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Die Pandekten von altgriechisch pandekths pandektes deutsch Allumfassendes auch Digesten von lateinisch digesta Geordnetes sind eine im Auftrag des ostromischen Kaisers Justinian zusammengestellte spatantike Kompilation der Jurisprudenz der Rechtsgelehrten der klassisch romischen Kaiserzeit Jede der einzelnen juristischen Schriften nennt ihre Quelle in einer Inskription Diese dienten dem fortgeschrittenen Rechtsunterricht nachdem die Institutionen als Anfangerlehrbuch absolviert waren Index omnium legum et paragraphorum quae in Pandectis Codice et Instit utionibus continentur per literas digestus Verzeichnis aller Gesetzestexte und Paragraphen die in den Pandekten im Codex und in den Institutionen Lehrbuch enthalten sind alphabetisch geordnet Lyon 1571 Die Pandekten waren ein Bestandteil des iustinianischen Gesamtrechtswerkes des Corpus iuris der seit der Zeit des Humanismus Corpus iuris civilis genannt wird Zusammen mit dem Codex Iustinianus sind sie die wichtigste Textquelle fur das romische Recht Justinian liess zuvor alle klassischen Rechtstexte sammeln und nach Auswahl ubernehmen und interpolieren Danach stattete er sie mit Gesetzeskraft aus 1 Dogmatische Fragestellungen und die Unvollstandigkeit der Texte bedingt durch die Auswahl wurden zugunsten isagogischer Zwecke bewusst zuruckgestellt Im 19 Jahrhundert wurde in Deutschland die Pandektenwissenschaft entwickelt Die Aufgliederung juristischer Sachthemen erfolgte dabei dem System der Pandekten folgend in der Unterscheidung der Bucher nach Schuld Obligationen Sachen Familien und Erbrecht Dieser methodische Ansatz lag der Entwicklung und Ausarbeitung des deutschen BGB zugrunde Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Gliederung und Zitierweise 3 Inhalt 4 Interpolationen 5 Uberlieferung 6 Fortwirkung 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 AnmerkungenEntstehung BearbeitenIm Dezember 530 wurde auf Veranlassung von Kaiser Justinian eine Digestenkommission eingesetzt durch die Konstitution Deo auctore Den Vorsitz nahm fur das gesamte justinianische Gesetzgebungswerk der Quaestor sacri palatii Justizminister Tribonianus ein Bei seiner Arbeit unterstutzten ihn kaiserliche Verwaltungsbeamte Anwalte der hauptstadtischen Gerichte und romisch griechische Rechtslehrer antecessores die an den Rechtsschulen von Beirut Berytos beziehungsweise Konstantinopel lehrten Dorotheos und Theophilos Zur Kompilation wahlten sie Juristenschriften aus der Zeit des 1 Jahrhunderts v Chr bis ins 3 Jahrhundert n Chr aus dem Umfang nach waren dies 2000 Werke 2000 libri die es zu komprimieren galt Zur Angabe der Herkunft wurden Inskriptionen gefertigt Die in einen neuen Zusammenhang gestellten Werke lieferten letztlich 50 Bucher Ende 533 konnten die Digesten in Konstantinopel promulgiert werden Verfasst sind sie in Latein das selbst im uberwiegend griechisch gepragten Osten des geteilten Reichs noch immer die Rechts und Verwaltungssprache war Einen Versuch ihre Entstehung und die Arbeitsweise der Juristen Justinians zu erklaren bietet die Bluhm sche Massentheorie Andere Ansatze verfolgt die Pradigesten Theorie ausgehend davon dass es private Vorlaufersammlungen gab Gliederung und Zitierweise BearbeitenDie 50 Bucher der Digesten unterteilen sich in Titel tituli Jeder Titel behandelt ein Thema So handelt zum Beispiel der erste Titel des 41 Buches vom Eigentumserwerb De adquirendo rerum dominio der erste Titel des 17 Buches vom Auftrag De actione Mandati vel contra Die Titel gliedern sich in Fragmente auch leges genannt Da diese zum Teil sehr lang sind wurden sie im Mittelalter in Paragraphen Abschnitte unterteilt Dabei wird der Eingangsabschnitt einer lex als principium lat fur Anfang bezeichnet und mit pr abgekurzt erst der folgende Abschnitt ist Paragraph 1 1 Im Mittelalter teilte man die Digesten in vier Teile ein das Digestum vetus Buch 1 bis Buch 24 tit 2 das Infortiatum Buch 24 tit 3 bis Buch 35 tit 2 82 die Tres partes Buch 35 tit 2 83 bis Buch 38 und das Digestum novum Buch 39 50 Eine Digestenstelle zitiert man heute im Mittelalter zitierte man ganz anders in der Regel mit vier Zahlen Die erste Zahl bezeichnet das Buch die zweite den Titel die dritte die lex und die vierte den Paragraphen D 17 1 26 3 meint daher Paragraph 3 der lex 26 im 1 Titel des 17 Buches der Digesten Der Eingangspassus einer lex auf den Paragraph 1 folgt wird nach wie vor mit pr fur principium angegeben beispielsweise D 47 2 67 pr Inhalt Bearbeiten nbsp Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta Funfzig Bucher der Digesten oder Pandekten Lyon 1581 Die Digesten enthalten zusammen mit dem Codex Iustinianus und den Institutiones das gesamte Privatrecht und jene Teile des Strafrechts die ab 533 im Romischen Reich d h vor den Eroberungen Justinians zunachst faktisch nur im Osten gelten sollten Das Werk schlossen die Novellae ab die da nicht offiziell kompiliert wohl erstmals in den Rechtswerken des Authenticum und der Epitome Iuliani erschienen Justinian lag daran dass das geltende Recht des 6 Jahrhunderts im Kern mit dem klassischen Recht ubereinstimmen sollte wie es sich vor allem bis zum 3 Jahrhundert herausgebildet hatte Dieses Ziel versuchte man zu erreichen indem in den Digesten die Schriften alterer romischer Juristen gesammelt und nach inhaltlichen Gesichtspunkten geordnet wurden Dabei verwendete man Auszuge aus Schriften unterschiedlichen Charakters und von Juristen die zu unterschiedlichen Zeiten gelebt hatten So stammt die lex 1 des Titels 17 1 Mandati vel contra von dem Juristen Paulus der zu Beginn des 3 Jahrhunderts lebte die lex 2 stammt vom Juristen Gaius der in der Mitte des 2 Jahrhunderts wirkte die lex 6 stammt von Ulpian einem Zeitgenossen des Paulus die lex 30 etwa stammt von Julian der im Jahr 148 Konsul war Interpolationen BearbeitenBei dieser Vorgehensweise musste freilich der Inhalt der Auszuge teilweise geandert werden Wiederholungen und Widerspruche in den Schriften deren Verfasser ebenso haufig voneinander abgeschrieben wie Meinungsstreitigkeiten erzeugt hatten waren zu streichen Und naturlich konnte das Recht des 1 Jahrhunderts v Chr allen klassizistischen Tendenzen zum Trotz nicht einfach im 6 Jahrhundert n Chr gelten so galt es entsprechende Anpassungen vorzunehmen Von Bedeutung waren die Tilgung der mancipatio und der fiducia jeweils ersetzt durch die traditio und pignus Damit enthalt ein Fragment Julians wie wir es in den Digesten finden nicht zwingend den Text den Julian im 2 Jahrhundert n Chr verfasst hatte Will man nicht wissen was aufgrund der Digesten in der ausgehenden Spatantike als Recht gelten sollte sondern fragt man was Julian selbst geschrieben hat bzw welches Recht im 2 Jahrhundert in Rom galt so steht man deshalb vor dem Problem welche bewussten Textanderungen die Juristen Justinians am Originaltext Julians vorgenommen haben Solche bewussten Textanderungen nennt man Interpolationen Noch komplizierter wird die Gewinnung des Textes Julians wenn man uberdies die Annahme fallen lasst den Juristen Justinians habe nach 400 Jahren und nach vielfachen Abschreibungen und Kommentierungen des Textes tatsachlich noch das Original des Textes Julians vorgelegen Uberlieferung BearbeitenDie Digesten sind uns heute vor allem durch die florentinische Prachthandschrift der Littera Florentina uberliefert die als eine der ersten der ins ganze Reich versendeten Abschriften der byzantinischen Urschrift der Digesten gilt Im Gegensatz zu den anderen erhaltenen Digestenhandschriften die aus dem Hochmittelalter stammen datiert sie aus dem 6 Jahrhundert 2 Im Hochmittelalter wurden sie gemeinsam mit dem Codex Iustinianus in Italien wiederentdeckt und entfalteten eine erhebliche Wirkung Fortwirkung Bearbeiten nbsp Hermann Knackfuss Uberreichung der Pandekten an Kaiser Justinian Entwurf fur ein Wandgemalde im Gerichtsgebaude in Kassel 1891 3 Die Wiederentdeckung der Digesten im 12 Jahrhundert fuhrte zu europaweiten Bestrebungen das gultige Recht zu verschriftlichen 4 Ab dem 17 Jahrhundert wurde die bis dahin weitgehend unbestrittene Gultigkeit der Pandekten durch eine Reihe von Gelehrten verstarkt diskutiert Im 19 Jahrhundert wurde der Inhalt der Pandekten selbst genauer erforscht Dabei kam man von der Verbindung von Pandekten und Naturrecht ab und erreichte in der Rechtswissenschaft einen hohen Abstraktionsstand Das Allgemeine Burgerliche Gesetzbuch ABGB mit dem institutionensystematischen Ansatz und das BGB pandektistischer Ansatz sind unter anderem Ergebnis der Pandektenwissenschaft dieser Zeit Siehe auch BearbeitenDigestensystemLiteratur BearbeitenChristian Friedrich von Gluck Versuch einer ausfuhrlichen Erlauterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar fur meine Zuhorer 2 Bande Palm Erlangen 1790 I Theil Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Zweyter Theil Ausfuhrliche Erlauterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar fur meine Zuhorer Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Verbesserungen und Zusatze zum ersten Bande des Gluckischen Kommentars uber die Pandecten fur die Besitzer der ersten Ausgabe Palm Erlangen 1798 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Berichtigungen und Zusatze zum zweyten Bande des Gluckischen Commentars uber die Pandecten fur die Besitzer der ersten Ausgabe Palm Erlangen 1800 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Andreas Bauer Libri Pandectarum Das romische Recht im Bild des 17 Jahrhunderts Osnabrucker Schriften zur Rechtsgeschichte 13 1 Band 1 V amp R unipress Gottingen 2005 ISBN 3 89971 229 3 Wolfgang Kaiser Digesten Uberlieferungsgeschichte In Der Neue Pauly DNP Band 13 Metzler Stuttgart 1999 ISBN 3 476 01483 5 Sp 845 852 Volltext Max Kaser Romisches Privatrecht Ein Studienbuch Fortgefuhrt von Rolf Knutel 20 uberarbeitete und erweiterte Auflage Beck Munchen 2014 ISBN 978 3 406 65672 9 Rn 20 ff Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte UTB 2225 Rechtsgeschichte 14 durchgesehene Auflage Bohlau Koln u a 2005 ISBN 3 8252 2225 X 9 12 Ulrich Manthe Geschichte des romischen Rechts Beck sche Reihe 2132 Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 44732 5 S 111 115 Bernardo Bissoto Queiroz de Moraes Manual de Introducao ao Digesto YK Editora Sao Paulo 2017 ISBN 978 85 68215 22 7 Portugiesisch Wolfgang Waldstein Romische Rechtsgeschichte Ein Studienbuch Fortgefuhrt von J Michael Rainer 10 neu bearbeitete Auflage Beck Munchen 2005 ISBN 3 406 53341 8 43 Bastian Zahn Einfuhrung in die Quellen des romischen Rechts In JURA Juristische Ausbildung Bd 37 Nr 5 2015 S 448 458 hier S 450 452 doi 10 1515 jura 2015 0091 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Digesta Quellen und Volltexte Latein The Roman Law Library Yves Lassard Alexandr Koptev The Latin LibraryAnmerkungen Bearbeiten Max Kaser Ein Jahrhundert Interpolationenforschung an den romischen Rechtsquellen In Max Kaser Romische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode Ausgewahlte zum Teil grundlegend erneuerte Abhandlungen Forschungen zum Romischen Recht 36 Bohlau Wien u a 1986 ISBN 3 205 05001 0 S 112 154 hier S 117 f Ulrich Manthe Geschichte des romischen Rechts Beck sche Reihe 2132 Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 44732 5 S 112 Vgl Maria Harnack Aus den Landeskunstfonds finanzierte Wandgemalde in Gerichtsgebauden Preussens Entwicklungstendenzen zwischen 1860 und 1920 In INSITU 2 2022 S 267 282 276 Ruth Schmidt Wiegand Die Bedeutung und Wirkung des Sachsenspiegels Eikes von Repgow in Land und Stadt In Egbert Koolman Ewald Gassler Friedrich Scheele Hrsg Beitrage und Katalog zu den Ausstellungen Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Niederdeutsche Sachsenspiegel und Nun vernehmet in Land und Stadt Oldenburg Sachsenspiegel Stadtrecht Der sassen speyghel Sachsenspiegel Recht Alltag 1 Veroffentlichungen des Stadtmuseums Oldenburg 21 Schriften der Landesbibliothek Oldenburg 29 Isensee Oldenburg 1995 ISBN 3 89598 240 7 S 33 46 Normdaten Werk GND 4148319 4 lobid OGND AKS LCCN n82082452 VIAF 185497383 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pandekten amp oldid 236528812