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Die Abschliessung Japans jap 鎖国 sakoku wortlich Landesabschliessung gilt als Schlusselbegriff fur die Aussenpolitik des Tokugawa Shōgunates von den 1630er Jahren bis zur erzwungenen Offnung des Landes durch Matthew Calbraith Perry im Jahre 1853 Inhaltsverzeichnis 1 Einschrankung der Beziehungen zum Ausland 2 Europaische und japanische Wahrnehmung 3 Aussenhandel 4 Kritische Revision 5 Literatur 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseEinschrankung der Beziehungen zum Ausland BearbeitenSeit den 1580er Jahren erliessen die japanischen Machthaber wiederholt Edikte welche die Aktivitaten der im Land agierenden Portugiesen und Spanier von den Einheimischen Sudbarbaren Nambanjin genannt mehr oder minder einschrankten Lange waren dies nur Ad hoc Reaktionen auf Zwischenfalle die oft keine praktischen Auswirkungen hatten Doch mit den Jahrzehnten verscharfte sich deren Tendenz Zwischen 1633 und 1639 ergingen schliesslich mehrere Erlasse die den Sudbarbaren die Einreise nach Japan und Japanern die langer als 5 Jahre im Ausland lebten und dort moglicherweise zum Christentum konvertiert waren die Ruckkehr verwehrten Nach 1635 galt ein grundsatzliches Aus und Einreiseverbot fur Japaner 1 Im Hintergrund dieser Massnahmen findet sich unter anderem der nur mit grosser Muhe niedergeschlagene Shimabara Aufstand der uberwiegend christlichen Landbevolkerung von Shimabara und Amakusa im Jahre 1639 aber auch das Bestreben den lukrativen Uberseehandel der Lehnsherren im Westen des Landes zu unterbinden die dem noch jungen Regime der Tokugawa gefahrlich werden konnten Seit 1639 verblieb nach der Ausweisung der letzten Spanier und Portugiesen nur noch die Niederlandische Ostindien Kompanie Verenigde Oostindische Compagnie VOC als europaischer Handelspartner Durch das Ausbleiben der portugiesischen Schiffe brach die wirtschaftliche Basis der reichsunmittelbaren Domane Nagasaki zusammen weshalb die Niederlander 1640 gezwungen wurden ihre Niederlassung von Hirado wo der lokale Furst Matsura ihnen freie Hand gewahrt hatte auf die kunstliche Insel Dejima Deshima im Hafen von Nagasaki zu verlegen Diese Faktorei wurde so zur einzigen legalen Quelle fur Waren und Informationen aus dem westlichen Ausland Die dort eingesetzten japanischen Holland Dolmetscher oranda tsuji sprachen noch viele Jahrzehnte lang vorwiegend portugiesisch mit der Systematisierung ihrer Ausbildung und Laufbahn entwickelten sich ihre niederlandischen Sprachkenntnisse Dank des Einflusses fahiger Faktoreiarzte wie Caspar Schamberger Engelbert Kaempfer Carl Peter Thunberg oder Philipp Franz von Siebold und gebildeter Faktoreileiter opperhoofden wie Andreas Cleyer Isaac Titsingh Jan Cock Blomhoff oder Hendrik Doeff wurde Dejima zum Einfallstor fur westliche Wissenschaft und Technik Neben den Handelswaren gelangten Instrumente aller Art Bucher Modelle Arzneimittel Olgemalde Karten Globen und andere Objekte als sogenannte Raritaten ins Land sie stimulierten das Interesse der Empfanger und fuhrten nach und nach zu dem was seit der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts Rangaku Hollandkunde genannt wird Im 17 Jahrhundert hatte japanisches Silber und Gold eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Geldwirtschaft Ostasiens 2 Nach dem Ruckgang der Edelmetallexporte dominierte Kupfer in Stabform das ebenfalls zur Munzpragung genutzt wurde Kostbare japanische Lackarbeiten Porzellane und andere Objekte zierten Schlosser und Hauser wohlhabender Europaer Bis in das 18 Jahrhundert hatte Japan auch eine wichtige Rolle in der Vermittlung der Akupunktur und Moxibustion in den Westen 3 In Japan raffinierter Gambir war als Terra japonica in jeder europaischen Apotheke erhaltlich 4 1808 erzwang sich ein britisches Kriegsschiff im Hafen von Nagasaki die Verproviantierung 5 Europaer die auf eigene Faust nach Japan einzureisen versuchten mussten mit Todesstrafe oder lebenslanger Inhaftierung rechnen Einer der wenigen denen die Anlandung gelang war im Jahr 1708 der italienische Jesuit Giovanni Battista Sidotti Er wurde inhaftiert und starb 1714 im Alter von 46 Jahren Europaische und japanische Wahrnehmung Bearbeiten nbsp Druckausgabe der Ubersetzung von Kaempfers Abhandlung zur japanischen Abschlusspolitik Kurosawa Okinamaro Ijinkyōfuden 1850 Vorwort Auf die Europaer wirkten diese Massnahmen wie eine Abschottung Japans von der Aussenwelt Engelbert Kaempfer verteidigte sie in einem 1712 gedruckten Aufsatz als zwar nicht wunschenswerte doch legitime Reaktion auf das aggressive Eindringen Portugals im 16 und fruhen 17 Jh 6 Wahrend der Aufklarungszeit wurde uber diese Auffassung in Europa heftig und kontrovers diskutiert Katholische Autoren liessen nach der Vertreibung der Missionare an dieser Politik kein gutes Haar Aber auch die Aufklarer betonten den Austausch mit der Welt als unabdingbare Voraussetzung fur den Fortschritt des Landes und der Menschheit 7 In Japan erfuhr man von Kaempfers Einschatzung erst spat Kaempfers Abhandlung war im Anhang der niederlandischen Ausgabe seines beruhmten Japanbuchs ins Land gelangt 8 1801 ubertrug dann der Dolmetscher Shizuki Tadao Kaempfers Text ins Japanische und komprimierte den langen nahezu unubersetzbaren Titel auf das von ihm erdachte Wort sakoku ron Abhandlung zur Landesabschliessung Auf diesem Weg wurde Kaempfer zum Vater eines Schlusselbegriffs spaterer Beschreibungen der Edo Zeit Shizukis Ubersetzung stiess auf Interesse seine Ubersetzung wurde vielfach kopiert die 1850 erschienene Druckausgabe 9 jedoch sofort verboten Bis zur Offnung des Landes hatte Shizukis Text keine direkte Wirkung auf die Entscheidungstrager in Edo Wahrend der Meiji Zeit gab es in der neu etablierten Geschichtswissenschaft wie auch in der Gesellschaft allgemein lebhafte Diskussionen uber die Beurteilung der vorangehenden Edo Zeit besonders zur Frage ob diese fur Japan vorteilhaft oder schadlich war sontoku ron In dieser Phase wurde der Terminus sakoku weit verbreitet Er setzte sich allerdings in der japanischen Geschichtsschreibung erst Anfang des 20 Jahrhunderts durch und floss uber die Schulbucher ins allgemeine Geschichtsbild Japans ein 10 Im 17 und 18 Jh traf Kaempfers Schilderung nur in Teilen auf die tatsachliche Lage in Japan zu Mit zunehmendem Interesse auf russischer englischer und amerikanischer Seite an einer Offnung des Landes schlugen japanische Politiker jedoch Anfang des 19 Jahrhunderts eine bewusst isolationistische politische Linie ein 1825 erging der Befehl die Anlandung auslandischer Schiffe mit Gewalt zu verhindern Er wurde allerdings nur ein einziges Mal im Jahre 1838 praktiziert und nach dem Opium Krieg 1842 wieder aufgehoben nbsp Eine chinesische Dschunke Holzblockdruck 1644 48 Faktisch handelte es sich bei der Landesabschliessung um eine im fruhneuzeitlichen Ostasien keineswegs ungewohnliche selektive Landesoffnung Nach der Bedrohung des Seehandels im westlichen Pazifikraum durch Piraten und westliche Machte im 16 Jahrhundert schrankten Japan und Korea den Uberseehandel fast gleichzeitig ein und auch China offnete nur den Hafen Kanton fur europaische Seefahrer Aussenhandel BearbeitenAuch zwischen Japan und China gab es keine offiziellen Handelsbeziehungen Die in Nagasaki einlaufenden Dschunken wurden von chinesischen Kaufleuten und sudostasiatischen Hafenstadten in privater Initiative betrieben Die Schiffsbesatzungen wurden wahrend ihres Aufenthaltes in einem abgeschlossenen Chinesen Viertel Tōjinyashiki einquartiert Der Handel mit Europa lief uber die Niederlander auf Dejima ab Das Lehen han Tsushima Fuchu handelte uber eine Niederlassung wakan kor waekwan nahe dem koreanischen Hafen Busan mit Korea Das Lehen Satsuma das 1609 mehrere Inseln des Konigreiches Ryukyu annektiert hatte unterhielt uber den pro forma unabhangig verbliebenen Teil weiterhin indirekte Handelsbeziehungen mit China und Sudostasien Das Lehen Matsumae auf der Sudwestspitze der Insel Ezo trieb Handel mit den nicht zu Japan gehorenden Ainu Stammen und uber diese indirekt mit Nordostasien Die Sicherung der Kusten des Archipels wurde den angrenzenden Lehen uberlassen zu direkten Eingriffen der Regierung kam es nur bei besonderen Zwischenfallen Schmuggel und heimlicher Tauschhandel auf See waren soweit man das aus den Quellen erkennen kann besonders im Raum um Kyushu weit verbreitet Auch in Nagasaki wurden die Verbote ungeachtet aller Strafandrohungen unablassig ignoriert Auf diplomatischer Ebene gab es im Japan des 17 und 18 Jahrhunderts wenig Aktivitaten Zum Regierungsantritt eines neuen Shōgun schickte der koreanische Konigshof eine Gesandtschaft nach Edo Die japanische Seite interpretierte das dem chinesischen Vorbild folgend als Huldigungsreise wahrend die Koreaner ihre Unternehmung als Inspektionsreise verstanden Bei den Hofreisen der Niederlander handelte es sich bis zur Ubernahme der Ostindien Kompanie durch den niederlandischen Staat eigentlich nur um Beziehungen einer Aktiengesellschaft zu Japan Doch behandelte man die nach Edo ziehenden Leiter opperhoofden der Niederlassung Dejima als Quasi Gesandte Der Status der gelegentlich in Edo eintreffenden Vertreter des Konigreiches Ryukyu wie auch der Ainu reichte indes nicht einmal fur den Zutritt zum Audienzsaal 11 In den 1630er Jahren befanden sich rund 3 000 Japaner im Ausland mehrheitlich um den Aussenhandel des Landes abzuwickeln 12 Korea und Japan tauschten haufig Schiffbruchige aus die an ihre Kusten verschlagen worden waren Die Abwicklung dieser Probleme gehorte zu den Aufgaben des Gouverneurs von Nagasaki und des Lehens Tsushima das die Ubergabe uber die japanische Niederlassung in Busan abwickelte Seit Ende des 18 Jahrhunderts fand ein solcher Austausch auch mit Russland und anderen europaischen Landern statt Kritische Revision BearbeitenNach der Etablierung des Terminus sakoku in den Schulbuchern wahrend der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts setzte sich die Vorstellung einer Abschliessung des Landes sowohl im japanischen Selbstbildnis als auch im Japanbild vieler auslandischer Geschichtswissenschaftler fest Mit den Fortschritten in der Erforschung der japanischen Randgebiete Ezo heute Hokkaidō Ryukyu und Tsushima kamen jedoch wahrend der 1970er Jahre erste Zweifel an diesem Konzept auf das seit den 1990er Jahren kraftig umgearbeitet wird Zumindest unter Historikern ist heute das Konzept der vier Offnungen 四の口 yotsu no kuchi wortl vier Munder Matsumae Tsushima Nagasaki Satsuma Ryukyu weitgehend akzeptiert Anstelle der Bezeichnung sakoku findet daneben der aus dem Chinesischen ubernommene Begriff kaikin 海禁 maritimer Abschluss mehr und mehr Verbreitung auch um auf die Ahnlichkeiten zur damaligen Aussenpolitik Chinas und Koreas hinzuweisen Literatur BearbeitenMichael S Laver The Sakoku Edicts and the Politics of Tokugawa Hegemony Cambria Press 2011 ISBN 978 1 60497 738 7 Akihide Oshima Sakoku to iu Gensetsu Minerva Publisher Kyoto 2009 Originaltitel 大島明秀 鎖国 という言説 ケンペル著 志筑忠雄訳 鎖国論 の受容史 ミネルヴァ書房 Noel Perrin Keine Feuerwaffen mehr Japans Ruckkehr zum Schwert 1543 1879 Klett Cotta Stuttgart 1996 ISBN 3 608 91718 7 Ronald P Toby State and Diplomacy in Early Modern Japan Princeton University Press Princeton 1984 Reinhard Zollner Verschlossen wider Wissen Was Japan von Kaempfer uber sich lernte In Sabine Klocke Daffa Jurgen Scheffler Gisela Wilbertz Hrsg Engelbert Kaempfer 1651 1716 und die kulturelle Begegnung zwischen Europa und Asien Lippische Studien Band 18 Lemgo 2003 Siehe auch BearbeitenIsolationismusEinzelnachweise Bearbeiten In der japanischen und westlichen Geschichtsschreibung des 20 Jahrhunderts wurden diese Edikte als Landesabschliessungsedikte 鎖国令 sakoku rei vorgestellt Der Terminus sakoku findet sich auf keinem Dokument des 17 Jahrhunderts Er entstand erst im Jahre 1801 Kobata Atsushi Production and Uses of Gold and Silver in Sixteenth and Seventeenth Century Japan In The Economic History Review New Series 18 2 1965 S 245 266 Michel Wolfgang Japanese Acupuncture and Moxibustion in Europe from the 16th to 18th Centuries In Journal of the Japan Society of Acupuncture and Moxibustion JJSAM Vol 61 2011 No 2 pp 42 55 150 163 Michel Wolfgang Medizin Heilmittel und Pflanzenkunde im euro japanischen Kulturaustausch des 17 Jahrhunderts HORIN Vergleichende Studien zur japanischen Kultur No 16 2009 S 19 34 John Darwin Der imperiale Traum Die Globalgeschichte grosser Reiche 1400 2000 Campus Frankfurt am Main ISBN 978 3 593 39142 7 S 212 Engelbert Kaempfer Amoenitatum exoticarum politico physico medicarum fasciculi 5 Meyer Lemgo 1712 S 478 502 Regnum Japoniae optima ratione ab egressu civium amp exterarum gentium ingressu amp communione clausum Peter Kapitza Engelbert Kaempfer und die europaische Aufklarung Dem Andenken des Lemgoer Reisenden aus Anlass seines 350 Geburtstags am 16 September 2001 Iudicum Verlag Munchen ISBN 3 89129 991 5 Engelbert Kaempfer De beschryving van Japan 1729 und 1733 Kurosawa Okinamaro Ijin kyōfu den 1850 黒沢翁満 異人恐怖伝 嘉永3年 Oshima 2009 Toby 1984 L M Cullen A History of Japan 1582 1941 Internal and External Worlds Cambridge 2003 S 33 doi 10 1017 CBO9780511606557 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Abschliessung Japans amp oldid 236383972