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Die Rezeption des romischen Rechts Ubernahme der Rechtsregeln und Arbeitsmethoden des romischen Rechts bezeichnet einen kulturgeschichtlichen Vorgang der gemeinhin als wissenschaftliche Durchdringung der kontinentaleuropaischen Gewohnheits und Partikularrechte durch das romisch kanonische Recht verstanden wird Der Einwirkungsprozess des so entstandenen ius commune Gemeines Recht auf die iura patriae Heimatrechte verlief ab dem Hochmittelalter bis zum Ende des 19 Jahrhunderts Pandektismus in Wellen und Phasen mit wechselnder Intensitat und nahm entscheidenden Einfluss auf geltendes Recht so auch final auf das deutsche Burgerliche Gesetzbuch BGB von 1896 1900 Den Weg ins Mittelalter fand das Recht im Gespann als romisch kanonisches Recht uber zwei Wege einerseits uber die weltliche Rechtsrezeption andererseits uber den kirchenrechtlichen Weg denn die Papstkirche in Rom hatte sich im Fruhmittelalter am romischen Recht orientiert Ecclesia vivit lege Romana Die Kirchengerichte rezipierten privatrechtliche Materien mit einem weitreichenden eigenen Hoheitsanspruch Mit zunehmender Rechtssetzung durch Papste begann das kanonische Recht sich eigenstandig zu entwickeln Zu den Beitragen der weltlichen Rezeption zahlen fur die europaische Rechtskultur die Verwissenschaftlichung und die Professionalisierung des Fachs hin zu einer definierten Jurisprudenz Rechtsgelehrsamkeit sowie darauf aufbauend die Systematisierung des Rechtsstoffes fur die Bedurfnisse der forensischen Praxis In der Forschung wird vorwiegend die Auffassung vertreten dass das romische Recht rezipiert wurde weil es das Recht des imperium romanum war das als Leitbild des karolingischen Reichs und seiner Folgestaaten fortwirkte und in der europaischen Kultur fortbestand Erst in zweiter Linie resultierte der uber viele Epochen verlaufende Ruckgriff aus der hohen Qualitat des Juristenrechts welches vornehmlich in der Zeit der klassischen Kaiserzeit geschaffen worden war Aufgrund der umfangreichen Kompilation der schon mit der Zeit des Zwolftafelgesetzes einsetzenden Rechtsmassen verfugte der spatantike Kaiser Justinian uber eine Vielzahl von schriftlichen Quellen die der Nachwelt uber viele Epochen zur Ausdeutung und Ubernahme in die jeweils aktuelle Rechtspraxis dienten Inhaltsverzeichnis 1 Begriff der Fruh und Spatrezeption 2 Glossatoren Postglossatoren Konsiliatoren 3 Rezeption in kirchlichen Institutionen 4 Praktische Verbreitung in der Neuzeit 5 Epoche des Usus modernus pandectarum 6 Pandektenwissenschaft unter dem Einfluss der Historischen Rechtsschule 7 Ende der Rezeption und Kodifikation 8 Siehe auch 9 Literatur 10 EinzelnachweiseBegriff der Fruh und Spatrezeption BearbeitenMit dem Untergang des Romischen Reiches im Jahr 476 fiel das romische Recht enormem Bedeutungsverlust anheim nachdem es aus Vereinfachungsgrunden sukzessive vulgarisiert worden war Der Prozess verscharfte sich im Uberschnitt von der Spatantike zum Fruhmittelalter als sich zahlreiche germanische Stammesrechte herausgebildet hatten die ihrerseits von unterschiedlichen Kultureinflussen und Rechtsvorstellungen zeugten Romisches Recht fand sich darin allenfalls in Teilen wieder was die Rechtseinheit zerbrach Da die Germanen zudem keine Schriftkultur kannten wurde das romische Recht weitergehendem Verlust und insbesondere Vergessen ausgesetzt Erst im 11 Jahrhundert setzte durch ein anstossendes Ereignis die Wiederbesinnung auf romische Rechtsquellen ein Die einsetzende Fruhrezeption war zunachst eine theoretische Rechtsrezeption die mit Methodenlehre Logik und Universitatsgrundungen einherging In Gang wurde die Rezeption ausgangs des 11 Jahrhunderts gesetzt Sie stand im Zusammenhang mit der Wiederauffindung einer handschriftlichen Hauptquelle aus dem justinianischen Corpus iuris den Digesten welche sich in der Ausfertigung der Littera Florentina hervortaten 1 Die Sammlung enthielt klassisches Juristenrecht Schriften romischer Rechtsgelehrter aus der Zeit des Prinzipats Diese Schriften wurden an der Universitat Bologna die als Keimzelle fur die europaische Juristenausbildung gilt nutrix legum Quellengrundlage fur das weltliche Rechtsstudium die Legistik abgeleitet von libri legales dem Namen fur die antiken Gesetzgebungswerke Bedeutung erlangten sie da sie im Rahmen eines naturrechtlichen Rechtsverstandnisses als geschriebene Vernunft ratio scripta angesehen wurden Da die Beweisfuhrungsmethoden auf der scholastischen Lehre beruhten wurde insbesondere das Streben nach logischer Widerspruchsfreiheit zur Maxime der Quellenarbeit erhoben Die Rezeption des romischen Rechts wird in die Stadien der Fruh und der Spatrezeption eingeteilt In der Fruhrezeption waren es vor allem die Kloster und geistlichen Gerichte die Trager der Rezeption waren Der Grund hierfur ist in den juristisch ausgebildeten Geistlichen zu sehen die den Gerichten oder Klostern vorstanden Spater besetzten in Italien ausgebildete Juristen immer haufiger Verwaltungs und Rechtsprechungspositionen in den ultramontanen jenseits der Alpen liegenden Territorien West und Nordeuropas und konnten somit die dort anzufindenden juristischen Laien langsam ersetzen Damit setzte auch die praktische Rezeption ein Es wurden Rechtsbucher in deutscher Sprache geschrieben und Gerichte gegrundet die mit ausgebildeten Richtern besetzt wurden Verbindendes Element von Kaisertum und Kirche war von Anfang an und trotz haufiger Konflikte die Reichsidee 2 als Leitbild fur hegemoniale Anspruche innerhalb des Christentums Ab dem 14 Jahrhundert konnen die neu gegrundeten Universitaten als bedeutendster Trager der Spatrezeption angesehen werden An diesen wurde nach der Grundungswelle Mitte des 14 Jahrhunderts sowohl das justinianische romische als auch das kanonische Recht gelehrt Die Neugrundung von Universitaten unterstutzte die Ausbreitung des Rechtsunterrichts so auch im Heiligen Romischen Reich Prag 1348 Wien 1365 Heidelberg 1386 Die hier ausgebildeten gelehrten Juristen arbeiteten in den Verwaltungen des Reiches und im Dienst der Fursten in den Territorien als Richter oder Rechtswissenschaftler Wegen der Gleichartigkeit der Rechtsquellen kann von einer einheitlichen Juristenausbildung in Kontinentaleuropa gesprochen werden Diese erste Phase der Rezeption wird mit der Begrundung des Reichskammergerichtes 1495 in Ablosung des Koniglichen Kammergerichts und kurz darauf des Reichshofrats sowie gewisser territorialer Obergerichte ausgestattet mit privilegium de non appellando 3 als beendet angesehen Einer der Hohepunkte dabei war dass erstmals Urteile veroffentlicht 4 und kommentiert wurden sogenannte kameralistische Jurisprudenz begrundet durch Joachim Mynsinger von Frundeck und Andreas Gaill Glossatoren Postglossatoren Konsiliatoren BearbeitenSiehe auch Glossator Juristische Glossatoren und Kommentatoren Die erste eingehende Beschaftigung mit dem romischen Recht wurde im 12 Jahrhundert von den Rechtsgelehrten in Bologna und Pavia in Form einer Kommentierung der Texte des Corpus Iuris Civilis CIC erreicht Mit ihr hob die romanistische Tradition einer universitar gelehrten europaischen Rechtshistoriographie an In den Jahrhunderten zuvor war das romische Recht soweit uberhaupt durch Vermittlung der Kompilationen des CIC betrieben worden da das klassische Recht allerdings darin deutlich verkurzt und insbesondere vereinfacht worden war unterlag es einer Vulgartradition 5 Technisch wurde so vorgegangen dass den ursprunglichen Texten kommentierende Anmerkungen Glossen hinzugefugt wurden Man spricht daher auch von der Glossatorenzeit gleiches gilt fur die Bearbeitung des Decretum Gratiani oder Corpus Iuris Canonici Irnerius der bis 1125 als Jurist an der Rechtsschule von Bologna tatig war begann wahrscheinlich als erster mit der Kommentierung des Corpus iuris civilis Die Bedeutung dieser Glossatoren liegt vor allem in ihrer Vorarbeit zum ius commune Aber auch rechtsschopferisch waren sie rege tatig so im Delikt Sachen und Schadensersatzrecht Sie entwickelten noch heute bedeutende Grundsatze zur Geschaftsfuhrung ohne Auftrag und zur ungerechtfertigten Bereicherung Eines der umfangreichsten Glossenwerke wurde wohl 1230 von Accursius verfasst Das Sammelwerk tragt den Titel Glossa ordinaria In der nachfolgenden Zeit wurden die Glossen immer umfangreicher sodass diese in separat gefuhrten Buchern zu regelrechten Kommentaren anwuchsen Die in dieser Phase arbeitenden Juristen verschiedener europaischer Lander wandten sich verstarkt der Rechtspraxis zu und ganz besonders der Rechtsprechung Herausragender Vertreter war Bartolus de Saxoferrato der die Grundlagen fur eine einheitliche Auslegungstradition schuf 6 Fur die Praxis des Wirtschafts und Warenverkehrs mussten Rechtsgutachten angefertigt werden etwa fur das Handelsrecht Erstmals versuchten sie Einzelfalle nicht als solche zu behandeln sondern grundsatzliche Rechtsprobleme zu sortieren und zu kategorisieren ein Akt der Abstraktion Auf diese Weise konnten allgemeingultige Gesetzmassigkeiten zum Vorschein gebracht werden wichtig damit ahnlich gelagerte Falle nunmehr Bestimmungsgruppen zugeordnet werden konnten was wiederum der Prozessokonomie diente Im 13 und 14 Jahrhundert war die Rezeption in Italien und den westeuropaischen Landern Frankreich und Spanien in unterschiedlichen Nuancen in vollem Gang noch nicht so in Deutschland Ab Mitte des 14 Jahrhunderts entstanden allmahlich Universitaten die sich nicht lediglich mit dem kanonischen Recht auseinandersetzen 7 Nicht erwiesen ist ob vor Mitte des 15 Jahrhunderts standige Vorlesungen im romischen Recht abgehalten worden sind Auch der Zustrom Deutscher zu den italienischen Universitaten setzte verhaltnismassig spat ein und erreichte seinen Hohepunkt erst in der zweiten Halfte des 16 Jahrhunderts 8 Rezeption in kirchlichen Institutionen BearbeitenEin Teil der Rezeption des romischen Rechtes im Alten Reich fand in kirchlichen Institutionen statt Die katholische Kirche orientierte sich seit ihren Anfangen am romischen Recht Ein Symbol dafur ist das fruhmittelalterliche Sprichwort Ecclesia vivit lege Romana Die Kirche lebt nach romischem Recht 9 10 Spater lehrten kirchliche Juristen die in Bologna ausgebildet wurden neben dem kanonischen Recht auch romisches Recht an den kirchlich betriebenen Schulen wie Kloster und Stadtschulen 11 An den Offizialaten der Bischofe den Kirchengerichten wurden seit dem 13 Jahrhundert romische Rechtstraditionen neben dem Kirchenrecht angewandt 11 Im Vertragsrecht konnten die Kanonisten auf die bereits bestehende Differenzierung des romischen Rechtes zuruckgreifen Dabei ubernahmen die Kanonisten insbesondere die romische Terminologie und einige der Einzelentscheidungen die insbesondere fur das sich entwickelnde wirtschaftliche Leben sich als dienlich erweisen 12 Nach Harold Berman bauten die Kirchenrechtler insbesondere auf die Arbeit der Glossatoren auf da diese die romische Terminologie und das alte romische Recht im Licht der neuen wirtschaftlichen Anforderungen rekonstruierten 12 In spaterer Zeit griffen die Postglossatoren Kommentatoren die Anwendung der Philosophie Aristoteles auf die christliche Theologie durch Thomas von Aquin auf und entwickelten daraus nicht nur eine Synthese von romischrechtlichen Ideen sondern eine Theorie der causa die Berman als generelle Vertragstheorie 13 bezeichnet und welche aussagt dass jedem Rechtsgeschaft auch ein Grund zugrunde liegen muss 12 Diese Theorie wurde dann von den Kanonisten wieder in das kanonische Rechtssystem eingebaut dabei jedoch um den Aspekt erganzt dass jedes Versprechen bindend ist aufgrund der christlichen Idee des Gewissens egal ob Vertrage eine causa haben oder nicht Diese Erganzung der Vertragstheorie fuhrte zur Entwicklung einer zentralen Unterscheidung des kanonischen und romischen Vertragsrechts des Grundsatzes pacta sunt servanda 12 Jedoch nahmen die Kanonisten die Idee der causa auf und entwickelten daraus den Grundsatz dass nicht alle Vertrage sondern nur die Vertrage bindend sind die eine gerechte causa hatten Unter einer gerechten causa verstanden die Kanonisten das was der Moral entspricht und daher gerecht und vernunftig sei 14 Bei der Entwicklung von Massstaben was als gerecht zu deuten sei nahmen sie die Terminologie des iustum pretium aus einer Digestenstelle und wandten diese auf einen spezifischen Fall zugeschnittene Regel generell an um zu bestimmen inwieweit ein Vertrag wirksam sei 12 Praktische Verbreitung in der Neuzeit BearbeitenNach Einrichtung des Reichskammergerichts 1495 und dem Reichshofrat zustandig vornehmlich fur Hoheits und Reichsgutrechte wurde diesem als oberstem Gericht im Heiligen Romischen Reich eine tragende Rolle bei der fortgefuhrten Rezeption des romischen Rechtes zugedacht Das Reichskammergericht war funktional auch Appellationsgericht mithin fur letztinstanzliche Entscheidungen zustandig das hatte Auswirkungen auf die Einzelstaaten und damit auf die Vereinheitlichung des Rechts insgesamt Obwohl das romische Recht niemals offiziell zum Reichsrecht erhoben wurde und das Reichs Landes und Gewohnheitsrecht consuetudo ihm offiziell vorgingen war es die wichtigste begriffliche Quelle zur Einordnung von Rechtsfiguren in der Neuzeit Daher wurde das romisch kanonische Recht von den Richtern auch meist bevorzugt angewandt da es hier eine klare schriftliche und systematische Fixierung gab Wichtig fur das Fortschreiten der praktischen Rezeption war ferner die Popularisierung des rezipierten Rechts durch leicht verstandliche deutschsprachige Rechtsbucher romisch rechtlichen Inhalts so namentlich und zuerst den Klagspiegel des Conrad Heyden um 1436 sowie im 16 Jahrhundert u a Ulrich Tenglers Laienspiegel und Justin Goblers Rechtenspiegel Derartige Schriften forderten das Eindringen des romischen Rechts auch in die unteren Ebenen der Rechtspraxis die zu dieser Zeit noch weitgehend von Nichtjuristen gepragt waren Mittelbare Folge war eine verstarkte Verrechtlichung des Alltagslebens Die Phasen der Rechtsrezeption bis zum usus modernus vornehmlich die Arbeiten der Glossatoren und Kommentatoren bezeichnet Klaus Luig auch als ius Romanum womit er Quellennahe und interpretation zum Ausdruck bringen will Die wissenschaftliche Aufbereitung des romischen Rechts habe vornehmlich darin bestanden Erlauterungen und Arbeitshilfen zu den romischen Rechtsquellen des Corpus Iuris selbst zu fertigen 15 Siehe auch Renaissance HumanismusEpoche des Usus modernus pandectarum Bearbeiten Hauptartikel Usus modernus pandectarum Wissenschaftlich weiter vorangetrieben wurde die Rezeption im Heiligen Romischen Reich in der Zeit des usus modernus pandectarum Auf Grund der Tatsache dass das romisch kanonische Recht nicht formell als Reichsrecht eingesetzt worden war wurden die aufgestellten Rechtssatze einer fortlaufenden der kritischen Prufung unterzogen Die textkritische Auseinandersetzung mit den antiken Gesetzessammlungen ist ein besonderes Verdienst des usus modernus Der usus modernus stellt aber nicht lediglich einen weiteren Entwicklungsschritt in der inhaltlichen Rezeptionsgeschichte des romisch kanonischen Rechts dar In formaler Hinsicht postuliert er ausserdem dass altes Recht nicht einfach gelten konne vielmehr sei es unter den Vorbehalt seiner Anwendung in der Praxis zu stellen Seine Geltung war damit abhangig von seiner praktischen Nutzung usus Und tatsachlich entwickelte sich die Vereinheitlichung der privatrechtlichen Ordnung im Heiligen Romischen Reich erst aus der Rechtspraxis heraus Diese war notwendig in einer Epoche in der unterschiedliche Stromungen zusammenfielen und den Alltag beherrschten etwa der Beginn der Aufklarung die verschiedenen Reformationsbewegungen und der Humanismus Diese territorial ubergreifenden Herausforderungen fuhrten das Recht einer gesamteuropaischen Praxisanalyse zu Besonders die humanistische Jurisprudenz des mos gallicus um Hugo Donellus herum hinterfragte die uberlieferten Rechtsquellen zunehmend kritisch und sie systematisierte die dazugehorigen Rechtsstoffe 16 Der usus modernus vermochte die rechtlich vielfaltigen Grundlagen des bestehenden partikularen Rechts fur die Rechtspraxis alsbald dergestalt zu harmonisieren dass deren Vereinheitlichung erkennbar wurde Dabei nahm er die Sonderstellung ein ein freieres Verhaltnis zu den romischen Quellen und den alteren Autoritaten des Gemeinen Rechts beanspruchen zu durfen 17 Die Autoren analysierten die Quellen der beiden CIC Corpus iuris civilis Corpus iuris canonici letztlich im Lichte der optimistischen Prognose besserer Lebensumstande was sie aus dem Abgleich mit den antiken rechtswissenschaftlichen Texten herleiteten Dabei kamen Bestrebungen auf das romische Recht nicht mehr als Gesetz sondern ohnehin unter Anwendungsvorbehalt gestellt lediglich gewohnheitsrechtlich akzeptieren zu wollen argumentationsstrategisch als historische Befundaufnahme 17 Auch die fallbezogene Literatur nahm in dieser Zeit zu Luig beschreibt in Anlehnung an andere Autoren fur die Literaturformen des alteren usus modernus den ubergreifenden territorialrechtlichen Einfluss auf das Gemeine Recht das zu Abweichungen und Anderungen in der territorialen oder lokalen Rechtspraxis fuhrte und Bedeutung als Sonderrecht erlangte Seinem Sprachgebrauch nach entstand im deutschen Raum das ius romano germanicum oder im spanischen Raum das ius romano hispanum Helmut Coing verwendete fur die Sonderrechte die abstrakte Bezeichnung des nationalen Gemeinen Rechts 18 In der spateren Phase des usus modernus verlor nach Ansicht Luigs das romische Recht seine Bedeutung als zentraler Gegenstand der europaischen Rechtswissenschaften Es schuf sich das ius novissimum angelehnt an die iustinianischen Novellen oder in anderer Bezeichnung das ius modernum beziehungsweise ius patrium Wieacker 18 Ius romano germanicum wandelte sich unter Zeitgenossen bereits zu ius germanicum 19 Am Ende der Epoche wurde der usus modernus schon von der Aufklarung und der damit stattfindenden Auseinandersetzung mit dem Naturrecht durchsetzt Pandektenwissenschaft unter dem Einfluss der Historischen Rechtsschule Bearbeiten Hauptartikel Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft Die letzten Auswirkungen der Rezeption ausserten sich in Deutschland in jener Entwicklung die letztendlich zur Kodifikation des Burgerlichen Gesetzbuchs fuhrten namlich die im 19 Jahrhundert auf Anregung Friedrich Carl von Savignys stattfindende historische Erneuerung die eine Neubefassung mit den romischen Rechtsquellen forderte auf deren Grundlage ein allgemeines deutsches burgerliches Recht entstehen sollte Gegenstand der Pandektenwissenschaft Diese verstand sich als geschichtliche auf der Kultur eines Volkes beruhende Rechtswissenschaft weshalb sie die uberpositive Zeitlosigkeit des Rechts die dem am Naturrecht orientierten Vernunftrecht innenwohnen ablehnte 20 Gefordert wurde die Nutzung gestalterischer Spielraume rechtschopferisches Tatigwerden fur die Praxis In Deutschland erfolgte die Rezeption dieser Zeit daher eher uber die Doktrin der italienischen Kommentatoren als uber das Corpus Iuris selbst 8 Uber die Rezeption in Deutschland existiert insoweit eine grosse Menge an Literatur 21 Ende der Rezeption und Kodifikation BearbeitenDie Rezeptionsgeschichte reicht in Deutschland bis zum Erlass des Burgerlichen Gesetzbuch BGB auf dessen Ausarbeitung das romische Recht erheblichen Einfluss nahm Bernhard Windscheid Mitglied der ersten Gesetzgebungskommission war einer der bedeutendsten Pandektisten und Lehrer des romischen Rechts Kleiner Windscheid 22 Besonders seinem Einfluss ist es zu verdanken dass das BGB deutlich romisch rechtlich konnotiert Etliche Rechtsnormen gehen auf Vorbilder aus dem vor klassischen romischen Recht zuruck Beispiele sind etwa der petitorische Besitzschutz des 1007 BGB der an die pratorische Herausgabeklage der actio Publicana angelehnt ist 23 oder der Ersitzungstatbestand nach 937 Abs 2 BGB der sich aus der fruhromischen usucapio herleitet 24 Da das romische Recht in grossen Teilen Kontinentaleuropas rezipiert wurde besonders sind Italien und Frankreich hervorzuheben hat sich ab dem Mittelalter nicht nur das Gemeine Recht ius commune formiert viele Rechtsregeln vgl z B da mihi factum dabo tibi ius Rechtssprichworter vgl hierzu ausgiebig Latein im Recht und Rechtsbegriffe vgl mandatum fur Auftrag haben sich uberall gleichermassen etabliert Siehe auch BearbeitenTranslatio imperii Rechtswesen im antiken RomLiteratur BearbeitenLorena Atzeri Romisches Recht und Rezeption in Europaische Geschichte Online hrsg vom Institut fur Europaische Geschichte Mainz 2017 Zugriff am 8 Marz 2021 pdf Paul Koschaker Europa und das romische Recht 4 Auflage Beck Munchen 1966 DNB 457278439 Wolfgang Kunkel Das Wesen der Rezeption des romischen Rechts Heidelberger Jahrbucher 1 1957 S 1 ff Gebhard Rehm Rechtstransplantate als Instrumente der Rechtsreform und transformation RabelsZ 72 2008 S 1 ff Hans Schlosser Grundzuge der Neueren Privatrechtsgeschichte 10 Auflage UTB Stuttgart 2005 ISBN 978 3 8252 0882 0 S 1 ff S 26 ff Franz Wieacker Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berucksichtigung der deutschen Entwicklung 2 Auflage Vandenhoeck u Ruprecht Gottingen 1967 ISBN 3 525 18108 6 Franz Wieacker Zum heutigen Stand der Rezeptionsforschung In Festschrift fur Joseph Klein 1967 S 187 ff Gerhard Wesenberg Gunter Wesener Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte im Rahmen der europaischen Rechtsentwicklung 4 Auflage Bohlau Wien Koln Graz 1985 ISBN 3 205 08375 X Gunter Wesener Einflusse und Geltung des romisch gemeinen Rechts in den altosterreichischen Landern in der Neuzeit 16 bis 18 Jahrhundert Bohlau Wien Koln 1989 ISBN 3 205 05234 X Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte 27 J Michael Rainer Das Romische Recht in Europa Von Justinian zum BGB Manz Wien 2012 ISBN 978 3 214 00785 0 Udo Wolter Ius canonicum in iure civili Bohlau Koln 1975 ISBN 3 412 02275 6 Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte 23 H Lange Romisches Recht im Mittelalter Band I Die Glossatoren Beck Munchen 1997 ISBN 3 406 41904 6 Filippo Ranieri Romisches Recht Rezeption In Lexikon des Mittelalters Band 7 Metzler Munchen 1995 S 1014 1016 Einzelnachweise Bearbeiten Der kaum beweisbare Fund der sogenannten Littera Florentina das massgebliche Digesten Manuskript und ihr vermeintlicher Weg von Amalfi uber Pisa nach Florenz erhalt eine dokumentarische Stutze in einer toskanischen Urkunde aus dem Jahre 1076 Darin berufen sich Rechtskundige erstmals in nachantiker Zeit wieder auf eine Digestenstelle Stichworte hierzu etwa Fortsetzung des Imperium Romanum Nachfolgekaiserschaft auf Justinian I Gesetze von Roncaglia Barbarossa knupfte an die Gesetzgebungstatigkeit der romischen Kaiser an Autoritat des Sachsenspiegels durch Conring widerlegte Lotharische Legende Die Verfahrensordnungen waren nach dem Vorbild des Reichskammergerichts organisiert so beispielsweise die Trierische Hofgerichtsordnung des Kurfursten Jakob von Eltz von 1569 Karl Zippelius Ein Juristenleben im 16 Jahrhundert Jochim Mynsinger von Frundeck In Melanges Fritz Sturm Liege 1999 S 959 970 Tomasz Giaro Romisches Recht Romanistik und Rechtsraum Europa In Ius Commune hrsg von Dieter Simon und Michael Stolleis Band 22 Vittorio Klostermann Frankfurt a M 1995 S 1 16 4 Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 2 Rnr 7 f Das franzosische Selbstverstandnis folgte dem romischen Recht nicht kraft ratio imperii sondern kraft imperio rationis Daraus leitete sich auch die alleinige Gesetzgebungshoheit des weltlichen Oberhaupts her rex est imperator in regno suo a b Paul Koschaker Europa und das Romische Recht 4 Auflage C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen Berlin 1966 S 66 ff und S 141 ff Andreas Thier Ecclesia vivit lege Romana In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Band 1 Peter Oestmann Wege zur Rechtsgeschichte Gerichtsbarkeit und Verfahren UTB 2015 S 117 a b Josef Bongartz Gericht und Verfahren in der Stadt und im Hochstift Wurzburg Die furstliche Kanzlei als Zentrum der Appellations Gerichtsbarkeit bis 1618 Vandenhoeck amp Ruprecht 2020 ISBN 978 3 412 51822 6 S 74 75 a b c d e Harold Berman Law and Revolution Harvard University Press 1983 S 245 247 Harold Berman Law and Revolution 1983 S 246 Alfred Sollner Die causa im Kondiktionen und Vertragsrecht des Mittelalters bei den Glossatoren Kommentatoren und Kanonisten In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 77 1960 S 240 Klaus Luig Institutionenlehrbucher des nationalen Rechts im 17 und 18 Jahrhundert In Ius CommuneBand 3 1970 S 64 97 66 online Volker Heise Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken Exemplarisch dargestellt an den Commentarii de iure civili von Hugo Donellus 1527 1591 Osnabrucker Schriften zur Rechtsgeschichte Band 8 Juristische Dissertation Gottingen 2004 ISBN 3 89971 136 X a b Hans Peter Haferkamp Die Bedeutung von Rezeptionsdeutungen fur die Rechtsquellenlehre zwischen 1800 und 1850 In Hans Peter Haferkamp Tilman Repgen Hrsg Usus modernus pandectarum Romisches Recht Deutsches Recht und Naturrecht in der Fruhen Neuzeit Klaus Luig zum 70 Geburtstag Bohlau Verlag Koln u a 2007 ISBN 978 3 412 23606 9 S 25 44 25 Bezugnahme auf Franz Wieacker Privatrechtsgeschichte der Neuzeit 2 Aufl Gottingen 1967 S 207 a b Klaus Luig Institutionenlehrbucher des nationalen Rechts im 17 und 18 Jahrhundert In Ius CommuneBand 3 1970 S 64 97 66 68 FN 22 online Johann Gottlieb Heineccius Elementa iuris Germanici I II Halae 1735 1737 Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 Grundrisse des Rechts ISBN 978 3 406 57405 4 3 Rnr 9 ff S 32 35 Eine Ubersicht verschafft Georg von Below Die Ursachen der Rezeption des romischen Rechts in Deutschland Historische Bibliothek herausgegeben von der Redaktion der Historischen Zeitschrift XIX 1905 S 3 f 52 f Vgl zur Einordnung Erik Wolf Grosse Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte 4 Auflage Mohr Siebeck 1963 ISBN 3 16 627812 5 S 591 621 Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 13 Rnr 36 Beschreibung der Voraussetzungen siehe Heinrich Honsell Romisches Recht 5 erganzte Auflage Springer Berlin u a 2001 ISBN 3 540 42455 5 20 Usucapio 62 65 64 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rezeption des romischen Rechts amp oldid 235304096