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Die Grundlagenkrise der Mathematik war eine Phase der Verunsicherung der mathematischen Offentlichkeit zu Anfang des 20 Jahrhunderts beginnend mit der Publikation der Russellschen Antinomie 1903 und endend um das Jahr 1930 In den 1920er Jahren gipfelte die Krise im Grundlagenstreit der Mathematik der im Wesentlichen vom Hauptvertreter des Formalismus David Hilbert und von dem des Intuitionismus L E J Brouwer ausgetragen wurde Am Ende dieses Erkenntnisstreites hat sich der Eindruck durchgesetzt dass die klassische Mathematik ihre Grundlagenprobleme uberwunden hat und sich ohne Einschnitte in ihren Bestand zur modernen Mathematik erweitern kann die etwa bei den Rechnernetzen der Wettervorhersage in der Anlagensteuerung samt Raumfahrt sowie Werkstoffforschung einen Siegeszug ohnegleichen angetreten hat Insbesondere hat sich gezeigt dass der Beweis durch Widerspruch unter Ausnutzung des Prinzips des zwischen zwei kontradiktorischen Gegensatzen stehenden ausgeschlossenen Mittleren Satz vom ausgeschlossenen Dritten ein tragfahiges und erfolgreiches Beweisverfahren bleibt Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte und Ausloser der Krise 2 Logizismus 3 Formalismus 4 Intuitionismus 5 Der Grundlagenstreit zwischen Intuitionismus und Formalismus 5 1 Weyls Auftritt Hilberts Reaktion 5 2 Brouwers Ausschluss aus dem Herausgebergremium der Mathematischen Annalen 5 3 Brouwers Ruckzug 5 4 Ende des Streits 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVorgeschichte und Ausloser der Krise BearbeitenAls erste Grundlagenkrise der Mathematik wurde fruher die Entdeckung der Irrationalzahlen und damit der Inkommensurabilitat durch den Pythagoreer Hippasos von Metapont bezeichnet Man ging davon aus dass dadurch eine zuvor herrschende fundamentale Uberzeugung beseitigt worden sei wonach alle Phanomene als ganzzahlige Zahlenverhaltnisse ausdruckbar seien und es somit keine Inkommensurabilitat geben konne Tatsachlich ist jedoch die Existenz einer solchen Uberzeugung bei den fruhen Pythagoreern nicht belegt Daher gibt es keinen Grund eine mathematische oder philosophische Krise durch die Entdeckung anzunehmen vielmehr sprechen deutliche Indizien dagegen 1 Gelegentlich wird auch die Unsicherheit der Mathematiker im 18 und fruhen 19 Jahrhundert beim Rechnen mit infinitesimalen Grossen als Grundlagenkrise betrachtet Die Bezeichnung Grundlagenkrise verdient dieser Vorlaufer jedoch insofern nicht als damals noch kein Grundlagenbewusstsein in der mathematischen Offentlichkeit bestand Dieses Bewusstsein entwickelte sich erst in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts in der Folge der Entdeckung der nicht euklidischen Geometrien Durch diese wurde erstmals deutlich dass es nicht nur eine Mathematik sondern mehrere unterschiedliche Mathematiken geben kann dass gewisse Satze in einem Mathematiksystem wahr in einem anderen falsch sein konnen Man begann dadurch starker darauf zu achten in welchem System man sich gerade bewegte bzw bemuhte sich verstarkt das jeweilige System greifbar zu machen etwa indem man es nach euklidischem Vorbild axiomatisierte Wahrend Giuseppe Peano die Arithmetik der naturlichen Zahlen und Moritz Pasch und David Hilbert die Geometrie auf eine zeitgemasse axiomatische Grundlage gestellt hatten versuchte sich Gottlob Frege an einem grossen Wurf Er schrieb seine Grundgesetze der Arithmetik die der gesamten Mathematik also unter anderem auch der Analysis und der Cantorschen Mengenlehre eine Grundlage geben sollten und zwar eine rein logische keinerlei mathematische Symbolik enthaltende Grundlage Frege war damit der Begrunder des Logizismus Doch schon die im ersten Band der Grundgesetze von 1893 angegebenen Axiome waren inkonsistent aus ihnen liess sich die beruhmte Russellsche Antinomie ableiten worauf ihr Entdecker Bertrand Russell Frege 1902 in einem Brief hinwies Diese Antinomie fand zwar nicht bei allen Mathematikern eine solche Beachtung dass man von einem durchgehenden Krisenbewusstsein sprechen konnte aber fur all jene die sich mit Fragen der Grundlegung und Axiomatik befassten war ihre Entdeckung einschneidend Nicht nur war dadurch Freges Versuch als gescheitert anzusehen sondern die Antinomie betraf besonders die sogenannte naive Mengenlehre die von Georg Cantor um 1880 zur Grundlage der gesamten Mathematik ausgebaut worden war Cantor selbst war erklarter Platoniker er war also der Auffassung dass die Mengen und alle anderen daraus bildbaren mathematischen Gegenstande ontologische Realitaten sind die unabhangig vom betrachtenden Subjekt in einer eigenen rein geistigen Seinssphare objektiv existieren Diese Auffassung war nun tief erschuttert denn an jener Menge die Russell als widerspruchsvoll erwies war aus Sicht der naiven Mengenlehre zunachst einmal nichts auszusetzen doch konnte ihr wegen ihrer Widerspruchlichkeit keine ontologische Realitat zugesprochen werden Daraus resultierte die Frage einer Grenzziehung zwischen widerspruchsfreien und widerspruchsvollen Mengen ein weiteres Motiv fur das axiomatische Programm und die Einsicht dass die philosophische Betrachtung mathematischer Gegenstande als objektive geistige Wirklichkeiten nicht unreflektiert vorausgesetzt werden darf Wahrend Frege sein Programm daraufhin nicht mehr weiterverfolgte versuchten sich andere an alternativen Grundlegungen der Mathematik Diese Versuche werden ublicherweise in drei Schulen eingeteilt Logizismus Bearbeiten Hauptartikel Logizismus Russell und A N Whitehead legten mit den Principia Mathematica PM zwischen 1910 und 1913 ein dreibandiges Werk vor worin sie wie schon Frege versuchten alle mathematischen Begriffe auf logische zuruckzufuhren und die grundlegenden Satze auf der Grundlage von Axiomen streng logisch zu beweisen Antinomien wie die Russellsche vermieden sie durch einen stufenweisen Aufbau die sogenannte Typentheorie Diese Stufung erscheint allerdings nicht als logisch zwingend sondern eher als eine ontologische Behauptung uber die Welt der logischen Gegenstande Solche ontologischen Momente wurden in den PM besonders deutlich im Unendlichkeitsaxiom Es gibt unendliche Mengen und im Reduzibilitatsaxiom Diese Axiome wurden vielfach als nicht logisch evident und somit nicht ins Programm des Logizismus passend kritisiert Das Scheitern des Logizismus fur die Mathematik wurde in ihnen explizit Die PM bildeten im weiteren Verlauf der Grundlagenkrise trotzdem einen wichtigen Bezugspunkt weil sie verglichen mit Freges Begriffsschrift eine einfachere logische Notation einfuhrten und in der Rigorositat der formalen Beweisfuhrung vorbildlich waren Insofern dieser Grundlegungsversuch aber aufgrund seines Umfangs kaum von einem einzelnen Leser zu bewaltigen war und er daruber hinaus an einigen Stellen im Sinne des Logizismus unplausibel erschien kann man in ihrer Stellung als Standardwerk der damaligen Zeit ein Symptom der Grundlagenkrise sehen Man nahm die PM trotz aller Schwierigkeiten zur Hand denn es gab nichts Besseres Formalismus Bearbeiten Hauptartikel Formalismus Mathematik Der Formalismus betonte gegenuber dem Logizismus die Eigenstandigkeit der Mathematik strebte also von vornherein keine Zuruckfuhrung auf die Logik an Inwiefern die Gegenstande der Mathematik eine eigene Seinssphare bilden wollte der Formalismus angesichts der Antinomien nicht thematisieren er war vielmehr anti ontologisch ausgerichtet und zog sich auf den Standpunkt zuruck mathematische Gegenstande existierten nur als Zeichen auf dem Papier an der Tafel Das freie Operieren mit Zeichen nach vorgegebenen mathematisch logischen Regeln und Axiomen sei gerechtfertigt durch den Anwendungserfolg der Mathematik und nur in einer Hinsicht zu beschranken Das Operieren durfe keine Widerspruche erzeugen Der Formalismus forderte darum Axiomensysteme stets als widerspruchsfrei zu beweisen Solche Beweise konnten nur gefuhrt werden im Rahmen einer neuen mathematischen Disziplin der Metamathematik welche die Axiomensysteme zum Gegenstand nimmt Hauptvertreter von Formalismus und metamathematischem Programm war David Hilbert der seine schon 1900 beim Mathematik Kongress in Paris formulierte Forderung nach Widerspruchsfreiheitsbeweisen durch die Russellsche Antinomie bestatigt sehen konnte und seine Prinzipien der Metamathematik als sogenanntes Hilbertprogramm in diversen Aufsatzen formulierte Hilbert gilt auch aufgrund vieler Arbeiten in anderen Gebieten der Mathematik als einflussreichster Mathematiker des ersten Drittels des 20 Jahrhunderts Neben Hilberts eigener Axiomatisierung der Geometrie 1899 war die Axiomatisierung der Mengenlehre durch Hilberts Schuler Ernst Zermelo 1907 bedeutend allerdings wurde sie zunachst kaum als Grundlegungsversuch der gesamten Mathematik wahrgenommen zumal der laut Zermelo erforderliche Nachweis der Widerspruchsfreiheit seiner Axiome in weiter Ferne lag und konnte sich erst nach den Erganzungen durch A A Fraenkel 1921 und Thoralf Skolem 1929 zur sogenannten Zermelo Fraenkelschen Mengenlehre als Standardgrundlegung der Mathematik durchsetzen und damit die PM verdrangen Intuitionismus Bearbeiten Hauptartikel Intuitionismus Logik und Mathematik Gegenuber dem Formalismus behauptete der Intuitionismus dass die mathematischen Gegenstande mehr seien als blosse Zeichen Allerdings verortete er die Gegenstande nicht in einer vom Menschen unabhangigen Seinssphare wie der Platonismus sondern sagte sie existierten ausschliesslich im menschlichen Geist in der Intuition sobald diese sie erzeugt Die geistige Erzeugung sei keinesfalls eine sprachliche und somit auch keine auf Logik reduzierbare Die sprachlichen Zeichen und die logische Symbolik seien lediglich als Reprasentanten der geistigen Gegenstande gerechtfertigt Die formalistische Auffassung kritisierte der Intuitionismus als leeres Spiel von Zeichen welche haufig gar keine mathematischen Gegenstande bzw keine geistigen Operationen reprasentierten Insbesondere die Gegenstande der transfiniten Mengenlehre also unendliche Mengen gelten ihm als verdachtig er neigt bezuglich des Unendlichen mehr zur Auffassung der potentiellen als der der aktualen Unendlichkeit Wahrend dies eine eher philosophische Frage ist hatte die Kritik am logischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten der laut Intuitionismus keine Entsprechung im geistigen Operieren hat und somit ungerechtfertigt ist drastische Auswirkungen auf die Mathematik da es sich bei ihm um ein wichtiges Beweisprinzip handelt Der Hauptvertreter des Intuitionismus L E J Brouwer entwickelte darum eine Mengenlehre unabhangig vom Satz vom ausgeschlossenen Dritten und stellte diese in mehreren Aufsatzen ab 1918 der Offentlichkeit vor Da diese Ausarbeitungen des intuitionistischen Grundlegungsversuchs sehr technisch gehalten waren und daher praktisch keine Wirkung erzielen konnten mussen als Grunde dafur dass um den Intuitionismus ein Grundlagenstreit entbrannte die charismatische und polarisierende Personlichkeit Brouwers und die Tatsache herangezogen werden dass in den ersten Jahren nach dem Weltkrieg die mathematische Offentlichkeit einer formalistischen Auffassung der Mathematik mehrheitlich ablehnend gegenuberstand Der Grundlagenstreit zwischen Intuitionismus und Formalismus BearbeitenWeyls Auftritt Hilberts Reaktion Bearbeiten Wahrend Brouwers Veroffentlichungen selbst wenig Resonanz erfuhren gilt der Aufsatz Uber die neue Grundlagenkrise in der Mathematik von Hermann Weyl aus dem Jahr 1921 als Ausloser des Grundlagenstreits Weyl war nach einem Zusammentreffen tief beeindruckt von Brouwers Personlichkeit wie von dessen Intuitionismus und machte sich in dem teilweise polemisch gehaltenen Aufsatz zu dessen Vertreter indem er erklarte Brouwer das ist die Revolution 2 Weyls Lehrer Hilbert reagierte auf diesen von ihm sicherlich auch als personlich empfundenen Angriff im Jahr darauf ebenso heftig er bezichtigte Weyl und Brouwer eines Putschversuchs 3 Um Cantors Paradies vor diesem zu retten nahm er sein metamathematisches Programm wieder auf zu welchem er in den 1910er Jahren nichts weiter publiziert hatte Die folgenden Jahre waren gepragt von einer stetig wachsenden Zahl an Aufsatzen von immer mehr Autoren in immer mehr Sprachen die den Streit zwischen Intuitionismus und Formalismus in der mathematischen Offentlichkeit verbreiteten Hesseling 4 hat uber 250 wissenschaftliche Arbeiten gezahlt die in den 1920er und fruhen 1930er Jahren auf die Auseinandersetzung reagierten Schwierigkeiten die beiden Positionen uberhaupt nur auf den Punkt zu bringen gab es dabei mehrere Zum Intuitionismus gab es keine umfassendere verstandliche Darstellung Brouwers philosophische Position war nur auf Hollandisch publiziert seine Kritik an der klassischen Mathematik uber diverse teilweise schwer lesbare Schriften verteilt und Weyls Darstellung in seinem Aufsatz gab Brouwers Ansichten nur bedingt wieder Das formalistisch metamathematische Programm Hilberts war gerade erst im Entstehen Inwiefern Widerspruchsfreiheitsbeweise fur die Arithmetik und die Mengenlehre uberhaupt moglich waren war schwer einzuschatzen Durch die rege Publikationstatigkeit des Hilbertkreises u a erbrachte sein Schuler Wilhelm Ackermann 1925 einen Widerspruchsfreiheitsbeweis fur den Satz vom ausgeschlossenen Dritten wuchs allmahlich das Vertrauen in Hilberts Rettungsversuch Gleichzeitig litt die anfangliche Sympathie fur den Intuitionismus unter den allmahlich deutlicher werdenden Konsequenzen die die von ihm geforderten Beschneidungen am Gesamtbau der Mathematik und damit auch ihre Anwendbarkeit gehabt hatten So stellte auch Weyl bereits 1924 fest der Anwendungsaspekt der Mathematik spreche fur Hilbert 5 Brouwers Ausschluss aus dem Herausgebergremium der Mathematischen Annalen Bearbeiten Eine Vorentscheidung fiel im Jahr 1928 Zum internationalen Mathematikerkongress in Bologna waren erstmals seit dem Weltkrieg auch wieder Mathematiker aus Deutschland eingeladen sie waren allerdings weiterhin nicht stimmberechtigt Der Hollander Brouwer solidarisierte sich mit den Deutschen und rief sie im Vorfeld zum Boykott des Kongresses auf Dieser Aufruf fand jedoch nur bei wenigen nationalistisch gesinnten deutschen Mathematikern ein positives Echo mehrheitlich entschieden sie sich fur die Teilnahme was auch von Hilbert deutlich befurwortet wurde So bildeten die Deutschen in Bologna nach den Italienern die zweitgrosste Gruppe und Hilbert hielt einen Vortrag uber sein formalistisches Grundlegungsprogramm ohne dass Brouwer etwas entgegensetzen konnte er war gar nicht erst angereist Den Boykottaufruf Brouwers musste Hilbert als Versuch werten ihm auf politischem Wege die fuhrende Rolle unter den Mathematikern streitig zu machen Er reagierte darauf wenige Tage nach dem Bologna Kongress durch eine wissenschaftspolitisch wohl bis heute einmalige Massnahme Hilbert war einer der drei Hauptherausgeber der Mathematischen Annalen der damals bedeutendsten Fachzeitschrift Brouwer war einer von mehreren Mitherausgebern Ohne dies mit den beiden anderen Hauptherausgebern abzustimmen teilte Hilbert Brouwer in einem Brief mit er werde aus der Mitherausgeberschaft ausgeschlossen Dies sorgte zwar fur grossere Irritationen so dass daraufhin die gesamte Herausgeberschaft der Annalen neu gebildet werden musste doch Hilberts Willen Brouwer auszuschliessen wurde entsprochen 6 Dass Brouwer nach 1928 fur viele Jahre nichts mehr zum Intuitionismus publizierte kann wohl auf seine Frustration wegen der Ausbootung zuruckgefuhrt werden Brouwers Ruckzug Bearbeiten Nach dem Ruckzug Brouwers trat das intuitionistische Grundlegungsprogramm in der offentlichen Diskussion mehr und mehr in den Hintergrund als Thema blieb die Frage inwiefern der Formalismus eine hinreichende Rechtfertigung der gangigen mathematischen Praxis biete Dem zunehmenden Optimismus in dieser Frage erteilten Godels Unvollstandigkeitssatze einen Dampfer jedoch bedeuteten sie keineswegs das Ende des Hilbertprogramms sondern machten lediglich eine Modifikation des Programms erforderlich Die im Hilbertprogramm fussende Beweistheorie entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem sehr fruchtbaren Teil der mathematischen Grundlagenforschung sie stellt heute eine wichtige Nahtstelle zwischen Philosophie und Mathematik dar insofern ihre rigorose Methode mathematischen Anspruchen vollauf genugt ihre hauptsachliche Fragestellung aber eine philosophisch wissenschaftstheoretische ist Welche logischen Voraussetzungen und welche Axiome brauche ich mindestens um den und den Satz beweisen zu konnen Ob diese Voraussetzungen wie es Hilbert im Sinn hatte vom intuitionistischen oder allgemeiner von einem nichtplatonischen Standpunkt aus gerechtfertigt werden konnen kummert heutige Beweistheoretiker allerdings weniger diese Fragen uberlassen sie meistens den echten Philosophen Ende des Streits Bearbeiten Godel erwahnte seine Unvollstandigkeitsergebnisse die er 1931 veroffentlichte bereits bei einer wissenschaftsphilosophischen Tagung in Konigsberg im Herbst 1930 die vielleicht als eine Art Abschluss der Grundlagenkrise gesehen werden kann Dort sprachen Rudolf Carnap uber den Logizismus Arend Heyting uber den Intuitionismus und Johann von Neumann uber den Formalismus und alle drei Referenten wahlten einen betont versohnlichen Stil 7 Moglich geworden war dieses Aufeinanderzugehen durch die Einsicht dass alle Parteien in den Jahrzehnten zuvor ihren Beitrag geleistet hatten um sich uber das Problem zunachst klar zu werden dann nach Losungen zu suchen sich so letztlich uber die Grundlagen der Mathematik wieder hinreichend sicher sein zu konnen und damit die Krisenstimmung zu beenden Der Logizismus hatte erfolgreich fur die Einsicht gestritten dass sich jedes mathematische Schliessen letztlich auf logisches Schliessen zuruckfuhren lasst was die Durchsichtigkeit mathematischen Schliessens sehr erhohte dies hatte der Formalismus aufgegriffen sich aber von dem gescheiterten Versuch distanziert auch die mathematischen Gegenstande Zahlen Mengen auf rein logische Gegenstande zuruckzufuhren Der Intuitionismus hatte dann die fruhe formalistische Axiomatik kritisiert mit dem Hinweis dass es einen uber jeden Zweifel erhabenen absolut sicheren Kern der Mathematik gebe die finite Arithmetik namlich uber den jeder Mathematiker verfuge ohne dass hierzu irgendeine axiomatische oder sonst wie sprachlich logische Aufarbeitung notig sei Diese Einsicht griff Hilbert in seinem Programm auf das darin bestand ausschliesslich mit Mitteln der finiten Arithmetik die Widerspruchsfreiheit der infiniten Mathematik zu beweisen Auch wenn dies bis heute nicht befriedigend gelungen ist so hat doch die metamathematische Reflexion auf die Grundlagen in ihrer Vielzahl sehr differenzierter Ergebnisse dazu gefuhrt dass heute die Angst vor neuen Antinomien gering geworden ist Die Godelschen Unvollstandigkeitssatze bleiben aber gultig Restlose Gewissheit hinsichtlich der Widerspruchsfreiheit der Axiomensysteme von wesentlichen Teilen der Mathematik wie der Arithmetik ist nicht zu erlangen Literatur BearbeitenKlassikerRudolf Carnap 1931 Die logizistische Grundlegung der Mathematik Erkenntnis 2 91 105 Arend Heyting 1931 Die intuitionistische Grundlegung der Mathematik Erkenntnis 2 106 115 John von Neumann 1931 Die formalistische Grundlegung der Mathematik Erkenntnis 2 116 121 David Hilbert 1922 Neubegrundung der Mathematik Erste Mitteilung Abhandlungen aus dem Seminar der Hamburgischen Universitat 1 157 177 David Hilbert 1928 Die Grundlagen der Mathematik Abhandlungen aus dem Seminar der Hamburgischen Universitat 6 65 85 Hermann Weyl 1921 Uber die neue Grundlagenkrise der Mathematik Mathematische Zeitschrift 10 39 79 Hermann Weyl 1924 Randbemerkungen zu Hauptproblemen der Mathematik Mathematische Zeitschrift 20 131 150 SekundarliteraturPaul Benacerraf Hilary Putnam Hgg Philosophy of Mathematics Cambridge University Press 2 A 1983 M Detlefsen Hilbert s Program Dordrecht 1986 Dirk van Dalen 1990 The War of the Frogs and the Mice or the Crisis of the Mathematische Annalen The Mathematical Intelligencer 12 17 31 Hesseling Dennis E 2003 Gnomes in the fog the reception of Brouwer s intuitionism in the 1920s Birkhauser Basel 2003 Christian Thiel 1972 Grundlagenkrise und Grundlagenstreit Studie uber das normative Fundament der Wissenschaften am Beispiel von Mathematik und Sozialwissenschaft Hain Meisenheim am Glan 1972 Herbert Mehrtens 1990 Moderne Sprache Mathematik Eine Geschichte des Streits um die Grundlagen der Disziplin und des Subjekts formaler Systeme Frankfurt a M Suhrkamp 1990 Stuart Shapiro Thinking About Mathematics Oxford OUP 2000 v a Kap 6 Formalism und 7 Intuitionism Weblinks BearbeitenUmfangreiche online Dokumentation zur Geschichte des Grundlagenstreits in der Mathematik Wozu Philosophie der Mathematik Einzelnachweise Bearbeiten Der Annahme einer antiken Grundlagenkrise der Mathematik bzw der Philosophie der Mathematik widerspricht Walter Burkert Weisheit und Wissenschaft Studien zu Pythagoras Philolaos und Platon Nurnberg 1962 S 431 440 Zum selben Ergebnis kommen Leonid Zhmud Wissenschaft Philosophie und Religion im fruhen Pythagoreismus Berlin 1997 S 170 175 David H Fowler The Mathematics of Plato s Academy Oxford 1987 S 302 308 und Hans Joachim Waschkies Anfange der Arithmetik im Alten Orient und bei den Griechen Amsterdam 1989 S 311 und Anm 23 Die Hypothese einer Krise oder gar Grundlagenkrise wird in der heutigen Fachliteratur zur antiken Mathematik einhellig abgelehnt Weyl 1921 S 56 Hilbert 1922 S 160 Hesseling 2003 S 346 Weyl 1924 S 149f Der Verlauf der Affare ist in v Dalen 1990 ausfuhrlich nachgezeichnet s Carnap 1931 Heyting 1931 v Neumann 1931 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grundlagenkrise der Mathematik amp oldid 235998520