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Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten lateinisch tertium non datur wortlich ein Drittes ist nicht gegeben oder ein Drittes gibt es nicht englisch Law of the Excluded Middle LEM oder Prinzip des zwischen zwei kontradiktorischen Gegensatzen stehenden ausgeschlossenen Mittleren lat principium exclusi tertii sive medii inter duo contradictoria 1 ist ein logisches Grundprinzip und Axiom das besagt dass fur eine beliebige Aussage nur die Aussage selbst oder ihr komplementares Gegenteil gelten kann eine dritte Moglichkeit also dass lediglich etwas Mittleres gilt das weder die Aussage ist noch ihr Gegenteil sondern irgendetwas dazwischen kann es nicht geben In der modernen formalen Logik besagt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten dass fur eine beliebige Aussage P displaystyle P die Aussage P P displaystyle P lor neg P P displaystyle P oder nicht P displaystyle P gilt Dieser Grundsatz ist zu unterscheiden vom Prinzip der Zweiwertigkeit das aussagt dass jede Aussage entweder wahr oder falsch ist d h dass semantisch jeder Formel genau einer von zwei Wahrheitswerten zugewiesen wird im Unterschied zur mehrwertigen Logik Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten darf nicht verwechselt werden mit dem Satz vom Widerspruch der besagt dass eine Aussage und ihr Gegenteil nicht gleichzeitig gelten konnen d h dass fur eine beliebige Aussage P displaystyle P die Aussage P P displaystyle neg P wedge neg P nicht gleichzeitig P displaystyle P und nicht P displaystyle P gilt Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten fur sich genommen verhalt sich neutral zu dieser Behauptung Sofern jedoch zusatzlich die Schlussregeln der klassischen Logik und insbesondere das Gesetz der doppelten Negation zur Verfugung stehen so folgt der eine Satz trivial aus dem anderen und umgekehrt Inhaltsverzeichnis 1 Logik 1 1 Interpretation 1 2 Abgrenzung 2 Philosophie 3 Ablehnung 4 Volkstumliche Formulierung 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseLogik BearbeitenIn der modernen formalen Logik bezieht sich der Satz vom ausgeschlossenen Dritten auf eine Aussage und deren Satzverneinung Er besagt dass fur eine beliebige Aussage P die Aussage P P displaystyle P lor neg P nbsp P oder nicht P gilt Das bekannteste logische System in dem der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt ist die klassische Logik Wenn z B P die Aussage Hans ist blond bezeichnet dann gilt die Disjunktion Hans ist blond oder es ist nicht der Fall dass Hans blond ist Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten sagt jedoch nichts daruber aus ob P selbst gilt oder nicht Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist nicht auf zweiwertige Logiken beschrankt es gibt auch einige mehrwertige Logiken in denen er gilt Umgekehrt gibt es jedoch auch zwei und mehrwertige Logiken in denen er nicht gilt Einige Schlussregelkalkule in denen er nicht gilt ersetzen die Regel A A displaystyle neg neg A to A nbsp durch die schwachere A A B displaystyle A land neg A to B nbsp ex falso quodlibet Interpretation Bearbeiten Interpretiert man den Satz vom ausgeschlossenen Dritten innerhalb der klassischen Logik mit einer zweiwertigen Booleschen Algebra dann ist er eine Tautologie also unabhangig von der Wahl von P displaystyle P nbsp und unabhangig von dessen innerer Struktur wahr In logischen Systemen in denen die atomaren Satze und die Junktoren Konnektive anders interpretiert werden ist dies nicht notwendigerweise der Fall Zum Beispiel interpretiert die intuitionistische Logik die Aussage G G displaystyle G lor neg G nbsp als die Existenz eines Beweises oder einer Widerlegung fur die Aussage G Da sehr viele konkrete Aussagen z B die Kontinuumshypothese weder beweisbar noch widerlegbar sind gilt bei dieser Interpretation Tertium non datur nicht allgemein Entsprechend sind Kalkule fur solche logischen Systeme so konstruiert dass der Satz G G displaystyle G lor neg G nbsp dort nicht gilt Umgekehrt kann man den Satz vom ausgeschlossenen Dritten in solchen Logiken bei Bedarf zusatzlich voraussetzen Damit ist eine solche Logik allgemeiner und erlaubt mehr Interpretationen als die klassische Eine dieser Interpretationen ist der Curry Howard Isomorphismus der sich speziell im Bereich des maschinengestutzten Beweisens auch praktisch als tragfahig erwiesen hat Abgrenzung Bearbeiten Ob innerhalb eines bestimmten logischen Systems der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt kann anhand des zugrundegelegten Kalkuls rein formal untersucht werden Von dieser rein formalen Fragestellung klar zu unterscheiden sind philosophische Fragestellungen z B die metaphysische Frage durch welche Art von logischem System mit oder ohne Tertium non datur sich die Wirklichkeit beschreiben lasst oder die pragmatische Frage mit welcher Art von logischem System sich etwa die Mathematik moglichst einfach vorantreiben lasst Hinsichtlich dieser Fragen wurden unter anderem im Grundlagenstreit rege Diskussionen gefuhrt Philosophie BearbeitenDer Satz vom ausgeschlossenen Dritten hat eine lange philosophiegeschichtliche Tradition in der traditionellen Logik gilt er als allgemein anerkanntes drittes Gesetz des Denkens und wird teils als ontologisches teils als erkenntnistheoretisches Prinzip angesehen Als ontologisches Prinzip bedeutet er dass es zwischen Sein und Nichtsein kein Drittes gibt 2 Den ersten gut bekannten Einwand gegen die Allgemeingultigkeit des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten lieferte Aristoteles De interpretatione Kapitel 7 9 Sein Argument ist dass fur Aussagen uber die Zukunft wie den Satz Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten nicht gelte weil der Verlauf der Zukunft noch offen sei und eine Aussage uber Zukunftiges daher weder wahr noch falsch sein konne Ablehnung BearbeitenWer den Satz oder das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten ablehnt oder kritisiert behauptet nicht notwendig dass es etwas Drittes gibt sondern er lehnt logische Schlusse ab bei denen man aus der Logik und nicht aus den Tatsachen uber den jeweiligen wissenschaftlichen Gegenstand etwas fur wahr oder existent halt Eine solche Kritik wurde zu Beginn des 20 Jahrhunderts sehr polemisch geaussert Der Mathematiker Logiker und Philosoph Luitzen Egbertus Jan Brouwer kritisierte besonders aus dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten ableitbare Aussagen der Form Wenn fur kein x gilt nicht A x dann gilt fur alle x A x Brouwer stellte intuitionistische Logikkalkule auf in denen der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht ableitbar ist Relevant wird eine Ablehnung des Satzes bezuglich der Mathematik bei Aussagen uber Unendliches und ausserhalb der Mathematik bezuglich zukunftiger oder vergangener Ereignisse wenn man von Wahrheit als gesichertem Wissen ausgeht siehe auch Methodischer Konstruktivismus Ein Beispiel ist die Behauptung Entweder war die Welt schon immer da oder sie hat irgendwann angefangen die den Satz vom ausgeschlossenen Dritten braucht um nach diesem Wahrheitsverstandnis wahr zu sein Eine innermathematisch pragmatische Ablehnung ist dann notig wenn man etwa das Werkzeug der intuitionistischen Logik dafur einsetzen will uber komplexe Objekte in einfacher Weise sprechen zu konnen So schreibt etwa Ieke Moerdijk In the first half of this century the interest in intuitionistic logic and mathematics was mainly of a philosophical and foundational nature More recently it has become apparent that intuitionistic logic or some variant thereof is often the right logic to use in theories of computing And intuitionistic logic has been shown to be more intimately connected to mainstream mathematics through the stunning discovery by F W Lawvere and M Tierney that Grothendieck s sheaf theory and intuitionistic set theory are essentially the same thing In der ersten Halfte dieses Jahrhunderts war das Interesse an intuitionistischer Logik und Mathematik hauptsachlich philosophischer und grundlegender Natur In jungerer Zeit hat sich gezeigt dass die intuitionistische Logik oder eine Variante davon oft die richtige Logik fur die Berechenbarkeitstheorie ist Und es hat sich gezeigt dass die intuitionistische Logik durch die verbluffende Entdeckung von F W Lawvere und M Tierney dass Grothendiecks Garbentheorie und die intuitionistische Mengenlehre im Wesentlichen dasselbe sind noch enger mit der Mainstream Mathematik verbunden ist Ieke Moerdijk Bull Amer Math Soc N S 22 2 301 304 1990 Ein interessantes Problem hierbei ist dass das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten durch Axiome der Mengenlehre beweisbar werden kann auch wenn die zugrundeliegende Logik allein das Prinzip nicht zur Verfugung stellt Auf das Auswahlaxiom muss deshalb in der Regel verzichtet werden und an die Stelle der ublichen Formulierungen des Fundierungsaxioms tritt die Forderung dass Epsilon Induktion moglich ist Volkstumliche Formulierung BearbeitenEine volkstumliche Formulierung des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten findet sich in der scherzhaften Bauernregel Wenn der Hahn kraht auf dem Mist andert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist Siehe auch BearbeitenSatz von Diaconescu Goodman Myhill Satz der Identitat Identitat Logik Literatur BearbeitenLuitzen Egbertus Jan Brouwer Begrundung der Mengenlehre unabhangig vom logischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten Erster Teil Allgemeine Mengenlehre In Koninklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam Verhandelingen 1e sectie deel XII no 5 1918 1 43Einzelnachweise Bearbeiten Vgl auch Friedrich Kirchner Worterbuch der philosophischen Grundbegriffe 1907 Principium exclusi tertii seu medii inter duo contradictoria Vgl Thomas Zoglauer Einfuhrung in die formale Logik fur Philosophen 1999 S 25 Normdaten Sachbegriff GND 4179179 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Satz vom ausgeschlossenen Dritten amp oldid 229495249