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Der Naturalismus ist die Auffassung dass die Welt als ein rein von der Natur gegebenes Geschehen zu begreifen ist Diese Annahme die oft auch durch den Spruch Alles ist Natur pointiert wird lasst fur sich genommen offen wie der Begriff der Natur zu umgrenzen ist Versteht man unter Natur allein die physische Natur so ergibt sich aus dem Spruch Alles ist Natur eine materialistische oder physikalistische Position Derartige Theorien vertreten dass auch der Geist oder das Bewusstsein Teil der physischen Natur sei oder alternativ gar nicht oder hochstens als Illusion existiere Die naturalistische Position geht auf die griechische Antike zuruck Natur physis bezeichnete hier all das was nicht vom Menschen geschaffen ist Der Mensch selbst ist ein Naturwesen wie alle anderen Kreaturen auch Auch spatere Veranderungen eines naturlichen Gegenstandes z B pflugen zerlegen hegen machten aus ihm keinen Kulturgegenstand Dies galt allein fur das komplexe Zusammenfugen naturlicher Komponenten zu vollkommen neuen Werken z B Werkzeuge Kunstwerke Bauwerke Die Naturvorstellung einiger antiker Philosophen entspricht in gewisser Weise der intuitiven Leitkategorie des alltaglichen Denkens 1 Als Naturalismus kann seit dem fruhen 17 Jahrhundert jede Lehre bezeichnet werden die allein die Natur zum Grund und zur Norm aller Erscheinungen erklart Dies entstand vor allem aus der Motivation heraus sich von ubernaturlichen Phanomenen im religiosen Sinne abzugrenzen Ein so verstandener Naturalismus lehnt etwa die Existenz von Wundern und ubernaturlichen Wesen ab Bei modernen naturalistischen Theorien seit Anfang des 20 Jahrhunderts steht jedoch oft der Begriff der Naturwissenschaft und nicht der Begriff der Natur im Vordergrund Dabei wird argumentiert dass die Naturwissenschaften zu den grundlegenden Beschreibungen der Strukturen der Welt fuhrten und in diesem Sinne philosophischen geisteswissenschaftlichen und alltaglichen Methoden uberlegen seien Fur einen Naturalisten in diesem Sinn sind die Naturwissenschaften fur die Beschreibung und Erklarung der Welt das Mass aller Dinge 2 Das Gegenteil zum Naturalismus wird als Supranaturalismus bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale naturalistischer Theorien 1 1 Kritik religioser Ideen 1 2 Realismus 1 3 Physikalismus und Reduktionismus 1 4 Methoden der Naturwissenschaften 2 Naturalismus in der Erkenntnistheorie 2 1 Starker erkenntnistheoretischer Naturalismus 2 2 Einwand der Normativitat 3 Kritik am methodologischen Naturalismus 4 Naturalismus in der Philosophie des Geistes 4 1 Drei Probleme der Naturalisierung des Geistes 4 2 Intentionalitat 5 Naturalismus in der Metaethik und Ethik 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 QuellenMerkmale naturalistischer Theorien BearbeitenNaturalistische Theorien teilen den Anspruch ein Weltbild zu entwerfen das an den Erklarungsmethoden der Naturwissenschaften orientiert ist In diesem Sinne lassen sich einige typische Merkmale des Naturalismus identifizieren Realismus Physikalismus Religionskritik Reduktionismus eine Eingrenzung auf die Methoden der Naturwissenschaften und eine Ablehnung der Metaphysik Dennoch scheint keines dieser Merkmale notwendig zu sein und es werden folglich sehr verschiedene Varianten des Naturalismus vertreten In einer generellen Klassifikation naturalistischer Positionen wird haufig zwischen einem ontologischen und einem methodischen Naturalismus unterschieden Wahrend der ontologische Naturalismus eine These uber die Natur der Welt formuliert etwa Die Welt besteht allein aus physischen Teilchen und ihren Eigenschaften betrachtet der methodische Naturalismus die Orientierung an den Methoden der Naturwissenschaften als zentrales Merkmal des Naturalismus Ein naturalistisches Menschenbild erlangte grossere Popularitat erstmals durch die Evolutionstheorie von Charles Darwin Auf diesem aufbauend vertraten auch Marx und Engels ein materialistisches wissenschaftliches Weltbild Allerdings enthalt der Marxismus noch zahlreiche soziologische und politische Komponenten die nicht Teil des Naturalismus sind Moderne naturalistische Positionen die sich auf die Erkenntnisse der Evolutions und Humanbiologie stutzen und traditionelle erkenntnistheoretische sozialwissenschaftliche und psychologische Probleme mit Hilfe der Biologie zu klaren versuchen sind die evolutionare Erkenntnistheorie und die Soziobiologie Derartige Ansatze werden von ihren Gegnern als biologistisch bezeichnet Inwiefern sich die naturalistische Auszeichnung der Naturwissenschaften selbst argumentativ begrunden lasst bleibt in der Debatte umstritten Antinaturalisten halten die naturalistische Perspektive auf die Welt daher haufig fur eine nicht begrundbare Einstellung die anderen Weltbildern oder Glaubenssystemen argumentativ in keiner Weise uberlegen ist 3 Kritik religioser Ideen Bearbeiten nbsp Ludwig Feuerbach entwickelte eine naturalistische Religionsphilosophie Stich von August Weger Zunachst werden naturliche Phanomene im Naturalismus oft in Abgrenzung zu religiosen oder mystischen Phanomenen verstanden Die religionskritische Komponente des Naturalismus hat insbesondere in den USA in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts eine grosse Rolle gespielt 4 Die Kernthese dieses fruhen Naturalismus lautet dass es keine Phanomene gibt die sich grundsatzlich einer naturwissenschaftlichen Beschreibung widersetzen So erklarte etwa Thelma Lavine Der Nerv des naturalistischen Prinzips ist dass die naturwissenschaftliche Analyse nicht auf ein bestimmtes Gebiet eingeschrankt werden darf sondern auf jeden Phanomenbereich ausgedehnt werden kann 5 In Bezug auf Religionen hat dies zwei Konsequenzen Zum einen soll es keine religiosen Phanomene geben die sich grundsatzlich einer wissenschaftlichen Beschreibung entziehen Dies impliziert die Ablehnung eines immateriellen Gottes aber auch aller ubernaturlichen Phanomene etwa von Wundern oder ubersinnlichen Erfahrungen Zudem enthalt ein so verstandener Naturalismus auch die positive These der wissenschaftlichen Erforschbarkeit religioser Phanomene Eine in diesem Sinne naturalisierte Religionsphilosophie findet sich bei Ludwig Feuerbach der religiose Phanomene als sozialpsychologisch erklarbare Projektionen verstand Fur Naturalisten konnen also auch Religionen als psychologische soziale oder biologische Phanomene Objekte wissenschaftlicher Forschung sein Eine solche wissenschaftliche Forschung geschieht etwa in der Religionspsychologie Eine neuere Disziplin ist die so genannte Neurotheologie in der Verbindungen zwischen Gehirnprozessen und religiosen Erfahrungen hergestellt werden sollen Noch heute kann man beobachten dass der Naturalismus bei seinen Vertretern mit einer offensiv atheistischen Einstellung verbunden ist Beispiele hierfur sind etwa Daniel Dennett und Richard Dawkins Andererseits spielt die Frage nach religiosen Phanomenen in der gegenwartigen Naturalismusdebatte nur eine untergeordnete Rolle Insbesondere kann man den Naturalismus nicht durch seine religionskritischen Aspekte definieren da die meisten naturalismuskritischen Positionen der Gegenwart nicht mit religiosen Ideen verbunden sind So ist es fur die gegenwartige Naturalismuskritik oft zentral fur die Autonomie der Kultur und Geisteswissenschaften zu argumentieren oder auf die Probleme naturwissenschaftlicher Theorien des Geistes hinzuweisen Ein weiteres Thema gegenwartiger Antinaturalisten ist die Subjektivitat und Perspektivengebundenheit moderner Naturwissenschaften All diese Themen sind unabhangig von religiosen Fragen weswegen die Religionskritik nicht als das definierende Merkmal des gegenwartigen Naturalismus angesehen werden kann Daruber hinaus sind unter anderem nach Gerhard Lenski 6 und Robert Merton bis in die Gegenwart religiose Uberzeugungen und konfessionell motivierte Verhaltensmuster von Belang namentlich Protestantismus und Pietismus hatten wesentliche Grundlagen fur die heutigen Naturwissenschaften geschaffen 7 8 Realismus Bearbeiten Eine zentrale Annahme der meisten naturalistischen Theorien ist zudem der Realismus Es gibt eine vom Menschen unabhangige Realitat die in den Wissenschaften entdeckt und erforscht wird Die Natur ist fur den Naturalisten keine Erfindung des Geistes wie vom subjektiven Idealismus angenommen Vielmehr ist der Geist selbst Teil einer vom Menschen vorgefundenen Natur Da etwa die Physik Biologie oder Chemie reale Objekte und keine subjektiven geistigen Konstruktionen beschreiben sollen ist der Realismus oft eine implizite Annahme naturalistischer Theorien Gerhard Vollmer macht diese Annahme explizit da er die Forderung So viel Realismus wie moglich zur Charakterisierung des Naturalismus verwendet 9 Dabei weist er jedoch darauf hin dass der Naturalismus nicht auf einen naiven Realismus festgelegt ist der sagt dass die Welt genauso ist wie sie wahrgenommen wird Ein naturalistischer Realismus scheint vielmehr zu vielen Revisionen der alltaglichen Vorstellungen von Realitat zu fuhren Dies ergibt sich zum einen aus der kognitionswissenschaftlichen Erkenntnis dass in der Wahrnehmung oder im Gedachtnis die Welt nicht passiv im Geiste abgebildet sondern gestaltet wird Ein Beispiel hierfur ist die Wahrnehmung eines sich bewegenden Punktes obwohl eigentlich nur zwei Lichter abwechselnd aufleuchten 10 Der Naturalist Wilfrid Sellars ging in seinem revisionistischen Realismus sogar so weit zu behaupten dass die Realitat nur durch die Physik beschrieben wird und es in Wirklichkeit gar nicht alltagliche Objekte wie Tische Hauser oder Stifte gebe 11 Der naturalistische Realismus ist nicht nur gegen den subjektiven Idealismus gerichtet sondern dient auch der Abgrenzung von relativistischen und subjektivistischen Theorien Die zentrale These des Relativismus lautet dass die Wahrheit eines Satzes immer vom historischen oder sozialen Kontext abhangig sei und es daher keine universell wahren Satze gebe Der allgemeine Relativismus dehnt diese Behauptungen auch auf die Naturwissenschaften aus In diesem Sinne kann etwa ein radikaler Relativist behaupten dass der Satz Die Erde hat eine kugelahnliche Form heute wahr ist aber im alten China falsch war Demgegenuber wird ein typischer Naturalist erklaren dass die Naturwissenschaften objektive Fakten beschreiben die unabhangig von sozialen oder kulturellen Kontexten sind Der Satz Die Erde hat eine kugelahnliche Form druckt dann eine universelle Wahrheit aus und hatte im Altertum die gleiche Gultigkeit wie heute Auch wenn der Realismus ein zentrales Element vieler naturalistischer Theorien ist kann er nicht als definierendes Merkmal des Naturalismus angesehen werden Zum einen ist nicht klar ob der Realismus notwendig fur den Naturalismus ist So war etwa Willard Van Orman Quine einer der bekanntesten Naturalisten des 20 Jahrhunderts Dennoch gibt es Zweifel ob man die Quine sche Philosophie realistisch nennen konne Quine versteht unter Naturalismus im Wesentlichen eine Auszeichnung naturwissenschaftlicher Forschungen bei gleichzeitiger Ablehnung von eigenstandigen philosophischen Methoden 12 Ein derartiger methodologischer Naturalismus scheint keine besondere realistische These vorauszusetzen Zudem ist der Realismus sicherlich nicht hinreichend fur den Naturalismus da es viele realistische nichtnaturalistische Theorien gibt So basiert etwa die traditionelle christliche Theologie auf einer realistischen Metaphysik Physikalismus und Reduktionismus Bearbeiten Soziale Gruppen Lebewesen Zellen Molekule Atome ElementarteilchenSchema von Oppenheim und Putnam 1958 Die obere Schicht soll jeweils aus der unteren zusammengesetzt sein und sich auf diese reduzieren lassen Eine zentrale Behauptung naturalistischer Theorien lautet dass die ganze Welt einschliesslich des Menschen Teil der naturlichen Ordnung ist Eine solche These wirft sogleich die Frage auf was mit naturliche Ordnung gemeint ist Eine mogliche Antwort hierauf bietet der Physikalismus Nach dieser These ist alles was es gibt physischer Natur Auch Menschen und alle anderen Lebewesen erweisen sich als eine Zusammensetzung von kleinsten physischen Teilchen Teil der naturlichen Ordnung zu sein heisst also Teil der physischen Ordnung zu sein Der Physikalismus ist insbesondere gegen die Idee eines immateriellen Geistes gerichtet Wenn sich alles aus der Zusammensetzung kleinster physischer Teilchen ergibt muss dies auch fur den Geist gelten Eine andere Interpretation der Behauptung Alles ist Teil der naturlichen Ordnung lautet wie folgt Wenn etwas Teil der naturlichen Ordnung ist dann lasst es sich zumindest prinzipiell auch durch die Naturwissenschaften erklaren Dies ist die These des Reduktionismus Konsequente Reduktionisten gehen davon aus dass sich prinzipiell auch soziale oder historische Phanomene mit Hilfe der Naturwissenschaften erklaren lassen Zudem setzt der Reduktionismus eine naturwissenschaftliche Erklarbarkeit des Bewusstseins voraus Viele Naturalisten bekennen sich zum Physikalismus und zum Reduktionismus Wird in der Philosophie des Geistes von einer Naturalisierung des Geistes gesprochen so ist meist eine Reduktion gemeint Dennoch ist der Begriff des Naturalismus nicht gleichbedeutend mit Physikalismus oder Reduktionismus Manche Naturalisten stellen die Orientierung an den Methoden der Naturwissenschaften ins Zentrum ihrer Philosophie So erklart etwa Quine Ich vertrete den Physikalismus als eine wissenschaftliche Position aber wissenschaftliche Grunde konnten mich dereinst davon abbringen ohne mich vom Naturalismus abzubringen 13 Methoden der Naturwissenschaften Bearbeiten In den meisten naturalistischen Konzeptionen der Gegenwart spielen die Methoden der Naturwissenschaften eine zentrale Rolle So erklart Sellars in einer beruhmten Passage seines Werks Science Perception and Reality Wenn es um die Beschreibung und Erklarung der Welt geht sind die Naturwissenschaften das Mass aller Dinge 2 Eine solche Auszeichnung der Naturwissenschaften kann zum einen gegen die starke Betonung geistes oder sozialwissenschaftlicher Ansatze gerichtet sein Tatsachlich werden von Naturalisten viele Varianten der modernen Wissenschaftsgeschichte oder Wissenschaftssoziologie kritisiert Es wird zwar anerkannt dass sich der Wissenschaftsbetrieb auch als ein soziales und historisches Phanomen untersuchen lasst dennoch betonen Naturalisten dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaft grundlegender seien und sich nicht durch historische oder soziale Kontexte relativieren lassen Auch findet sich bei vielen Naturalisten eine Ablehnung etwa der poststrukturalistischen Literaturtheorie und Kulturwissenschaft sowie der Psychoanalyse 14 Dennoch steht eine Gegenuberstellung von Naturwissenschaften und den weichen Wissenschaften nicht im Zentrum naturalistischer Theorien und meist wird argumentiert dass der Naturalismus durchaus mit Respekt vor den Geisteswissenschaften kombinierbar ist 15 Die zentrale Annahme des methodologischen Naturalismus ist vielmehr die Ablehnung einer eigenstandigen philosophischen Methode die der empirischen Forschung vorausgeht und diese begrundet So schreibt etwa Quine von der Erkenntnis dass die Realitat im Rahmen der Wissenschaft selbst identifiziert werden muss nicht in einer vorgangigen Philosophie und von dem Verzicht auf das Ziel einer der Naturwissenschaft vorgangigen Ersten Philosophie 16 Eine Ablehnung eigenstandiger philosophischer Methoden bedeutet insbesondere einen Verzicht auf das A priori Apriorische Erkenntnisse werden empirischen Erkenntnissen gegenubergestellt da sie unabhangig von Erfahrungen der Welt moglich sein sollen Apriorische Argumente finden sich zum einen in den grossen metaphysischen Systemen der Philosophiegeschichte Ein klassisches Beispiel ist hierfur Immanuel Kant der in der Kritik der reinen Vernunft argumentierte dass Raum und Zeit keine Bestandteile der vom Menschen unabhangigen Realitat seien Dies konne man jedoch nur durch eine apriorische transzendentale Argumentation zeigen da alle empirischen Wissenschaften bereits Raum und Zeit voraussetzten Methodologische Naturalisten mochten eine derartige apriorische Metaphysik durch empirische Forschung ersetzen Zum anderen richtet sich der methodologische Naturalismus jedoch auch gegen die klassische analytische Philosophie die davon ausging dass es mit der Begriffsanalyse eine apriorische philosophische Methode gibt Die Begriffsanalyse sollte apriorisch sein da bei ihr nur auf die Bedeutung der Worter und nicht auf die Welt Bezug genommen wird Das klassische Beispiel fur einen analytischen Satz ist Alle Junggesellen sind unverheiratet Wenn man die Bedeutung der Worter kennt weiss man dass dieser Satz wahr ist Man muss keine empirische Untersuchung durchfuhren um den Satz zu uberprufen In der analytischen Philosophie sollten in diesem Sinne zentrale philosophische Begriffe wie Wissen oder Rechtfertigung auf apriorische Weise analysiert werden Naturalisten in der Tradition von Quine lehnen die Begriffsanalyse als eine apriorische Disziplin ab Quine hatte 1951 in dem Aufsatz Two Dogmas of Empiricism argumentiert dass es keine grundsatzliche Unterscheidung zwischen apriorisch analytischen und empirisch synthetischen Satzen gibt 17 Spater argumentierte Quine dass der Wegfall von apriorischen Erkenntnissen auch zu einer Aufgabe der traditionellen philosophischen Erkenntnistheorie fuhren musse Wenn es keine apriorische Erforschung des menschlichen Erkenntnisvermogens gebe musse man sich auf die empirische Untersuchung beschranken Und die empirische Forschung werde nicht durch die Philosophie sondern durch die Kognitionspsychologie betrieben 12 Bei Quine soll die naturalistische Erkenntnistheorie also letztlich in der empirischen Kognitionswissenschaft aufgehen Manche Naturalisten gehen allerdings nicht so weit und argumentieren lediglich dass eine moderne Erkenntnistheorie zunehmend die Erkenntnisse der Wissenschaften miteinbeziehen muss Naturalismus in der Erkenntnistheorie BearbeitenStarker erkenntnistheoretischer Naturalismus Bearbeiten In der Gegenwartsphilosophie wird oft zwischen einem starken und einem schwachen erkenntnistheoretischen Naturalismus unterschieden 18 Wahrend der starke Naturalismus die philosophische Analyse menschlicher Erkenntnis letztlich vollstandig in der empirischen Kognitionswissenschaft auflosen will erklaren schwache erkenntnistheoretische Naturalisten lediglich dass die Erkenntnistheorie durch empirische Forschung erganzt und verandert werden musse Die klassische Formulierung des Programms des starken Naturalismus findet man in Quines Aufsatz Epistemology Naturalized Aber wozu all diese erfinderischen Rekonstruktionen all dieser Zauber Letztlich sind ja die Reizungen der eigenen Sinnesrezeptoren das einzige was man hatte um zu seinem Bild der Welt zu kommen Warum sollte man nicht einfach zu ermitteln suchen wie diese Konstruktion wirklich vorgeht Warum sich nicht mit Psychologie begnugen 12 Wie hat man sich eine solche Ersetzung der Erkenntnistheorie durch die empirischen Wissenschaften aber genau vorzustellen Das klassische Beispiel von Naturalisten ist hier die Analyse der Begriffe Wissen und Rechtfertigung Nach einem Vorschlag aus Platons Theaitetos wurde der Begriff des Wissens in der Erkenntnistheorie als wahre gerechtfertigte Meinung definiert Eine derartige Begriffsanalyse scheint auf den ersten Blick recht uberzeugend Wenn jemand weiss dass Brasilien das bevolkerungsreichste Land Lateinamerikas ist dann muss er auch eine entsprechende Meinung haben Doch alleine eine Meinung reicht nicht denn bei falschen Meinungen kann man nicht von Wissen sprechen Wissen ist also mindestens wahre Meinung aber auch dies ist noch nicht hinreichend Man kann etwa eine wahre Meinung in Bezug auf die nachste Lottozahl haben was allerdings nicht bedeutet dass man weiss was die nachste Lottozahl ist Von Wissen wird man hier nicht reden weil man bei einem derartigen zukunftigen Ereignis keine uberzeugenden Grunde fur seine Meinung angeben kann In diesem Sinne ging die klassische Erkenntnistheorie davon aus dass Wissen als wahre gerechtfertigte Meinung zu definieren ist 1963 veroffentlichte der Philosoph Edmund Gettier einen Aufsatz in dem er das Gettier Problem formulierte Es scheint Situationen zu geben in denen eine Person eine gerechtfertigte wahre Meinung aber dennoch kein Wissen hat 19 Die klassische Begriffsanalyse schien also verfehlt zu sein und bald machten sich Philosophen daran neue Definitionsvorschlage zu unterbreiten 1967 fuhrte Alvin Goldman die Debatte jedoch in eine neue Richtung indem er argumentierte dass man dem Begriff des Wissens gar nicht durch eine Analyse von Grunden und rationalen Argumenten naher komme Vielmehr ergebe sich Wissen aus einer kausalen und damit empirisch uberprufbaren Verbindung 20 Schaut man etwa der Ziehung der Lottozahlen zu und stellt fest dass man gewonnen hat so erwirbt man Wissen weil es eine verlassliche kausale Verbindung zwischen den gezogenen Zahlen und der erworbenen Meinung gibt Hat man hingegen die wahre Meinung dass man mit einer bestimmten Zahlenkombination im Lotto gewinnen wird so handelt es sich nicht um Wissen da es keine kausale Verbindung zwischen den noch nicht gezogenen Zahlen und der eigenen Meinung gibt Goldmans Analyse ist naturalistisch da sie die Begriffe Wissen und Rechtfertigung durch eine empirisch uberprufbare Verbindung bestimmen will Mochte man erfahren ob eine bestimmte Meinung gerechtfertigt ist oder Wissen darstellt musse man nicht auf die Grunde und Argumente einer Person schauen Vielmehr musse man uberprufen ob die Meinung der Person in geeigneten kausalen Verbindungen steht Starke erkenntnistheoretische Naturalisten mochten derartige Behauptungen verallgemeinern Die Analyse menschlicher Erkenntnis erfordere nicht mehr als eine Untersuchung kausaler Verbindungen von Meinungen und ihren Ursachen Einwand der Normativitat Bearbeiten Gegen das Konzept der Erkenntnistheorie ist haufig eingewandt worden dass sich die Erkenntnistheorie und die Naturwissenschaften mit grundsatzlich verschiedenen Themen beschaftigen So hat etwa Jaegwon Kim darauf hingewiesen dass die Erkenntnistheorie ein normatives Unternehmen sei 21 Normative Aussagen behandeln im Gegensatz zu deskriptiven Aussagen nicht die Frage was der Fall ist Sie beschreiben vielmehr was der Fall sein sollte So ist etwa die Aussage Der Ausstoss von CO2 sollte zuruckgehen normativ und die Aussage Der Ausstoss von CO2 geht zuruck deskriptiv Kim weist nun darauf hin dass die Erkenntnistheorie im Wesentlichen normative Fragen behandelt so stellt sie etwa die Frage welche Bedingungen Meinungen erfullen sollen damit man sie als gerechtfertigt akzeptieren kann Sie stellt nicht die deskriptive Frage nach welchen Kriterien Menschen de facto Aussagen als gerechtfertigt betrachten Wahrend die Erkenntnistheorie also normative Fragen behandelt beschranken sich die Naturwissenschaften auf deskriptive Themen In den Naturwissenschaften werde beschrieben was der Fall ist und nicht was der Fall sein sollte Akzeptiert man die Kennzeichnung der Erkenntnistheorie als normativ und der Naturwissenschaften als deskriptiv so ist nicht mehr leicht zu sehen wie die Erkenntnistheorie durch die Naturwissenschaften ersetzt werden konnte Die Naturwissenschaften scheinen zu den Fragen der Erkenntnistheorie gar nichts zu sagen zu haben da sie ein ganz anderes Thema behandeln Starke Naturalisten in der Tradition von Quine reagieren auf diesen Einwand indem sie akzeptieren dass die Fragen der traditionellen Erkenntnistheorie im Programm des Naturalismus keinen Platz haben 12 So erklart Quine dass die traditionelle Erkenntnistheorie mit ihrem Programm gescheitert sei Kriterien fur Rechtfertigungen zu liefern Statt eines verfehlten philosophischen Programms solle man sich lieber daran orientieren was in den Wissenschaften tatsachlich als Rechtfertigung akzeptiert wird Eine derart radikale Abkehr von der klassischen Erkenntnistheorie wird selbst von den meisten Naturalisten abgelehnt Sie argumentieren dass man letztlich nicht auf die normative Frage Wann soll man eine Aussage als gerechtfertigt betrachten verzichten kann Auch Wissenschaftler mussen sich die Frage stellen wann sie Belege fur berucksichtigenswert erachten sollen und wann nicht Dem starken erkenntnistheoretischen Naturalismus wird daher oft ein schwacher Naturalismus entgegengestellt Dieser will die normative Erkenntnistheorie nicht durch die Wissenschaften ersetzen sondern sie durch empirische Erkenntnisse erganzen In diesem Sinne schreibt Susan Haack Die Resultate der Kognitionswissenschaften konnen relevant fur die Losung traditioneller erkenntnistheoretischer Probleme sein und es ist legitim sie dafur zu verwenden 22 Gleichzeitig wird von Kritikern naturalistischer Theorien darauf verwiesen dass sie gar nicht bezweifeln dass empirische Daten in der Erkenntnistheorie eine Rolle spielen Folglich ist zwischen schwachen erkenntnistheoretischen Naturalisten und Naturalismuskritikern eher umstritten wie gross die Rolle empirischer Daten in der Erkenntnistheorie ist und an welchen Stellen sie nutzlich sind Kritik am methodologischen Naturalismus BearbeitenDer erkenntnistheoretische Naturalismus ist ein zentraler Aspekt des allgemeineren Programms des methodologischen Naturalismus Der methodologische Naturalismus ist durch seinen Bezug auf die naturwissenschaftlichen Methoden definiert In seiner starksten Variante behauptet er dass letztlich nur die Naturwissenschaften zu wahren Beschreibungen der Welt fuhren und es keine von den Naturwissenschaften unabhangige philosophische Methode gebe Ein derart radikaler Naturalismus muss sich den Einwand der Widerspruchlichkeit gefallen lassen da die Behauptungen des methodischen Naturalismus offenbar selbst keine naturwissenschaftlich begrundbaren Aussagen sind Dieses Problem des radikalen Naturalismus ist aus der Geschichte des Positivismus und der in ihm formulierten Sinnkriterien bekannt So erklarte Ludwig Wittgenstein in dem 1918 vollendeten Tractatus dass letztlich nur empirisch uberprufbare Aussagen sinnvoll seien Dabei war ihm allerdings selbst klar dass der Satz Nur empirisch uberprufbare Aussagen sind sinnvoll selbst nicht empirisch uberprufbar ist und daher nach seinen eigenen Kriterien unsinnig sein muss Wittgenstein zog daraus die Konsequenz Meine Satze erlautern sich dadurch dass sie der welcher mich versteht am Ende als unsinnig erkennt Er muss diese Satze uberwinden dann sieht er die Welt richtig In diesem Zusammenhang werden meistens auch Wittgensteins beruhmte Worte gesehen Woruber man nicht sprechen kann daruber muss man schweigen 23 Wollen methodische Naturalisten dem Problem des fruhen Wittgenstein entgehen stehen ihnen verschiedene Wege offen Zum einen konnen sie auf allgemeine Sinnaussagen verzichten und sich einfach ohne philosophische Begrundung hinter die Methoden der Naturwissenschaften stellen In diesem Falle bleibt aber unklar warum man naturwissenschaftliche Methoden besonders bevorzugen soll Verzichtet der Naturalist auf eine Begrundung seiner Auszeichnung naturwissenschaftlicher Methoden so kann ihm ein Naturalismuskritiker eine unreflektierte Parteinahme vorwerfen So erklart Peter Janich In diesem Falle ist der Naturalist wie ein Fan einer erfolgreichen Fussballmannschaft der sich beim Siegeszug durch die Stadt anschliesst 24 Zum anderen steht es dem methodologischen Naturalisten aber auch offen eine philosophische Begrundung fur seine Auszeichnung naturwissenschaftlicher Methoden zu bieten Dieser Zug setzt allerdings voraus dass der Naturalist die Radikalitat seiner These einschrankt Wenn er eine philosophische Begrundung fur den Naturalismus liefert kann er nicht zugleich philosophische Methoden grundsatzlich ablehnen In diesem Sinne fordert Vollmer eine Minimalmetaphysik die etwa die grossen metaphysischen Systementwurfe der Philosophiegeschichte ausschliesst 9 Eine solche Position muss allerdings erklaren wie man die akzeptable erlaubte Minimalmetaphysik von der inakzeptablen allgemeinen Metaphysik trennen kann Naturalismus in der Philosophie des Geistes BearbeitenDer Mensch selbst erweist sich als zentrales Problem naturalistischer Theorien Er lasst sich einerseits durch die Naturwissenschaften beschreiben die Humanbiologie ist hierfur ein offensichtliches Beispiel Zugleich scheint mit den naturwissenschaftlichen Beschreibungen eben nur ein Teil des Menschen erfasst Menschen sind Naturwesen sie sind aber zugleich Kulturwesen die sich in sozialen Gemeinschaften organisieren eine Geschichte haben sowie etwa Kunst und Literatur schaffen 25 Der Kulturaspekt scheint wiederum nur verstandlich zu sein weil Menschen Wesen mit einem komplexen Geist sind weil sie Wunsche Emotionen Gedanken und Erinnerungen haben konnen und weil sie Kraft ihrer geistigen Fahigkeiten eine Sprache beherrschen Es reicht daher nicht wenn ein Naturalist auf die human oder neurobiologischen Untersuchungen des Menschen verweist Will er ein allgemeines naturalistisches Programm vertreten muss er zudem zeigen dass die geistigen Aspekte nicht in Konflikt mit dem naturalistischen Spruch Alles ist Natur geraten Auch in der Philosophie des Geistes nimmt der Naturalismus verschiedene Formen an Einige naturalistische Theorien sind durch einen Physikalismus gekennzeichnet Ihre zentrale These lautet dass der Mensch nicht aus einem biologisch physischen Korper und einem immateriellen Geist zusammengesetzt ist Vielmehr erweist sich der Geist nach Meinung von physikalistischen Naturalisten als Teil der physischen Wirklichkeit Eine starkere Variante des Naturalismus ist der Reduktionismus nach dem der Geist nicht nur Teil der physischen Welt ist sondern sich auch durch die Naturwissenschaft erklaren lasst Viele Philosophen sind allerdings der Ansicht dass der physikalistische Naturalismus zum reduktionistischen Naturalismus fuhren muss Wenn der Geist ein biologisch physisches Phanomen ist muss er sich zumindest prinzipiell auch durch Biologie und Physik erklaren lassen 26 Gelegentlich wird in der Philosophie des Geistes auch in einem sehr viel schwacheren Sinne von Naturalismus geredet so nennt etwa David Chalmers seinen Dualismus naturalistisch 27 Damit meint Chalmers dass seine Konzeption nicht im Widerspruch zu den grundlegenden Annahmen der Naturwissenschaften etwa dem Energieerhaltungssatz stehe und keine religiosen Annahmen oder metaphysische Argumente enthalte etwa die Existenz einer immateriellen Seele Drei Probleme der Naturalisierung des Geistes Bearbeiten Der Naturalismus der Philosophie des Geistes ist problemorientiert Naturalisten versuchen Merkmale des Geistes zu bestimmen die ein Problem fur naturwissenschaftliche Beschreibungen darstellen Im Folgenden versuchen sie zu zeigen dass sich diese Merkmale doch im Rahmen einer naturwissenschaftlichen Untersuchung analysieren lassen Dabei wird oft von drei kritischen Merkmalen des Geistes ausgegangen Geistige Prozesse wie Gedanken oder Erinnerungen haben eine Bedeutung bzw einen semantischen Gehalt Aufgrund dieser Bedeutung konnen etwa Gedanken wahr oder falsch sein und sind fur Grunde zuganglich Demgegenuber scheinen biologische oder physische Prozesse nicht mit Bedeutung geladen zu sein Dies zeigt sich unter anderem daran dass man bei einem biologischen Prozess nicht fragen kann ob er wahr ist Auch werden biologische Prozesse nicht durch Grunde sondern durch Ursachen geleitet Naturalisten mussen sich folglich fragen wie sich die Bedeutung geistiger Prozesse durch eine naturwissenschaftliche Analyse erklaren lassen soll Diese Frage wird in der Philosophie des Geistes in der Tradition von Franz Brentano als Intentionalitatsproblem diskutiert 28 Geistige Prozesse sind mit einem Erlebnisaspekt verknupft Es fuhlt sich auf eine bestimmte Weise an Schmerzen zu erleben einen Kaffee zu trinken oder gekitzelt zu werden Diese subjektive Erlebniskomponente scheint im Rahmen einer biologischen Beschreibung jedoch keinen Platz zu haben Blickt man auf die biologischen Prozesse die in einer Person vorgehen so wird man keine Erklarung fur das spezifische Erleben der Person finden Der Zusammenhang zwischen subjektivem Erleben und der objektiven naturwissenschaftlichen Beschreibung wird in der Philosophie als Qualiaproblem diskutiert 29 Geistige Prozesse finden aus einer bestimmten Perspektive statt die durch das Wort Ich ausgedruckt werden kann Es ist immer ein Subjekt das empfindet will erkennt denkt oder erinnert Diese Perspektivenzentriertheit geistiger Prozesse scheint sich im biologischen oder physischen Geschehen nicht wiederzufinden Zwar kann man auch physische Prozesse nur aus einer bestimmten Perspektive wahrnehmen aber ein physischer Prozess scheint selbst nicht aus einer Perspektive stattzufinden Naturalisten haben sich also mit der Frage auseinanderzusetzen wie sich perspektivische geistige Fakten durch nichtperspektivisches physisches Geschehen erklaren lassen sollen Dieses Problem lasst sich durch eine sprachphilosophische Herausforderung verdeutlichen Der indexikalische und somit perspektivische Satz Ich habe Angst lasst sich nicht in einen Satz ohne das Wort Ich ubersetzen Aussert etwa Friedrich Nietzsche diesen Satz so mag man zunachst an die Ubersetzung Friedrich Nietzsche hat Angst denken Die beiden Satze sind jedoch nicht bedeutungsgleich Nietzsche konnte dem ersten Satz zustimmen und den zweiten ablehnen wenn er nicht mehr weiss dass er selbst Friedrich Nietzsche ist Man musste also den zweiten Satz durch und ich bin Friedrich Nietzsche erganzen Damit ware das Wort Ich allerdings auch wieder im zweiten Satz vorhanden 30 Intentionalitat Bearbeiten nbsp Franz BrentanoDie Intentionalitat gilt seit Franz Brentano als eine zentrale Eigenschaft des Geistes In der 1874 veroffentlichten Psychologie vom empirischen Standpunkte erklarte Brentano Jedes psychische Phanomen ist durch das charakterisiert was die Scholastiker des Mittelalters die intentionale auch wohl mentale Inexistenz eines Gegenstandes genannt haben und was wir obwohl mit nicht ganz unzweideutigen Ausdrucken die Beziehung auf einen Inhalt die Richtung auf ein Objekt worunter hier nicht eine Realitat zu verstehen ist oder die immanente Gegenstandlichkeit nennen wurden Jedes enthalt etwas als Objekt in sich obwohl nicht jedes in gleicher Weise In der Vorstellung ist etwas vorgestellt in dem Urteile ist etwas anerkannt oder verworfen in der Liebe geliebt in dem Hasse gehasst in dem Begehren begehrt usw Diese intentionale Inexistenz ist den psychischen Phanomenen ausschliesslich eigentumlich Kein physisches Phanomen zeigt etwas Ahnliches 31 Kursivschreibung eingefugt Intentionale Ereignisse sind also dadurch ausgezeichnet dass sie sich auf etwas beziehen Einfache Beispiele konnen dies verdeutlichen Der Gedanke an die Kuh auf der Wiese bezieht sich auf die Kuh auf der Wiese die Erinnerung an die letzte Reise bezieht sich auf die letzte Reise Erst durch diese intentionale Bezugnahme werden weitere Eigenschaften mentaler Zustande verstandlich Gedanken konnen etwa wahr oder falsch sein weil sie sich auf etwas in der Aussenwelt beziehen Der Gedanke Dort steht eine Kuh auf der Wiese ist genau dann wahr wenn wirklich eine Kuh auf der Wiese steht und ist falsch wenn man etwa ein Pferd in der Dunkelheit fur eine Kuh halt Wird in der Philosophie des Geistes uber die Naturalisierung des Geistes gestritten so geht es meist um die Frage nach einer naturwissenschaftlichen Erklarung der Intentionalitat Siehe dazu auch den Zusammenhang von Signifikat und Signifikant Brentano erklart dass die Intentionalitat ein Merkmal psychischer Phanomene ist wahrend physische Phanomene nichtintentional sind Physische Ereignisse stehen zwar in Ursache Wirkungs Zusammenhangen sie beziehen sich jedoch nicht intentional auf ein Objekt oder einen Sachverhalt Auch dies kann man durch Beispiele verdeutlichen Denkt eine Person Herodot war ein Historiker so bezieht sie sich auf Herodot und ihr Gedanke ist wahr da Herodot tatsachlich ein Historiker war Die neuronalen oder auch physischen Ereignisse in der Person scheinen sich jedoch nicht auf Herodot zu beziehen Es scheint dass man daher auch nicht sagen kann dass neuronale oder physische Ereignisse wahr oder falsch sind Was sollte es heissen zu sagen Dieses Neuronenfeuern ist falsch Wollen Naturalisten eine irreduzible geistige Intentionalitat vermeiden so mussen sie erklaren wie sich intentionale psychische Ereignisse aus nichtintentionalen biologischen oder physischen Ereignissen ergeben Ein beliebter Startpunkt fur naturalistische Konzeptionen der Intentionalitat ist der Begriff der Reprasentation Von Reprasentationen wird mittlerweile auch haufig in der Psychologie der kunstlichen Intelligenz und den Neurowissenschaften geredet Es liegt fur einen Naturalisten daher nahe zu behaupten Wenn ein Zustand intentional ist dann ist er eine Reprasentation Da es auch etwa neuronale Reprasentationen gibt konne man intentionale Zustande auf die entsprechenden Reprasentationen im Gehirn zuruckfuhren Es gebe also den Gedanken Dort ist eine Kuh auf der Wiese weil es eine interne Reprasentation einer Kuh auf einer Wiese gibt Mit dem Verweis auf Reprasentationen kann es aber noch nicht getan sein Will man das Problem nicht einfach verschieben so muss man eine naturalistische Interpretation des Begriffs der Reprasentation bieten An dieser Stelle setzt die Theorie des Philosophen und Kognitionswissenschaftlers Jerry Fodor an 32 Die vereinfachte These lautet Ein Zustand X reprasentiert einen anderen Zustand Y wenn X durch Y verursacht wird Wird ein bestimmter Zustand in einem System etwa durch Kuhe auf Wiesen verursacht so reprasentiert dieser Zustand Kuhe auf Wiesen Der Gedanke Dort ist eine Kuh auf der Wiese bekommt seinen intentionalen Gehalt nach Fodor also deshalb weil er durch Kuhe auf Wiesen verursacht wird Fodor sieht allerdings selbst dass seine Analyse zu Problemen fuhrt Der Gedanke Dort ist eine Kuh auf der Wiese kann bei schlechten Sichtverhaltnissen auch durch ein Pferd verursacht werden Wie kann man bei einer solchen kausalen Verbindung erklaren dass der Gedanke von einer Kuh und nicht von einem Pferd handelt Fodor hat fur dieses Problem zwar Losungsvorschlage entwickelt dennoch bleibt umstritten ob eine kausale Analyse der Intentionalitat moglich ist Der Philosoph Daniel Dennett vertritt die Ansicht dass Fodors Ansatz letztlich zum Scheitern verurteilt ist Nach Dennett muss man als Naturalist gar keine Erklarung fur intentionale Zustande anbieten da sie nicht mehr als nutzliche Fiktionen sind 33 Gedanken oder Wunsche sind also nach Dennett gar nicht Teil einer objektiven Wirklichkeit sondern Fiktionen mit denen man Verhalten prognostizieren kann Dennett versucht seine These zu begrunden indem er auf verschiedene Einstellungen hinweist die man gegenuber einem System einnehmen kann Zunachst gibt es eine physikalische Einstellung Man kann ein System in seinen physischen Eigenschaften beschreiben und so sein Verhalten vorhersagen Das Verhalten eines Systems in physikalischer Einstellung vorherzusagen wird jedoch oft aus Komplexitatsgrunden nicht moglich sein An dieser Stelle kann man zu einer funktionalen Einstellung greifen Um eine Uhr zu verstehen und ihr Verhalten zu prognostizieren muss man nur die Bedienungsweise und die Prinzipien des Bauplans kennen die konkreten physischen Bedingungen fur ihr Funktionieren konnen vernachlassigt werden Doch manchmal sind Systeme sogar zu komplex um ihnen in funktionaler Einstellung beizukommen Dies gilt etwa von Menschen und Tieren Hier greift die intentionale Einstellung Das Verhalten eines Systems wird erklart indem man ihm Gedanken zuspricht So sagt man etwa auch das Verhalten von Schachcomputern voraus Er denkt dass ich den Turm opfern will Dennoch hat ein Schachcomputer keine mysteriosen mentalen Zustande die eine Herausforderung fur den Naturalismus darstellen wurden Die Verwendung von intentionalem Vokabular sei eine pragmatische Strategie zur Verhaltensvorhersage Nach Dennett verhalt es sich bei Menschen nicht anders es gebe streng genommen keine intentionalen Zustande die ein Problem fur den Naturalismus darstellen wurden Gegen Dennetts Ansatz ist etwa von Fodor eingewandt worden dass er nicht erklaren kann warum die intentionale Einstellung so erfolgreich ist Es sei nicht verstandlich dass die auf Gedanken und Wunschen basierende Psychologie so gut funktioniert wenn es eigentlich gar keine Gedanken und Wunsche gibt 34 Auch Dennett hat seinen Ansatz mittlerweile deutlich abgeschwacht 35 Uber den richtigen Umgang mit dem Phanomen der Intentionalitat herrscht in der Philosophie des Geistes weiterhin grosse Uneinigkeit So versuchen etwa Ruth Millikan und David Papineau intentionale Zustande durch eine evolutionsbiologische Analyse zu erklaren Patricia und Paul Churchland wollen die gesamte Alltagspsychologie also auch alle intentionalen Begriffe durch eine naturwissenschaftliche Sprache ersetzen und naturalismuskritische Theoretiker wie Hilary Putnam und John Searle erklaren dass man das ganze Programm einer Naturalisierung des Geistes aufgeben sollte Naturalismus in der Metaethik und Ethik BearbeitenDer Begriff Naturalismus hat in Zusammenhang mit Ethik zwei verschiedene Bedeutungen Bei Ethikern und sprachanalytischen Philosophen ist Naturalismus der Fachbegriff fur eine Richtung der Metaethik Bei Biologen und Evolutionstheoretikern wird diskutiert welchen Platz die Ethik in einem naturalistischen Weltbild hat Von Anhangern der Evolutionaren Erkenntnistheorie oder der Evolutionaren Psychologie wird versucht eine Evolutionare Ethik daraus abzuleiten Diese gehort in die Angewandte Ethik d h befasst sich mit der Bestimmung von Normen Das wirft die metaethische Frage nach dem Verhaltnis zwischen den normativen moralischen Aussagen und den deskriptiven Beschreibungen der Naturwissenschaften auf Siehe auch BearbeitenSzientismus Empirismus Giordano Bruno Stiftung John Herman Randall Jr Literatur BearbeitenMario de Caro David Macarthur Naturalism in Question Harvard University Press Cambridge Mass 2004 Sammelband mit 14 zum Grossteil neueren Beitragen zur Debatte von Putnam Price McDowell Stroud Cavell u a Hans Blumenberg Naturalismus und Supranaturalismus In Religion in Geschichte und Gegenwart 3 Auflage hrsg von Kurt Galling Band 4 Tubingen 1960 Sp 1332 1336 Antonella Corradini Sergio Galvan Edward J Lowe Hrsg Analytic Philosophy Without Naturalism London 2006 Daniel C Dennett Darwins gefahrliches Erbe Die Evolution und der Sinn des Lebens Hoffmann und Campe Hamburg 1997 ISBN 3 455 08545 8 Biologistischer Naturalismus einschliesslich der Annahme einer kulturellen Evolution Meme Bernd Goebel Anna Maria Hauk Gerhard Kruip Hrsg Probleme des Naturalismus mentis Paderborn 2005 ISBN 3 89785 243 8 Sammelband zur Naturalismuskritik aus philosophischer Sicht Ludger Honnefelder Matthias C Schmidt Hrsg Naturalismus als Paradigma Wie weit reicht die naturwissenschaftliche Erklarung des Menschen University Press Berlin 2007 ISBN 978 3 940432 11 7 Verschiedene Beitrage auch zu konkreten Problemfeldern wie medizinischen Erklarungen Geert Keil Herbert Schnadelbach Hrsg Naturalismus Philosophische Beitrage Suhrkamp Frankfurt 2000 ISBN 3 518 29050 9 Aktueller Sammelband mit Beitragen von Naturalisten und Antinaturalisten Geert Keil Kritik des Naturalismus Verlag de Gruyter Berlin 1993 ISBN 3 11 013865 4 Ausfuhrliche Kritik des Naturalismus Christoph Lutge Gerhard Vollmer Hrsg Fakten statt Normen Zur Rolle einzelwissenschaftlicher Argumente in einer naturalistischen Ethik Nomos Baden Baden 2004 ISBN 3 8329 0939 7 Sammelband zur Naturalismusdiskussion in der Ethik David Papineau Philosophical Naturalism Blackwell Oxford 1993 ISBN 0 631 18903 3 Allgemeine Verteidigung eines schwachen Naturalismus Roy Wood Sellars Evolutionary naturalism Chicago und London 1922 Klassiker des Naturalismus Thomas Sukopp Gerhard Vollmer Hrsg Naturalismus Positionen Perspektiven Probleme Mohr Siebeck Tubingen 2007 ISBN 3 16 149380 X Sammelband mit programmatischen Beitragen bekannter Vertreter und Kritiker des Naturalismus Gerhard Vollmer Gretchenfragen an den Naturalisten Alibri Aschaffenburg 2013 ISBN 978 3 86569 204 7 Allgemeinverstandliche Ubersicht der grundlegenden Positionen des Naturalismus Hans Jurgen Wendel Die Grenzen des Naturalismus Mohr Siebeck Tubingen 1997 ISBN 3 16 146721 3 Kritische Erorterung des erkenntnistheoretischen NaturalismusWeblinks BearbeitenCenter for Naturalism USA englisch Naturalismus in Eislers Worterbuch Jon Jacobs Naturalism In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy James Lenman Moral Naturalism In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy s auch die dortigen related entries Alexander Paseau Naturalism in the Philosophy of Mathematics In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Chase B Wrenn Naturalistic Epistemology In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Geert Keil Naturalismus und menschliche Natur PDF Datei 355 kB Peter Schulte Naturalismus Perspektiven und Probleme Information Philosophie 5 2012 S 18 31 Artikel zur naturalisierten Erkenntnistheorie Martin Neukamm Kritik am Naturalismus Brauchen wir Gott fur die Moral PDF Datei 400 kB Quellen Bearbeiten Gregor Schiemann 1 5 Natur Kultur und ihr Anderes In Friedrich Jaeger Burkhard Liebsch Hrsg Handbuch der Kulturwissenschaften Band 1 Grundlagen und Schlusselbegriffe J B Metzler Stuttgart Weimar 2004 ISBN 3 476 01881 4 S 64 a b Wilfrid Sellars Science Perception and Reality Routledge and Kegan Paul London 1963 ISBN 0 924922 50 8 S 173 Etwa Paul Feyerabend Erkenntnis fur freie Menschen Veranderte Ausgabe Suhrkamp Verlag Frankfurt 1980 ISBN 3 518 11011 X S 45 John Ryder American philosophic naturalism in the twentieth century Prometheus Books Amherst 1994 ISBN 0 87975 894 5 Thelma Lavine Naturalism and the Sociological Analysis of Knowledge In Yervant Krikorian Naturalism and the Human Sprit Columbia University Press New York 1944 S 185 Gerhard Lenski 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Philosophical Perspectives 1988 Susan Haack Evidence and inquiry towards reconstruction in epistemology Blackwell Oxford 1996 ISBN 0 631 19679 X Ludwig Wittgenstein Tractatus Logico Philosophicus 1922 Abschnitte 6 54 und 7 Peter Janich Szientismus und Naturalismus In Geert Keil Herbert Schnadelbach Hrsg Naturalismus Philosophische Beitrage Suhrkamp Frankfurt 2000 ISBN 3 518 29050 9 S 291 Fur eine Erorterung des Begriffspaars Kultur Natur aus naturalismuskritischer Perspektive siehe Dirk Hartmann und Peter Janich Hrsg Die kulturalistische Wende zur Orientierung des philosophischen Selbstverstandnisses Suhrkamp Frankfurt 1998 ISBN 3 518 28991 8 Jaegwon Kim The Myth of Nonreductive Materialism In Proceedings and Addresses of the American Philosophical Association 1989 David Chalmers The Conscious Mind Oxford University Press Oxford 1996 ISBN 0 19 511789 1 Einen Uberblick gibt Wolfgang Barz Das Problem der Intentionalitat Mentis Paderborn 2004 ISBN 3 89785 178 4 Einen Uberblick gibt Heinz Dieter Heckmann Sven Walter Hrsg Qualia Ausgewahlte Beitrage Mentis Paderborn 2001 ISBN 3 89785 184 9 Zentrale Texte zu diesem Problem finden sich in Manfred Frank Analytische Theorien des Selbstbewusstseins Suhrkamp Frankfurt ISBN 3 518 28751 6 Franz Brentano Psychologie vom empirischen Standpunkte 1874 S 124 Jerry Fodor Psychosemantics The problem of meaning in the philosophy of mind 3 print MIT Press Cambridge 1993 ISBN 0 262 06106 6 Daniel C Dennett The intentional stance 7 printing MIT Press Cambridge Mass 1998 ISBN 0 262 54053 3 Jerry Fodor Fodor s Guide to Mental Representations In Mind 1985 Daniel Dennett Real Patterns In The Journal of Philosophy 1991 nbsp Dieser Artikel wurde am 26 September 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Naturalismus Philosophie amp oldid 237091592