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Klassik auch klassisches Recht bezeichnet in der Rechtsgeschichte eine Epoche der romischen Jurisprudenz die etwa vom Beginn des Prinzipats unter Augustus in der zweiten Halfte des 1 Jahrhunderts v Chr bis zum Ende der severischen Dynastie mit Kaiser Severus Alexander im Jahr 235 n Chr reicht 1 2 Sie gilt gemeinhin als Blutezeit der romischen Rechtswissenschaft und ist durch eine ausgepragte literarische Produktivitat verschiedener bedeutender Juristen gepragt 3 Die Juristenliteratur wirkt in Teilen festgehalten in den nachklassischen Kompilationen der Spatantike uber eine lange und wechselvolle Rezeptionsgeschichte seit dem Mittelalter bis in das moderne Privatrecht fort Inhaltsverzeichnis 1 Einflussnahmen durch den Prinzeps 2 Rechtswissenschaft 2 1 Rechtsliteratur 2 2 Arbeitsweise und Einflusse 3 Epocheneinteilung 3 1 Fruhklassik 3 2 Hochklassik 3 3 Spatklassik 4 Literatur 5 EinzelnachweiseEinflussnahmen durch den Prinzeps BearbeitenGegenuber der Vorklassik in welcher das romische Recht vor allem durch gewahlte Jurisdiktionsmagistrate wie den Prator durch Volksgesetze so genannte leges und Plebiszite entwickelt wurde nahm ab Beginn des Prinzipats zunehmend auch der Kaiser Einfluss auf die Rechtsentwicklung 1 Schon Augustus fuhrte eine kaiserliche Sonderrichtsbarkeit fur Zivilverfahren ein die neben die Formularprozesse vor den Jurisdiktionsmagistraten trat Die alten Rechtsquellen wurden in zunehmendem Masse durch neue wie allgemeine Verordnungen und Erlasse so genannte constitutiones und konkrete Reskripte ersetzt Auch die vom Kaiser gelenkten Senatsbeschlusse gewannen an Bedeutung 1 Schon zuvor hatten einzelne Juristen in Verfahren unverbindliche Rechtsgutachten so genannte responsae erteilt Von Augustus ist uberliefert dass er ut maior iuris auctoritas haberetur constituit ut et auctoritate eius responderent um das Ansehen des Rechts zu steigern bestimmte dass sie die Rechtsgelehrten kraft seiner Autoritat Rechtsfragen beantworteten 4 Die mit diesem ius respondendi ausgestatteten so genannten Respondierjuristen konnten daher Rechtsgutachten mit annahernd Gesetzeskraft erteilen 1 Die konkrete Bedeutung dieser Massnahme ist bis heute nicht endgultig geklart Vor allem im alteren Schrifttum wurde sie vornehmlich als Privileg besonders herausragender Juristen angesehen In der jungeren Fachliteratur wird hingegen zunehmend die Position vertreten dass Augustus das ius respondendi vor allem an ausgesuchte Juristen verlieh und so auch steuernd in die Rechtspflege eingriff 3 Dies hatte zur Folge dass der bedeutende Juristenstand bis ins ausgehende 2 Jahrhundert n Chr fast ausschliesslich von Senatoren gebildet wurde denn das Vorbild des Augustus wurde von seinen Nachfolgern ubernommen 3 Von Beginn des Prinzipats an besetzten nahezu alle senatorischen Juristen spatestens seit Kaiser Hadrian auch die meisten Juristen aus dem Ritterstand zudem leitende Funktionen im romischen Verwaltungsapparat 3 Schon sein Amtsvorganger Trajan griff ausserdem auf Juristen als Berater zuruck Daraus bildete sich im zweiten Jahrhundert ein consilium principis genanntes Gremium von Juristen des Ritterstandes das die Bearbeitung laufender Verfahren des Kaisergerichts ubernahm und unter Antoninus Pius schliesslich institutionell verfestigt wurde 3 Rechtswissenschaft BearbeitenDie funktionale Strukturierung bildete die Grundlage auf der die romische Rechtswissenschaft zu ihrer Blute gelangte Rechtsliteratur Bearbeiten Sie aussert sich vor allem in einer besonders reichhaltigen literarischen Produktion klassischer Juristen von welcher heute etwa noch 5 erhalten sind 5 Im Vordergrund stehen dabei vor allem umfangreiche Gutachtensammlungen so genannte responsa und digesta der Respondierjuristen die durch eine ausgepragte Kasuistik gekennzeichnet sind 3 Der juristischen Ausbildung dienten institutiones genannte Einfuhrungswerke 1 und Sammlungen besonders schwerer umfangreich diskutierter Falle disputationes und quaestiones 3 Hinzu treten eher kurz gefasste und ausgesprochen abstrakte Sammlungen von Regeln regulae Entscheidungen sententiae sowie Definitionen definitiones Ihnen stehen die breit angelegten Kommentare zu den libri tres iuris civilis des Masurius Sabinus sowie zum edictum perpetuum gegenuber 1 Eher die Ausnahme blieben hingegen Monographien Die spatere Kompilation romischen Rechts im Corpus Iuris Civilis unter Kaiser Justinian I beruht vor allem auf diesen klassischen Schriften Ihre Auszuge wurden daher im Zuge der Rezeption des romischen Rechts in Europa studiert und bis in die Neuzeit weiter tradiert Dort wurden sie zur Grundlage moderner Zivilrechtskodifikationen insbesondere des deutschen Burgerlichen Gesetzbuches 6 Arbeitsweise und Einflusse Bearbeiten Abgesehen von den institutiones enthalt die klassische Rechtsliteratur kaum theoretische Betrachtungen des Rechts Charakteristisch ist vielmehr eine starke Orientierung an der Rechtspraxis der die dort behandelten Probleme entstammen und die den Adressatenkreis der Werke bilden 3 Insoweit zeichnet sich die klassische Rechtswissenschaft vor allem durch ihre praktischen Losungsansatze aus die juristisch methodisch sauber und unter Verzicht auf Billigkeitserwagungen hergeleitet werden 3 Dies geschah vor allem durch Auslegung der pratorischen Klagformel actio weshalb das klassische Rechtsdenken auch als aktionenrechtliches Denken bezeichnet wird 1 Aussere Einflusse spielten bei der Entwicklung der klassischen Jurisprudenz nur eine untergeordnete Bedeutung Vor allem griechische Einflusse seit der Vorklassik wirkten in der Klassik fort 3 Die einflussreichen Juristen des ersten Jahrhunderts entstammten vor allem stadtromischen oder zumindest italischen Adelsgeschlechtern Dies anderte sich zwar im zweiten und dritten Jahrhundert doch auch die Schriften aus den Provinzen stammender Juristen unterscheiden sich zwar sprachlich jedoch kaum inhaltlich von denen stadtromischer Juristen 3 Der Rechtshistoriker Fritz Schulz befand uber den Ausdrucksstil der klassischen Juristen dass sie eine schone echt romische Sprache ernst schlicht korrekt und kurz bemuhten 7 Max Kaser befand zudem dass die Sprache von sachlich orientiertem Pragmatismus zeuge die uberdies den romischen Volkscharakter sehr pragnant fasse 8 Epocheneinteilung BearbeitenDie klassische Epoche des romischen Rechts wird vor allem aufgrund ausserer Merkmale der Rechtsgeschichte in drei Unterepochen eingeteilt Fruhklassik Bearbeiten Die Fruhklassik umfasst etwa die Regierungszeiten der Kaiser Augustus bis Domitian also den Zeitraum von 27 v Chr bis 96 n Chr 1 Jahrhundert n Chr In diesem Zeitraum beruhte die Bedeutung der Juristen vom ius respondendi abgesehen noch vor allem auf ihrer Herkunft sowie ihrer personlichen Beziehung zum Prinzeps 9 Im Gegensatz zu spateren Epochen erscheinen Juristen nicht gehauft in Amtern der offentlichen Verwaltung Sie wirkten eher privat 9 Zu den fruhesten Juristen dieser Epoche gehort Marcus Antistius Labeo der sich offen gegen die neue Staatsform des Prinzipats auflehnte 3 Er rivalisierte vor allem mit Gaius Ateius Capito demgegenuber von ihm zahlreiche literarische Werke uberliefert sind Aus dieser Rivalitat sollen der Uberlieferung nach die beiden romischen Rechtsschulen der Sabinianer und Prokulianer entstanden sein 9 Sie durfen nicht als theoretisch politische Antipoden verstanden werden denn sie waren keine Institutionen nach heutigem Verstandnis sondern typisierten antike Gefolgschaften bei denen Differenzen zu juristischen Einzelfragen bestanden 10 Nach derzeitigem Forschungsstand sollen sie spater nicht vor der Regierungszeit des Kaisers Tiberius entstanden sein Hierfur wird bereits ihre Bezeichnung als Sabinianer nach Massurius Sabinus bisweilen auch Cassiani nach Gaius Cassius Longinus beziehungsweise als Prokulianer nach Sempronius Proculus der seinerseits Schuler des Marcus Cocceius Nerva war 9 angefuhrt die bis in die Zeit Kaiser Neros beziehungsweise Vespasians wirkten 9 Anders als bei griechischen Philosophenschulen ist bei den romischen Juristenschulen nur wenig uber ihre jeweiligen Anschauungen bekannt Bisweilen wird den Prokulianern eine starkere Orientierung an systematischen Zusammenhangen und der Begriffslogik den Sabinianern hingegen eine Orientierung an Tradition und Sachlogik nachgesagt 9 Innerhalb dieser Rechtsschulen fand wohl auch Rechtsunterricht statt uber den jedoch nahezu nichts bekannt ist Gemeinhin gilt jedoch die Hospitation bei erfahrenen Juristen als typisches Ausbildungsmodell 9 Die grosste Wirkung aller fruhklassischen Juristen entfaltete Sabinus Seine tres libri iuris civilis diente noch den spatklassischen Juristen als Textgrundlage ihrer Zivilrechtskommentare Hochklassik Bearbeiten Die Hochklassik umfasst etwa die Regierungszeiten der Kaiser Nerva bis Marc Aurel also den Zeitraum von 96 bis 180 n Chr 2 Jahrhundert n Chr Charakteristisch fur diese Epoche ist das Vordringen von Juristen in Amter der Reichsverwaltung und die Abkehr von doktrinaren theoretischen Erwagungen hin zu einer starken Praxisorientierung Dies fuhrt auch zu einer Auflosung des in der Fruhklassik dominanten Schulenstreits 9 Deshalb stammen vor allem aus dieser Zeit viele Responsen Rechtsauskunfte in Briefen Quastionen Literatur sowie Entscheidungssammlungen 9 Den Ubergang zur Hochklassik markieren die Juristen Titius Aristo und Lucius Iavolenus Priscus Wahrend ersterer vor allem als Rechtsgutachter und Anwalt wirkte durchlief Iavolenus eine Amterlaufbahn 9 Auch Lucius Neratius Priscus gehort dieser Ubergangsepoche an Seine Werke orientieren sich bereits deutlich an Einzelfallen Als Hohepunkt der romischen Rechtswissenschaft gelten die zur Regierungszeit Hadrians wirkenden Juristen vor allem Publius Salvius Iulianus sowie Publius Iuventius Celsus 9 Ersterer stammte aus Hadrumetum und war von Hadrian bis Marc Aurel in der Reichsverwaltung tatig unter anderem als Statthalter von Germania inferior in Koln Er war Schuler des Iavolenus und wurde bereits von Hadrian mit der Endredaktion der pratorischen Edikte zum edictum perpetuum beauftragt 9 Zu seinen Schulern gehorten Sextus Caecilius Africanus sowie Lucius Volusius Maecianus Zu den spaten Vertretern der Hochklassik gehoren Ulpius Marcellus Quintus Cervidius Scaevola sowie Publius Taruttienus Paternus die im Konsilium des Marc Aurel wirkten Etwa in der Mitte des zweiten Jahrhunderts trat eine neue Stromung der romischen Jurisprudenz auf deren wichtigste Vertreter Sextus Pomponius und Gaius hiessen Sie kennzeichnet ein Bemuhen um die Ordnung des uberreichen juristischen Schrifttums und das Schreiben einfacher Gesamtdarstellungen 9 Uber beide ist nur wenig bekannt Fur die Nachwelt von hohem Gewicht ist andererseits dass von Gaius ein nahezu vollstandig erhaltenes Buch bewahrt worden ist das ausserhalb der byzantinischen Kodifikationen von Bedeutung blieb 11 Spatklassik Bearbeiten Die Spatklassik entspricht der Regierungszeit des Kaisers Commodus sowie der severischen Kaiserdynastie reicht also von 180 bis 235 n Chr 2 3 Jahrhundert n Chr Einflussreiche Juristen gehorten in dieser Zeit fast ausnahmslos dem Ritterstand an und durchliefen ublicherweise den cursus honorum der im Amt des praefectus praetorio gipfelte 9 Sie kommandierten die Leibgarde und ubten in Spitzenpositionen die kaiserliche Gerichtsbarkeit aus Besondere Bedeutung erlangte der Jurist Papinian der nach der Missbilligung des Mordes an Geta durch Kaiser Caracalla hingerichtet wurde was man zum Martyrertod stilisierte 9 Sein literarisches Schaffen stand noch deutlich in der Tradition der Hochklassik Dies anderte sich bei seinen Assessoren Ulpian und Paulus die sich vor allem der Sammlung und einfachen Darstellung der romischen Rechtsordnung verschrieben und damit eher an das Werk des Pomponius und Gaius angeknupft 9 Ihre Werke sind besonders umfangreich und bilden einen erheblichen Teil der Digesten Kaiser Justinians Mit Modestin hatte Ulpian noch einen bedeutsamen Schuler der das Ende der Spatklassik markiert Es folgte die Nachklassik gelegentlich auch als Epiklassik bezeichnet 12 aus der kaum Namen von Autoren bekannt sind In dieser Zeit entstanden etliche Pseudepigraphen unter den Namen spatklassischer Juristen Erst im funften Jahrhundert kam es wieder zu einem Wiederaufleben des klassischen Rechts das vor allem von der Rechtsschule von Beirut getragen wurde Literatur BearbeitenWolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 14 Auflage Koln 2005 3 6 7 8 Leopold Wenger Die Quellen des romischen Rechts Wien 1953 Fritz Schulz Geschichte der romischen Rechtswissenschaft Weimar 1961 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g Ulrich Manthe Geschichte des Romischen Rechts 4 Auflage Munchen 2011 S 88 92 Max Kaser Rolf Knutel Romisches Privatrecht 19 Auflage Munchen 2008 1 II b a b c d e f g h i j k l Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 14 Auflage Koln 2005 S 140 149 Digesten 1 2 2 49 Ulrich Manthe Geschichte des Romischen Rechts 4 Auflage Munchen 2011 S 111 Ulrich Manthe Geschichte des Romischen Rechts 4 Auflage Munchen 2011 S 122 Fritz Schulz Geschichte der romischen Rechtswissenschaft Weimar 1961 S 115 Max Kaser Romische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode In Forschungen zum Romischen Recht Bd 36 Bohlau Wien Koln Graz 1986 ISBN 3 205 05001 0 S 127 a b c d e f g h i j k l m n o p Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 14 Auflage Koln 2005 S 150 162 Uwe Wesel Geschichte des Rechts Von den Fruhformen bis zur Gegenwart C H Beck Munchen 2001 ISBN 978 3 406 54716 4 S 234 238 236 f 1816 entdeckte der Althistoriker Barthold Georg Niebuhr die gaianischen Institutionen in einer Handschrift der Stiftsbibliothek von Verona wieder Vergleiche insoweit Detlef Liebs Die Jurisprudenz im spatantiken Italien 260 640 n Chr Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge Bd 8 Duncker amp Humblot Berlin 1987 ISBN 3 428 06157 8 S 283 287 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Klassik Jurisprudenz amp oldid 226387425