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Der Begriff Vollstandigkeit hat in der Logik verschiedene Bedeutungen Er bezeichnet zwei unterschiedliche Eigenschaften formaler Systeme bzw Kalkule Vollstandigkeit von Theorien Vollstandigkeit von KalkulenDaneben wird dieser Begriff auch im Sinne der funktionalen Vollstandigkeit von Junktorenmengenbenutzt Inhaltsverzeichnis 1 Vollstandigkeit von Theorien 1 1 Definition 1 2 Charakterisierung 1 3 Beispiele 1 4 Entscheidbarkeit 2 Vollstandigkeit von Kalkulen 3 Funktionale Vollstandigkeit von Junktorenmengen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVollstandigkeit von Theorien BearbeitenDefinition Bearbeiten Unter einer Theorie versteht man eine echte Teilmenge T displaystyle T nbsp von Satzen einer Sprache L I S displaystyle L I S nbsp der Pradikatenlogik erster Stufe die bezuglich der Folgerungsrelation displaystyle vdash nbsp deduktiv abgeschlossen ist das heisst aus T a displaystyle T vdash alpha nbsp folgt bereits a T displaystyle alpha in T nbsp fur alle Satze a displaystyle alpha nbsp der Sprache Ist A displaystyle mathcal A nbsp ein Modell so ist offenbar T T h A a A a displaystyle T Th mathcal A alpha mathcal A vDash alpha nbsp eine Theorie Man nennt eine Theorie vollstandig wenn sie fur jeden Satz a displaystyle alpha nbsp entweder diesen oder seine Negation a displaystyle neg alpha nbsp enthalt In diesem Sinne lasst eine vollstandige Theorie keine Fragen der Form gilt a displaystyle alpha nbsp oder a displaystyle neg alpha nbsp in der Theorie T displaystyle T nbsp offen Charakterisierung Bearbeiten Folgende Aussagen uber einer Theorie T L I S displaystyle T varsubsetneq L I S nbsp sind aquivalent 1 T displaystyle T nbsp ist vollstandig das heisst fur alle Satze a displaystyle alpha nbsp gilt T a displaystyle T vDash alpha nbsp oder T a displaystyle T vDash neg alpha nbsp T displaystyle T nbsp ist maximal das heisst fur alle Theorien T 1 displaystyle T 1 nbsp mit T T 1 L I S displaystyle T subset T 1 varsubsetneq L I S nbsp gilt T T 1 displaystyle T T 1 nbsp Fur jedes Modell A displaystyle mathcal A nbsp von T displaystyle T nbsp gilt T T h A displaystyle T Th mathcal A nbsp Je zwei Modelle von T displaystyle T nbsp sind elementar aquivalent Beispiele Bearbeiten Es sei D O displaystyle DO nbsp die Theorie der dichten Ordnungen das heisst die Signatur ist S lt displaystyle S lt nbsp und D O displaystyle DO nbsp ist die Menge aller Satze aus L I S displaystyle L I S nbsp die aus folgenden vier Satzen Axiomen der dichten Ordnung hergeleitet werden konnen x x lt x displaystyle forall x neg x lt x nbsp Irreflexivitat x y z x lt y y lt z x lt z displaystyle forall x y z x lt y land y lt z rightarrow x lt z nbsp Transitivitat x y x y x lt y y lt x displaystyle forall x y x y lor x lt y lor y lt x nbsp Linearitat der Ordnung x y x lt y z x lt z z lt y displaystyle forall x y x lt y rightarrow exists z x lt z land z lt y nbsp Dichtheit Diese Theorie ist nicht vollstandig denn die Frage ob es kleinste oder grosste Elemente gibt bleibt offen Erweitert man D O displaystyle DO nbsp zur Theorie D O 00 displaystyle DO 00 nbsp aller Satze die aus obigen vier und den zwei Satzen x y y lt x displaystyle forall x exists y y lt x nbsp es gibt kein kleinstes Element x y x lt y displaystyle forall x exists y x lt y nbsp es gibt kein grosstes Element so erhalt man eine vollstandige Theorie denn mit Hilfe des Satzes von Fraisse kann man die elementare Aquivalenz von je zwei Modellen nachweisen wie dort ausgefuhrt ist Dies hatte man auch leicht mit dem Kriterium von Vaught nachweisen konnen dieses liefert weitere dort behandelte Beispiele wie die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Korper Die Quantorenelimination ist ein weiteres Verfahren mit dem man Vollstandigkeitsbeweise fuhren kann Entscheidbarkeit Bearbeiten Vollstandige Theorien mit abzahlbarer Signatur und einer rekursiv aufzahlbaren Axiomatisierung sind entscheidbar Um dies einzusehen setze man eine Aufzahlung samtlicher Satze der vorgegebenen Theorie in Gang indem man systematisch alle Beweise erzeugt Ist a displaystyle alpha nbsp ein Satz so erscheint in dieser Aufzahlung irgendwann a displaystyle alpha nbsp oder a displaystyle neg alpha nbsp denn die Theorie ist ja vollstandig Dann breche man die Aufzahlung ab und antworte a T displaystyle alpha in T nbsp falls a displaystyle alpha nbsp in der Aufzahlung erschienen ist anderenfalls antworte man a T displaystyle alpha notin T nbsp Dieser Algorithmus entscheidet offenbar die Frage ob a T displaystyle alpha in T nbsp Vollstandigkeit von Kalkulen BearbeitenUmgangssprachlich ausgedruckt heisst ein formales System ein Kalkul semantisch vollstandig wenn jedes richtige Theorem auch abgeleitet werden kann Praziser kann man das wie folgt beschreiben Sei displaystyle vdash nbsp die Ableitungsrelation sie wird rein syntaktisch mit Hilfe der Regeln des formalen Systems definiert im Falle der Pradikatenlogik z B durch den Sequenzenkalkul Hierbei handelt es sich um Regeln fur die Zeichenmanipulation Dazu gibt es die Ebene der Semantik und des in diesen Bereich gehorenden Begriffs der logischen Folgerung ausgedruckt durch das Symbol der semantischen Folge displaystyle models nbsp das z B in der Semantik der Aussagenlogik oder der Semantik der Pradikatenlogik erklart wird Die formale Semantik ist Gegenstand der auf Alfred Tarski zuruckgehenden Modelltheorie Von zentralem Interesse in der formalen Logik ist nun das Verhaltnis zwischen syntaktischer Ableitung displaystyle vdash nbsp und semantischer Folgerung displaystyle models nbsp Semantische Vollstandigkeit bedeutet dass aus S ps displaystyle Sigma models psi nbsp stets S ps displaystyle Sigma vdash psi nbsp folgt Die Umkehrung dass also aus S ps displaystyle Sigma vdash psi nbsp stets S ps displaystyle Sigma models psi nbsp folgt bezeichnet man als Korrektheit auch semantische Korrektheit eines formalen Systems Fur konkrete formale Systeme ist die Korrektheit meist einfach zu beweisen denn man achtet schon bei der Konstruktion des formalen Systems darauf dass jede einzelne Regel in diesem Sinne korrekt ist Ein Vollstandigkeitsbeweis erfordert meist tiefliegendere Untersuchungen Der Vollstandigkeitssatz fur die Pradikatenlogik erster Stufe wurde 1928 von Kurt Godel bewiesen Godelscher Vollstandigkeitssatz Eine wichtige Beweismethode stammt von Leon Henkin aus dem Jahre 1949 siehe Satz von Henkin Funktionale Vollstandigkeit von Junktorenmengen BearbeitenMit funktionaler Vollstandigkeit bezeichnet man die Eigenschaft einer Menge von Junktoren eines logischen Systems alle Junktoren des Systems darstellen zu konnen In der klassischen Aussagenlogik ist zum Beispiel die Junktorenmenge displaystyle land neg nbsp funktional vollstandig d h es lassen sich alle denkbaren Junktoren alleine aus Konjunktion und Negation ausdrucken 2 Ein weiteres vollstandiges System von Junktoren besteht allein aus dem Shefferschen Strich Auch das aus einzig dem Junktor Peirce Operator bestehende System ist vollstandig Literatur BearbeitenH D Ebbinghaus J Flum W Thomas Einfuhrung in die mathematische Logik BI Wiss Verlag 1992 ISBN 3 411 15603 1 Wolfgang Rautenberg Einfuhrung in die Mathematische Logik 3 Auflage Vieweg Teubner Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 8348 0578 2 doi 10 1007 978 3 8348 9530 1 Hans Peter Tuschik Helmut Wolter Mathematische Logik kurzgefasst Grundlagen Modelltheorie Entscheidbarkeit Mengenlehre Mannheim Leipzig Wien Zurich BI Wiss Verlag Mannheim Leipzig Wien Zurich 1994 ISBN 3 411 16731 9Weblinks BearbeitenPeter H Starke Logische Grundlagen der Informatik Skript zur Vorlesung Humboldt Universitat Berlin Oktober 2000Einzelnachweise Bearbeiten W Rautenberg 2008 Satz 5 2 1 W Rautenberg 2008 Korollar 1 2 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vollstandigkeit Logik amp oldid 223749480