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In der Logik gilt eine Menge von Aussagen als konsistent oder widerspruchsfrei wenn aus ihr kein Widerspruch abgeleitet werden kann also kein Ausdruck und zugleich dessen Negation Da man mit inkonsistenten Aussagenmengen Beliebiges beweisen konnte auch Unsinniges ist die Widerspruchsfreiheit unerlasslich fur brauchbare wissenschaftliche Theorien logische Kalkule oder mathematische Axiomensysteme Ein Zusatzaxiom heisst relativ konsistent zu einer bestehenden Aussagenmenge falls seine Hinzunahme keine neuen Widerspruche einbringt Mit anderen Worten ist die Aussagenmenge als konsistent vorausgesetzt ist sie mit dem Zusatzaxiom ebenfalls konsistent Ferner heissen zwei Zusatzaxiome zueinander aquikonsistent bezuglich einer bestehenden Aussagenmenge falls die Hinzunahme des einen genau dann keine neuen Widerspruche einbringt falls es das andere auch nicht tut Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen 2 Inkonsistenzbeweise 3 Widerspruchsfreiheitsbeweise 4 Weblinks 5 Siehe auch 6 EinzelnachweiseDefinitionen BearbeitenMan betrachtet stets einen gegebenen Kalkul mit einem Ableitbarkeitsoperator displaystyle vdash nbsp bei dem A B displaystyle A vdash B nbsp soviel bedeutet wie aus A displaystyle A nbsp ist B displaystyle B nbsp ableitbar Die Konsistenz oder Widerspruchsfreiheit wird dann sowohl fur eine Formelmenge als auch fur den ganzen Kalkul folgendermassen definiert 1 Eine Formelmenge G displaystyle Gamma nbsp heisst konsistent im Kalkul wenn es eine Formel A displaystyle A nbsp gibt fur die G A displaystyle Gamma vdash A nbsp nicht gilt In Worten Nicht alles kann aus G displaystyle Gamma nbsp abgeleitet werden Der Kalkul heisst konsistent wenn die leere Formelmenge konsistent im Kalkul ist Eine nicht konsistente Formelmenge im Kalkul heisst inkonsistent im Kalkul Ein nicht konsistenter Kalkul heisst inkonsistent Die Formelmenge A displaystyle mathrm A nbsp heisst konsistent relativ zu G displaystyle Gamma nbsp im Kalkul falls aus der Konsistenz der Formelmenge G displaystyle Gamma nbsp folgt dass auch die Vereinigung beider Formelmengen konsistent im Kalkul ist Diese Definitionen sind hier allgemein fur beliebige Kalkule formuliert In der klassischen Logik und in der intuitionistischen Logik kann die Konsistenz passend zum Namen widerspruchsfrei definiert werden dadurch dass G A A displaystyle Gamma vdash A land neg A nbsp fur keine Formel A displaystyle A nbsp gilt 2 dies ist hier gleichwertig denn aus der Inkonsistenz folgt die Ableitbarkeit jeder Formel also auch aller Widerspruche der Form A A displaystyle A land neg A nbsp und umgekehrt folgt aus jedem Widerspruch in diesen Logiken jede beliebige Formel nach der Regel ex contradictione sequitur quodlibet Es gibt aber auch Logiken in denen diese Regel nicht gilt sogenannte Parakonsistente Logiken zu ihnen passt diese Definitionsvariante nicht Allgemein unterteilt sich die Widerspruchsfreiheit in verschieden starke Stufen je nachdem welche Sprache gegeben ist Die schwachste ist dabei die syntaktische Widerspruchsfreiheit Post widerspruchsfrei Analog zur Konsistenz im Kalkul fordert diese dass es einen Ausdruck A displaystyle A nbsp mit A displaystyle nvdash A nbsp es also zumindest einen nicht ableitbaren Ausdruck gibt Besitzt die zu Grunde gelegte Sprache das Negationszeichen wie in der klassischen oder der intutionistischen Logik so lasst sich wie bereits erwahnt die klassische Widerspruchsfreiheit formulieren es gibt einen Ausdruck A displaystyle A nbsp fur den gilt dass nicht gleichzeitig A displaystyle vdash A nbsp und A displaystyle vdash neg A nbsp also A A displaystyle nvdash A land neg A nbsp Ist zudem eine Semantik vorhanden so ergibt sich die semantische Widerspruchsfreiheit Korrektheit des Kalkuls Aus A displaystyle vdash A nbsp folgt A displaystyle vDash A nbsp Es impliziert schliesslich die semantische Widerspruchsfreiheit die klassische Widerspruchsfreiheit und diese wiederum die syntaktische Widerspruchsfreiheit Die Konsistenz eines Kalkuls kann auch durch ein Modell gezeigt werden indem die semantische Korrektheit nachgewiesen wird Inkonsistenzbeweise BearbeitenZur Widerspruchsfreiheit und Konsistenz gehort als Kehrseite die Inkonsistenz die meist einfach zu zeigen ist weil hierzu nur eine einzige Ableitung eines Widerspruchs notig ist Der beruhmteste einfache klassische Inkonsistenzbeweis ist die Ableitung der Russellschen Antinomie in Gottlob Freges Arithmetik Kalkul den Bertrand Russell 1902 entdeckte 3 Ein allgemeinerer Inkonsistenzbeweis fur klassische intuitionistische und parakonsistente Logiken ist die Ableitung von Currys Paradoxon 1942 bei der die relative Inkonsistenz einer selbstbezuglichen Aussage gezeigt wird Ein anschauliches Beispiel fur eine inkonsistente Aussagenmenge ist im Rahmen der traditionellen Syllogistik formulierbar Folgende Aussagen bilden eine widerspruchliche Aussagenmenge im Syllogistikkalkul insbesondere sind die evidenten Aussagen 3 4 im aktuellen Prasens nicht widerspruchsfrei relativ zu den evidenten Aussagen 1 2 im historischen Prasens 1 Alle Menschen sind Lebewesen 2 Alle Vorfahren von Sokrates sind Menschen 3 Alle Vorfahren von Sokrates sind tot 4 Keine Toten sind Lebewesen Der Inkonsistenzbeweis geht uber drei Ableitungsschritte Aus 1 und 2 folgt 5 Alle Vorfahren von Sokrates sind Lebewesen angewandt wurde hier der Syllogismus Barbara Aus 4 und 5 folgt 6 Einige Vorfahren von Sokrates sind nicht tot angewandt wurde hier der Syllogismus Cesaro 6 steht im Widerspruch zu 3 angewandt wurde hier die Eigenschaft kontradiktorisch Dieser Inkonsistenzbeweis kann mit den ublichen Formeln und Initialen fur die gebrauchten Terme formalisiert werden Aussagenformeln 1 MaL 2 VaM 3 VaT 4 TeL 5 VaL 6 VoT Formale Ableitungsschritte MaL VaM displaystyle vdash nbsp VaL Barbara TeL VaL displaystyle vdash nbsp VoT Cesaro VaT VoT displaystyle vdash nbsp VaT displaystyle land nbsp displaystyle neg nbsp VaT kontradiktorisch Viele populare Antinomien und Paradoxone beziehen sich nicht auf einen Kalkul sondern beruhen auf intuitiven undurchsichtigen unerlaubten Schlussweisen Daher ist es wichtig das logische Schliessen in Kalkulen zu regeln dann erst werden die inkonsistenten Schritte die zu Paradoxien fuhren deutlich sichtbar beispielsweise beim Lugner Paradoxon Widerspruchsfreiheitsbeweise BearbeitenDas Bedurfnis nach Widerspruchsfreiheitsbeweisen trat an der Wende zum 20 Jahrhundert auf als in der Mengenlehre Widerspruche bekannt wurden Georg Cantor der Begrunder der Mengenlehre entdeckte sie selbst und teilte die erste Cantorsche Antinomie 1897 David Hilbert brieflich mit 4 1899 gab Hilbert einen relativen Widerspruchfreiheitsbeweis der Geometrie zur Arithmetik reeller Zahlen 5 Im Jahr darauf stellte er dann die Frage Sind die arithmetischen Axiome widerspruchsfrei als zweites seiner beruhmten mathematischen Probleme 6 Russell machte 1903 die Widerspruchsfreiheitsproblematik allgemein bewusst und entwarf zur Losung 1903 1908 seine Typentheorie die 1910 in die Principia mathematica einging Ernst Zermelo schuf 1907 die axiomatische Mengenlehre die sich in der Mathematik spater durchsetzte in Form der erweiterten Zermelo Fraenkel Mengenlehre ZF oder ZFC In ihr konnten bisher keine Widerspruche mehr abgeleitet werden Um aber Sicherheit zu erlangen dass grundsatzlich keine Widerspruche auftreten konnen entwickelte Hilbert ab 1918 sein Programm die Widerspruchsfreiheit der Logik zu beweisen 7 und skizzierte Methoden fur Widerspruchsfreiheitsbeweise die anspruchsvoller sind da fur alle moglichen Ableitungen Widerspruche ausgeschlossen werden mussen 8 9 Sein Plan wurde als Hilberts Programm bekannt und konnte fur zentrale Gebiete der Logik erfolgreich umgesetzt werden Die Widerspruchsfreiheit der klassischen Aussagenlogik wurde 1918 1926 von Paul Bernays 10 und 1921 von Emil Leon Post 11 bewiesen Die Widerspruchsfreiheit der klassischen Pradikatenlogik erster Stufe wurde 1925 von John von Neumann gezeigt 12 Hilberts Programm das sich auf finite metalogische Beweismittel beschrankte versagte aber bei der Arithmetik und darauf aufbauenden Axiomensystemen was Kurt Godel in seinen Unvollstandigkeitssatzen von 1930 zeigte 13 Spatere Mathematiker modifizierten daher Hilberts Programm indem sie die Beweismittel erweiterten z B um transfinite Methoden und erzielten damit neue Ergebnisse Die Widerspruchsfreiheit der Arithmetik wurde 1936 von Gerhard Gentzen bewiesen 14 Die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre ohne Unendlichkeitsaxiom wurde 1936 von Wilhelm Ackermann gezeigt im Ruckgriff auf Gentzen 15 Die Widerspruchsfreiheit der verzweigten Typentheorie und der klassischen Analysis wurde 1951 von Paul Lorenzen nachgewiesen 16 Neue von Hilberts Programm abweichende Wege beschritten vorher schon Neumann und Zermelo bei ihrer Einfuhrung der heute etablierten ZF Mengenkalkule Neumanns Vorform der Neumann Bernays Godel Mengenlehre Sie bildeten innerhalb der Mengenlehre Modelle der Mengenlehre und nutzten dies fur Widerspruchsfreiheitsbeweise Die Konsistenz des Fundierungsaxioms relativ zu ZF ohne Fundierungsaxiom wurde 1929 von John von Neumann durch ein Modell gezeigt 17 Die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre ZFC ohne Unendlichkeitsaxiom wurde 1930 von Ernst Zermelo gezeigt mit einem Modell in ZFC ebenso die Widerspruchsfreiheit von ZFC in einer Meta Mengenlehre mit stark unerreichbaren Kardinalzahlen 18 Wegen Godels Unvollstandigkeitssatzen ist aber die Widerspruchsfreiheit der ZF Mengenlehre ohne wesentlich starkere Meta Axiome nicht beweisbar Deshalb bleibt im Rahmen der ublichen Mengenlehre ZF die Frage nach ihrer eigenen Widerspruchsfreiheit unentscheidbar Godel ging von ihr aus und konnte damit einen relativen Konsistenzbeweis fur umstrittene Zusatzaxiome zu ZF fuhren Die Konsistenz des Auswahlaxioms und der verallgemeinerten Kontinuumshypothese relativ zu ZF wurde 1938 von Kurt Godel bewiesen 19 Weblinks BearbeitenPeter H Starke Logische Grundlagen der Informatik Vorlesungsskript Oktober 2000Siehe auch BearbeitenSatz vom Widerspruch Wissenschaft wissenschaftliche Methode Falsifikation w konsistente TheorieEinzelnachweise Bearbeiten Hilbert Ackermann Grundzuge der theoretischen Logik Berlin Heidelberg 6 Auflage 1972 S 99 Hilbert Ackermann Grundzuge der theoretischen Logik Berlin Heidelberg 1 Auflage 1928 bis zur 3 Auflage 1949 dort S 31 Russells Brief an Frege vom 16 Juni 1902 In Gottlob Frege Briefwechsel mit D Hilbert E Husserl B Russell Hrsg G Gabriel F Kambartel C Thiel Hamburg 1980 S 59f eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Brief von Cantor an Hilbert vom 26 September 1897 in Georg Cantor Briefe Hrsg H Meschkowski und W Nilson Berlin Heidelberg New York 1999 S 388 David Hilbert Grundlagen der Geometrie 1 Auflage Leipzig 1899 14 Auflage hrsg von Michael Toepell Teubner Leipzig 1999 David Hilbert Mathematische Probleme 1900 in Archiv fur Mathematik und Physik 3 Reihe Band I 1901 S 44 63 213 237 David Hilbert Axiomatisches Denken 1918 in Mathematische Annalen 78 1918 S 405 415 David Hilbert Neubegrundung der Mathematik 1922 in Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburger Universitat Band I 1922 S 157 177 David Hilbert Die logischen Grundlagen der Mathematik 1922 in Mathematische Annalen 88 1923 S 151 165 Paul Bernays Axiomatische Untersuchung des Aussagenkalkuls der Principia Mathematica Habilitationsschrift Gottingen 1918 gekurzt abgedruckt in Mathematische Zeitschrift 25 1926 S 305 320 Emil Leon Post Introduction to a General Theory of Elementary Propositions In American Journal of Mathematics Band 43 1921 S 163 185 John von Neumann Zur Hilbertschen Beweistheorie 1925 In Mathematische Zeitschrift 26 1927 S 1 46 Kurt Godel Uber formal unentscheidbare Satze der Principia Mathematica und verwandter Systeme 1930 In Monatshefte fur Mathematik und Physik 38 1931 S 173 198 Gerhard Genzten Die Widerspruchsfreiheit der reinen Zahlentheorie In Mathematische Annalen 112 1936 S 493 565 Wilhelm Ackermann Die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre 1936 In Mathematische Annalen 114 1937 S 305 315 Paul Lorenzen Die Widerspruchsfreiheit der klassischen Analysis In Mathematische Zeitschrift 54 1951 S 1 24 John von Neumann Uber eine Widerspruchsfreiheitsfrage in der axiomatischen Mengenlehre In Journal fur die reine und angewandte Mathematik Crelle 160 1929 S 227 241 Ernst Zermelo Grenzzahlen und Mengenbereiche in Fundamenta Mathematicae 16 1930 S 29 47 Kurt Godel The Consistency of the Axiom of Choice and of the Generalized Continuum Hypothesis In Proceedings of the National Academy of Sciences Band 24 Nr 12 Dezember 1938 ISSN 0027 8424 S 556 557 doi 10 1073 pnas 24 12 556 PMID 16577857 PMC 1077160 freier Volltext pnas org abgerufen am 9 Juni 2022 Normdaten Sachbegriff GND 4189803 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Widerspruchsfreiheit amp oldid 236139023