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Hippasos von Metapont griechisch Ἵppasos Hippasos war ein griechischer Mathematiker Musiktheoretiker und Philosoph aus dem Kreis der Pythagoreer Er lebte im spaten 6 und fruhen 5 Jahrhundert v Chr 1 in Unteritalien und gehort zu den bekanntesten Pythagoreern der Fruhzeit Ihm werden drei Entdeckungen zugeschrieben die Konstruktion des einer Kugel einbeschriebenen Dodekaeders die Entdeckung der Inkommensurabilitat und die Bestimmung der Zahlenverhaltnisse der Grundkonsonanzen durch Klangexperimente Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Lehre 3 Die Inkommensurabilitat 4 Grundlagenkrise 5 Musiktheorie 6 Quellen 7 Literatur 8 BelegeLeben BearbeitenHippasos stammte aus Metapont heute Metaponto in der Basilikata Unteritalien 2 Diese Stadt in der Pythagoras seine letzten Lebensjahre verbrachte war eines der wichtigsten Zentren der pythagoreischen Bewegung der sich Hippasos anschloss Aus den Nachrichten die der spatantike Philosoph Iamblichos uberliefert geht hervor dass Hippasos bei der angeblichen in der Forschung umstrittenen Spaltung der Pythagoreer in zwei Richtungen die mathematisch naturwissenschaftlich forschenden Mathematiker und die nach uberlieferten Verhaltensregeln lebenden Akusmatiker eine Rolle gespielt haben soll Die Angaben bei Iamblichos sind allerdings widerspruchlich Er schreibt an mehreren Stellen Hippasos sei Akusmatiker gewesen und berichtet er habe bei den Mathematikern als Begrunder der akusmatischen Richtung gegolten an anderen Stellen zahlt er Hippasos zu den Mathematikern und teilt mit die Akusmatiker hatten ihn fur den Begrunder der Mathematiker gehalten Die ursprungliche Uberlieferung ist diejenige welche Hippasos als Mathematiker bezeichnet 3 Offenbar war Hippasos eine prominente unter den Pythagoreern stark umstrittene Personlichkeit Einer in verschiedenen Versionen uberlieferten Legende zufolge verriet er ein Geheimnis der Pythagoreer wurde daraufhin aus deren Gemeinschaft ausgeschlossen und verungluckte spater todlich im Meer was als gottliche Strafe gedeutet wurde Die Legende ist in dieser Gestalt zwar unglaubhaft aber sie spiegelt die betrachtlichen Spannungen die mit seinem Auftreten zusammenhingen und die Haltung gegnerischer Kreise die ihm Verfalschung der pythagoreischen Lehrtradition vorwarfen Ein historischer Kern der Legende besteht darin dass es tatsachlich unter den Pythagoreern zu einem Zerwurfnis kam und Hippasos dabei eine prominente Rolle spielte Die Ursache des Konflikts lag aber nicht im Umgang mit mathematischen Erkenntnissen sondern in dem politischen Gegensatz zwischen revolutionaren Demokraten und konservativen Kraften Hippasos unterstutzte eine demokratische Partei wahrend die Mehrheit der politisch konservativen Pythagoreer den fuhrenden Geschlechtern nahestand und dadurch in einen Konflikt mit Volksrednern geriet Auffallend ist die eigenstandige Haltung die Hippasos unter den Pythagoreern einnahm Moglicherweise war er nur lose mit ihnen verbunden 4 Lehre BearbeitenAristoteles teilt mit Hippasos habe das Feuer fur den Grundstoff archḗ der Welt gehalten 5 Er soll auch die Seele fur feurig gehalten haben In antiken Quellen wird er ofter zusammen mit Heraklit genannt in dessen Naturphilosophie das Feuer ebenfalls eine zentrale Rolle spielt Hippasos lehrte das Universum sei endlich und in standiger Bewegung begriffen und sein Wandel vollziehe sich in einem festgelegten zeitlichen Rahmen Diogenes Laertios berichtet dass Demetrios von Magnesia ein Grammatiker des 1 Jahrhunderts v Chr behauptete Hippasos habe keine Schrift hinterlassen Nach einer anderen ebenfalls von Diogenes Laertios mitgeteilten Uberlieferung hat Hippasos jedoch ein Werk mit dem Titel Mystischer Logos verfasst mit dem er Pythagoras verunglimpfen wollte 6 Diese Nachricht ist auch falls sie nicht zutrifft ein Indiz dafur dass sich Hippasos gegen die Autoritat des Schulgrunders Pythagoras stellte oder dies ihm zumindest von seinen Gegnern unterstellt wurde Die Inkommensurabilitat Bearbeiten nbsp QuadratOb Hippasos die Inkommensurabilitat von Seite und Diagonale an einem Quadrat oder an einem regelmassigen Funfeck entdeckte ist nicht uberliefert 7 Im 4 Jahrhundert zeigte Platon in seinem Dialog Menon dass das innere quer liegende Quadrat das von den kleinen Diagonalen begrenzt wird Bild links halb so gross ist wie das ganze Quadrat Auf das Verhaltnis von Seitenlange und Diagonale ging er aber dabei nicht ein Ein geometrischer Beweis der Inkommensurabilitat kann folgendermassen am Funfeck gefuhrt werden nbsp Das Pentagramm das Erkennungszeichen der Pythagoreer ergibt durch Verbindung der Spitzen des Sterns ein Funfeck Aufgabe ist es fur zwei Strecken ein gemeinsames Mass zu finden also eine kleine Teilstrecke von der beide Strecken ein ganzzahliges Vielfaches sind Ein Verfahren dieses Mass zu finden ist die spater nach Euklid benannte Wechselwegnahme Man zieht die kleinere Strecke so oft von der grosseren ab bis es nicht mehr geht Nun nimmt man den verbliebenen Rest und zieht diesen von der kleineren ab Der neue Rest wird vom alten Rest abgezogen usw Wenn man mit diesem Verfahren zu einem Ende kommt weil kein Rest mehr bleibt hat man die gesuchte Teilstrecke Inkommensurabilitat der Strecken ist bewiesen wenn gezeigt werden kann dass das unmoglich ist Im Fall des regelmassigen Funfecks geht es um die Frage ob dessen Seite mit der Diagonalen ein gemeinsames Mass hat Man zieht zunachst die Funfeckseite bzw die gleich lange Strecke AC Bild rechts von einer Diagonalen Strecke AD ab es ergibt sich ein Rest Strecke CD Dieser wird von der Seite abgezogen Der neue Rest hat die Lange der Strecke BC Hier stosst man wieder auf das Ausgangsstreckenverhaltnis weil die Strecke BC die Seite eines inneren Funfecks ist und die Strecke CD genauso lang ist wie dessen kleine Diagonale CC Das kleinere Funfeck ist geometrisch ahnlich zum Ausgangsfunfeck weil es auch ein regelmassiges Funfeck ist Man steht also wieder am Anfang weil AD sich zu AC so verhalt wie CD oder CC zu BC Goldener Schnitt In geometrisch ahnlichen Figuren sind ja die Langenverhaltnisse analoger Strecken gleich Der Vorgang lasst sich somit unendlich oft wiederholen und fuhrt immer zu einem kleineren Funfeck Man kann diesen Vorgang auch als unendlichen Kettenbruch darstellen Also gibt es kein gemeinsames Mass Grundlagenkrise BearbeitenIn antiken Quellen ist von einem Geheimnisverrat des Hippasos die Rede Bei dem verratenen Geheimnis soll es sich entweder um den Dodekaeder oder um die Inkommensurabilitat gehandelt haben Es heisst Hippasos habe seine Entdeckung veroffentlicht und sei daraufhin aus der Gemeinschaft der Pythagoreer ausgeschlossen worden Spater sei er im Meer ertrunken was als gottliche Strafe fur seinen Frevel gedeutet wurde 8 In der alteren Forschung wurde als Hintergrund dieser Legende eine Grundlagenkrise des Pythagoreismus vermutet Man ging davon aus dass Pythagoras behauptete alle Phanomene seien als ganzzahlige Zahlenverhaltnisse ausdruckbar und es konne keine Inkommensurabilitat geben Durch die Entdeckung des Hippasos sei somit die Grundlage des Pythagoreismus widerlegt worden und dies hatten die Pythagoreer ihm verubelt Von dieser Deutung ist die Forschung jedoch abgekommen 9 Walter Burkert und Leonid Zhmud die ansonsten vollig kontrare Positionen vertreten stimmen darin uberein dass es keinen uberzeugenden Beleg fur die Behauptung gibt Pythagoras habe sich dogmatisch auf ein Weltbild festgelegt das jede Inkommensurabilitat prinzipiell ausschloss Es gibt auch kein Anzeichen dafur dass die Entdeckung der Inkommensurabilitat als Skandal empfunden wurde und philosophisch ein Problem darstellte vielmehr galt sie als glanzende Leistung der Pythagoreer Eine wesentliche Rolle spielte bei der Entstehung der Legende vom Geheimnisverrat wahrscheinlich der Umstand dass das griechische Wort arrhetos wortlich unsagbar das in der Mathematik die Bedeutung irrational hatte doppeldeutig war unsagbar konnte auch geheim bedeuten und in diesem Sinn wurde das Wort ausserhalb der Mathematik fur religiose Geheimlehren Mysterien verwendet Somit entstand die Vorstellung die Irrationalitat sei ein Geheimnis gewesen wohl aus einem Missverstandnis 10 Musiktheorie BearbeitenEines der wichtigsten Interessengebiete der Pythagoreer war die Musiktheorie speziell die Frage wie die harmonischen Intervalle sich mathematisch ausdrucken lassen Hippasos wird ein Experiment zugeschrieben in welchem er mit vier Bronzescheiben von gleichem Durchmesser und unterschiedlicher Dicke Intervalle erzeugte und so zeigte dass die Grundkonsonanzen durch Zahlenverhaltnisse ausgedruckt werden konnen 11 Die Dicken der vier Scheiben verhielten sich wie 1 1 1 2 Nach Angaben des spatantiken Gelehrten Boethius haben Hippasos und Eubulides ein anderer Pythagoreer den bereits bekannten drei symphonen Intervallen zwei weitere hinzugefugt die Doppeloktave und die Duodezime 12 Quellen BearbeitenMaria Timpanaro Cardini Pitagorici Testimonianze e frammenti Bd 1 La Nuova Italia Firenze 1958 S 78 105 griechische und lateinische Quellentexte mit italienischer Ubersetzung und Kommentar Literatur BearbeitenWalter Burkert Weisheit und Wissenschaft Studien zu Pythagoras Philolaos und Platon Hans Carl Nurnberg 1962 Bruno Centrone Hippasos de Metaponte In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Bd 3 CNRS Editions Paris 2000 ISBN 2 271 05748 5 S 753 755 Maria Luisa Silvestre Il mistero di Ippaso In Marisa Tortorelli Ghidini u a Hrsg Tra Orfeo e Pitagora Origini e incontri di culture nell antichita Bibliopolis Napoli 2000 ISBN 88 7088 395 7 S 413 432 Leonid Zhmud Wissenschaft Philosophie und Religion im fruhen Pythagoreismus Akademie Verlag Berlin 1997 ISBN 3 05 003090 9 Leonid Zhmud Hippasos aus Metapont In Hellmut Flashar u a Hrsg Fruhgriechische Philosophie Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 1 Halbband 1 Schwabe Basel 2013 ISBN 978 3 7965 2598 8 S 412 415Belege Bearbeiten Zur Datierung siehe Bartel Leendert van der Waerden Die Pythagoreer Zurich 1979 S 74 77 Leonid Zhmud Wissenschaft Philosophie und Religion im fruhen Pythagoreismus Berlin 1997 S 71f Fur Fruhdatierung Geburt um 560 555 pladiert Maria Luisa Silvestre Il mistero di Ippaso In Marisa Tortorelli Ghidini u a Hrsg Tra Orfeo e Pitagora Napoli 2000 S 413 432 hier 421f Dies bezeugen Aristoteles Metaphysik 984a7 und Diogenes Laertios 8 84 Ihre Angabe trifft nach heutigem Forschungsstand zu Eine von Iamblichos mitgeteilte abweichende Uberlieferung wonach Hippasos Heimatstadt Kroton Crotone war ist nicht glaubwurdig Siehe dazu Walter Burkert Weisheit und Wissenschaft Nurnberg 1962 S 188f Bartel Leendert van der Waerden Die Pythagoreer Zurich 1979 S 67f Bruno Centrone Hippasos de Metaponte In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Bd 3 Paris 2000 S 753 755 hier 753f Bartel Leendert van der Waerden Die Pythagoreer Zurich 1979 S 209f Maria Luisa Silvestre Il mistero di Ippaso In Marisa Tortorelli Ghidini u a Hrsg Tra Orfeo e Pitagora Napoli 2000 S 413 432 hier 415 429 Aristoteles Metaphysik 984a7 Diogenes Laertios 8 84 und 8 7 Siehe Leonid Zhmud Wissenschaft Philosophie und Religion im fruhen Pythagoreismus Berlin 1997 S 174f argumentiert fur das Quadrat und Kurt von Fritz Grundprobleme der Geschichte der antiken Wissenschaft Berlin 1971 S 564 569 pladiert fur das Funfeck Bartel Leendert van der Waerden Die Pythagoreer Zurich 1979 S 71f Leonid Zhmud Wissenschaft Philosophie und Religion im fruhen Pythagoreismus Berlin 1997 S 171 Die Hypothese einer Grundlagenkrise verwerfen u a David H Fowler The Mathematics of Plato s Academy Oxford 1987 S 302 308 und Hans Joachim Waschkies Anfange der Arithmetik im Alten Orient und bei den Griechen Amsterdam 1989 S 311 und Anm 23 Leonid Zhmud Wissenschaft Philosophie und Religion im fruhen Pythagoreismus Berlin 1997 S 173 175 Walter Burkert Weisheit und Wissenschaft Nurnberg 1962 S 431 440 zustimmend ausserte sich Detlef Thiel Die Philosophie des Xenokrates im Kontext der Alten Akademie Munchen 2006 S 94 Anm 65 Vgl Gustav Junge Von Hippasus bis Philolaus Das Irrationale und die geometrischen Grundbegriffe In Classica et Mediaevalia 19 1958 S 41 72 Bartel Leendert van der Waerden Die Pythagoreer Zurich 1979 S 371f Walter Burkert Weisheit und Wissenschaft Nurnberg 1962 S 355 357 Siehe auch zur Musiktheorie des Hippasos Assunta Izzo Musica e numero da Ippaso ad Achita In Antonio Capizzi Giovanni Casertano Hrsg Forme del sapere nei presocratici Rom 1987 S 137 167 hier 139ff Boethius De institutione musica 2 19 Normdaten Person GND 10239573X lobid OGND AKS LCCN no2016143734 VIAF 76706220 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hippasos von MetapontKURZBESCHREIBUNG griechischer Mathematiker und MusiktheoretikerGEBURTSDATUM 6 Jahrhundert v Chr STERBEDATUM 5 Jahrhundert v Chr Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hippasos von Metapont amp oldid 215922377