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Die littera Florentina davon die Kurzform Florentina auch Codex Florentinus Digestorum ist eine Handschrift der Digesten Der Legende nach soll sie bei der Plunderung von Amalfi gestohlen worden sein Im 9 oder 10 Jahrhundert tauchte ein Exemplar der Digesten in Italien wieder auf Seit 1406 befindet dieses sich in der Biblioteca Medicea Laurenziana im namensgebenden Florenz und ist die bei weitem wichtigste weil quellnaheste und vollstandig erhaltene handschriftliche Uberlieferung der Digesten Ihr Text liegt allen mittelalterlichen neuzeitlichen und modernen Digestenausgaben zugrunde Inhaltsverzeichnis 1 Die Handschrift 2 Bedeutung 3 Die littera Florentina und die griechische Uberlieferung die Basiliken 4 Die littera Florentina und die Vulgathandschriften Das Modell eines Codex Secundus S 5 Die Geschichte der littera Florentina 6 Ausgaben 7 Literatur 8 EinzelnachweiseDie Handschrift Bearbeiten nbsp Ruckseite des Blattes 287 287v des 1 Bandes Die Seite enthalt das Ende des 19 Buches namlich D 19 5 20 bis D 19 5 26 Die littera Florentina stammt wahrscheinlich aus dem 6 Jahrhundert und reicht damit unmittelbar an die Entstehung der Digesten die am 16 Dezember 533 als Gesetzbuch vom ostromischen Kaiser Justinian I durch die Konstitutionen Tanta Latein und Dedwken Griechisch verkundet wurden heran Nach neueren Erkenntnissen erscheint es sogar moglich dass die Handschrift aus dem Prozess der Entstehung der Digesten selbst stammt Die Handschrift ist ein Pergamentcodex und hat 907 Blatter mit einer Grosse von etwa 37 32 cm die zweispaltig in scriptura continua mithin ohne Leerraume zwischen den einzelnen Wortern und ohne Satzzeichen Punkte und Kommata beschrieben sind Durch unterschiedliche Trennungen von Wortern und durch unterschiedliche Setzungen von Satzzeichen kann es daher auch zu unterschiedlichen Lesungen kommen Kopien der Handschrift kamen zu Irnerius Wernerius nach Bologna Er war der erste der sie glossatorisch aufbereitete Nach dessen Tod setzten zunachst dessen Schuler Martinus Gosia Bulgarus Hugo und Jacobus die Arbeiten fort spater Azo und Accursius 1 Nach neueren Forschungen haben vierzehn Schreiber sie erstellt und acht Korrektoren deren Arbeit verbessert Dabei haben die Korrektoren die Abschrift nicht nur mit der Vorlage der Schreiber verglichen sondern auch mit einer anderen Handschrift so dass die Florentina auf zwei Handschriften zuruckgeht Sowohl Schreiber als auch Korrektoren verfugten uber Griechischkenntnisse die Florentina enthalt die griechischen Digestenfragmente in Griechisch Weiterhin ist nachgewiesen dass ausserhalb der Erstellung der Handschrift in der Spatantike weitere Personen Verbesserungen vorgenommen haben Die Handschrift enthalt noch nicht die beruhmte Dreiteilung der Digesten in Digestum vetus Infortiatum und Digestum novum so wie sie sich in den mittelalterlichen Vulgathandschriften findet Durch die Aufteilung der Handschrift in zwei Bande und damit zwei Teile D 1 29 und D 30 50 liegt die Schrift aufgetrennt vor Innerhalb der leges findet sich keine Einteilung in Paragraphen Bedeutung BearbeitenDie Bedeutung der littera Florentina ergibt sich aus der Tatsache dass sie die alteste uberlieferte Handschrift der Digesten ist Theodor Mommsen erstellte mit seinen Mitarbeitern E Kiessling und A Reifferscheid die noch heute massgebliche Digestenausgabe die nur an einzelnen Stellen zu korrigieren war vor allem aufgrund der Florentina Dabei hat Mommsen selbst die Handschrift nicht gesehen seine Mitarbeiter haben sie vielmehr abgeschrieben beziehungsweise mit dem durch die Vulgathandschriften bekannten Digestentext verglichen Mommsen stutzte sich bei seiner Digestenausgabe von 1870 nach den damaligen anerkannten Methoden der Textkritik massgeblich auf die littera Florentina so ging er davon aus dass alle sonst uberlieferten Handschriften von der Florentina abstammten Heute erkennt man die uberragende Bedeutung der Florentina fur die Gewinnung des Digestentextes an berucksichtigt aber noch mehr als Mommsen auch die Vulgathandschriften Handschriften die die Juristen im Mittelalter benutzten und die zum Teil gegenuber der Florentina die bessere Lesart haben und die griechische Uberlieferung in den Basiliken Die hohe Bedeutung der Florentina hangt daneben mit der Frage zusammen inwieweit das Aufbluhen der Rechtswissenschaft im Bologna des 12 Jahrhunderts auf dem singularen Ereignis ihrer Auffindung beruht Die littera Florentina und die griechische Uberlieferung die Basiliken Bearbeiten nbsp 287v mit dem Ende des 19 Buches Deutlich zu erkennen ist der Nachtrag idem in D 19 5 26 Die Basiliken stellen in weiten Teilen eine Ubersetzung der lateinischen Digesten in das Griechische dar Dabei lagen diesen Ubersetzungen andere Handschriften als die Florentina zugrunde die teilweise den besseren Text haben So bricht beim Schreiber der Florentina das 19 Buch in D 19 5 26 mitten im Satz ab die AcI Erganzung zu dicendum est fehlt Ein Korrektor der Florentina hat den Abbruch bemerkt und dadurch zu heilen versucht dass er durch das Einfugen von idem vor dicendum est einen Akkusativ erganzte so lauten auch die Vulgathandschriften Der der Digestenstelle entsprechende Basilikentext B 20 4 26 bringt hingegen eine das dicendum est sinnvoll erganzende Fortfuhrung im Anschluss an Mommsen wird daher heute der Schluss des Digestentitels 19 5 aus Basiliken 20 4 26 und 20 4 27 erganzt Die littera Florentina und die Vulgathandschriften Das Modell eines Codex Secundus S BearbeitenUnter den Vulgathandschriften lat vulgatus allgemein bekannt verbreitet werden diejenigen Handschriften verstanden die in der Rechtsschule von Bologna und uberhaupt von den Juristen im Mittelalter bis ins 19 Jahrhundert hinein benutzt wurden Dabei ist der Text dieser Handschriften nicht einheitlich er nahert sich dem Text der Florentina an soweit im Laufe der Zeit beim Abschreiben einer Vulgathandschrift von einer anderen die Florentina wieder herangezogen wurde weil man deren Wert fur die Uberlieferung erkannt hatte Eine These fur das Verhaltnis der Vulgathandschriften zur Florentina lautet Alle Vulgathandschriften stammen von einer einzigen Handschrift ab Diese wird Codex Secundus genannt wobei dieser von der Florentina abgeschrieben wurde Codex secundus weil die Florentina der Codex primus ist Dieser Codex secundus ist keine existierende Handschrift es ist auch nicht bewiesen dass es ihn jemals in Form einer den gesamten Text der Digesten umfassenden Stammhandschrift gab Der Codex secundus ist nur ein Modell das das Verhaltnis der Vulgathandschriften zur Florentina erklaren soll Mommsen arbeitete bei der Erstellung seiner Digestenausgabe auch deshalb nach diesem Modell weil er sich so vor allem auf eine Handschrift eben die littera Florentina stutzen konnte Er ersparte sich so sich in allen Einzelheiten der Uberlieferungslage der Vulgathandschriften von denen es Hunderte gibt 2 zu stellen Man wird dieses Vorgehen fur zulassig halten mussen denn ein Kriterium fur wissenschaftliche Arbeit ist auch dass sie einmal fertig werden muss 3 Diese These versucht man wie folgt zu begrunden Alle Vulgathandschriften stammen von der Florentina ab Dies zeige sich an Schreibfehlern und Umstellungen die die Vulgathandschriften mit der Florentina gemeinsam haben insbesondere der Umstellung innerhalb von D 50 17 118 200 die durch die Versetzung eines Blattes in der Florentina oder gegebenenfalls ihrer Vorlage erzeugt wurde Im 2 Teil der Florentina folgen auf D 50 17 117 Ende von 471v die Stellen D 50 17 158 199 472 dann folgen D 50 17 118 157 473 dann folgen D 50 17 200 ff 474r Diese Versetzung die sich einfach aus einer Vertauschung der Blatter 472 und 473 des 2 Bandes ergibt findet sich auch in den Vulgathandschriften Diese Vertauschung ist an den Inskriptionen erkennbar weil im Text der Digesten die Buchzahlen vor allem in den Titeln D 50 16 und D 50 17 innerhalb eines Werkes aufsteigen wie vor allem Bluhme erkannt und begrundet hat So gehort z B D 50 17 160 obwohl es in der Florentina vor D 50 17 118 kommt hinter D 50 17 118 denn D 50 17 160 ist ein Auszug aus dem 76 Buch von Ulpians Ediktskommentar D 50 17 118 aber aus dem 12 Buch Die Vertauschung der Blatter 472 und 473 ist allerdings erst in der fruhen Neuzeit durch Lelio Torelli erkannt worden Die Vulgathandschriften haben eine gemeinsame Mutterhandschrift Dies zeigten Fehler die allen Vulgathandschriften gemeinsam aber nicht in der Florentina enthalten seien Als Beispiel gelten Versetzungen im 23 Buch der Digesten die sich in den alteren Vulgathandschriften aber nicht in der Florentina finden Dass sich dieser Fehler in den jungeren Vulgathandschriften nicht mehr findet erklart man mit der Annahme der Fehler sei eben bei spateren Abschriften durch einen Vergleich mit der Florentina behoben worden Noch starker wiegt das Argument dass in allen Vulgathandschriften der Digestentext in drei Teile aufgespalten ist 1 Digestum vetus 2 Infortiatum 3 Digestum novum Die Florentina mit ihrer Zweiteilung des Textes liefert dafur keinen Ansatzpunkt Mit der Existenz eines Codex secundus kann erklart werden warum die Vulgathandschriften obwohl sie von der Florentina abhangig sind gegenuber der Florentina manchmal bessere Lesarten haben die nicht durch Konjektur d h durch das blosse Nachdenken eines Schreibers dem ein Fehler aufgefallen war gefunden werden konnten So fehlt in der Florentina in D 2 15 14 der Satz id observandum de aere alieno quod inter eos convenisset den die Vulgathandschriften aber wie auch die Basiliken haben Schon Mommsen erganzte den Text der Florentina entsprechend wobei er allerdings anscheinend mehr Gewicht auf die byzantinische Uberlieferung legte Erklart wird dieser Befund damit dass bei der Abschrift des Codex secundus von der Florentina eine andere von der Florentina unabhangige Textgrundlage herangezogen worden sei Die Beweiskraft dieser Argumente ist nach wie vor umstritten nbsp Nachgetragenes principium in D 32 93 2 Band 52v Alle Theorien uber das Verhaltnis der Vulgathandschriften zur Florentina mussten schliesslich eine Erklarung der Frage bringen wie es zur Dreiteilung des Digestentextes in den Vulgathandschriften kam denn die Florentina kennt wie oben erlautert die Dreiteilung nicht Eine Unterfrage hierzu ist die nach der Entstehung der eigentumlichen und vielleicht der Studentensprache entstammenden Benennungen Digestum vetus Infortiatum und Digestum novum Beides erschien schon Odofredus erklarungsbedurftig Angefuhrt werden mittelalterliche Zahlensymbolik ein Schreiberscherz ein Auseinanderbrechen einer ursprunglich zweibandigen Stammhandschrift des Codex S und ein kurz aufeinanderfolgendes Bekanntwerden des Digestentextes in drei Teilen Man hat beobachtet dass die Vulgathandschriften vor allem in den ersten beiden Teilen im Digestum vetus und Infortiatum gegenuber der Florentina bessere Lesarten haben Jakobs 1999 S 238 Sollte also das Verhaltnis zwischen der Florentina und den Vulgathandschriften in den einzelnen Teilen der Digesten unterschiedlich sein Die vorgestellte These beruht auf der Annahme es habe einen einzigen feststehenden Digestentext gegeben den Justinian am 30 Dezember 533 verkundet habe alle Abweichungen von diesem Text seien nur durch Abschreibfehler und ahnliches zu erklaren Diese Vorstellung ist in letzter Zeit in Zweifel gezogen worden 4 So hat beispielsweise der Schreiber der Florentina bei D 32 93 das principium weggelassen der Korrektor hat es nachgetragen Dies konnte man dadurch erklaren dass der Korrektor die Abschrift anhand einer anderen insoweit besseren Handschrift korrigiert hat Aber Der Text der Florentina ist redaktionell der bessere denn die Entscheidung in D 32 93pr findet sich schon in D 32 38 4 so dass der Text des Schreibers besser dem Gebote Justinians Wiederholungen zu vermeiden genugt Eine mogliche Erklarung ware dass sowohl die Schreiber wie die Korrektorvorlage einen gleichermassen offiziellen Digestentext unterschiedlicher Redaktionsstufe enthielten Nach Paul Kruger gehorte dabei die lex 38 zur Appendixmasse die lex 93 zur Papiniansmasse 5 Damit konnte die inhaltliche Ubereinstimmung nicht schon beim Exzerpieren sondern erst bei der Durchsicht des Titels nachdem alle Fragmente in diesen aufgenommen waren festgestellt werden Die Geschichte der littera Florentina BearbeitenDie Geschichte der Handschrift selbst ist wechselvoll und im Einzelnen nicht mehr sicher aufklarbar Aus einer zu D 18 1 9 2 angefugten Glosse lasst sich da sie in langobardischer Schrift geschrieben wurde schliessen dass die Florentina sich spatestens im 9 oder 10 Jahrhundert in Italien befand hochstwahrscheinlich in Suditalien Zur Zeit der Glossatoren befand sie sich in Pisa Ein allerdings wenig glaubhafter Bericht aus dem 13 Jahrhundert behauptet sie sei zuvor in Amalfi aufbewahrt worden und 1155 als Kriegsbeute nach Pisa gelangt Im Jahr 1406 kam sie nach Florenz Ausgaben BearbeitenJustiniani Augusti digestorum seu pandectarum codex Florentinus olim Pisanus 10 Bde Rom 1902 1910 Fotomechanischer Nachdruck Alessandro Corbino Bernardo Santalucia Hrsg Justiniani Augusti Pandectarum codex Florentinus Olschki Florenz 1988 ISBN 88 222 3578 9 Fotomechanischer Nachdruck Literatur BearbeitenZur Einfuhrung und fur den Uberblick geeignete Werke sind mit am Ende gekennzeichnet Mario Bretone Geschichte des romischen Rechts Von den Anfangen bis zu Justinian 1 Aufl Munchen 1992 2 Aufl 1998 S 255f ISBN 3 406 44358 3 Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 2 Rnr 5 6 S 23 Horst Heinrich Jakobs Die grosse Zeit der Glossatoren Rezension von Lange Romisches Recht im Mittelalter SZ 116 1999 S 222 258 insbes S 229 ff Wolfgang Kaiser Digestenentstehung und Digestenuberlieferung Zur neueren Forschung uber die Bluhme schen Massen und der Neuausgabe des Codex Florentinus SZ 108 1991 S 330 350 Wolfgang Kaiser Zum Aufbewahrungsort des Codex Florentinus in Suditalien In Frank Theisen Hrsg Summe Glosse Kommentar Juristisches und Rhetorisches in Kanonistik und Legistik Osnabruck 2000 ISBN 3 934005 01 2 S 95 124 Wolfgang Kaiser Zur Herkunft des Codex Florentinus Zugleich zur Florentiner Digestenhandschrift als Erkenntnisquelle fur die Redaktion der Digesten In Adrian Schmidt Recla Hrsg Sachsen im Spiegel des Rechts Ius Commune Propriumque Koln 2001 ISBN 3 412 07301 6 S 39 57 Wolfgang Kaiser Schreiber und Korrektoren des Codex Florentinus SZ 118 2001 S 133 219 Online PDF Datei 3 8 MB Hermann U Kantorowicz Uber die Entstehung der Digestenvulgata Erganzungen zu Mommsen SZ 30 1909 183 271 PDF Datei 31 1 MB und SZ 31 1910 S 14 88 PDF Datei 26 8 MB Hermann Lange Romisches Recht im Mittelalter Bd 1 Die Glossatoren Munchen 1997 ISBN 3 406 41904 6 S 61 71 Juan Miquel Mechanische Fehler in der Uberlieferung der Digesten SZ 80 1963 S 233 286 Theodor Mommsen Praefatio zur Editio Maior der Digesta Iustiniani Augusti Berlin 1870 archive org deutsche Ubersetzung von Gisela Hillner SZ Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung 121 2004 S 396 500 Fritz Schulz Einfuhrung in das Studium der Digesten Tubingen 1916 Hans Erich Troje Ubi in libro florentino duae lectiones inveniuntur Zur Geschichte der Digesteneditionen 16 19 Jh In Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis Revue d histoire du droit The Legal History Review 72 2004 S 61 80 Einzelnachweise Bearbeiten Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 2 Rnr 5 6 S 23 Hermann Lange Romisches Recht im Mittelalter Bd 1 Die Glossatoren Munchen 1997 ISBN 3 406 41904 6 S 64 Horst Heinrich Jakobs Die grosse Zeit der Glossatoren Rezension von Lange Romisches Recht im Mittelalter SZ 116 1999 S 222 258 insbes S 238 Wolfgang Kaiser Zur Herkunft des Codex Florentinus Zugleich zur Florentiner Digestenhandschrift als Erkenntnisquelle fur die Redaktion der Digesten In Adrian Schmidt Recla Hrsg Sachsen im Spiegel des Rechts Ius Commune Propriumque Koln 2001 ISBN 3 412 07301 6 S 39 57 16 Auflage der Digestenausgabe S 483 Fn 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Littera Florentina amp oldid 222521668