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Als Glossator bezeichnet man den Verfasser einer Glosse das heisst einer erklarenden Anmerkung zu einem Text oder eines Kommentars der aus mehreren solchen Anmerkungen besteht In der engeren Bedeutung bezeichnet man als Glossatoren die Rechtsgelehrten die im 12 und 13 Jahrhundert in Italien die Quellen des weltlichen romischen Rechts mit Glossen versahen Dekretalen mit Glossa ordinaria Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeine Worterklarung 2 Juristische Glossatoren 3 Siehe auch 4 Einzelnachweise 5 Literatur 6 WeblinksAllgemeine Worterklarung BearbeitenDas Wort glos s ator entstand im mittelalterlichen Latein als Nominalisierung des gleichfalls mittellateinischen Verbs glos s are mit einer Glosse versehen und wurde als fachsprachlicher Latinismus seit dem Ausgang des Mittelalters in das Deutsche und in mehrere andere europaische Volkssprachen entlehnt u a franz glossateur ital chiosatore 1 fur Rechtstexte jedoch meist glossatore span glosador Das Wort ist bis heute ein fachsprachlicher Ausdruck geblieben der vornehmlich von Philologen Historikern und Kodikologen verwendet wird und sich dann in der Regel auf den Verfasser einer antiken oder mittelalterlichen Glosse zu einem biblischen antiken oder mittelalterlichen Text bezieht Juristische Glossatoren BearbeitenIn einer engeren von der lateinischen Fachsprache mittelalterlicher Juristen gepragten Bedeutung die auch von modernen Rechtshistorikern beibehalten wurde bezeichnet man als Glossatoren speziell die Lehrer des weltlichen Rechts die im 12 und der 1 Halfte des 13 Jahrhunderts in Italien vornehmlich in Bologna die Texte des Corpus iuris einer Sammlung von Quellen des antiken romischen Rechts interpretierten und rationalisierten Im Mittelpunkt der Arbeiten standen die vormals nahezu unbekannten Digesten die kurz zuvor in einer vollstandigen Handschrift aufgefunden worden waren litera bononiensis 2 Sie versahen diese Texte mit Glossen glossae die in der Regel an den Rand Marginalglosse oder zwischen die Zeilen Interlinearglosse des Gesetzestextes geschrieben wurden Aus dieser Tatigkeit leitet sich die Bezeichnung der Glossatoren ab Daneben beschrieben sie einzelne Rechtsprobleme summae und versuchten mit den methodischen Mitteln der Scholastik Widerspruche einzelner Textpassagen im Verhaltnis untereinander distinctiones aufzulosen 3 Empirisch kritische Methoden zur Analyse und Erlauterung von Regelungszusammenhangen der Rechtsvorschriften war ihnen hingegen weitgehend fremd Die Denkgewohnheiten des Mittelalters waren insoweit noch autoritatshorig was sich auch im Bereich der Theologie widerspiegelt 4 Gleichwohl aber fruchteten die Arbeiten denn das Gemeine Recht grundsatzlich nur subsidiar anwendbar behauptete gegenuber den regelmassig ungeschriebenen lokalen Gewohnheitsrechten dadurch seinen Fuhrungsanspruch 3 Deutlich ubergreifender arbeiteten spater die Postglossatoren in den Rechtsmaterien Sie wurden als Kommentatoren bezeichnet als Praktiker oder auch Konsiliatoren Die bedeutendsten Glossatoren waren Irnerius Azo und Accursius Zusammenfassung der bisherigen Glossen zur Glossa ordinaria 1250 Ihr Werk wurde am Ende des 13 und im 14 Jahrhundert von den Postglossatoren besonders Cinus de Pistoia Bartolus de Saxoferrato und Baldus de Ubaldis fortgesetzt Durch die modernisierende Rezeption des romischen Rechts bei den Glossatoren und Postglossatoren wurde dieses zur Grundlage fur das kontinentaleuropaische Privatrecht Den Glossatoren kam im Verfassungs und Rechtsleben ihrer Zeit die Funktion als Lehrer Gutachter und Urkundenredaktoren zu Vornehmlich galten sie als Theoretiker die zwar fur das offentliche Leben ausbildeten dabei allerdings kaum Einfluss auf die praktische Rechtsanwendung nahmen Ihre Erlauterungen zum Corpus iuris waren insoweit Dienstleistungen die keine unmittelbare Rechtswirkung entfalteten was daran lag dass die an der Gegenwart ausgerichteten klerikalen Quellen der Kanonisten Vorrang genossen 5 Auch personliche und lokale Rechte genossen Vorrang im Rechtsalltag Die Glossatoren hingegen die der Auffassung waren dass das Corpus iuris unmittelbar geltendes Recht sei konnten keine Durchgriffswirkung entfalten 6 Die Kernlander die das Corpus iuris rezipierten also Italien und Frankreich erlebten eine Ausbildungsarbeit der Glossatoren die sich auf eine methodengebundene juristische Grammatik beschranken musste und dem juristischen Alltag damit bestenfalls mittelbar diente 7 Damit festigten sie jedoch ihren Status als wichtige Rechtsinterpreten denn ohne Rucksicht auf die ortlichen Verhaltnisse vermochten sie die universelle Geltung und die zeitlose Richtigkeit des romischen Rechts durchzusetzen Ihre epochale Bedeutung fur ganz Europa sollte sich im Ruckblick ergeben 6 Der Begrunder der Historischen Rechtsschule Friedrich Carl von Savigny sollte die Glossatoren spater als die buchgelehrten Reformatoren des Rechtslebens bezeichnen 8 Im Anschluss an die Glossatoren sollten die bereits erwahnten Kommentatoren die immer offensichtlicher klaffende Lucke zwischen reiner Rechtslehre und praktisch gelebtem Recht zu schliessen helfen Sie begannen das Corpus iuris im Lichte der Gewohnheiten und des Statuarrechts der italienischen Stadte spater auch der Brauche in Nordfrankreich sowie anderer romanisch gepragter Stadt und Landrechte auszulegen Auch bei den Kanonisten den Fachleuten des mittelalterlichen Kirchenrechts gab es faktisch Glossatoren auch wenn sie nicht typischerweise so genannt werden namlich einerseits die Dekretisten die sich der Kommentierung des Decretum Gratiani widmeten und die Dekretalisten die die papstlichen Dekretalen kommentierten Unter den Dekretisten sind besonders Hugutius von Pisa Laurentius Hispanus und Johannes Teutonicus zu nennen unter den Dekretalisten verdienen Bernardus von Pavia Tankred von Bologna Raimund von Penyafort und Johannes Andreae Erwahnung Siehe auch BearbeitenGlossar MischnaEinzelnachweise Bearbeiten Nach Ausweis der Worterbucher jedoch von chiosa glossa abgeleitet Hermann Kantorowicz Uber die Entstehung der Digestenvulgata 1910 Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Die Romanistische Abteilung RA ISSN 0323 4096 30 1909 183 f 31 1910 14 f a b Tomasz Giaro Romisches Recht Romanistik und Rechtsraum Europa In Ius Commune hrsg von Dieter Simon und Michael Stolleis Band 22 Vittorio Klostermann Frankfurt a M 1995 S 1 16 7 Paul Koschaker Europa und das Romische Recht 4 Auflage C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen Berlin 1966 S 62 Paul Koschaker Europa und das Romische Recht 4 Auflage C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen Berlin 1966 S 55 ff a b Franz Wieacker Privatrechtsgeschichte der Neuzeit Unter Berucksichtigung der deutschen Entwicklung 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht 1967 S 80 f Wolfgang Kunkel In SZ romanistische Abteilung RA ISSN 0323 4096 71 1954 517 Anm 15 Franz Wieacker Privatrechtsgeschichte der Neuzeit Unter Berucksichtigung der deutschen Entwicklung 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht 1967 S 70 Literatur BearbeitenHermann Lange Romisches Recht im Mittelalter Band 1 Die Glossatoren Beck Munchen 1997 ISBN 3 406 41904 6 Gerhard Otte Dialektik und Jurisprudenz Untersuchungen zur Methode der Glossatoren Ius commune Veroffentlichungen des Max Planck Instituts fur Europaische Rechtsgeschichte Sonderhefte Texte und Monographien 1 ZDB ID 120695 3 Klostermann Frankfurt am Main 1971 Zugleich Munster Universitat Habilitations Schrift 1969 Johann Friedrich von Schulte Die Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts Band 1 2 Enke Stuttgart 1875 1877 Band 1 Von Gratian bis auf Papst Gregor IX 1875 Digitalisat Band 2 Von Papst Gregor IX bis zum Concil von Trient 1877 Digitalisat Weblinks BearbeitenJacques Paul Migne Hrsg Glossa ordinaria Google Books Faksimile Band 1 Band 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Glossator amp oldid 225570749