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Kodikologie lateinisch codex Buch und logie auch Handschriftenkunde eine historische Hilfswissenschaft ist die wissenschaftliche Beschaftigung mit dem handgeschriebenen Buch Sie ist zeitlich begrenzt auf die Spatantike und das Mittelalter also vorwiegend die Zeit zwischen 500 und 1500 Ihr schliesst sich die Inkunabelkunde an Anliegen der Kodikologie sind Fragen zur Beschaffenheit und zum Entstehungsprozess eines mittelalterlichen Codex Dabei werden besonders die handwerklich technischen Aspekte der Anfertigung wie beispielsweise die Frage nach den Beschreibstoffen Papyrus Pergament Papier Tinte und Schreibgerate Lage Einband Buchschmuck oder Provenienz ins Auge gefasst Das Buch wird also wie ein archaologisches Artefakt behandelt und als Teil primarer Sachuberlieferung betrachtet indem man es zeitlich erfasst und genau beschreibt Die Kodikologie ist eng verwandt mit der Palaographie Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Kodikologie 2 Methoden 3 Wichtige Sammlungen 4 Literatur 5 WeblinksGeschichte der Kodikologie BearbeitenIm 19 Jahrhundert war die Handschriftenkunde neben der Bibliotheksgeschichte der Inkunabelkunde und der Bibliographienkunde ein zentraler Bestandteil der Bibliothekswissenschaft Der Begriff Kodikologie kam allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Belgien auf Er wurde als Erstes von dem Pariser Grazisten Alphonse Dain zwischen 1944 und 1949 gebraucht und loste so den von Charles Samaran 1879 1982 einem Pariser Palaographen gepragten Begriff Codicographie ab Dain verstand die Erforschung der Geschichte der Handschriften und ihrer Sammlung die Untersuchung ihrer Beschaffenheit und ihre Katalogisierung als Aufgabe der Kodikologie Die Schrift schloss auch er aus da es bereits die Palaographie gab Auch wurde sie nur als Hilfsmittel der Philologie angesehen Dies anderte sich 1950 denn der belgische Handschriftenbibliothekar und Redakteur der Zeitschrift Scriptorium Francois Masai 1909 1979 sprach sich fur eine eigenstandige wissenschaftliche Disziplin aus Zusammen mit dem Kunsthistoriker Leon M J Delaisse formte der eine Beschreibung der Kodikologie als Archaologie des Buches deren konkretes Objekt das Buch und seine technischen Aspekte sind deren Ergebnisse von den historischen Disziplinen genutzt werden konnen Heute wird sie hauptsachlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Bibliotheken mit grossen Handschriftenbestanden betrieben aus deren Arbeit eine umfangreiche Katalogisierung mittelalterlicher Handschriften entstand Methoden BearbeitenFur die Erforschung und genaue Beschreibung eines Kodex werden verschiedene wissenschaftliche Disziplinen herangezogen Philologie und Historik dienen vor allem der zeitlichen und sprachlichen Einordnung eines Textes Man verwendet aber auch statistische Daten um Stammbaume sogenannte Stemmata fur die einzelnen Texte zu erstellen Hierbei werden die zeitliche und regionale Ausbreitung von Schrift und Schmuckformen einbezogen Auf diese Weise kann man Texte die in mehreren Codices vorkommen in eine zeitliche Reihenfolge setzen Es geht hierbei darum individuelle Eigenheiten der einzelnen Handschriften zu finden welche man beim Format des einzelnen Bandes dem Einband dem Beschreibstoff der Blatt und Lagenfolge sogar bei der Linierung und auch der Gestaltung des Schriftspiegels erkennen kann Besitzvermerke sind ebenso ein wichtiges Merkmal fur die Uberlieferungsgeschichte Auch Marginalien wie zum Beispiel die sogenannten Griffelglossen geraten zunehmend ins Blickfeld der Mediavistik Zudem reihen sich die vor allem in der Kunstgeschichte genutzten Wasserzeichen und die Einbandkunden an mit deren Hilfe das Alter eines Buches auf etwa funf Jahre genau eingegrenzt werden kann Die Chemie spielt ebenfalls eine wichtige Rolle Analysen des Beschreibstoffes Pergament oder Papier und der Tinte und der fur die in der Buchmalerei verwendeten Farben fur die es einige hundert Rezepte gab lassen haufig Schlusse auf das Alter der jeweiligen Handschrift zu Bestimmte Techniken oder Farb und Tintenrezepte wurden nur in bestimmten Regionen verwendet was Hinweise auf den Herkunftsort geben kann Diese Rezepte und Techniken waren in Werkstattbuchern festgehalten und wurden von Generation zu Generation weitergegeben Jedoch kann man anhand von erhaltenen Exemplaren dieser Regelwerke feststellen dass viele auf wenige griechische und lateinische Werke zuruckgehen und so sind wirkliche Individualrezepte eher selten Wichtige Sammlungen BearbeitenEs gibt inzwischen einige sehr gute Online Datenbanken in denen nach mittelalterlichen Handschriften recherchiert werden kann sowohl im deutschsprachigen als auch im angloamerikanischen Raum Die Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis der Universitat Koln weisen etwa 500 Handschriften vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum nach die mit Fotos aufgefuhrt sind Der Handschriftencensus verzeichnet in Form eines beschreibenden Katalogs samtliche deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters ausgenommen Einzelurkunden und Minimaleintrage in lateinischen Handschriften e codices der Schweiz http www e codices unifr ch de Die virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz hat das Ziel alle mittelalterlichen und eine Auswahl neuzeitlicher Handschriften der Schweiz vollstandig digital abzubilden und sie im Internet frei zuganglich zu machen Zurzeit sind 2539 digitalisierte Handschriften aus 97 Schweizer Sammlungen verfugbar Stand Ende 2020 Die virtuelle Bibliothek wird laufend ausgebaut Die Codices Electronici Sangallenses erfassen den St Gallener Handschriftenbestand Die Abteilung fur Sondersammlungen der Universitatsbibliothek Graz besitzt einen Onlinekatalog der ihren Bestand von uber 2000 Handschriften verzeichnet Diese sind teilweise bereits mit detaillierten palaographischen Beschreibungen versehen und in digitaler Volltext Version abrufbar Ausserdem gibt es fur Osterreich einen Katalog von illuminierten Handschriften des 8 13 Jahrhunderts Die British Library verfugt uber mehrere grosse Sammlungen z B die Harleian Collection die auch uber den Online Katalog auffindbar sind Hier befinden sich grosse angelsachsische Werke wie der Beowulf oder der Lindisfarne Gospel Book of Lindisfarne Ahnlich gross ist die Sammlung der Bodleian Library in Oxford deren Katalog sich einfach durchstobern lasst Die Werke sind alle in sehr guter Qualitat online einsehbar Die Library of Congress in Washington D C hat einen umfangreichen Katalog ihrer Manuskriptsammlungen angelegt In der Hill Museum amp Manuscript Library in Collegeville Minnesota kann man 90 000 Handschriften europaischer afrikanischer und asiatischer Provenienz finden Literatur BearbeitenEinfuhrungen und Handbucher Philippe Bobichon Codicological Glossary Online Page Layout of Hebrew Greek Arabic Roman and Latin Manuscripts Le lexicon Mise en page et mise en texte des manuscrits hebreux grecs latins romans et arabes Erik Kwakkel Books before Print Exploring Medieval Manuscript Culture ARC Humanities Press Leeds 2018 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