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Das Hilbertprogramm ist ein Forschungsprogramm das der Mathematiker David Hilbert in den 1920er Jahren vorschlug Es zielt darauf ab mit finiten Methoden die Widerspruchsfreiheit der Axiomensysteme der Mathematik nachzuweisen Auch wenn sich das Hilbertprogramm in seinem ursprunglichen Anspruch als undurchfuhrbar erwiesen hat trug es dennoch entscheidend dazu bei die Grundlagen und Grenzen mathematischer Erkenntnis zu klaren Hintergrund BearbeitenBereits Hilberts Liste von 23 mathematischen Problemen aus dem Jahr 1900 nennt die Widerspruchsfreiheit der Arithmetik als zweites ungelostes Problem und regte zur Forschung in diese Richtung an Das eigentliche Hilbertprogramm mit konkreten Methoden zur Losung der Widerspruchsproblematik formulierte er aber erst in den Jahren 1918 1922 Hilbert reagierte damit auf die Antinomien der naiven Mengenlehre und wollte versuchen die gesamte klassische Mathematik und Logik zu bewahren ohne dabei auf Cantors Mengenlehre zu verzichten Aus dem Paradies das Cantor uns geschaffen soll uns niemand vertreiben konnen David Hilbert Uber das Unendliche In Mathematische Annalen 95 1926 S 170 Hilberts Programm ist zugleich eine Verteidigung des klassischen Standpunkts gegen den Intuitionismus der einige klassische Beweismethoden wie indirekte Beweise reductio ad absurdum oder den Satz vom ausgeschlossenen Dritten tertium non datur als fragwurdig betrachtete Dieses Tertium non datur dem Mathematiker zu nehmen ware etwa wie wenn man dem Astronomen das Fernrohr oder dem Boxer den Gebrauch der Fauste untersagen wollte David Hilbert Die Grundlagen der Mathematik Abhandlungen aus dem mathematischen Seminar der Hamburgischen Universitat VI Band 1928 S 80 Hilbert wollte daher die Mathematik als formales System neu definieren Innerhalb dieses Systems sollten die ublichen Beweismethoden zulassig sein Es sollte dadurch abgesichert werden dass ausserhalb des formalen Systems im Bereich der Metamathematik die Widerspruchsfreiheit der formal ableitbaren Satze nachgewiesen wird den ausseren metalogischen Bereich schrankte er auf finite Beweismittel ein die auch die Intuitionisten anerkannten und uber jeden Verdacht Antinomien zu erzeugen erhaben waren Das Ziel des Programms war es also einen streng formalisierten Kalkul bzw ein Axiomensystem mit einfachen unmittelbar einleuchtenden Axiomen zu finden das die Mathematik und Logik auf eine gemeinsame nachweisbar konsistente Basis stellt Insbesondere sollte der Kalkul machtig genug sein um fur jeden mathematischen Satz beweisen zu konnen ob er wahr oder falsch ist und alle wahren Satze sollten aus dem Axiomensystem ableitbar sein Dieses musste also widerspruchsfrei und vollstandig sein Das Hilbertprogramm fand breite Beachtung Viele bekannte Logiker und Mathematiker beteiligten sich daran unter anderem Paul Bernays Wilhelm Ackermann John von Neumann Jacques Herbrand und Kurt Godel Sie zeigten die Widerspruchsfreiheit und Vollstandigkeit fur zentrale Teilgebiete der Logik namlich fur die klassische Aussagen und Pradikatenlogik Meistens bezogen sich diese Logiker auf Teil Axiomensysteme aus den Principia Mathematica von Russell Whitehead dem damaligen Standardwerk der Logik Bezogen auf die gesamten Principia Mathematica und auf die ganze Mathematik schlug Hilberts Programm allerdings fehl Kurt Godel bewies namlich 1930 in seinen Unvollstandigkeitssatzen dass es in den Principia Mathematica und verwandten Systemen zu denen auch Cantors Mengenlehre gehort immer Satze gibt die mit den Mitteln desselben Systems weder beweisbar noch widerlegbar sind und dass solche Systeme ihre eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen konnen Alan Turing kam beim eng verwandten Halteproblem von Automaten auf ein ahnliches Ergebnis Das Hilbertprogramm war auch wenn es sich nicht im vollen ursprunglich intendierten Umfang als durchfuhrbar erwies ein Erfolg fur Mathematik und Logik da es zu tieferen Erkenntnissen daruber fuhrte wie formale Systeme funktionieren was sie zu leisten vermogen und wo ihre Grenzen liegen Wichtige Gebiete der modernen Mathematik und Informatik sind aus dem Hilbertprogramm und seiner Metamathematik hervorgegangen insbesondere die moderne formalisierte axiomatische Mengenlehre die Beweistheorie die Modelltheorie und die Berechenbarkeitstheorie Es zeigte sich auch dass das modifizierte Hilbertprogramm mit erweiterten transfiniten Beweismitteln Widerspruchsfreiheitsbeweise fur weitere Mathematik Gebiete ermoglichte Das fuhrte Gerhard Gentzen mit seinem Widerspruchsfreiheitsbeweis der Arithmetik von 1936 vor Von seinem Beweis ausgehend zeigte Wilhelm Ackermann im gleichen Jahr noch die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre ohne Unendlichkeitsaxiom und 1951 Paul Lorenzen die der verzweigten Typentheorie und der klassischen Analysis Literatur BearbeitenErhard Scholz Die Godelschen Unvollstandigkeitssatze und das Hilbertsche Programm einer finiten Beweistheorie In Wolfgang Achtner Kunstliche Intelligenz und menschliche Person Marburg 2006 S 15 38 PDF 208 kB Christian Tapp An den Grenzen des Endlichen Das Hilbertprogramm im Kontext von Formalismus und Finitismus Springer Heidelberg 2013 ISBN 978 3 642 29654 3 Max Urchs Klassische Logik eine Einfuhrung Berlin 1993 ISBN 3 05 002228 0 Kapitel Theorien erster Ordnung S 137 149 Weblinks BearbeitenRichard Zach Hilbert s Program In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Richard Zach Hilbert s Program Then and Now In Dov M Gabbay Paul Thagard und John Woods Handbook of the Philosophy of Science Band 5 Dale Jacquette Hrsg Philosophy of Logic 2006 Normdaten Sachbegriff GND 4209255 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hilbertprogramm amp oldid 231768904