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Steppenreich oder auch Nomadenreich ist die moderne Bezeichnung fur eine Herrschaftsform die fur die Eurasische Steppe von der Antike bis in die Fruhe Neuzeit pragend war und von diversen Reitervolkern betrieben wurde Ein Steppenreich vereinte Eigenschaften nomadischer und sesshafter Kulturen und interagierte insbesondere mit den benachbarten sesshaften Kultur und Herrschaftsraumen Herrschaftsbildungen von Reitervolkern waren oft Stammesfoderationen deren tragende Stamme sich mitunter recht schnell wieder voneinander trennten Andererseits konnten Steppenreiche auch durchaus zu recht dauerhaften Reichen werden deren innere Struktur jedoch oft sehr locker aufgebaut war Steppenvolker kannten zwar Zentralorte doch waren ihre eigenen Herrschaftsraume in der Regel nur wenig urbanisiert Dies konnte sich allerdings durch Eroberungen andern wenn die eroberten Gebiete urbanisiert und materiell bedeutend waren Mit zunehmender Dauer der Herrschaft und dem Ubergang hin zu einer Teil Sesshaftwerdung entstanden sogar einige neue Stadte in der Steppe wie Karabalgasun und Karakorum beide in der heutigen Mongolei Einige Steppenreiche umfassten daher nicht nur nomadische sondern auch sesshafte teils sogar stadtische Bevolkerungsgruppen Die eurasische Steppenzone umfasst zwar einen gewaltigen Raum dennoch waren die grossen Distanzen fur mehrere Gruppen aus dem Steppenraum die ethnisch oft heterogen zusammengesetzt waren kein unuberbruckbares Hindernis 1 In antiken und mittelalterlichen Berichten werden unterschiedlich umfangreiche Vorstosse von Kriegergruppen aus dem Steppenraum geschildert die teilweise weit nach Westen vordrangen Dabei handelte es sich teilweise um unterschiedlich umfangreiche Migrationen bei denen umweltgeschichtliche Faktoren eine Rolle spielen konnten Oft waren es jedoch Kriegszuge um Land zu erobern und oder materiellen Gewinn zu erzielen Besonders seit der Spatantike sind Konflikte zwischen diesen mobilen und halb nomadischen Gruppen mit den angrenzenden Reichen gut belegt wie diverser Steppenvolker mit dem Romischen Reich bzw Ostrom Byzanz dem Sassanidenreich und dem Kaiserreich China 2 Besonders Byzanz schloss aber durchaus kurzfristige Bundnisse mit einer Gruppe gegen eine andere Gruppe aus dem Steppenraum um sie gegeneinander auszuspielen wie unter anderem das Bundnis mit den Utiguren gegen die Kutriguren 559 oder den Chasaren um 700 belegt 3 Im Mittelalter und der beginnenden Fruhen Neuzeit kam es ebenfalls immer wieder zu Konflikten diesmal mit altrussischen Furstentumern bzw Russland Mongolische Invasion der Rus islamischen Reichen in Mittelasien und China als Gegner diverser Steppenvolker 4 Die waffentechnische Uberlegenheit der sesshaften Gesellschaften nahm in der Fruhen Neuzeit immer mehr zu sodass sie militarisch die Oberhand gegenuber den Steppenvolkern gewannen 5 Die Herrschaftssicherung vieler Steppenreiche beruhte vor allem auf der militarischen Macht der Reichselite und deren Gehorsam gegenuber dem Herrscher bzw der Spitzengruppe Der Herrscher wiederum war auf materielle Gewinne zwingend angewiesen mit denen er seine Gefolgschaft an sich band und so seine Herrschaftsposition legitimierte Dabei konnte es sich um Gewinne aus Kriegszugen oder um Tributleistungen aus den benachbarten Reichen sesshafter Gesellschaften handeln Genauso wie die westlichen Hunnen zur Zeit Attilas von den Romern Zahlungen einforderten 6 taten dies im Osten bereits zuvor die Xiongnu gegenuber China siehe auch heqin 7 Hierbei spielte auch Chinas Interesse an geoffneten Handelsrouten durch den Steppenraum eine Rolle Insofern haben Reichtumer anderer Reiche speziell Chinas nicht unwesentlich zur Bildung nomadischer Steppenreiche beigetragen Die innere Struktur der Steppenreiche war recht unterschiedlich wobei oft auch kaum Informationen vorliegen wie im Fall der iranischen Hunnen Die Kok Turken Uiguren und Mongolen verfugten offenbar uber gewisse interne Verwaltungsstrukturen Bei den Kok Turken und Uiguren spielten die Sogdier eine zentrale Rolle 8 Die mongolische Yuan Dynastie in China wiederum orientierte sich an der chinesischen Staatsverwaltung setzte aber unter anderem auch Turken und Perser in wichtigen Positionen ein 9 Aber selbst ein mongolischer Khagan in China war nicht gleichzusetzen mit dem chinesischen Kaiser denn es bestanden nicht nur in der Verwaltung sondern auch in der Ideologie dem realpolitischen Handeln und der Nachfolgeregelung bedeutende Unterschiede Die Yuan Kaiser trennte politisch und kulturell vieles von der traditionellen chinesischen Kaiseridee 10 Das Hunnenreich Attilas hingegen verfugte nur uber eine kleine konigliche Kanzlei und beruhte ansonsten auf personalen Bindungen die mit dem Tod Attilas 453 aufhorten zu existieren 11 Die Goldene Horde in Russland uberliess den lokalen Fursten oft ihre Herrschaft und setzte nur Bevollmachtigte ein baskaki um Truppen auszuheben Tribute einzufordern und die Lage vor Ort im Blick zu behalten 12 Im Jahr 626 belagerten nicht nur die Awaren die im spaten 6 Jahrhundert ein machtiges Steppenreich in Sudosteuropa errichtet hatten und die von ihnen unterworfenen Slawen auf dem Hohepunkt des 603 ausgebrochenen verheerenden Perserkriegs erfolglos die ostromische Hauptstadt Konstantinopel im selben Jahr erschienen auch die Kok Turken mit einem grossen Heer vor der chinesischen Hauptstadt Chang an hatten aber ebenso wie die Awaren keinen Erfolg und bussten anschliessend viel von ihrer Macht ein Walter Pohl und andere Forscher betonen denn auch die Zyklen von Steppenreichen die oft nach nur wenigen Generationen schwere Krisen erlitten oder ganz zusammenbrachen teilweise sogar nachdem sie sich kurz zuvor noch auf dem Hohepunkt ihrer Macht befunden haben Dies gilt unter anderem fur das Attilareich das Awarenkhaganat und das Reich der Kok Turken 13 Aufgrund der Quellenlage sind die Beziehungen der Steppenvolker gegenuber China mit seiner kulturellen und okonomischen Entwicklung sowie einer ausdifferenzierten politischen Struktur gut erforscht Hierbei traten oft Stammeskonfoderation von Reitervolkern auf die sich rudimentar unter einer Fuhrungsgruppe organisiert hatten und nun die chinesische Grenzzone uberfielen um vom chinesischen Kaiser vertraglich Tribute und Handelsrechte zu erzwingen Derartige Verbande hatten aber aufgrund des in der Regel sehr lockeren Aufbaus und beschrankter Zielsetzungen nur eine begrenzte Lebensdauer 14 So waren die Mongolen die einzige Gruppe der zentralen Steppenzone der es gelang das chinesische Kernland zu erobern womit sie eine Ausnahme und nicht die Regel darstellen 15 Beispiele BearbeitenSteppenreiche entstanden entlang der gesamten eurasischen Steppenzone einige weiter westlich wie die Hunnen andere mit einem Schwerpunkt in Zentralasien oder an der Nordgrenze Chinas Dazu gehorten viele Khanate und Khaghanate Beispiele sind unter anderem Xiongnu 3 Jahrhundert v Chr bis spates 1 Jahrhundert n Chr Reich der Hunnen ca 430 469 Reich der Awaren 2 Halfte des 6 Jahrhunderts bis Ende des 8 Jahrhunderts Grossbulgarisches Reich Erstes Turk Kaganat 552 630 659 Zweites Turk Kaganat 682 742 Uigurisches Kaganat 745 840 Reich der Chasaren 7 10 Jahrhundert Reich der Kara Kitai 12 Jahrhundert Mongolenreich und seine Abspaltungen 1206 bis ins 14 Jahrhundert Literatur BearbeitenChristoph Baumer The History of Central Asia 4 Bande I B Tauris London 2012 2018 Thomas Barfield Perilous Frontier Nomadic Empires and China Blackwell Cambridge MA Oxford 1989 ND 1992 Nicola Di Cosmo Michael Maas Hrsg Empires and Exchanges in Eurasian Late Antiquity Rome China Iran and the Steppe ca 250 750 Cambridge University Press Cambridge 2018 Rene Grousset Die Steppenvolker Munchen 1970 Nikolay Kradin Nomads of Inner Asia in Transition Moskau 2014 Jurgen Paul Zentralasien Frankfurt am Main 2012 Neue Fischer Weltgeschichte Band 10 Anmerkungen Bearbeiten Zu ihrer historischen Rolle siehe etwa Anatoly M Khazanov The Eurasian Steppe Nomads in World Military History In Jurgen Paul Hrsg Nomad Aristocrats in a World of Empires Wiesbaden 2013 S 187 207 Nikolay Kradin Ancient Steppe Nomad Societies In Oxford Research Encyclopedia of Asian History 2018 Artikelvorschau Siehe auch die Beitrage in Nicola Di Cosmo Michael Maas Hrsg Empires and Exchanges in Eurasian Late Antiquity Rome China Iran and the Steppe ca 250 750 Cambridge 2018 Vgl auch Walter Pohl Die Awaren Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567 822 n Chr 3 mit einem aktualisierten Vorwort versehene Auflage Munchen 2015 S 21ff Materialreicher allerdings nicht mehr ganz aktueller Uberblick bei Rene Grousset Die Steppenvolker Munchen 1970 Vgl Anatoly M Khazanov The Eurasian Steppe Nomads in World Military History In Jurgen Paul Hrsg Nomad Aristocrats in a World of Empires Wiesbaden 2013 S 187 207 hier S 202f Vgl dazu Timo Stickler Die Hunnen Munchen 2007 S 14ff Vgl allgemein Helwig Schmidt Glintzer China Vielvolkerreich und Einheitsstaat Munchen 1997 S 88 ff Etienne de la Vaissiere Sogdian Traders A History Leiden Boston 2005 Helwig Schmidt Glintzer China Vielvolkerreich und Einheitsstaat Munchen 1997 S 170 172 Vgl Timothy Brook The Troubled Empire China in the Yuan and Ming Dynasties Cambridge Mass 2010 S 79ff Klaus Rosen Attila Der Schrecken der Welt Munchen 2016 zur Kanzlei ebd S 127f Charles J Halperin Russia and the Golden Horde The Mongol Impact on Medieval Russian History Bloomington 1985 S 33ff Ricarda Vulpius Die Geburt des Russlandischen Imperiums Koln 2020 S 109f Walter Pohl Die Awaren Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567 822 n Chr 3 mit einem aktualisierten Vorwort versehene Auflage Munchen 2015 S 248 Vgl Thomas Barfield Perilous Frontier Nomadic Empires and China Cambridge MA Oxford 1989 S 8ff Thomas Barfield Perilous Frontier Nomadic Empires and China Cambridge MA Oxford 1989 S 187ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Steppenreich amp oldid 237349790