittelalter Hunnen Awaren Ungarn Stuttgart 2008 Christoph Baumer The History of Central Asia 4 Bande I B Tauris London 2012 2018 umfassende aktuelle und reich illustrierte Darstellung mit Berucksichtigung der zahlreichen Reitervolker im zentralasiatischen Raum Christoph Baumer History of the Caucasus Volume One At the Crossroads of Empires I B Tauris London 2021 ISBN 978 1 78831 007 9 Thomas Barfield Perilous Frontier Nomadic Empires and China Blackwell Cambridge MA Oxford 1989 ND 1992 Nicola Di Cosmo Michael Maas Hrsg Empires and Exchanges in Eurasian Late Antiquity Rome China Iran and the Steppe ca 250 750 Cambridge University Press Cambridge 2018 Nicola Di Cosmo Ancient China and its Enemies Cambridge University Press Cambridge 2002 Rene Grousset Die Steppenvolker Munchen 1970 in Details veraltete aber materialreiche Darstellung Hyun Jin Kim The Huns Routledge New York 2016 aktuelle in einzelnen Schlussfolgerungen zur Herkunft und Rolle der Hunnen aber nicht unproblematische Einfuhrung Elcin Kursat Ahlers Zur fruhen Staatenbildung von Steppenvolkern Uber die Sozio und Psychogenese der eurasischen Nomadenreiche am Beispiel der Xiongnu und Gokturken mit einem Exkurs uber die Skythen Sozialwissenschaftliche Schriften Heft 28 Duncker amp Humblot Berlin 1994 ISBN 3 428 07761 X ISSN 0935 4808 Peter Mitchell Horse Nations The Worldwide Impact of the Horse on Indigenous Societies Post 1492 Oxford University Press Oxford und New York 2015 ISBN 978 0 19 870383 9 Walter Pohl Die Awaren 2 Auflage Beck Munchen 2002 wichtige uber das Thema der Awaren hinausgehende Darstellung Walter Pohl Carola Metzner Nebelsick Falko Daim Reiternomaden In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 24 de Gruyter Berlin New York 2003 S 395ff St John Simpson Svetlana Pankova Hrsg Scythians Warriors of ancient Siberia Thames amp Hudson London 2017 Michael Schmauder Die Hunnen Ein Reitervolk in Europa WBG Darmstadt 2009 reich illustrierte Einfuhrung Timo Stickler Die Hunnen C H Beck Munchen 2007 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Reitervolk Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenAnmerkungen Bearbeiten Vgl knapp zusammenfassend Timo Stickler Die Hunnen Munchen 2007 S 12ff Olaf Kaltmeier Im Widerstreit der Ordnungen Kulturelle Identitat Subsistenz und Okologie in Bolivien Wiesbaden 2013 S 2 Angela Sendlinger Neues Universal Lexikon in Farbe uber 50000 Stichworter Munchen 2008 S 35 Herbert Wilhelmy Gerd Kohlhepp Geographische Forschungen in Sudamerika Ausgewahlte Beitrage Berlin 1980 S 26 Gunther Hartmann Silberschmuck der Araukaner Chile Berlin 1974 S 9 Umfassender Uberblick in Einzelfragen und Deutungen aber teils deutlich uberholt bei Rene Grousset Die Steppenvolker Munchen 1970 Walter Pohl Die Awaren Munchen 2002 S 21ff Vgl zusammenfassend etwa Hyun Jin Kim The Huns New York 2016 S 4ff Reiternomaden In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 24 Berlin New York 2003 S 396 f Ammianus 31 2 Priskos Fragment 8 in der Edition von Pia Carolla Vgl die ersten drei Artikel aus Michael Bittl Reflexbogen Geschichte und Herkunft Ludwigshafen 2009 S 26 67 uber skythische Bogen mogliche jungsteinzeitliche assyrische und agyptische Vorlaufer und einen Bogen aus der Taklamakan Wuste sowie griechisch romische und persische Beispiele Vgl Anatoly M Khazanov The Eurasian Steppe Nomads in World Military History In Jurgen Paul Hrsg Nomad Aristocrats in a World of Empires Wiesbaden 2013 S 187 207 hier S 202f Ortsbestimmung der Gegenwart Bd 1 1950 Nicola Di Cosmo Ancient China and its Enemies Cambridge 2002 S 161ff Reiternomaden In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 24 Berlin New York 2003 S 396 Zu de Forschungen dort siehe Burkart Dahne Karabalgasun Stadt der Nomaden Die archaologischen Ausgrabungen der uigurischen Hauptstadt Karabalgasun im Kontext der Siedlungsforschung spatnomadischer Stamme im ostlichen Zentralasien Reichert Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 95490 126 5 Vgl auch Thomas Barfield Perilous Frontier Nomadic Empires and China Cambridge MA Oxford 1989 S 20ff Vgl Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die fruhen Turken in Zentralasien Darmstadt 1992 S 7 Thomas Barfield Perilous Frontier Nomadic Empires and China Cambridge MA Oxford 1989 S 24 28 Vgl Rudi Paul Lindner What was a nomadic tribe In Comparative Studies in Society and History 24 1982 S 689 711 hier S 701 Vgl dazu Timo Stickler 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durchgesehene und aktualisierte Auflage Stuttgart 2013 S C Gwynne Empire of the Summer Moon New York 2010 S 33 Jurgen Doring Kulturwandel bei den nordamerikanischen Plainsindianern Zur Rolle des Pferdes bei den Comanchen und den Cheyenne Reimer Berlin 1984 S 23 102 104 Helmut Schindler Equestrian and Non Equestrian Indians of the Gran Chaco during the Colonial Period In Indiana Nr 10 Gebr Mann 1985 ISSN 0341 8642 S 451 464 Ludwig Kersten Die Indianerstamme des Gran Chaco bis zum Ausgange des 18 Jahrhunderts Ein Beitrag zur historischen Ethnographie Sudamerikas Internationales Archiv fur Ethnographie Band XVII Leiden NL 1905 S 17 19 Uruguay From pre columbian times to the conquest In countrystudies us U S Library of Congress abgerufen am 26 Januar 2016 S C Gwynne Empire of the Summer Moon New York 2010 S 35 Peter Mitchell Horse Nations The Worldwide Impact of the Horse on Indigenous Societies Post 1492 Oxford 2015 S 19 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reitervolker amp oldid 238994464