www.wikidata.de-de.nina.az
Die Merton These wurde 1938 von dem amerikanischen Soziologen Robert King Merton in seinem Buch Science Technology and Society in 17th Century England entwickelt Ahnlich wie Max Webers bekannte These uber den Zusammenhang zwischen der protestantischen Ethik und dem Entstehen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ging Merton davon aus dass zwischen dem protestantischen Puritanismus und Pietismus einerseits und der experimentellen Naturwissenschaft der fruhen Neuzeit andererseits eine positive Korrelation bestand 1 In spateren Publikationen entwickelte Merton seine These weiter Sie beschaftigt Wissenschaftler bis in die Gegenwart 2 Inhaltsverzeichnis 1 Die These 2 Kritik und Bestatigung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseDie These BearbeitenDie Merton These besteht aus zwei separaten Teilen Erstens enthalt die These eine Theorie der zufolge Veranderungen in den Naturwissenschaften durch die Anhaufung von Beobachtungen sowie von verbesserten experimentellen Techniken und methodischen Ansatzen verursacht werden Zweitens enthalt die These das Argument dass die Popularitat der Naturwissenschaft im England des 17 Jahrhunderts und die Zugehorigkeit der Mitglieder der Royal Society zu bestimmten Kirchen die meisten englischen Naturwissenschaftler dieser Zeit waren Puritaner oder andere Protestanten durch eine Korrelation zwischen protestantischen Uberzeugungen sowie Verhaltensweisen und den Grundsatzen der Naturwissenschaften erklart werden kann 3 Nach Mertons Ansicht waren der englische Puritanismus und der deutsche Pietismus fur die naturwissenschaftliche Revolution des 17 und 18 Jahrhunderts verantwortlich Merton erklarte diesen Zusammenhang als eine signifikante Synergie zwischen den asketischen Werten des Protestantismus und denen der modernen Naturwissenschaft Der Protestantismus habe naturwissenschaftliche Forschung ermutigt indem er ihr die Aufgabe zugewiesen habe Gottes Wirken in der Welt aufzudecken Damit habe er eine religiose Rechtfertigung fur die naturwissenschaftliche Forschung bereitgestellt 4 Kritik und Bestatigung BearbeitenHinsichtlich des ersten Teils der These wurde kritisiert sie berucksichtige nicht in hinreichendem Masse die Rolle die die Mathematik und die materialistische Philosophie in der naturwissenschaftlichen Revolution gespielt hatten Bezuglich des zweiten Teils von Mertons These wurde die Schwierigkeit kritisiert die bei der Definition entsteht welcher Protestant der richtige Typus sei ohne dass willkurliche Unterscheidungen eingefuhrt werden mussten Ausserdem wurde kritisiert dass die These nicht erklaren konne weshalb Nicht Protestanten Naturwissenschaft betrieben z B Nikolaus Kopernikus Leonardo da Vinci Rene Descartes oder Galileo Galilei und umgekehrt weshalb es Protestanten des richtigen Typus gebe die keinerlei Interesse an Naturwissenschaften hatten 5 6 Merton erwiderte auf diese Kritik dass das puritanische Ethos fur die Entwicklung der Naturwissenschaft nicht notwendig gewesen sei diese aber erleichtert habe 7 Merton wies zudem darauf hin dass sobald die Naturwissenschaft als legitime Institution anerkannt gewesen sei sie die Religion nicht mehr gebraucht habe und schliesslich eine Gegenkraft geworden sei die zur Schwachung des religiosen Bewusstseins gefuhrt habe Dennoch sei in der Fruhzeit der naturwissenschaftlichen Revolution die Religion einer der Hauptgrunde fur deren Entstehen gewesen Obwohl die Merton These nicht alle Ursachen dieser Revolution erklart beleuchtet sie doch wie die Gruppe der Naturwissenschaftler in England strukturiert war und zeigt mogliche Grunde auf weshalb dieses Land eine der wichtigsten Antriebskrafte der naturwissenschaftlichen Revolution war 8 Dass religiose Uberzeugungen und konfessionell motivierte Verhaltensmuster einen starken Einfluss auf weite Bereiche von Staat und Gesellschaft auch nach dem Ende des 18 Jahrhunderts ausubten ergab 1958 eine von dem amerikanischen Soziologen Gerhard Lenski und seinem Team breit angelegte empirische Untersuchung im Grossraum Detroit US Bundesstaat Michigan Sie ergab neben anderen Erkenntnissen signifikante Unterschiede zwischen Katholiken einerseits und Protestanten sowie Juden andererseits hinsichtlich der Einstellung zum Wirtschaftsleben und den Naturwissenschaften Lenski fand die Kernpunkte der Thesen von Max Weber bestatigt ausser dass er keinen asketischen Zug im wirtschaftlichen Verhalten von Protestanten nachweisen konnte Vor Weber habe John Wesley einer der Begrunder der Methodistenkirche bereits um 1790 beobachtet dass Fleiss und Genugsamkeit diligence and frugality zwei Verhaltensnormen die die Methodisten mit anderen protestantischen Denominationen teilten als unbeabsichtigte Nebenwirkung diesen Menschen Wohlstand gebracht hatten 9 Die Studie habe gezeigt dass Protestanten und die kleine Minderheit der Juden ein hohes Mass an intellektueller Autonomie besassen intellectual autonomy die eine gunstige Voraussetzung fur einen naturwissenschaftlichen Beruf sei Dagegen hatten Katholiken eine intellektuelle Orientierung die Gehorsam obedience und Zustimmung zu den geoffenbarten Wahrheiten der Kirchenlehre hoher wertete als intellektuelle Autonomie was fur eine naturwissenschaftliche Berufskarriere abtraglich sei Untersuchungen katholischer Soziologen 10 11 seien zu denselben Forschungsergebnissen gekommen 12 Lenski fuhrte diese Unterschiede auf die Reformation und die katholische Reaktion darauf zuruck Die Reformation habe das Wachstum intellektueller Autonomie bei den Protestanten gefordert insbesondere bei Taufern Puritanern Pietisten Methodisten und englischen Presbyterianern Zwar habe es im mittelalterlichen Katholizismus ebenfalls intellektuelle Autonomie gegebenen beispielsweise bei Mannern wie Erasmus von Rotterdam Nach der Reformation hatten aber die katholischen Kirchenfuhrer diese Eigenschaft zunehmend mit Protestantismus und Haresie gleichgesetzt 13 Stattdessen hatte die katholische Kirche von ihren Mitgliedern Gehorsam gegenuber der Kirchenlehre gefordert Diese Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken seien bis in die Gegenwart wirksam geblieben Deshalb konne keiner der katholischen Staaten wie Frankreich Italien Argentinien Brasilien oder Chile die zwar alle in ziemlich hohem Masse industrialisiert seien zu den fuhrenden Landern auf technologischem und naturwissenschaftlichem Gebiet gezahlt werden Brasilianische katholische Soziologen hatten vor kurzem 1963 bei einem Vergleich ihres Landes mit den Vereinigten Staaten das religiose Erbe Brasiliens als den Hauptgrund fur die unterschiedlichen Entwicklungsstande der beiden Lander genannt 14 Diese Sicht wird durch die Zahl der Nobelpreistrager in den natur und wirtschaftswissenschaftlichen Fachern untermauert Bis 10 Oktober 2010 hatten die Vereinigten Staaten 305 solcher Preistrager hervorgebracht dagegen alle lateinamerikanischen Staaten zusammen lediglich sechs Argentinien drei Brasilien Mexiko und Venezuela je einen 15 Seit etwa 1620 wurden die weitaus meisten bahnbrechenden die Welt verandernden naturwissenschaftlichen Entdeckungen und technologischen Erfindungen in den protestantisch gepragten Landern Grossbritannien Deutschland 16 und den Vereinigten Staaten gemacht von den keplerschen und newtonschen Gesetzen der Evolutions und Relativitatstheorie bis zur modernen Astronomie Edwin P Hubble und Genetik Francis Crick James D Watson von der Dampfmaschine dem Elektrogenerator und motor dem Automobil bis zu Computer und Internet 17 Literatur BearbeitenGeorge Becker The Merton Thesis Oetinger and German Pietism a significant negative case In Sociological Forum Volume 7 Number 4 December 1992 I Bernard Cohen Puritanism and the Rise of Modern Science the Merton Thesis Rutgers University Press 1990 ISBN 0 8135 1530 0 H Floris Cohen The Scientific Revolution A Historiographical Inquiry University of Chicago Press 1994 ISBN 0 226 11280 2 Gary B Ferngren Science and Religion A Historiographical Introduction Johns Hopkins University Press 2002 ISBN 0 8018 7038 0 Andrew Gregory 1998 Handouts for course The Scientific Revolution at The Scientific Revolution MS Word Russell Heddendorf Religion Science and the Problem of Modernity In JASA 38 December 1986 S 226 231 Gerhard Lenski The Religious Factor A Sociological Study of Religion s Impact on Politics Economics and Family Life Revised Edition Anchor Books Edition Garden City N Y 1963 Roy Porter Mikulas Teich The Scientific Revolution in National Context Cambridge University Press 1992 ISBN 0 521 39699 9 Piotr Sztomka Robert K Merton In George Ritzer Hrsg Blackwell Companion to Major Contemporary Social Theorists Blackwell Publishing 2003 ISBN 1 4051 0595 X Einzelnachweise Bearbeiten Piotr Sztomka Robert Merton In George Ritzer Hrsg Blackwell Companion to Major Contemporary Social Theorists Blackwell Publishing 2003 ISBN 1 4051 0595 X S 13 I Bernard Cohen Puritanism and the Rise of Modern Science The Merton Thesis Rutgers University Press 1990 ISBN 0 8135 1530 0 Andrew Gregory 1998 Handouts for course The Scientific Revolution at The Scientific Revolution MS Word Memento des Originals vom 13 Mai 2006 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www ucl ac uk George Becker The Merton Thesis Oetinger and German Pietism a significant negative case In Sociological Forum Volume 7 Number 4 December 1992 Gary B Ferngren Science and Religion A Historical Introduction Johns Hopkins University Press 2002 ISBN 0 8018 7038 0 Roy Porter Mikulas Teich The Scientific Revolution in National Context Cambridge University Press 1992 ISBN 0 521 39699 9 S 179 Russell Heddendorf Religion Science and the Problem of Modernity In Journal of the American Scientific Affiliation JASA 38 December 1987 S 226 231 H Floris Cohen The Scientific Revolution A Historical Inquiry University of Chicago Press 1994 ISBN 0 226 11280 2 S 320 321 Gerhard Lenski The Religious Factor A Sociological Study of Religion s Impact on Politics Economics and Family Life Revised Edition Anchor Books Edition Garden City N J 1963 S 350 351 356 358 Thomas F O Dea American Catholic Dilemma An Inquiry into the Intellectual Life Sheed amp Ward New York 1958 Frank L Christ Gerard Sherry Hrsg American Catholicism and the Intellectual Ideal Appleton Century Croft New York 1961 Gerhard Lenski The Religious Factor S 283 284 Vgl die Hinrichtung von Giordano Bruno 1600 und den erzwungenen Widerruf Galileis 1633 Gerhard Lenski The Religious Factor S 347 349 Einige weitere Zahlen Nobelpreistrager Grossbritannien 94 Deutschland 87 Frankreich 35 Italien 13 Spanien 2 Portugal 1 BBC News vom 10 Oktober 2010 Das kulturelle Erbe Deutschlands ist seit der Zeit Luthers hauptsachlich protestantisch gepragt The German cultural heritage since Luther s day has been predominently Protestant Gerhard Lenski The Religious Factor S 349 Weitere Beispiele Entdeckungen Elektromagnetismus Rontgenstrahlen Kernspaltung Quantenphysik Erfindungen Dampfschiff Eisenbahn eine Unzahl chemischer und pharmazeutischer Produkte Kaltemaschine Telefon Telegrafie per Funk Gluhlampe Otto und Dieselmotor Flugzeug Raumfahrt teilweise Radar Fernsehen Laser Elektronenmikroskop Kernspintomograph Halbleitertechnik Global Positioning System Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Merton These amp oldid 188095415