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Die Novellae kurz NJ hergeleitet aus Novellae Iustiniani gelegentlich Nov 1 sind eine teilweise in Latein vornehmlich aber in Griechisch 2 gehaltene Sammlung von Nachtragsgesetzen leges novellae aus der iustinianischen Zeit nach 535 Sie sind Anhangsbestandteil des spater so genannten Corpus iuris civilis 3 zu dem auch die Institutionen Lehr und Lernmaterial fur Studienanfanger die Digesten Unterrichtsstoff fur Fortgeschrittene und der Codex Iustinianus der ausgewahlte kaiserliche Anordnungen von Hadrian bis Justin I enthielt gehoren 4 Die Novellae der Schlussteil der justinianischen Gesetzessammlung und Bestandteil des seit 1583 nach Dionysius Gothofredus so genannten Corpus iuris civilis hier als Auszug aus dem Authenticum Gothofredus 1614 Die Gesetzessammlung reprasentiert einen Schnitt durch alle Lebensfragen die sich in der romischen Gesellschaft der Zeit stellten Den hohen Bedurfnissen des Privatwirtschaftsverkehrs und des Handels ist mit knapp einem Drittel aller Regelungen Rechnung getragen Den grossten Handlungsbedarf erkannte Justinian allerdings im allgemeinen Ordnungsrecht Selbiges stattete er akribisch hoheitlich aus Da die spatantike Kaiserzeit ihren Beamtenapparat mit erheblichem administrativen Aufwand betrieb entfiel knapp die Halfte aller Vorschriften auf die Organisation der Verwaltung des Reichs das heisst Zuteilung der Amtsbefugnisse im Interesse des Reichs und der Provinzen die Versorgung des Militars und Struktur im Gerichts und Steuerwesen Im Ubrigen wurden Fragen der Vermogensausstattung und Organisation der Kirche geregelt nicht ohne Anforderungen an Sitte und Moral zu formulieren Die Regelungen bezogen alle Untertanen ein kannten bisweilen Ausnahmen und waren regelhaft durch hohes Abstraktionsniveau gekennzeichnet Justinian hielt sein rechtliches Instrumentarium weitgehend flexibel und steuerbar um anstehende Veranderungen bewaltigen zu konnen insbesondere bei Betroffenheit unmittelbarer Staatsinteressen Andererseits waren Regelungen aber auch statisch und haufig unscheinbar insbesondere dann wenn die Interessenlage privatrechtlicher Natur war 5 Form Inhalt und Bedeutung BearbeitenNovellae ist kein Gesetzesbegriff des Kaisers selbst die Bezeichnung findet sich vornehmlich im Rechtsunterricht beispielsweise bei Julian Urheber der Epitome Iuliani einem Dichter und Rechtslehrer antezessor der Rechtsschulen von Beirut und spater Konstantinopel der Mitte der 550er Jahre ausgesprochene Novellenkurse abhielt 6 In uberwiegenden Teilen ist die Gesetzessammlung in anderen Sammlungen handschriftlich uberliefert zudem inschriftlich bezeugt 7 Die Abfassung der Gesetze in Griechisch bedeutete eine Kehrtwende in der juristischen Fachsprache Latein wurde als Gesetzessprache verdrangt gleichwohl Wolfgang Kaiser mit seinen spezifischen Untersuchungen davon ausgeht dass reichsweite Novellen grundsatzlich zweisprachig verfasst wurden 8 Die erhalten gebliebenen Konstitutionen sind in Italien und Nordafrika nachweislich in Latein die Novellen die sich auf ostliche Provinzen beschranken auf Griechisch verfasst Paraphrasen und Kommentare wurden in Griechisch eingefugt Leo VI unterzog das justinianische Gesamtwerk einer Revision das Ergebnis veroffentlichte er nebst Anmerkungen und Hinweisen als Basiliken 9 Zwar war die grosse Kodifikation publiziert worden infolge fortlaufender Reformgesetzgebungen wurde jedoch eine zweite Fassung des Codex Iustinianus notig damit der Anspruch auf ein umfassend geltendes Gesamtrecht erhalten bleiben konnte 534 wurde deshalb der Codex repetitae praelectionis prasentiert Da der Kaiser mit teils umfangreichen Einzelgesetzen in den Bestand der Rechtsordnung eingegriffen hatte und insbesondere Teilgebiete des Privatrechts vornehmlich des Familien und Erbrechts neu ordnen liess bedurfte es erganzender Nachtragsgesetze Novellae 1 Justinian passte die Gesetzgebung haufig an die sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an Zwischen 535 bis 539 erliess er reihenweise Novellen Die Regelungen enthielten haufig keine neuen Grundsatze aber situativ erforderliche Massnahmen verlangten aus seiner Sicht immer wieder eines gesetzlichen Formats Mit Inkrafttreten des neuen Codex wurden Ende 534 auch die ersten Novellae promulgiert Wenngleich in Aussicht genommen wurden die Gesetzesnachtrage wahrend Justinians Regentschaft 1 wohl nie offiziell kompiliert 10 Die Forschung geht bis heute davon aus dass sich die Novellen erstmals in Privatsammlungen wiederfinden die andere Namen tragen so beispielsweise Epitome Iuliani und Authenticum 7 Die Niederschrift der Epitome gilt fur das Jahr 556 als nachgewiesen fur das Authenticum besteht lediglich eine Vermutung fur dasselbe Verkundungsjahr Einen ursprunglich ganzheitlichen Uberblick uber alle Novellen im jeweils ursprunglichen Urtext in Latein beziehungsweise Griechisch verschaffte einst die sogenannte griechische Novellensammlung bezeichnet wird sie zumeist als Collectio CLXVIII Novellarum Sie umfasste wohl 168 Novellae weil neben den justinianischen zuzuglich der dreizehn Novellen die anhangsweise zur Edicta Iustiniani verarbeitet worden waren noch Konstitutionen der kaiserlichen Nachfolger Justin II und Tiberios II enthalten waren ja sogar drei blosse Edikte von Pratorianerprafekten praetorii 11 1 8 Thematisch kennen die Novellen keine Einschrankungen Die behandelten Lebenssachverhalte sind aus allen Bereichen des Rechtsalltags geschopft so finden kirchenrechtliche verwaltungsrechtliche steuerrechtliche strafrechtliche Auseinandersetzungen statt ebenso naturlich zivil wie zivilprozessrechtliche Trotz der wachsenden Bedeutung des Kirchenrechts und Justinians Interesse an theologischen Materialien und Korrespondenzen mit den Papsten seiner Zeit so Johannes II Agapitus I und Vigilius wurde in die Novellen davon nichts aufgenommen 7 Im Ubrigen sind die Novellen so miteinander verbunden dass sie etliche Bezuge untereinander herstellen Der Diskurs erstreckt sich aber auf den Codex die Institutionen und die Digesten Gelegentlich wird auf vorjustinianisches Recht reflektiert M T Fogen reiht die Topoi der Novellen so auf Menschliches Zusammenleben bedarf einer guten Ordnung die Ehe ist hochst ehrwurdig Traditionen werden nicht abgeschafft allenfalls verbessert Kaiser und Kirche stimmen nutzbringend uberein Gottes Hilfe macht das Reich machtig und andere Volker sind Barbaren 12 Wie ihr Inhalt sind auch Anlass und Zielsetzung der Novellen vielgestaltig Erstmalig eroffnet ein Kaiser seinen Gesetzeskatalog neben Namen und Titulatur intitulatio 13 mit der Anrufung Christi der sogenannten invocatio Zwar praktizierte Justinian das wohl schon seit 533 so etwa 534 auch beim Promulgationsgesetz Constitutiones Cordi fur den Codex repetitae lectionis zweite Fassung des Codex Iustinianus aber Verkundungen mit der Spruchformel in nomine Domini nostri Iesu Christi waren eine Neuerung von ihm 14 Gewohnlicherweise ist eine Novelle einzelfallbezogen ausgewiesen werden individualisierte Adressaten genannt beim Hauptnamen allen seinen auch stattgehabten Amtsbezeichnungen und seinem Rang In sehr seltenen Fallen sind mehrere Personen genannt Der Kaiser wird zudem an drei Stellen personlich in der inscriptio zum Adressaten in der dispositio zur Anordnung Verfugung sowie in der salutatio zum Gruss am Schluss Hochrangige kirchliche Wurdentrager werden dabei mit pater oder parens angesprochen niederrangigere wie Provinzstatthalter mit frater 7 Justinians Streben nach der Vereinheitlichung allen Rechts wurde von der Kirche aufgegriffen Er eroffnete dem Recht den Weg zu einer christianisierten Weltanschauung weshalb summarisch attestiert werden kann dass das weltliche und das kirchliche Recht unter seiner Agide zusammenzuwachsen begannen Nicht zu verwechseln sind die Novellae mit den Leges novellae die sich auf die Gesetzgebung der Kaiser Theodosius II Valentinian III und Majorian beziehen Wirkungsgeschichte BearbeitenUm Juristen die mit der Novellensammlung arbeiteten eine systematische Orientierung zu geben und Breitenwirkung zu erzielen wurden fruh Bucher zur Erleichterung der Rechtspraxis geschaffen Zeugnis davon gibt vornehmlich das Novellensyntagma des Athanasios von Emesa dessen Entstehung im letzten Viertel des 6 Jahrhunderts liegt Als Arbeitsgrundlage verwendete er entkleidet um alle Proomien Epiloge und Sprachornate des Grundstoffs die Collectio CLXVIII Novellarum 15 Der Athanasiostext lasst zahlreiche Weiterverarbeitung erkennen reflektiert werden sie durch zahlreiche Glossen und Transkriptionen Die Bearbeitungen legen zudem nahe dass sie mehreren Benutzerschichten unterworfen sind anders gesagt aus mehreren Zeitabschnitten stammen und von verschiedenen Autoren herruhren Die Wirkungsgeschichte des Syntagma war aber nicht allein wegen ihrer Verwendung zum Zwecke der Identifikation der Novellen aktuelle Benutzung bedeutsam sondern auch weil der Text als Grundlage fur die folgenden Weiterverwertungen diente Damit war er pragend fur die byzantinische Literaturgeschichte an sich Sehr beliebt anfanglich liess die Beschaftigung mit dem Athanasiostext schnell nach wurde wahrend der Renaissance des justinianischen Rechts von den Makedonen aber wieder aufgegriffen Allerdings fanden die Bearbeitungen keinen nennenswerten Niederschlag in den Hauptwerken der Zeit etwa der Eisagoge oder dem Prochiron beziehungsweise den bereits genannten Basiliken Erst die Epitome Legum und der Prochiron auctum zeigen wieder nachweislich auf dass der Athanasiostext erneut abgeschrieben wurde und damit die Diskussion uber die Novellen anregte 15 Quellen und Literatur BearbeitenEdition Bearbeiten Novellae Recognovit Rudolfus Schoell opus Schoellii morte interceptum absolvit Guilelmus Kroll Editio stereotypa quarta Corpus iuris civilis Band 3 Weidmann Berlin 1912 Digitalisat http vorlage digitalisat test 1 3D 7B 7B 7B1 7D 7D 7D GB 3D IA 3Dbub gb s9k2AAAAIAAJ MDZ 3D 0A SZ 3D doppelseitig 3D LT 3D PUR 3D Literatur Bearbeiten Wolfgang Kaiser Authentizitat und Geltung spatantiker Kaisergesetze Munchener Beitrage zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte Heft 96 Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 55121 5 S 251 ff Wolfgang Kaiser Die Zweisprachigkeit reichsweiter Novellen unter Justinian Studien zu den Novellen Justinians In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 129 Heft 1 2012 S 392 474 doi 10 7767 zrgra 2012 129 1 392 Wolfgang Kaiser Wandlungen im Verstandnis der Epitome Iuliani von der Spatantike bis zur Gegenwart in Martin Avenarius Hrsg Hermeneutik der Quellentexte des Romischen Rechts Baden Baden 2008 S 300 353 Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 14 Auflage UTB Koln Wien 2005 11 S 208 223 Die Rechtsentwicklung der Spatzeit bis auf Justinian Leopold Wenger Die Quellen des romischen Rechts Schriftenreihe Denkschriften der Gesamtakademie Osterreichische Akademie der Wissenschaften Holzhausen Wien 1953 Franz Wieacker Privatrechtsgeschichte der Neuzeit Unter besonderer Berucksichtigung der deutschen Entwicklung Jurisprudenz in Einzeldarstellungen Band 7 ZDB ID 501118 8 2 neubearbeitete Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1967 Bastian Zahn Einfuhrung in die Quellen des romischen Rechts In JURA Juristische Ausbildung 2015 S 453 f Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Novellae constitutiones Quellen und Volltexte Latein Lateinischer Text der Novellae Nach Scholl Knoll ohne kritischen Apparat Englische Ubersetzung der Novellae mit Anmerkungen Anmerkungen Bearbeiten a b c d Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 14 Auflage UTB Koln Wien 2005 11 S 221 223 Die Rechtsentwicklung der Spatzeit bis auf Justinian Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 ISBN 3 205 07171 9 S 55 f Corpus Iuris Civilis ist kein zeitgenossischer Begriff er entstammt der humanistischen Epoche des ausklingenden 16 Jahrhunderts und wurde durch Dionysius Gothofredus im Jahr 1583 gepragt Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 17 f Marie Theres Fogen Gesetz und Gesetzgebung in Byzanz Versuch einer Funktionsanalyse In Ius Commune hrsg von Dieter Simon Band 14 Vittorio Klostermann Frankfurt a M 1987 S 137 158 140 ff Detlef Liebs Die Jurisprudenz im spatantiken Italien 260 640 n Chr Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge Band 8 Duncker amp Humblot Berlin 1987 ISBN 3 428 06157 8 S 220 223 a b c d Wolfgang Kaiser Zur ausseren Gestalt der Novellen Justinians 2011 a b Wolfgang Kaiser Die Zweisprachigkeit reichsweiter Novellen unter Justinian Studien zu den Novellen Justinians I online siehe auch Literaturhinweis Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 2 Rnr 3 S 21 Tony Honore Justinian s Codification in The Oxford Classical Dictionary 803 Hrsg Simon Hornblower und Antony Spawforth 2003 Timothy G Kearley The Creation and Transmission of Justinian s Novels Festgehalten bereits bei Friedrich August Biener Geschichte der Novellen Justinians Berlin 1824 Nachdruck 1970 S 17 f Marie Theres Fogen Gesetz und Gesetzgebung in Byzanz Versuch einer Funktionsanalyse In Ius Commune hrsg von Dieter Simon Band 14 Vittorio Klostermann Frankfurt a M 1987 S 137 158 147 Imperator Caesar Flavius Iustinianus Alamannicus Gothicus Francicus Germanicus Anticus Alanicus Vandalicus Africanus pius felix inclitus victor ac triumphator semper augustus Gerhard Rosch Onoma basileias Studien zum offiziellen Gebrauch der Kaisertitel in spatantiker und fruhbyzantinischer Zeit Byzantina Vindobonensia Band 10 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1978 ISBN 3 7001 0260 7 S 101 FN 15 a b Dieter Simon Spyros Troianos Das Novellensyntagma des Athanasios von Emesa Forschungen zur byzantinischen Rechtsgeschichte Lowenklau Gesellschaft Frankfurt am Main 1989 ISBN 978 3 92361511 7 Einleitung VIII X XII online Normdaten Werk GND 4148321 2 lobid OGND AKS LCCN n85202784 VIAF 175361913 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Novellae amp oldid 239218484