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Der Intuitionismus ist eine von L E J Brouwer begrundete Richtung der Philosophie der Mathematik bei der die Mathematik als Tatigkeit des exakten Denkens angesehen wird die ihre eigenen Objekte hervorbringt und nicht voraussetzt Wahrheit mathematischer Aussagen wird reduziert auf Konstruierbarkeit womit der Intuitionismus als eine Art von Konstruktivismus gelten kann Der Intuitionismus ist eine der Grundpositionen im Grundlagenstreit der Mathematik Inhaltsverzeichnis 1 Grundgedanke 2 Geschichte 2 1 Verhaltnis zum mathematischen Konstruktivismus 3 Intuitionistische Logik 3 1 Verhaltnis des Intuitionismus zur klassischen Logik 3 2 Satz vom ausgeschlossenen Dritten 4 Inspiration fur Informatiker 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksGrundgedanke BearbeitenDie Wahrheit eines mathematischen Satzes wird im Intuitionismus bezogen auf die Moglichkeit einen entsprechenden Beweis zu formulieren Wahrheit entsteht also erst durch die Verifizierung Wahre Satze oder von ihnen beschriebene Objekte haben keine Existenz unabhangig von tatsachlichen Denkprozessen Dies steht im Kontrast unter anderem zum sog Platonismus in der Philosophie der Mathematik Geschichte BearbeitenDie Geschichte des Intuitionismus beginnt im Jahr 1912 als Luitzen Egbertus Jan Brouwer mit seiner Kritik am Gesetz des ausgeschlossenen Dritten seine philosophischen Grundlagen formuliert In den 1920er Jahren kam es zwischen der formalistischen Hilbert Schule und Brouwer der vom Hilbert Schuler Hermann Weyl unterstutzt wurde zur in der Einleitung erwahnten Grundlagenkrise der Mathematik Die erste vollstandige Formalisierung intuitionistischer Aussagen und Pradikatenlogik stellt Arend Heyting im Jahr 1930 vor 1933 zeigte Kurt Godel eine Ubersetzungsmoglichkeit von klassischer in intuitionistische Logik auf Eine Semantik fur die intuitionistische Logik prasentierte als erster Saul Kripke Weitere Logiker und Mathematiker die zum Intuitionismus beigetragen haben sind Andrei Kolmogorow Stephen Kleene und in Deutschland Paul Lorenzen Verhaltnis zum mathematischen Konstruktivismus Bearbeiten Beweise nach intuitionistischen Paradigmen die uber die reine Logik hinausgehen und die Eigenschaften mathematischer Objekte untersuchen fuhren zu einer konstruktiven Mathematik Dies ergibt sich weil ohne den Satz vom ausgeschlossenen Dritten keine Widerspruchsbeweise moglich sind mit denen bei klassischer Logik die Existenz eines mathematischen Objektes bewiesen werden kann indem die Nichtexistenz widerlegt wird Der Intuitionismus gelangt insofern zu den gleichen Ergebnissen wie der Konstruktivismus obwohl die dahinterliegenden philosophischen Betrachtungen unterschiedlich sind Der Intuitionismus begrundet sich auf einem nicht klassischen Wahrheitsbegriff der Konstruktivismus auf einem nicht klassischen Existenzbegriff Intuitionistische Logik BearbeitenDie Gleichsetzung von Wahrheit und Beweisbarkeit erfordert eine damit kompatible Interpretation von mathematischen Aussagen und damit eine nichtklassische Logik Wahrend in der klassischen Logik die Aussage A B displaystyle A lor B wahrheitsfunktional siehe Wahrheitswert interpretiert wird als A trifft zu oder B trifft zu wird dieselbe Aussage in der intuitionistischen Logik interpretiert als Es gibt einen Beweis fur A oder es gibt einen Beweis fur B und man erkennt an ihm ob er A oder B beweist Aus dieser unterschiedlichen Interpretation der logischen Verknupfungen ergibt sich dass bestimmte Theoreme der klassischen Logik in der intuitionistischen nicht gultig sind Ein Beispiel ist der Satz vom ausgeschlossenen Dritten A A displaystyle A lor neg A Die klassische Interpretation lautet A trifft zu oder A trifft nicht zu und ist leicht als gultig erkennbar Die intuitionistische Interpretation lautet A ist beweisbar oder A ist widerlegbar wiederum mit der Forderung an den potentiellen Beweis dass erkennbar sein muss welche Teilaussage bewiesen worden ist Ware der Satz vom ausgeschlossenen Dritten in dieser Interpretation wahr wurde er die Vollstandigkeit des Kalkuls behaupten Kalkule fur die intuitionistische Logik mussen daher so beschaffen sein dass in ihnen der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht herleitbar ist In einem Regelkalkul erreicht man das indem man auf die Beseitigungsregel fur die doppelte Negation verzichtet fur die Negation bleibt dann nur der Satz vom Widerspruch als Axiom oder als Regel Auf diese Weise erhalt man die intuitionistische Logik welche den philosophischen Standpunkt in rein formaler Weise widerspiegelt Verhaltnis des Intuitionismus zur klassischen Logik Bearbeiten Der Intuitionismus als philosophische bzw metamathematische Richtung kritisiert nicht die klassische Logik als formales System sondern stellt deren Anwendbarkeit auf wissenschaftliche vor allem mathematische Fragestellungen in Frage bzw vertritt die Meinung dass andere logische Systeme diesen Fragestellungen angemessener sind Fur den Intuitionismus als eine philosophische Position die das Konzept der Beweisbarkeit in die Mitte ihrer Uberlegungen stellt ist die klassische Logik die logische Verknupfungen als Wahrheitsfunktionen siehe Wahrheitswert interpretiert schlechthin nicht von Interesse weil Beweisbarkeit nicht als Wahrheitsfunktion darstellbar ist Satz vom ausgeschlossenen Dritten Bearbeiten Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten wird problematisch wenn er sich auf unendliche Mengen bezieht Als Beispiel diene hier der SatzP Jede gerade Zahl die grosser als 2 ist lasst sich als Summe zweier Primzahlen darstellen Das Gegenteil dieses Satzes wird nach der klassischen Logik ausgedruckt durch den Satz P Es gibt eine gerade Zahl die grosser als 2 ist und sich nicht als Summe zweier Primzahlen darstellen lasst Weder der Satz P noch der Satz P konnten bis heute bewiesen werden siehe Goldbachsche Vermutung Die Aufzahlungsmethode ist kein geeigneter Ansatz um P oder P zu beweisen Zum einen kann P nicht in der Weise bewiesen werden dass fur jede gerade Zahl g zwei Primzahlen p1 und p2 aufgeschrieben werden deren Summe g ergibt denn es gibt ja unendlich viele gerade Zahlen Um dagegen P zu beweisen musste eine gerade Zahl angegeben werden fur die die Zerlegung in zwei Primzahlen unmoglich ist Falls P gilt wurde man zwar nach endlicher Zeit eine solche Zahl finden falls aber P nicht gilt wurde man unendlich lange suchen Aus Sicht der Intuitionisten besagt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nun dass eine der beiden oben dargestellten Aufgaben also der Beweis von P oder der Beweis von P durchfuhrbar sein muss Dies ist in der Tat nicht fur alle Satze P der Fall Sollte eines Tages nun doch die Goldbachsche Vermutung bewiesen oder widerlegt werden so gibt es dennoch viele andere Aussagen uber unendliche Mengen fur die das gleiche Problem besteht zum Beispiel die Kontinuumshypothese der Godelsche Unvollstandigkeitssatz zeigt zudem dass solche Beispiele aus prinzipiellen Grunden existieren Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten wird deshalb zwar in der klassischen Logik akzeptiert nicht jedoch im Intuitionismus und der Guntherlogik Inspiration fur Informatiker BearbeitenInformatiker entdeckten den Intuitionismus als Inspirationsquelle 1 und darauf aufbauend entstanden Beweisunterstutzungssysteme wie Coq Epigram und Agda die fur ihre Konstruktion und zur effektiven Benutzung die konstruktive Perspektive verlangen und beispielsweise den Satz vom ausgeschlossenen Dritten bestenfalls als Hack enthalten Die tiefgreifende Beziehung liegt hier im Curry Howard Isomorphismus der Aussagen mit Typen und Beweise mit Programmen zur Berechnung von Werten des der zu beweisenden Aussage entsprechenden Typs gleichsetzt Literatur BearbeitenL E J Brouwer Begrundung der Mengenlehre unabhangig vom logischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten in ders Collected Works pp 150 190 North Holland Publishing Company Amsterdam Oxford 1975 L E J Brouwer Hrsg Intuitionismus eingeleitet und kommentiert von Dirk van Dalen Mannheim Leipzig Wien Zurich BI 1992 ISBN 3 411 15371 7 Einzelnachweise Bearbeiten Bengt Nordstrom Kent Petersson Jan M Smith Programming in Martin Lof s Type Theory An Introduction 1990 PDF Weblinks BearbeitenMark van Atten Luitzen Egbertus Jan Brouwer In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Mark van Atten The Development of Intuitionistic Logic In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Rosalie Iemhoff Intuitionism in the Philosophy of Mathematics In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Joan Moschovakis Intuitionistic Logic In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Douglas Bridges Constructive Mathematics In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy insb 3 1 Intuitionistic Mathematics Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Intuitionismus Logik und Mathematik amp oldid 206309421