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Wie die generelle kulturelle Entwicklung Japans so ist auch die im Inselreich entwickelte Philosophie ohne die massgebliche Ubernahme von Ideen zunachst des ostasiatischen Auslands bis ins 17 Jahrhundert die nachfolgende und fast 200 Jahre andauernde Isolation Japans sowie sein im 19 Jahrhundert einsetzendes Streben nach weltpolitischem Einfluss nicht zu erklaren Daruber hinaus stand die in Japan entwickelte Philosophie auch immer in engem Wechselverhaltnis mit den innenpolitischen Machtkampfen der sakularen und religiosen Autoritaten mit und untereinander Obwohl es im akademischen Diskurs der vergleichenden Kulturwissenschaften noch bis vor wenigen Jahren umstritten war ob es vor der Meiji Zeit uberhaupt eine japanische Philosophie bzw Philosophie in Japan gegeben habe wird diese Frage gegenwartig uberwiegend positiv beantwortet da es unbestreitbar in Japan seit langer Zeit schon intellektuelle Auseinandersetzungen mit klassischen philosophischen Fragen und Topoi gegeben habe Insbesondere durch die Sprachbarriere und die insbesondere im Buddhismus inharente Vermischung philosophischer und religioser Konzepte bleibt die Herausarbeitung genuin philosophischer Ideen in der vormodernen Zeit gegenwartig noch eine weithin ungeloste Aufgabe Bis in die Gegenwart ist die Auseinandersetzung mit japanischer Philosophie zudem oft von mehr oder minder starken Aspekten des Nihonjinron bestimmt worden Sowohl Autoren aus Amerika und Europa als auch aus Japan selbst haben dabei aus unterschiedlichen Grunden meist verschiedene Vorurteile bezuglich des angeblichen gleichsam uberzeitlichen kulturspezifischen Wesens des japanischen Denkens aus der Zeit der Kokugaku und folgender Diskurstraditionen ubernommen Wegen der aus diesen Annahmen unweigerlich entstandenen Missverstandnisse und Fehlschlusse wie dem es gebe eine japanische Logik in der der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht gelte pladieren Autoren der jungeren Zeit dafur anstatt von einer japanischen Philosophie besser von einer Philosophie in Japan zu reden wobei Japan auch nur als grober geografischer und nur bedingt einheitlich geopolitischer Kontext begriffen werden kann Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Altertum 1 1 1 Yayoi Zeit 1 1 1 1 Konfuzianismus 1 1 1 2 Daoismus 1 1 2 Kofun und Asuka Zeit 552 710 1 1 2 1 Buddhismus 1 1 3 Konfuzianismus Legalismus und Yin Yang 1 1 4 Nara Zeit 710 794 1 1 4 1 Buddhismus 1 1 5 Heian Zeit 794 1185 1 1 5 1 Tendai Buddhismus 1 1 5 2 Shingon Buddhismus 1 2 Mittelalter 1185 1603 1 2 1 Kamakura Zeit 1185 1333 1 2 1 1 Reines Land Buddhismus 1 2 1 2 Zen Buddhismus 1 3 Edo Zeit 1603 1868 1 3 1 Begegnung mit der westlichen Philosophie 1 3 2 Neo Konfuzianismus 1 3 3 Nationale Studien und Shintō 1 4 Moderne 1 4 1 Meiji Zeit bis Kriegsende 1 4 2 Kyōto Schule 1 4 3 Nachkriegszeit bis Gegenwart 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenEiner der Grunde fur den spaten Beginn eines sich selbstandig entwickelnden philosophischen Denkens in Japan ist die spate Ubernahme der Schriftlichkeit bzw die Entwicklung einer eigenen Schrift Das japanische Schriftsystem wurde erst im 7 oder 8 Jahrhundert aus der vorher importierten chinesischen Schrift abgeleitet Gleichzeitig mit der Einfuhrung der chinesischen Schrift wurden auch die darin verfassten chinesischen Schriften rezipiert die in Japan daoistisches konfuzianistisches neokonfuzianistisches und buddhistisches Gedankengut bekannt machten und von da an mit den indigenen religiosen Traditionen siehe Shintō in stark synkretistischer Weise das philosophische Denken in Japan mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten bis zum 20 Jahrhundert bestimmten Das Chinesische nahm daruber hinaus noch fur viele Jahrhunderte den Status einer Diplomaten und Gelehrtensprache ein ahnlich dem Latein in Europa und chinesische Texte bildeten lange Zeit den einzig relevanten Korpus fur philosophische Studien erst spat wendete man sich in Japan anstelle der chinesischen Ubersetzungen u a den indischen Originaltexten zu Das theoretische Verhaltnis der Sprache zu philosophischer Wahrheit stand dabei von Anfang an wohl auch begunstigt durch die verschiedenen Aussprachevarianten des in Japan verwendeten Chinesisch s On Lesung und Kun Lesung in enger Bindung zur alten Mythologie Japans in der die Auffassung vorherrschte dass naturgemass alle Bestandteile der Realitat sprachbegabt seien oder zumindest gewesen seien Beispielhaft ist auch die Vorstellung von kotodama mit transformativer Macht ausgestatteter gleichsam magischer Worter die schon in der altesten japanischen Gedichtsammlung dem Man yōshu erwahnt werden Altertum Bearbeiten Yayoi Zeit Bearbeiten Den ersten Kontakt mit philosophischen Ideen hatten die Bewohner des noch nicht zu einer politisch kulturellen Einheit gewordenen Japan in der Yayoi Zeit durch Einwanderer mit Gruppen von mehr als tausend Menschen die aus Kontinentalostasien auf den Inseln Japans eintrafen Sie kamen zumeist aus China zur Zeit der Streitenden Reiche und zu Beginn der Qin Dynastie sowie dem heutigen Korea Dieser Kontakt wurde ausgebaut und seit etwa 108 v Chr bestand ein enger kultureller Austausch zwischen den einzelnen Stammen bzw Kleinstaaten Japans hauptsachlicher politischer Ansprechpartner fur den Schriftverkehr war Konigin Himiko mit den koreanischen Staaten Gaya Baekje und Silla dem Han Hof und der chinesischen Kolonie Lelang in Korea Konfuzianismus Bearbeiten Hauptartikel Konfuzianismus Die ersten japanischen Quellen die explizit die Ubernahme philosophischer Klassiker bzw der darin enthaltenden Lehrinhalte aus Kontinentalostasien nach Japan nennen oder diese durch eigene den chinesischen nachempfundenen oder kopierten so stellenweise wortlich aus z B dem Han Shu Hou Hanshu und Zuo Zhuan Mythen ubernehmen sind die altesten noch erhaltenen schriftlichen Zeugnisse in japanischer Sprache uberhaupt das Kojiki und das Nihonshoki In diesen wird u a auch durch Verweis auf nicht mehr erhaltene Werke aus der Yayoi Zeit die Einfuhr der Analekten des Konfuzius und anderer konfuzianischer Klassiker der Han Zeit gegen Ende der Yayoi Zeit erwahnt Chinesische Quellen wie das Wei Zhi datieren die Bekanntheit wenigstens der Begrifflichkeit der konfuzianistischen Staatsphilosophie wie etwa Menschlichkeit bzw Humanitat Weisheit Loyalitat himmlisches Mandat also die Legitimation von Herrschaft qua Befriedung und kindliche Pietat in Japan bereits wesentlich fruher Dabei wurden jedoch wesentliche klassisch konfuzianische Ideen ausgespart die der zur Reichseinigung Japans benotigten Ideologie widersprachen so z B die Pflicht zum Tyrannenmord im Falle ungerechter Herrschaft Insofern entsprachen die japanischen Rezeptionstraditionen des chinesischen Konfuzianismus in weiten Teilen legalistischen Idealen Daoismus Bearbeiten Hauptartikel Daoismus Nach Ansichten von Historikern u a Nelly Naumann waren bereits in der Yayoi Zeit philosophische Grundlagen daoistischer Kosmogonie bekannt und auch in die staatstragenden aber erstmals impersonalisierten und damit rationalisierten Mythen eingebunden die sich spater ebenfalls im Kojiki und Nihonshoki wiederfinden So heisst es im Kojiki Als die ursprungliche Materie gerann aber Atem und Form noch nicht hervortraten gab es weder Bezeichnungen noch Handlungen ch wu ming wu wei 1 Die Begriffe Bezeichnungsloses wu ming und Nichthandeln wu wei finden sich bereits in den fruhen daoistischen Klassikern Daodejing und Zhuangzi Daruber hinaus hatten daoistische Ideen aber noch keine weitere Relevanz fur die Philosophie in Japan Erst seit dem 7 Jahrhundert erhielten sie eine starkere Bedeutung in diesem Kontext Kofun und Asuka Zeit 552 710 Bearbeiten Buddhismus Bearbeiten Hauptartikel Buddhismus in Japan Der chinesische Buddhismus allen voran der Mahayana Buddhismus war und ist eine der wichtigsten Quellen fur die in Japan entstandenen philosophischen Konzepte insbesondere in den Disziplinen der Logik der Philosophie des Geistes der Asthetik der Ethik und der Ontologie wobei sich die buddhistische Philosophie zumindest in den Sachfragen unabhangig vom reinen Glauben allen voran den Konzepten von den drei Daseinsmerkmalen den vier edlen Wahrheiten dem achtfachen Pfad und dem Entstehen in Abhangigkeit widmete Die dabei entwickelten Theorien waren durch eine Orientierung an der uberwiegend religios motivierten Lebenspraxis bestimmt Das religiose Element sollte dann spater ab der Heian Zeit die innerhalb des Buddhismus in Japan gefuhrten Diskurse jedoch dominieren Die inoffizielle Einfuhrung des Buddhismus in Japan begann spatestens mit seiner Etablierung am Yamato Hof der Kofun Zeit durch koreanische Siedler aus Paekche Der mit universalem Geltungsanspruch und dennoch tolerant auftretende Buddhismus war wie auch alle anderen religios philosophischen Traditionen ebenfalls in die philosophisch legitimierte Einigung des japanischen Reichs miteinbezogen so zum Beispiel zusammen mit konfuzianistischen Vorstellungen in der 17 Artikel Verfassung des Kronprinzen Shōtoku Daraus sowie aus der spezifischen Form des erstmals in Japan praktizierten Buddhismus eines dem traditionellen Volksglauben ahnlichen magischen Ritualbuddhismus erklart sich die charakteristische Weise der alten japanischen Denker weniger Wert auf einander ausschliessende und miteinander rivalisierende konsistente aber abstrakte Theorien zu legen sondern im Disput die jeweils umfassendere und mit bereits etablierten Ideen am meisten harmonisierende zu bevorzugen Daraus resultierte dann auch die schnelle Identifizierung bislang einheimischer lokaler Gottheiten den kami mit den Buddhas im sogenannten Shinbutsu Shugō Unter Kimmei tennō wurde der Buddhismus dann in der Asuka Zeit auch offiziell in Japan eingefuhrt Er wurde in diesem Kontext konsequent weiter zu einer staatstragenden Religion ausgebaut Entsprechende Lehren Doktrinen und auch Philosophien wurden unterstutzt Konfuzianismus Legalismus und Yin Yang Bearbeiten In den letzten Jahrzehnten der Asuka Zeit begann die Taika Reform und mit ihr die Einfuhrung des Systems der Ritsuryō in dem erstmals detailliert Rechtsnormen in Japan schriftlich fixiert und vereinheitlicht wurden und das sich bis in die Nara Zeit fortsetzte Zentraler Gedanke dieser politisch rechtlichen Reformen war die Einigung des Reiches unter einem alleinigen Herrscher Tennō die Abschaffung bzw Schwachung des alten Adels unter Ersetzung durch ein allgemeines Beamtentum sowie die Umsetzung der Prinzipien von Strafe und Belohnung fur alle staatstragenden Tugenden mittels einer totalen Herrschaft des Gesetzes einerseits und Legitimation und Effizienz von Herrschaft und Verwaltung durch gewollte Kritik jap kan chin jian und methodisches Misstrauen andererseits Wiewohl auch die wenigsten dieser Forderungen tatsachlich langfristig umgesetzt wurden bewiesen diese klar an Konfuzianismus und Legalismus ausgerichteten staatsphilosophischen und ethischen Konzepte fur die weitere philosophischen Erorterungen in der japanischen Geschichte dennoch Relevanz Bis zur Auseinandersetzung mit dem Neokonfuzianismus in der Edo Zeit wurden diese philosophischen Ideen auch grosstenteils im Gegensatz zum Diskurs innerhalb des Buddhismus unkritisch ubernommen Schon die oben erwahnte 17 Artikel Verfassung traditionell datiert auf 604 also vor der Taika Reform argumentiert fur die Idee eines durch solche Ideale gestutzten universalen Staates und gebraucht dafur klassische konfuzianistische Termini technici so z B Wohlwollen bzw Menschlichkeit Humanitat jap jin chin ren formvollendete Sitte jap rei chin li Rechtlichkeit jap gi chin yi Weisheit jap chi chin zhi Vertrauenswurdigkeit jap shin chin xin Loyalitat jap chu chin zhong und Harmonie jap wa chin he Zitiert und paraphrasiert werden in der Verfassung u a die gemeinhin als konfuzianistisch geltenden chinesischen Schriften Lun Yu Li Ji Xun Zi Zuo Zhuan Shu Jing Shi Jing Xiao Jing Zhong Yong Han Shu und Qian Zi Wen Eine weitere tragende Idee ist die des gewohnlichen Menschen jap bombu oder tadabito mit der fur die Plausibilitat und Moglichkeit der Umsetzung eines Harmonie Prinzips argumentiert wird Allgemeine Erlasse die die spezifische Gesetzesanderungen der Taika Reform erlauterten und erklarten sowie die Ritsuryō selbst bezogen sich ebenfalls in ihrer Begrifflichkeit sowie in Paraphrasen und Zitaten direkt auf staatsphilosophische Ideen des Konfuzianismus und Legalismus Wiederkehrende Momente waren neben den eingangs erwahnten Idealen auch das einer Regierung die durch die Vollkommenheit der Gesetze nicht mehr in den Gang der Dinge einzugreifen brauche sowie die Ubernahme der konfuzianistischen Geschichtsphilosophie und Historiographie folgend der hypothetischen Perspektive Geschichtsverlauf und Dynastienwechsel wurden durch moralische Gesetzmassigkeit bestimmt und konnten in ihrer sachgerechten Darstellung erzieherisch wirken die Grundung einer konfuzianistischen Hochschule der verstarkte Einfluss von Yin Yang Naturphilosophie in Form z B der Ideen von Harmonie durch die Einheit von Himmel und Erde der die Einheit von Herrscher und Untertan entspreche sowie der Einheit von Mensch und Natur in der Mannigfaltigkeit der zehntausend Dinge der Welt und die Kritik an Aberglauben und zu aufwendigem Totenkult Nara Zeit 710 794 Bearbeiten Buddhismus Bearbeiten Eine der ersten wichtigen Stromungen des klassischen japanischen Buddhismus war die lockere Organisation der sogenannten sechs Nara Schulen in der Nara Zeit die sich unter Schirmherrschaft des Kaiserhofes zuerst unter Shōmu dem Studium der klassischen Schriften des chinesischen Festland Buddhismus und den chinesischen Ubersetzungen der indischen Originale widmeten Die sechs Nara Schulen waren Kusha shu Jōjitsu shu Sanron shu Hossō shu Kegon shu und Risshu daruber hinaus gab es zahlreiche andere buddhistische Schulen von den philosophisch relevanten konnen Hokke shu als Vorlaufer des Nichiren Buddhismus Nehan shu Jiron shu und Shōron shu genannt werden Zentrale Themen des Buddhismus der Nara Zeit waren die Begriffe ku Leere Substanzlosigkeit engi Entstehen in Abhangigkeit hossō die dharmas und ihre Eigenschaften Merkmale Manifestationen zokutai 俗諦 weltliche Wahrheit shintai 真諦 hochste Wahrheit nehan Nirvana und busshō Buddha Natur Bis auf die Risshu bestand Konsens daruber dass zokutai substanzlos und bedingt sei Mit Ausnahme der Kusha shu bestand zudem Einigkeit daruber dass gemass der These der zweifachen Substanzlosigkeit auch die dharmas selbst substanzlos seien und nur bedingt entstunden Hossō shu und Kegon shu interpretierten den Eintritt ins Nirvana d h der Erlangung der Buddha Natur als Realisierung einer bestimmten wahren Seinsweise die sich in Verhaltensweisen vor allem nicht toten nicht stehlen nicht ehebrechen nicht lugen keine uble Nachrede fuhren in gewinnender und in besonnener Weise reden als goldene Regeln ausdrucke Das entspricht einer Ontologisierung ethischer Fragen Philosophische Studien und Erorterungen vollzogen sich in den buddhistischen Tempeln grosstenteils an einigen Haupttexten der sechs Nara Schulen Kusha ron Jōjitsu ron Churon Jōyuishiki ron sowie zwei Logik Schriften der Sanron shu Junimon ron und Hyaku ron grundlegende Schriften der in Japan betriebenen buddhistischen Logik bzw Argumentationstheorie jap immyō skr hetu vidya chin yin ming Alle diese Texte haben bis in die Gegenwart die philosophische Diskussion innerhalb des Buddhismus in Japan gepragt und gelten immer noch als relevante und grundlegende Studienobjekte Die von der Sanron shu entwickelte Logik und Ontologie blieb lange Zeit massgeblich Bis 660 dominierten ihre Lehren den philosophischen Diskurs in der Rangordnung der Schulen wurde sie dann aber bis etwa 810 von der Hossō shu abgelost Heian Zeit 794 1185 Bearbeiten Mit der Etablierung des esoterischen Buddhismus 密教 mikkyō die japanische Entsprechung des Vajrayana in Japan durch Kukai und des in Abgrenzung zum esoterischen Buddhismus dann auch exoterisch 顕教 kenkyō genannten Tiantai zong Buddhismus durch Saichō setzte in der Heian Zeit die Entstehung zwei neuer bedeutender buddhistischer Schulen in Japan ein Die Tendai shu wurde von Kammu tennō besonders gefordert der damit zusatzlich zur Verlegung des Hofes nach Heian kyō ein Gegengewicht zu den politisch sehr machtig gewordenen buddhistischen Schulen in Nara schaffen wollte Spater unter Saga tennō erfuhr die Shingon shu ahnliche staatliche Unterstutzung Beide Schulen zeichneten sich durch die detaillierte Entwicklungen neuer Metaphysiken und stark ritualisierter Asthetiken aus gleichzeitig wurde allerdings auch der Akzent des akademischen Interesses wesentlich starker auf Religion als auf Philosophie gelegt Auch Mythologie und magische Rituale spielten in Tendai und Shingon Buddhismus eine grossere Rolle und bestimmten die weitere Entwicklung des Buddhismus in Japan massgeblich Tendai Buddhismus Bearbeiten Hauptartikel Tendai shu Die hoch spekulative und teils sprachmagische begrundete Lehre des chinesischen Tiantai Buddhismus wurde von Saichō Ende des 8 Jahrhunderts in einer Einsiedlung auf dem Berg Hiei studiert Zwischen 804 und 805 konnte er dann seine Studien in China als Teilnehmer einer japanischen Expedition an Originalen vertiefen Nach Japan zuruckgekehrt wurde er zum erbitterten Konkurrenten Kukais Er formulierte die Tiantai Lehre mit explizit religiosen und nationalistisch prostaatlichen Aspekten neu Die religiosen sutras seien wichtiger als die philosophischen sastras vor allen anderen sei das Lotos Sutra zudem der Ausdruck hochster buddhistischer Wahrheit Weiterhin sei reiner Mahayana was auch dezidiert mahayanistische Schulen wie die Hossō als hinayanistisch ausschloss das schnellste und nachhaltigste Fahrzeug der Lehre zur Erleuchtung zudem sei Japan das Land des Mahayana Ein weiteres Postulat Saichōs war die Disposition aller Wesen zur Buddha Natur Erst kurz nach seinem Tod wurde die Tendai shu offiziell anerkannt woraufhin sie sich aber bald in viele verschiedene miteinander aufs scharfste konkurrierende Schulen spaltete Bedeutende Vertreter waren Ennin 792 862 Enchin 814 891 Annen 841 889 oder 893 und Genshin 942 1017 die alle die esoterischen Elemente der Tendai Lehren starker betonten Obwohl die Tendai shu spater oft vor allem von Seiten der Shingon shu als exoterisch charakterisiert wurde ist diese Bezeichnung insofern irrefuhrend als Saichō explizit Elemente des mikkyō ubernahm wie das Sutra Dainichi kyō die er in China kennengelernt hatte wo er auch esoterische Weihen erhielt Der Unterschied zwischen exoterischem und esoterischem Buddhismus liegt grob gesagt in der Ausrichtung des esoterischen Buddhismus auf ein umfassendes und regelkonformes magisches Mantra und Ritualsystem einerseits und sinnlichkeitsbejahende Theorien andererseits Viele Interpreten der Tendai Ontologie meinen die Schule identifiziere das Absolute bzw das Noumenon mit dem Phanomenalen bzw Relativen wiewohl Absolutes aber ein der Dreifachen Wahrheit von Substanzlosigkeit Konventionalitat und Mitte der Tiantai nach Unmogliches Unabhangiges voraussetzen wurde Andere legen die sogenannte Einheitslehre der Tendai Schule so aus dass sie eine Immanenzlehre bedeute was aber den in der Dreifachen Wahrheit explizierten Begriff der Soheit skr tathata jap 真如 shinnyo uberflussig machen wurde Das philosophische Prinzip sc der Tendai Schule ist die dem Madhyamika sastra entnommene Idee des chudō des Mittelwegs Bereits der Sakyamuni der Hinayana Suttas hatte den Mittelweg gelehrt sich nicht in den von indischen Philosophen gelegten Fallstricken des Eternalismus und Nihilismus zu verfangen Diese Lehre hatte indessen noch keinerlei ausgepragten metaphysischen Charakter Im unentwickelten Mahayana Buddhismus finden wir ebenfalls das Prinzip der Mitte Es ist zwar nur negativ formuliert aber ein deutlich metaphysischer Sinn ist bereits in diesem Prinzip enthalten insofern das Mittlere nunmehr zum Undefinierbaren wird das weder Existenz noch Nicht Existenz ist Schliesslich wird diesem Prinzip eine positive Auslegung zuteil und das geschieht in den Mahayana sastras wo wir das Mittlere mit dem Hochsten Absoluten der Urrealitat der Wahren Ahnlichkeit jap shinnyo gleichgesetzt finden Diese Mittelweg Lehre raumt in der ihr von Chih i Zhi Yi gegebenen Formulierung wonach das Leere das Seiende und das Mittlere miteinander identisch sind mit allen Gegensatzen restlos auf und macht aus allem scheinbar Unvereinbarem eine wunderbare Synthese Bruno Petzold Die Quintessenz der T ien t ai Tendai Lehre Wiesbaden 1982 ISBN 3 447 02161 6 2 Shingon Buddhismus Bearbeiten Hauptartikel Shingon shu Kukai der Begrunder der Shingon shu von jap shingon fur skr mantra besondere Bedeutung kommt Kukai zufolge den Mantras A und huṃ zu vertrat einen semiotischen bzw symboltheoretischen und asthetischen Pantheismus fur ihn war die Realitat als Dharmakaya jap hosshin dem Dharma Korper der Dreikorper Lehre des Trikaya essentiell oder auch metaphernhaft identisch mit der Person des Buddhas Dainichi Nyorai des Adibuddhas Mahavairocana Tathagata der in einem immerwahrenden Zustand erleuchteter Meditation die drei grossen Aktivitaten des esoterischen Buddhismus ausubt die gleichsam die Natur des Universums d h seiner selbst ausdrucken Denken in der Weise der Visualisierung struktureller geometrischer Symbole mandalas Sprechen in der Weise des Singens heiliger Silben mikrokosmischer Resonanzen von Energie und Materie als Konstituenten der basalen Elemente mantras Handeln in der Weise der Durchfuhrung heiliger Korperhaltungen und Handgesten als Konstituenten der Muster des Wandels mudras Die mogliche Erleuchtung einer einzelnen Person ergab sich fur Kukai derart aus der Erfahrung seiner selbst und damit des Buddha Dainichi Nyorai in all diesen drei Dimensionen Eine rein geistige Einsicht wurde wesentliche Elemente der Realitat aussen vor lassen nur in der vollstandigen Erfahrung der Partikularien wird die Gesamtheit des Kosmos angemessen erfahren Aus diesen Grunden lehnte Kukai auch atomistische und realistische vertreten von der Jōjitsu shu und der Kusha shu sowie nominalistische Sanron und idealistische Hossō shu Konzepte ab Am ehesten konnte er sich in dieser Hinsicht zu Lebzeiten mit der Kegon shu arrangieren Weiterhin entwickelte Kukai eine Theorie der zehn Stufen des Bewusstseins jap 十住心 ju jushin die bestimmte philosophisch religiose Grundhaltungen reprasentieren und aufeinander aufbauend in der Shingon Lehre gipfeln ishō teiyō shin 異生羝羊心 Dahinvegetieren bestimmt durch Trieb und Begierde gudō jisai shin 愚童持斎心 Orientierung an Ethik und Kultur Konfuzianismus yōdō mui shin 嬰童無畏心 Streben nach Unsterblichkeit oder Wiedergeburt Daoismus yuiun muga shin 唯蘊無我心 Einsicht in die Substanzlosigkeit des Ichs erste buddhistische Stufe das Sravakayana jap 声聞乘 shōmon jō batsu gōinju shin 抜業因種心 Einsicht in das Entstehen in Abhangigkeit entspricht dem Pratyekayana jap 縁覚乘 engaku jō taen daijō shin 他縁大乗心 Altruistischer Mahayana Geist Yogacara der Hossō shu kakushin fushō shin 覚心不生心 Einsicht in die achtfache Negation happu Madhyamaka der Sanron shu nyojitsu ichidō shin 如実一道心 Einsicht in die ursprungliche Reinheit des Bewusstseins Tendai shu goku mujishō shin 極無自性心 Einsicht in die Wandelbarkeit der eigenen Natur Kegon shu himitsu shōgon shin 秘密荘厳心 Erleuchtung qua esoterischen Bewusstseins Shingon Mikkyō wie oben beschrieben Mittelalter 1185 1603 Bearbeiten Kamakura Zeit 1185 1333 Bearbeiten In der Kamakura Zeit entstanden eine ganze Reihe neuer buddhistischer Schulen von denen die meisten von Monchen aus der Tradition der Tendai shu begrundet wurden Sie wendeten sich erstmals nicht mehr nur an den Adel sondern auch die Gesamtheit des gemeinen Volkes dem sie in der durch Naturkatastrophen und Kriege bestimmten Zeit mittels neuer Vorstellungen von philosophischer Anthropologie Erlosung noch im diesseitigen Leben in Aussicht stellten Die bedeutendsten dieser Schulen lassen sich zu den Stromungen des amidistischen Reinen Land und des Zen Buddhismus zahlen die auch heute noch zu den einflussreichsten buddhistischen Schulen in Japan gehoren Beide betonen besonders die Disposition der leidenden Wesen zur Erleuchtung aus eigener Kraft jap 自力 jiriki Reines Land Buddhismus Bearbeiten Hauptartikel Amitabha Buddhismus Der Buddhismus des Reinen Landes konzentriert sich auf die Verheissung des Reinen Landes des Buddha Amida in dem er mit einer grossen Anzahl von Buddhas und Bodhisattvas in vollstandiger Harmonie mit den Lehren Siddhartha Gautamas leben soll Im Gegensatz zu anderen Schulen des Amitabha Buddhismus postulieren die Vertreter des japanischen Reinen Land Buddhismus die Moglichkeit noch in diesem Leben in das Reine Land einzutreten und auch wieder daraus in diese Welt zuruckzukehren um den noch nicht Erleuchteten dabei zu helfen ebenfalls in das Reine Land gelangen zu konnen Streng genommen gehort der Buddhismus des Reinen Landes nicht zum philosophischen Buddhismus Fast nirgendwo starker als hier ist in der japanischen Geistesgeschichte die Differenz religioser zu philosophischer Argumentation auszumachen die sich in der Betonung auf unbedingten Glauben anstelle der Auflosung falscher Ansichten als erstem Glied der zwolfgliedrigen Kette des Entstehens in Abhangigkeit durch richtige Erkenntnis ausdruckt Dennoch enthalt diese uberwiegend religiose Form des Buddhismus einen logisch argumentativen Kern der die Hinwendung zum Glauben begrunden soll Shinran Schuler von Hōnen dem Begrunder der Jōdo shu und selbst Begrunder der Jōdo Shinshu kritisierte die traditionelle Auffassung der buddhistischen Praxis Erleuchtung sei durch bewusstes Ausuben der buddhistischen Disziplinen Meditation Lesen klassischer Texte und Gesang zu erreichen da dieses ein Ego voraussetze dem durch die traditionelle Lehre von der Erleuchtung eine Belohnung in Aussicht gestellt wurde und das sich dadurch selbst als eigenmachtig begreife was aber letztlich das Ego in der buddhistischen Tradition auch als das grosste Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung verstanden nur bestarken wurde Nur durch die konsequente Aufgabe der Vorstellung eines autonomen Egos und der dadurch moglichen vollstandigen Hingabe als ein Sich anvertrauen mit reinem Herzen und Geist jap 信心 shinjin das weder Subjekt noch Objekt voraussetzt an den Buddha Amida und sein Versprechen alle leidenden Wesen zu erlosen sei Erleuchtung in diesem Leben erreichbar Mit seiner Auffassung von shinjin begrundete Shinran ein neues Verstandnis von Glauben das im Gegensatz zu den bis dahin traditionellen Begriffen stand shinrai 信頼 ein pragmatischer auf Erfahrung und Wahrscheinlichkeit basierender Glauben und shinkō 信仰 ein aufschauender auf Bewunderung basierender Glauben der bis Shinran ubliche und sowohl von Hōnen als auch bei der Ubersetzung der christlichen Bibel ins Japanische benutzte Terminus in Verbindung mit religiosen Angelegenheiten Zen Buddhismus Bearbeiten Hauptartikel Zen Anders als die Lehre vom Reinen Land vertrat Zen Meister Dōgen 1200 1253 der die aus China eingefuhrte Sōtō shu in Japan begrundete eine affirmative Orientierung an der buddhistischen Praxis Diese sei allerdings kein Mittel zum Zweck sondern selbst schon das Ziel Ernst ausgefuhrt sei diese Praxis in der Lage jeden an seiner schon bestehenden aber noch nicht manifesten Erleuchtung teilhaben zu lassen Indem das Ego in einem Zustand der unkontrollierten Abwesenheit des Denkens nicht die Perspektive der Erfahrung zu bestimmen vermoge sei eine unmittelbare Einsicht in das wahre Wesen der Dinge und der phanomenalen Wirklichkeit moglich Weil in diesem Zustand das Ego abwesend sei ist er Dōgen zufolge identisch mit dem Zustand der Erleuchtung Indem diese meditativ erfahrene Praxis der Abwesenheit von Denken und damit auch vorgegebener Bedeutung in die Wirklichkeit des alltaglichen Lebens uberfuhrt wurde sei auch eine Moglichkeit gegeben den Kreislauf der sich selbst bestatigenden Vorurteile des Egos zu brechen und die wahre relative Angemessenheit der Bedeutung von Erfahrung im standigen Wandel der Kontexte der Realitat s Anicca zu begreifen was eine dauernde Erleuchtung auch jenseits der Zazen Meditation ermogliche Wiewohl der Zen Buddhismus oft philosophische Reflexion ablehnt ist ihm durch sein generelles Misstrauen in Erkenntnis qua Sprache ein besonderes philosophisches Mittel zu eigen Kōans als paradoxe Formulierungen deren Auflosung nach Ansicht Vieler den daruber Reflektierenden zu wahrer Erkenntnis verhelfen konnen Allerdings kann gerade bei Dōgen aufgezeigt werden dass Kōans wiederum in philosophische Reflexionen eingebunden werden 3 Bedeutende Vertreter des Zen Buddhismus nach Dōgen waren u a in der fruhen Entwicklung Eisai 1141 1215 sowie spater Takuan Sōhō 1573 1645 und Hakuin Ekaku 1686 1769 Edo Zeit 1603 1868 Bearbeiten Nach der Kamakura Zeit brachte erst die Einigung Japans unter der Militarherrschaft des Shōgunats der Tokugawa einen langeren stabilen Zustand des Friedens der auch die Edo Zeit einlautete Es wurden umfassende politische Reformen hin zu einer stark zentralisierten Verwaltung des Landes in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens durchgefuhrt Wenige Jahrzehnte nach Beginn dieser Massnahmen wurde ebenfalls die Abschliessung Japans umgesetzt die das Inselreich fur beinahe 200 Jahre fast vollstandig von allen ausseren Einflussen abschirmen sollte Begegnung mit der westlichen Philosophie Bearbeiten In der zweiten Halfte des 16 Jahrhunderts wurde mit Einfuhrung des Christentums in Japan durch die romisch katholische Mission auch erstmals die westliche Philosophie in Japan zumindest teilweise durch Ubersetzung von Klassikern wie Aristoteles De Anima Augustinus von Hippos Confessiones und Thomas von Aquins Summen die zur intellektuellen Auseinandersetzung mit buddhistischen Gelehrten benutzt wurden bekannt die zunachst mit anderen westlichen Ideen unter dem Namen yōgaku 洋学 etwa Westliche Lehren zusammengefasst wurden Nach dem Verbot des Christentums und der Abschliessung Japans erfolgte die Beschaftigung japanischer Denker mit der westlichen Lehre und auch Philosophie seit einem Edikt Tokugawa Yoshimunes von 1720 nur noch uber die zwar offiziell durchgefuhrten aber nicht offentlich betriebenen Rangaku Studien und ab der Bakumatsu Zeit durch die O yatoi gaikokujin Insbesondere die Deutsche Philosophie fand bei japanischen Gelehrten Anklang Aus der Spatzeit des Shōgunats stammt auch der 1862 von Nishi Amane 1829 1897 er studierte zwei Jahre an der Universitat Leiden und ubersetzte u a Immanuel Kants Vorlesungen zur Anthropologie gepragte Begriff kitetsugaku 希哲学 etwa Griechische klare Lehre zur Bezeichnung des abendlandischen Denkens in Abgrenzung zur ostlichen Philosophie Aus diesem Begriff wurde mit der Zeit durch Weglassung des Kanji fur griechisch schliesslich tetsugaku 哲学 was von da an der japanische Begriff fur Philosophie im Allgemeinen werden sollte Neo Konfuzianismus Bearbeiten Hauptartikel Neokonfuzianismus Fur die Aufgabe das japanische Reich nach dem Prinzip einer neuen Ordnung zu organisieren wurde auf die im 15 und 16 Jahrhundert hauptsachlich durch Zen Monche nach Japan gebrachten Texte des Neokonfuzianismus zuruckgegriffen So wurden bedeutende chinesische Autoren wie Zhu Xi und Wang Yangming rezipiert deren japanische Schuler als shushigaku 朱子学 und yōmeigaku 陽明学 bekannt wurden um die neuen Regeln fur eine verpflichtende und anders als im Buddhismus sakulare Sozialphilosophie zu erarbeiten sowie diese auch metaphysisch begrunden zu konnen eine Eigenschaft die dem schon immer auch in Japan verbreiteten Konfuzianismus noch gefehlt hatte Zwei Prozesse begunstigten dabei die allgemeine Entwicklung der Philosophie Zum einen galt es eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse insbesondere in den Naturwissenschaften in die bestehenden rationalen Weltbilder zu integrieren die trotz der Isolation Japans im Rahmen der Rangaku und in der Spatphase durch die O yatoi gaikokujin zustande kamen Wichtige Denker fur den so motivierten Neokonfuzianismus waren allen voran Vertreter der shushigaku so z B Fujiwara Seika 1561 1619 Hayashi Razan 1583 1657 Kaibara Ekken 1630 1714 und andere naturalistische Philosophen wie Miura Baien 1723 1789 die sich insbesondere mit dem Verhaltnis vom ordnenden bzw strukturierenden Prinzip des ri chin li und der Lebenskraft bzw materiell manifesten Energie ki chin qi beschaftigte Andererseits stieg insbesondere in den stadtischen Ballungszentren Kyōto Osaka und Edo das Interesse der Samurai und Kaufleute der Vierstandeordnung an eine Ethik und Moralphilosophie beinhaltenden hoheren Bildung Diese sollte ersteren in der Friedenszeit Positionen im japanischen Beamtentum sichern letzteren eine Anpassung ihres sozialen Niveaus an ihr rasant steigendes materiell wirtschaftliches Niveau ermoglichen Erste wichtige Vertreter dieser Richtung waren die Philosophen des Yangmingismus so z B Nakae Toju 1608 1648 Kumazawa Banzan 1619 1691 Oshio Chusai 1794 1837 und Sato Issai 1772 1859 Im Gegensatz zu den metaphysischen Neo Konfuzianisten der shushigaku und Yanmingismus entstand in diesem Kontext Ende des 17 bzw Anfang des 18 Jahrhunderts eine neue Schule 古学 kogaku etwa Lehre vom Alten die sich mithilfe intensiver philologischer und exegetischer Studien wieder den alten Texten des Konfuzianismus insbesondere den Analekten des Konfuzius widmete um daraus fur das japanische Volk angemessene Regeln der Tugend sowie Charakterbildung zu entwickeln und eine von Daoismus und Buddhismus gereinigte Lehre neu zu begrunden Bedeutende Vertreter dieser Schule waren u a Yamaga Sokō 1622 1685 der durch die Verbindung neokonfuzianistischer Werte mit militarischen Traditionen der Neubegrundung eine Krieger Ethik fur die Samurai in Friedenszeiten entwarf was in der Folge zur Entwicklung des sogenannten bushidō fuhrte Itō Jinsai 1627 1705 und Ogyu Sorai 1666 1728 Nationale Studien und Shintō Bearbeiten Hauptartikel Kokugaku Die methodologischen Ansatze der Lehre vom Alten der kogaku bereiteten indirekt die Entstehung der Lehre vom Land der kokugaku vor Diese quellenkritisch vorgehende Schule von Philologen konzentrierte sich weniger auf die wahre Bedeutung der chinesischen Klassiker als auf die Emanzipation von diesen durch die Heraushebung und Identifizierung der genuinen bzw reinen japanischen Klassiker der japanischen Geistesgeschichte wobei viele Vertreter ein hohes Mass an interpretatorischer Willkur und Mystifizierung walten liessen Sie bereiteten damit den in der Meiji Zeit aufkommenden japanischen Nationalismus theoretisch vor der letztlich in der Vergottlichung des Nationalwesens Japans kokutai im Staats Shintō gipfelte Insbesondere die neokonfuzianistisch inspirierte Sozial und Staatsphilosophie des in die Moderne eintretenden Japans sah im als rein japanisch konstruierten und gepriesenen Shintō nunmehr die ideale spirituelle Erganzung zur sakularen Organisation des neuen japanischen Nationalstaats Ahnliche ideologische Propaganda fur den japanischen Nationalstaat gab es in unterschiedlichen Auspragungen auch von Seiten des japanischen Buddhismus insbesondere des Nichiren Buddhismus Als Schule produzierte die kokugaku nur wenig genuin philosophische Ansatze war jedoch massgeblich fur die weitere philosophische Entwicklung in Japan bis zum Ende des II Weltkriegs Lediglich in der Kategorie Asthetik insbesondere der Poetologie zeitigte die kokugaku neue Ideen wie den von Motoori Norinaga erfundenen Begriff mono no aware und den neu interpretierten Begriff kokoro bzw shin etwa Herz und Verstand als einer allen Wesenheiten innewohnenden Disposition zur Sensibilitat die durch ernsthafte Dichtung oder religiose Betatigung in der gesamten wirklichen Welt freigelegt werden konne Moderne Bearbeiten Meiji Zeit bis Kriegsende Bearbeiten Mit der erzwungenen Offnung Japans fur den internationalen Freihandel durch die schwarzen Schiffe des US Commodore Matthew Perry war fur Japan die komplette Modernisierung der Gesellschaft eine unumgangliche Notwendigkeit geworden um der drohenden Kolonisierung durch die Westmachte zu entgehen die bereits einen Grossteil der asiatischen Nachbarn Japans unterworfen hatten Der damit verbundene schon zum Ende der Shōgunats Zeit massiv ansteigende und in der Meiji Zeit eine breite Schicht der Bevolkerung miteinbeziehende Import westlicher Erfindungen und Entdeckungen fuhrte in philosophischer Hinsicht zu einer erstmaligen aktiven und direkten Auseinandersetzung japanischer Denker mit westlichen Philosophien Dies geschah zuerst in den neu nach westlichem Vorbild eingerichteten Hochschulen an denen auch auslandische Professoren lehrten Die damals aktuellsten Denker und Philosophen der westlichen vor allem englischsprachigen Welt wurden zeitnah gleichzeitig ins Japanische ubersetzt und studiert darunter z B John Stuart Mill Jeremy Bentham Herbert Spencer und Charles Darwin Auch franzosische Philosophen wurden ins Englische ubersetzt so z B Jean Jacques Rousseau Montesquieu und Auguste Comte Die Rezeption westlicher Geistestradition vollzog sich auch in der liberal ausgerichteten Intellektuellengesellschaft Meirokusha Ihre Mitglieder stammten grosstenteils aus dem niederen Adel verfugten uber eine klassische Grundausbildung und waren mit den westlichen Sprachen vertraut Insbesondere zu der Zeit zu der die Meirokusha aufgrund liberaler Pressegesetze eine eigene Zeitschrift Meiroku zasshi herausgab Februar 1874 bis November 1875 war die Gesellschaft so etwas wie eine zentrale Anlaufstelle fur Fragen zur westlichen Kultur und Modernisierung Mit der Verscharfung der Pressegesetze und der Einstellung der Zeitung liess der intellektuelle Einfluss jedoch spurbar nach Mitglieder der Meirokusha trafen sich allerdings bis etwa 1900 noch mehr oder weniger regelmassig 4 Zu den herausragenden Denkern der Meiji Zeit gehoren Fukuzawa Yukichi 1835 1901 und Nishi Amane 1829 1897 Fukuzawa der vor allem auf politischer Ebene rezipiert wurde vertrat im Sinne Comtes ein historisches Fortschrittsdenken Er diagnostizierte dem feudalistischen Japan seiner Zeit eine Halbzivilisation auf die das Zeitalter des Liberalismus zu folgen habe in dem sich die Zivilisation vollenden wurde Nishi kann als der Begrunder der japanischen Philosophie gelten auf ihn geht auch der japanische Ausdruck fur Philosophie tetsugaku zuruck Er wandte sich ebenfalls gegen das traditionelle Denken vor allem gegen den an ein zyklisches Zeitverstandnis gekoppelten Neokonfuzianismus da dieser fur ein zeitlich lineares Fortschrittsdenken keine Begriffe zur Verfugung stellte Nishis Bemuhungen richteten sich darauf dem objektiven Wissen im Sinne der modernen Naturwissenschaften Autonomie gegenuber der neokonfuzianischen Verbindung von Wissen und Moral einzuraumen Die Verbindung von ethischem und ontologischem Wissen sah er als veraltet an ebenso die Forderung dass Wissen sich immer auf die sittliche Vervollkommnung zu beziehen habe Basierend auf utilitaristischen Grundsatzen betonte er hingegen das Recht des Individuums und das an den Fortschritt gekoppelte Versprechen auf Wissen Wohlstand und Gesundheit 5 Besonders die Kaiserlichen Universitaten waren stark durch die deutsche Philosophie beeinflusst An der Kaiserlichen Universitat Tokio heute Universitat Tokio war der deutsche Philosoph Ludwig Busse 1862 1907 Schuler von Rudolf Hermann Lotze Nachfolger des amerikanischen Philosophen Ernest Fenollosa 1853 1908 Er gab Vorlesungen uber Kants Kritik der reinen Vernunft machte den Neukantianismus bekannt und betonte die Wichtigkeit der Geschichte der Philosophie fur das Studium der Philosophie Die Meiji Regierung forderte die Auseinandersetzung mit dem deutschen Idealismus da sie in ihm ein Gegengewicht zu dem durch westliches Gedankengut erweckten liberalen Burgersinn sah 6 Busses Nachfolger am Lehrstuhl fur Philosophie an der Kaiserlichen Universitat Tokio war Raphael von Koeber 1848 1923 der uber Schopenhauer promoviert hatte und insbesondere dessen Ideen sowie die Philosophie des Mittelalters lehrte Mit dem Ende der Meiji Zeit kann die Phase der intensiven Aneignung westlicher Geistestraditionen als weitestgehend abgeschlossen angesehen werden Ab nun wurde eine kritische Auseinandersetzung mit der abendlandischen Kultur moglich Wichtige Positionen der in Japan betriebenen Philosophie in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts auch bekannt als Beginn der sogenannten modernen japanischen Philosophie bestanden zum einen in der Ubernahme von Ideen und Konzepten aus traditionellen ostlichen Philosophien und zum anderen in damit in Verbindung gebrachten westlichen vor allem zeitgenossischen philosophischen Stromungen wie des angelsachsischen Pragmatismus und Evolutionismus der utilitaristischen Ethik und Sozialphilosophie des Deutschen Idealismus der Husserlschen Phanomenologie der Jasperschen und Heideggerschen Existenzphilosophie sowie eines humanistisch ausgerichteten Neomarxismus Kyōto Schule Bearbeiten Hauptartikel Kyōto Schule Nishida Kitarō 1870 1945 gilt gemeinhin als einer der wichtigsten japanischen Philosophen der Moderne Um sein Wirken als Professor fur Philosophie an der Universitat Kyōto von 1914 bis Ende der 1920er Jahre herum formierte sich die erst ab 1932 sogenannte Kyōto Schule je nach Definition bestehend aus Nishida und seinen wichtigsten Schulern Tanabe Hajime 1885 1962 und Nishitani Keiji 1900 1990 oder auch im weitesten Verstandnis aus allen Schulern Nishidas und auch aus deren Schulern sowie der Schuler der Schuler usw Eines der zentralen von der Kyōto Schule behandelten philosophischen Themen ist das vom Absoluten Nichts zettai mu insbesondere unter Inbezugnahme der Philosophie des Reinen Land und Zen Buddhismus besonders durch die traditionellen Begriffe ku und mu einerseits und Ontologien in den Werken westlicher Denker z B von Meister Eckhart und Heidegger andererseits Andere Themen der Kyōto Schule waren und sind u a die Entwicklung einer Logik des Ortes basho einer Logik der Selbstidentitat absoluter Widerspruche die Idee eines subjektlosen Selbstbewusstseins jikaku und das Verhaltnis von Religion und Philosophie Die Kyōto Schule pragte mit der Vermittlung dieser Ideen fur mehrere Jahrzehnte die Rezeption der Philosophie in Japan im europaischen und amerikanischen Diskurs Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Kyōto Schule vermehrt unter Kritik durch ihre kulturrelativistische Philosophie Nationalismus Totalitarismus und Bellizismus im spaten Japanischen Kaiserreich legitimiert zu haben Nachkriegszeit bis Gegenwart Bearbeiten Die Nachkriegszeit seit der Kapitulation Japans hat in Japan eine Fulle verschiedener neuer philosophischer Ansatze gezeitigt von denen viele noch zu jung sind um ihre Relevanz fur die globale Geschichte der Philosophie angemessen und objektiv beurteilen zu konnen Genannt werden konnen aber z B intensive Auseinandersetzungen japanischer Philosophen mit der Wissenschaftstheorie die es in Anfangen schon zu Beginn der Meiji Zeit gegeben hatte die sich mit der Einfuhrung des Logischen Empirismus in Japan fortsetzte Ebenfalls erst nach Kriegsende beschaftigte man sich in Japan mit der Analytischen Philosophie Literatur BearbeitenLydia Brull Die japanische Philosophie Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989 2 Aufl 1993 ISBN 3 534 08489 6 Lydia Brull Philosophie japanische In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Band 3 Bibliographisches Institut Mannheim u a 1980 1996 ISBN 3 411 01603 5 Junko Hamada Japanische Philosophie nach 1868 Brill Leiden u a 1994 ISBN 90 04 09897 6 Nishida Kitarō Logik des Ortes der Anfang der modernen Philosophie in Japan Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999 ISBN 3 534 13703 5 Paul Luth Die japanische Philosophie Versuch einer Gesamtdarstellung unter Berucksichtigung der Anfange in Mythus und Religion Verlag J C B Mohr Tubingen 1944 Ralf Muller Dōgens Sprachdenken Historische und symboltheoretische Perspektiven Welten der Philosophie Verlag Karl Alber Freiburg 2013 ISBN 978 3 495 48610 8 rezensiert von Sascha Freyberg Zen und die Logik des Symbolbegriffs Zu Ralf Muller Dogens Sprachdenken Historische und systematische Perspektiven 2013 S 131 34 Yoshihiro Nitta Hrsg Japanische Beitrage zur Phanomenologie Karl Alber Verlag Freiburg i Br Munchen 1984 ISBN 3 495 47556 7 Ryōsuke Ōhashi Hrsg Die Philosophie der Kyoto Schule Text und Einfuhrung Karl Alber Verlag Freiburg i Br Munchen 1990 ISBN 3 495 47694 6 Gregor Paul Philosophie in Japan von den Anfangen bis zur Heian Zeit eine kritische Untersuchung Iudicium 1993 ISBN 3 89129 426 3 Peter Portner Jens Heise Die Philosophie Japans Von den Anfangen bis zur Gegenwart Kroners Taschenausgabe Band 431 Kroner Stuttgart 1995 ISBN 3 520 43101 7 Raji C Steineck Elena Louisa Lange Paulus Kaufmann Hrsg Begriff und Bild der modernen japanischen Philosophie frommann holzboog Stuttgart 2014 ISBN 978 3 7728 2629 0 Weblinks BearbeitenLutz Geldsetzer Japanische Philosophie Vorlesung im Wintersemester 1996 1997 an der Heinrich Heine Universitat Dusseldorf Gregor Paul Zur jungeren Rezeption japanischer Philosophie im deutschsprachigen Raum Mission systematische Missverstandnisse Klischees und Vorurteile 1999 www japanese philosophy org Website von Ralf Muller zur Sammlung allgemeiner Informationen zu japanischer Philosophie hauptsachlich in Englisch mit Bibliographien Thomas P Kasulis Japanese philosophy Artikelserie in der Routledge Encyclopedia of Philosophy Englisch Thomas Kasulis Japanese Philosophy In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Einzelnachweise Bearbeiten Zitiert nach Gregor Paul 1993 S 51 Zitiert nach Gregor Paul 1993 S 273 Vgl Muller 2013 S 322 367 fur eine umfassende Analyse des Sprachdenkens Dōgens vgl ebd S 241 321 Gregor Paul Redaktion Meirokusha 明六社 und Meiroku zasshi 明六雑誌 Memento vom 27 September 2007 im Internet Archive Vgl Peter Portner und Jens Heise Die Philosophie Japans von den Anfangen bis zur Gegenwart Stuttgart 1995 S 325 332 Vgl Peter Portner und Jens Heise Die Philosophie Japans von den Anfangen bis zur Gegenwart Stuttgart 1995 S 335f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Philosophie in Japan amp oldid 238085589