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Die Dolchstosslegende auch Dolchstossluge war eine von der deutschen Obersten Heeresleitung OHL in die Welt gesetzte Verschworungstheorie die die Schuld an der von ihr verantworteten militarischen Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg vor allem auf die Sozialdemokratie andere demokratische Politiker und das bolschewistische Judentum abwalzen sollte Sie besagte das deutsche Heer sei im Weltkrieg im Felde unbesiegt geblieben und habe erst durch oppositionelle vaterlandslose Zivilisten aus der Heimat einen Dolchstoss von hinten erhalten Antisemiten verknupften innere und aussere Reichsfeinde dabei zusatzlich mit dem Trugbild vom internationalen Judentum Die Luge vom Dolchstoss gilt in der Zeitgeschichte als bewusst konstruierte Geschichtsfalschung und Rechtfertigungsideologie der militarischen und nationalkonservativen Eliten des Kaiserreichs Mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Krieg wurde sie zu einem zentralen Propagandainstrument monarchistischer deutschnationaler volkischer und anderer rechtsextremer Gruppen und Parteien die gegen die Ergebnisse der Novemberrevolution gegen Demokratie und Republik agitierten Insbesondere sollten damit die Verfassung und die Regierungen der Weimarer Republik linke Parteien und Juden diskreditiert und der als Schanddiktat bezeichnete Versailler Vertrag delegitimiert werden Die Nationalsozialisten etwa sprachen von demokratischen Politikern stets als Novemberverbrecher Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 1 1 Dolchstoss 1 2 Dolchstosslegende 1 3 Auspragungen 2 Entstehung im Ersten Weltkrieg 3 Propagierung nach der Republikgrundung 4 Ursachen des Propagandaerfolgs 5 Dolchstossprozess 6 Rolle im Nationalsozialismus 7 Eine realistische Erklarung 8 Verwendung des Begriffes im Zusammenhang mit den USA 8 1 Vietnamkrieg 8 2 US Wahl 2020 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseBegriff Bearbeiten Dolchstoss Bearbeiten Die Metapher vom Dolchstoss wurde erstmals nach Uberzeugung des britischen Historikers Richard J Evans am 2 November 1918 von dem bayerischen Politiker Ernst Muller Meiningen Freisinnige Volkspartei gebraucht der auf einer Volksversammlung warnte Wir mussten uns vor unseren Kindern und Kindeskindern schamen wenn wir der Front in den Rucken fielen und ihr den Dolchstoss versetzten Der spatere bayerische Ministerprasident Kurt Eisner ausserte sich in derselben Veranstaltung in gleichem Tenor Beide bezogen sich auf Anwurfe von nationalistischen Politikern und Militars die demokratischen Parteien wurden mit ihren Bemuhungen um einen Verstandigungsfrieden wie sie sich etwa in ihrer Friedensresolution vom 19 Juli 1917 zeigten dem kampfenden Heer in den Rucken fallen Diesen Gedanken hatte erstmals Generaloberst Hans von Seeckt kurz nach Veroffentlichung der Resolution geaussert 1 Die Journalisten Lars Broder Keil und Sven Felix Kellerhoff halten Muller Meiningens Zitat fur unauthentisch weil es nur in seinen Memoiren nicht aber in den zeitgenossischen Presseberichten vorkommt Sie glauben die Ersterwahnung der Metapher sei ein Artikel der Neuen Zurcher Zeitung vom 17 Dezember 1918 in dem der britische General Sir Frederick Maurice mit den Worten zitiert wurde Was die deutsche Armee betrifft so kann die allgemeine Ansicht in das Wort zusammengefasst werden Sie wurde von der Zivilbevolkerung von hinten erdolcht 2 In Wahrheit aber hatte Maurice im Krieg Angehoriger des britischen Generalstabs in einem Artikel fur die Londoner Daily News auf den sich die Neue Zurcher Zeitung bezog die tatsachlichen rein militarischen Grunde der deutschen Niederlage unzweideutig benannt das Scheitern der deutschen Fruhjahrsoffensive von 1918 und den Zusammenbruch seiner Verbundeten Bulgarien und Osterreich Ungarn Er widersprach daher der Interpretation seiner Aussage durch die NZZ ausdrucklich in seinem Buch The Last Four Months aus dem Jahr 1919 Es steht ausser Frage dass die deutschen Armeen im Feld vollstandig und entscheidend besiegt wurden Im Juli 1922 stellte er noch einmal klar Ich habe niemals die Ansicht vertreten dass der Ausgang des Krieges darauf zuruckzufuhren sei dass das deutsche Volk der Armee einen Dolchstoss in den Rucken versetzt habe 3 4 Nach Einschatzung des Politikers Richard Witting war die Dolchstosslegende zum Jahreswechsel 1918 1919 schon allgemein in der deutschen Bevolkerung verbreitet Unter dem Pseudonym Georg Metzler schrieb er am 9 Januar 1919 in der Zeitschrift Die Weltbuhne Fur jeden braven Durchschnittsdeutschen gilt als unumstossliche Tatsache dass ein ungeheuer schweres unverdientes Geschick unser friedliebendes arbeitsames unschuldiges Volk getroffen hat Keine Enthullungen keine noch so uberzeugenden dokumentarischen Beweise keine der unzahligen Erklarungen keine Stellungnahme des gesamten Erdballs kann eben dieses Volk in seiner Uberzeugung wankend machen dass es bieder fromm und stark einen heiligen Verteidigungskrieg gegen eine Welt von Feinden durchgekampft und dank einer genialen militarischen Fuhrung unbesiegt zu Ende gebracht hat Keine unanfechtbare und unbestreitbare Tatsache kann ihm die Uberzeugung erschuttern dass nur eine Komplikation von unheilvollen Umstanden die vorubergehende Schwache und nervose Uberreizung eines sonst unuberwindlichen Feldherrn die Hetze und die tuckischen Zetteleien vaterlandsfeindlicher Schurken in der Heimat der Eidbruch nichtswurdiger verfuhrter treuloser Truppen ihm im letzten Augenblick den sonst unentreissbaren Sieg frevelhaft entrissen hat Nur schnode Ranke in der Heimat haben so glaubt dieses Volk dem tapfern und unbezwungenen Frontheer den Dolch in den Rucken gestossen nur noch ein viertel ein halbes Jahr durchgehalten und alle Feinde Brandenburgs Preussens und Deutschlands lagen endgultig im Staube So die deutsche Durchschnittsmeinung 5 Trotz aller Dementis war der von der NZZ gepragte Begriff in der Welt und wurde von deutschen Rechtsextremisten und Republikfeinden aufgegriffen Als einer der ersten warf ihn Ende Oktober 1919 Albrecht von Graefe ein erklarter Antisemit und Abgeordneter der Deutschnationalen in der Weimarer Nationalversammlung in die politische Debatte Allgemein bekannt und in rechtsextremen Kreisen popular wurde die Metapher vom Dolchstoss aber erst als Paul von Hindenburg sie sich zu eigen machte Vor dem von der Nationalversammlung eingerichteten Untersuchungsausschuss fur Schuldfragen sagte er am 19 November 1919 Ein englischer General sagte mit Recht Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden Paul von Hindenburg Auch Erich Ludendorff Hindenburgs Stellvertreter behauptete vor dem Ausschuss ein britischer General habe zuerst von einem Dolchstoss gesprochen In seinen Erinnerungen gibt er ein angebliches Tischgesprach mit General Neill Malcolm im Juli 1919 wieder bei dem er ihm die Grunde der deutschen Niederlage erlautert habe worauf Malcolm zuruckgefragt habe You mean that you were stabbed in the back Wollen Sie mir erzahlen General dass Sie einen Dolchstoss in den Rucken bekommen haben 6 7 Wie zuvor Maurice so bestritt auch Malcolm energisch die Verwendung des Ausdrucks Das Sprachbild verwies auf den Mord an Siegfried im Nibelungenlied Hindenburg bestatigte diese Assoziation 1920 in seinen Memoiren Wie Siegfried unter dem hinterlistigen Speerwurf des grimmigen Hagen so sturzte unsere ermattete Front vergebens hatte sie versucht aus dem versiegenden Quell der heimatlichen Kraft neues Leben zu trinken 8 Dabei hatte er an anderer Stelle des Buches festgestellt 9 Krieg und Nerven hatten einst die wunderbare Kraft der Truppe geschaffen Als es aber dauernd uber die Kraft ging da wurde die Nervenkraft der Truppe schliesslich zerbrochen Das muss unabhangig von allen politischen Einflussen festgestellt werden Dolchstosslegende Bearbeiten Diejenigen die sich gegen den Verschworungsmythos wandten sprachen bereits unmittelbar nach seinem Entstehen Anfang der 1920er Jahre von der Dolchstosslegende Im Berliner Tageblatt veroffentlichte der fruhere Chef des Kriegspresseamts Pressechef in der Reichskanzlei und Leiter der Nachrichtenabteilung im Auswartigen Amt Oberstleutnant Erhard Deutelmoser am 4 Oktober 1921 einen Namensbeitrag Das Sprengmittel Er argumentierte die Behauptung er nannte sie wortlich Dolchstosslegende sei noch vor Kriegsende im Ausland entstanden und genutzt worden um innenpolitische Konflikte auszunutzen Sie sei grundsatzlich angesehen offenkundiger Unsinn aber sehr wirksam weil sie nicht klar zu durchschauen sei Der Propaganda Experte Deutelmoser erorterte in seinem differenzierten Beitrag die Grunde warum die Legende so viel Zwietracht sahen konnte 10 Als einer der wenigen deutschen Konservativen trat der Militarhistoriker Hans Delbruck den Darstellungen Hindenburgs und Ludendorffs entgegen In seinem 1922 erschienenen Text Ludendorffs Selbstportrat zitierte er eine Ausserung des Offiziers Erhard Deutelmoser im Berliner Tageblatt 11 Nicht bloss Verteidiger der Revolution sondern auch zwei alte Offiziere Oberstleutnant Deutelmoser der erste Chef des Kriegspresseamts in Berlin und Oberst Schwertfeger haben den Vorwurf gegen die Heimat energisch zuruckgewiesen Die Dolchstosslegende ist laut Deutelmoser grundsatzlich angesehn offenkundiger Unsinn Berliner Tageblatt 3 Oktober 1921 In Ludendorffs Behauptung die deutschen Soldaten hatten sich von sozialistischen Agitatoren zum Aufgeben verleiten lassen sah Delbruck eine Beleidigung der Truppe 12 Erich Kuttner von der SPD Parteizeitung Vorwarts schrieb 1924 Nichts ist charakteristischer fur die Dolchstosslegende als die Tatsache dass selbst ihre aussere Fassung auf einer Falschung beruht Tatsachlich war das Wort des Generals Maurice von A bis Z erfunden 13 Auspragungen Bearbeiten Es lassen sich drei Auspragungen der Dolchstosslegende unterscheiden die einander teilweise widersprechen Eine weite Fassung erklart die Niederlage durch einen Zusammenbruch der Heimatfront also durch wirtschaftliche und soziale Verwerfungen im Deutschen Reich die die Rustungsproduktion behindert die allgemeine Moral untergraben und die kampfenden Truppen so geschwacht hatten Die engere Fassung der Dolchstosslegende wurde von Militaristen und Nationalisten wahrend der Weimarer Republik vertreten Sie unterstellten der Linken durch Streiks Unruhen und schliesslich durch die Novemberrevolution absichtlich die Kriegsanstrengungen untergraben zu haben um das kaiserliche Regime zu sturzen und einen sozialistischen Staat zu errichten Die antisemitische Fassung schliesslich sah hierbei Juden am Werk denen unterstellt wurde nicht durch eine Verschworung sondern aufgrund ihres Erbguts so gehandelt zu haben das ihnen gar keine andere Wahl lasse also gegen die arische Rasse zu wuhlen und zu agitieren Strenggenommen ist nur die zweite Fassung eine Verschworungstheorie da nur sie die deutsche Kriegsniederlage mit einer Verschworung erklart also mit geheimen Absprachen einer kleinen Gruppe von Akteuren Ein weiterer Unterschied besteht im kontrafaktischen Blick auf Deutschlands Aussichten auf einen Sieg oder wenigstens einen Kompromissfrieden Diese scheinen in der ersten Fassung nicht gegeben wohingegen die beiden anderen Fassungen unterstellen Heer und Volk hatten mit einiger Aussicht auf Erfolg zur Verteidigung des Vaterlandes weiterkampfen konnen 14 Entstehung im Ersten Weltkrieg BearbeitenDas Grundmuster der Legende bestand darin die Kriegsniederlage vom militarischen in den zivilen Bereich abzuschieben Die Urheber machten nicht Kriegsziele Fehler der Kriegs und Armeefuhrung die Erschopfung der Soldaten oder die wirtschaftliche und militarische Uberlegenheit der gegnerischen Staaten dafur verantwortlich sondern bestimmte Gruppen deutscher Zivilisten Das Bild eines hinterhaltigen Angriffs auf den Rucken des Heeres folgte der Logik des ersten historischen totalen Krieges in dessen Verlauf alle okonomischen Potentiale fur den Krieg mobilisiert wurden Es druckte eine militaristische Perspektive aus Die Heimat das Hinterland sollte die dem Feind zugewandte Front ruckhaltlos unterstutzen nur mit diesem Zusammenhalt sei der Sieg erreichbar dieser hange allein vom Siegeswillen einer Nation ab nur das Durchhalten im Sinne einer Nibelungentreue gereiche ihr zur Ehre alles andere sei Defatismus und Sabotage 15 Die tatsachliche historische Entwicklung verlief umgekehrt Erst die Fortsetzung des Krieges und die Beibehaltung von Annexionszielen trotz der immer hoheren Kriegsopfer und immer deutlicher werdenden fehlenden Siegchancen erzeugten allmahlich eine breite innerdeutsche Opposition gegen den Krieg Die Unterdruckung demokratischer Teilhabe Lebensmittelknappheit Hunger Schwarzhandel Kriegsprofite verscharfte soziale Gegensatze und fehlende politische Reformperspektiven liessen sie wachsen Der Sturz des Zaren in der Ententemacht Russland durch die Februarrevolution 1917 und die nachmalige Verscharfung der innerrussischen Situation durch die Oktoberrevolution 1917 gaben ihr erheblichen Auftrieb Die Aprilstreiks 1917 und der Januarstreik 1918 in den Berliner Rustungsbetrieben reagierten mit politisch weitgehenden Demokratieforderungen darauf Die diktatorischen Vollmachten der dritten OHL seit Juli 1917 und ihr Festhalten am Ziel eines Siegfriedens nach der fehlgeschlagenen Westoffensive vom April 1918 bewirkten einen breiten Autoritatsverlust in der Bevolkerung und unter den deutschen Soldaten Die meisten Deutschen glaubten nicht mehr dass der Krieg zur Verteidigung deutscher Interessen gefuhrt werde und seine Fortsetzung Sinn habe immer mehr verlangten immer lauter einen Frieden um jeden Preis 16 Die Armeezeitungen und die zugelassenen Zeitungen im Reich stellten dagegen schon die Aprilstreiks 1917 flachendeckend dann den Januarstreik 1918 als Verrat der Arbeiterschaft dar Diese sei den kampfenden Soldaten in den Rucken gefallen und wolle sie hinterrucks ermorden Solche gezielte Propaganda wurde als Eigensicht von Soldaten ausgegeben um deren Interessen in einen Gegensatz zu denen der Heimatfront zu bringen 17 Die streikenden Arbeiter wurden als Brudermorder bezeichnet 18 Dabei warf man ihnen anfangs zwar eine Schwachung des Nachschubs und der Kampfmoral vor aber noch keine Vereitelung des Sieges den man noch fur moglich hielt 19 Am 27 September 1918 durchbrachen alliierte Truppen die Siegfriedstellung die starkste deutsche Befestigungsanlage an der Westfront 20 Damit wurde die militarische Lage aussichtslos Die OHL forderte die Reichsregierung am 29 September 1918 ultimativ zu jener Verfassungsanderung auf die sie bisher strikt ausgeschlossen hatte Eine von der Reichstagsmehrheit abhangige neue Regierung sollte gebildet werden und dann einen Waffenstillstand aushandeln Die starkste Reichstagsfraktion die Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands MSPD sollte an der Regierung beteiligt und damit fur die zu erwartenden harten Friedensbedingungen verantwortlich gemacht werden Erich Ludendorff erklarte dies seinen Stabsoffizieren am 1 Oktober 1918 Ich habe aber Seine Majestat gebeten jetzt auch diejenigen Kreise an die Regierung zu bringen denen wir es in der Hauptsache zu verdanken haben dass wir so weit gekommen sind Sie sollen nun den Frieden schliessen der jetzt geschlossen werden muss Sie sollen die Suppe jetzt essen die sie uns eingebrockt haben Diese Erklarung gilt als Geburtsstunde der Dolchstosslegende Die Absicht der OHL Generale dabei war die Kriegsniederlage auf die Parteien abzuwalzen die einen Verhandlungsfrieden gefordert hatten Die Oktoberreformen sollten eine vollstandige Niederlage und eine soziale Revolution nach dem Vorbild der Oktoberrevolution abwenden und die Machtstellung des Militars in einer parlamentarisierten Monarchie bewahren 21 Hindenburg bestatigte diese Absicht in seinen Memoiren 1920 Wir waren am Ende Unsere Aufgabe war es nunmehr das Dasein der ubriggebliebenen Krafte unseres Heeres fur den spateren Aufbau des Vaterlandes zu retten Die Gegenwart war verloren So blieb nur die Hoffnung auf die Zukunft 22 Auch die Annexionisten genannten Gruppen und Parteien die seit Kriegsbeginn Eroberungen und eine deutsche Hegemonie in Europa als einzige akzeptable Kriegsziele forderten suchten nun nach Schuldigen fur die durch sie selbst mitverursachte Lage So forderte der Vorsitzende des Alldeutschen Verbandes Heinrich Class am 3 Oktober 1918 die Grundung einer grossen tapferen und schneidigen Nationalpartei und rucksichtslosesten Kampf gegen das Judentum auf das all der nur zu berechtigte Unwille unseres guten und irregeleiteten Volkes abgelenkt werden muss 23 Dieses Streben war schon seit Oktober 1914 mit antisemitischen Kampagnen gegen angebliche Druckebergerei von deutschen Juden vom Dienst an der Front zudem ab 1916 gegen judische Vertreter der fur die Versorgung eingerichteten Kriegsgesellschaften eingeleitet worden Damit war auch die spezifisch antisemitische Form der Dolchstosslegende vorbereitet worden Die vom Kriegsministerium im Oktober 1916 veranlasste Judenzahlung begunstigte diese 24 Auch in Osterreich vertraten hohe Militarfuhrer entsprechende Denkmuster So kommentierte Generaloberst Arthur Arz von Straussenburg den Waffenstillstand von Compiegne vom 11 November den geordneten Ruckzug der Fronttruppen und die formliche Auflosung der deutsch osterreichischen Kriegsallianz Ende November 1918 in seinem Kriegstagebuch Jah wie vom Blitze gefallt ist Osterreich Ungarns alte und ruhmreiche Armee nach vierjahrigem bewundernswertem Ringen mit einer Welt von Feinden als das Reich zertrummert und alle Bande gelost waren zusammengebrochen Dank der Tapferkeit und dem Heldenmute der Truppen war es ihr gelungen den Feind uberall uber die Grenzen des Reiches zuruckzuwerfen und tief im Feindesland stehend einen festen Damm zu errichten an dem sich die Wellen der feindlichen Angriffe immer wieder brechen sollten Wenn dieser Damm durch die Lange der Zeit und die zersetzenden Einflusse des Hinterlandes schliesslich geborsten ist so war dies nicht Schuld der Armee Diese hat ihre Pflicht getan Ehre ihrem Andenken 25 Propagierung nach der Republikgrundung Bearbeiten nbsp Variante einer Postkarte aus dem Jahre 1924 Sie zeigt Philipp Scheidemann wie er deutsche Frontsoldaten hinterrucks zu erdolchen versucht Hinter ihm Matthias Erzberger und zwei auf Geldsacken sitzende Juden 26 Der Verlauf der Novemberrevolution war wesentlich durch die Entscheidung Friedrich Eberts und der SPD Fuhrung bestimmt die beim Berliner Ratekongress vom 16 Dezember 1918 geforderte Kontrolle und Unterstellung der Reichswehr unter den Rat der Volksbeauftragten zu verhindern da er mit dem Nachfolger Ludendorffs in der OHL Wilhelm Groener diesbezuglich am Abend des 9 November 1918 ein Geheimabkommen getroffen hatte Demgemass hatte Ebert am 6 und erneut am 24 Dezember 1918 versucht mit Hilfe von kaiserlichen Truppen die als unzuverlassig geltende Volksmarinedivision zu entlassen bzw zu neutralisieren Daraufhin hatten die Mitglieder der USPD die provisorische Regierung am 28 Dezember 1918 verlassen und sich ab dem 5 Januar 1919 dem sogenannten Spartakusaufstand angeschlossen um Ebert zum Einlenken zu bewegen oder zu sturzen Am 6 Januar hatte Ebert Gustav Noske zum Einsatz des Militars gegen die Aufstandischen angewiesen Nachdem Reichswehr und Freikorps den Aufstand und die in einigen deutschen Grossstadten eingerichteten Raterepubliken bis Ende Mai 1919 niedergeschlagen und die Siegermachte im Juni 1919 die Auflagen des Versailler Vertrags bekanntgegeben hatten wurde die offentliche Auseinandersetzung um die Kriegsschuldfrage intensiviert Eine Kampagne der Rechtsparteien und ihnen nahestehenden Medien denunzierte nun auch die Vertreter der Weimarer Regierungskoalition SPD Zentrumspartei DDP selbst als Novemberverbrecher Besonders der Unterzeichner des Waffenstillstands mit den Alliierten der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger sah sich einer Hetzkampagne ausgesetzt die vor allem von Karl Helfferich einem fuhrenden DNVP Politiker im Zuge der Erzbergerschen Reform vorgetragen wurde Erzberger fand uberraschend Unterstutzung seitens des zum Pazifismus ubergetretenen ehemaligen Generals Berthold Deimling Dieser machte die OHL fur die deutsche Niederlage verantwortlich Sie habe alle Moglichkeiten eines Verstandigungsfriedens mit falschen Kriegszielen und falscher Kriegsfuhrung scheitern lassen und damit den Diktatfrieden von Versailles verursacht In dem folgenden Briefwechsel mit dem nach Schweden emigrierten Erich Ludendorff erklarte dieser dass ein Verstandigungsfrieden gegenuber dem Vernichtungswillen der Feinde nicht moglich war ausser zu Bedingungen ahnlich denen von Versailles Er habe an den Sieg geglaubt und bis zuletzt alles zu tun versucht diesen zu ermoglichen Nicht die feindliche Ubermacht habe die Niederlage erzwungen sondern Wir wurden in Feindesland besiegt dank der Verhaltnisse daheim Damit war der Grundgedanke der Dolchstosslegende bereits ausgesprochen bevor diese Metapher aufkam Die Aussage Hindenburgs am 18 November 1919 vor dem von der Weimarer Nationalversammlung eingesetzten und offentlich tagenden Untersuchungsausschuss fur Schuldfragen machte die Dolchstosslegende publik Er behauptete mit Bezug auf das Jahr 1918 27 In dieser Zeit setzte eine planmassige Zersetzung von Flotte und Heer als Fortsetzung ahnlicher Erscheinungen im Frieden ein Die braven Truppen die sich von der revolutionaren Zermurbung freihielten hatten unter dem pflichtwidrigen Verhalten der revolutionaren Kameraden schwer zu leiden sie mussten die ganze Last des Kampfes tragen Die Absichten der Fuhrung konnten nicht mehr zur Ausfuhrung gebracht werden So mussten unsere Operationen misslingen es musste zum Zusammenbruch kommen die Revolution bildete nur den Schlussstein Ein englischer General sagte mit Recht Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden Den guten Kern des Heeres trifft keine Schuld Wo die Schuld liegt ist klar erwiesen Als Beleg dafur verwies Hindenburg zudem auf seinen ehemaligen Generalquartiermeister Erich Ludendorff Dabei verschwieg er dass die OHL Generale seit 1916 mit quasi diktatorischen Vollmachten herrschten 28 dass sie den Reichstag und die zivilen Kabinettsmitglieder bis Ende September 1918 mit geschonten Berichten uber die wahre Lage bewusst getauscht hatten 29 dass sie 1916 einem Verhandlungsangebot seitens des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg zugestimmt und die Reichsregierung am 29 September 1918 ultimativ aufgefordert hatten Waffenstillstandsverhandlungen mit US Prasident Wilson aufzunehmen nachdem die Sommeroffensive von 1918 gescheitert war und Osterreich Ungarn um Waffenstillstand gebeten hatte dass der 1914 mit den Reichstagsparteien geschlossene Burgfrieden der Regierung vier Jahre lang ungehindert Pressezensur und Unterdruckung jeglicher Oppositionsbestrebungen ermoglicht hatte so dass diese fast keinen politischen Einfluss auf die Kriegfuhrung nehmen konnten dass die eigene Kriegfuhrung den passiven und aktiven Widerstand sowie Desertionen im deutschen Heer enorm verstarkt hatte so dass nicht Widerstand aus der Heimat sondern im Heer selbst dessen Kampffahigkeit weiter eingeschrankt hatte 30 Der Historiker Wilhelm Deist urteilte Ein verdeckter Militarstreik lahmte immer grossere Teile des Heeres Die Truppen greifen nicht mehr an trotz Befehlen meldete Oberst von Lenz Generalstabschef der 6 Armee Mitte April Kriegsverweigerung war zur Massenbewegung geworden Insgesamt entzog sich in den letzten Kriegsmonaten vermutlich eine Million Soldaten der Armee Es ist eine Legende dass ein Dolchstoss in den Rucken des Heeres zum militarischen Zusammenbruch des Reichs fuhrte Die deutsche Armee blieb nicht wie ihre Fuhrung vorgaukelte im Felde unbesiegt am Ende war sie nicht viel mehr als ein Offizierskorps ohne Truppe Nach Hindenburgs Auftritt griffen die Medien und Parteien des konservativen Burgertums die Metapher auf und verbreiteten sie Der Berliner Theologe Ernst Troeltsch fasste die Funktion dieser Sicht im Dezember 1919 angesichts der burgerkriegsartigen Kampfe des zuruckliegenden Jahres wie folgt zusammen Die grosse historische Legende auf der die ganze Reaktion beruht dass eine siegreiche Armee meuchlings und rucklings von den vaterlandslosen Gesellen der Heimat erdolcht sei ist damit zum Dogma und zur Fahne der Unzufriedenen geworden Ursachen des Propagandaerfolgs BearbeitenDass Hindenburg der als siegreicher Feldherr der Schlacht von Tannenberg nach wie vor hohes Ansehen im Militar und im Burgertum genoss das Erklarungsmuster des unbesiegten nur von Revolutionaren am Sieg gehinderten Heeres offentlich ubernahm gab der Dolchstosslegende grossen Auftrieb in den Medien Das angebliche Zitat eines britischen Generals verlieh ihr zusatzliche Glaubwurdigkeit 1920 folgten Propagandabroschuren in denen die ehemaligen Generalstabe ihre Sicht mit Erlebnisberichten zu untermauern suchten 31 nbsp 1920 vom Reichsbund judischer Frontsoldaten als Antwort auf die Anschuldigungen fehlenden Patriotismus herausgegebener Handzettel Geschurt wurde die Legende von der Zersetzung im Inneren durch den Umstand dass das Ersuchen nach Waffenstillstand zu einem Zeitpunkt erfolgte als das deutsche Heer immer noch in besetzten Staaten stand und kein Soldat der Entente deutschen Boden betreten hatte Der Abzug der deutschen Truppen vollzog sich selbststandig und geordnet was den Eindruck vermittelte dass das Heer nicht aus reiner Not sondern auf Grund einer politischen Entscheidung heimkehrte Dass diese Entscheidung in einer militarisch vollig ausweglosen Notlage und zu dem Zweck gefallen war eine Besetzung Deutschlands den volligen Zusammenbruch der Front und ein ungeordnetes Zuruckfluten der deutschen Soldaten zu verhuten war somit nicht unmittelbar erkennbar Die Propaganda der kaiserlichen Regierung hatte zudem uber vier Jahre den bevorstehenden Sieg in leuchtenden Farben ausgemalt Der Sieg uber Russland im Friedensvertrag von Brest Litowsk am 3 Marz 1918 schien diese Propaganda zu bestatigen Bei den Waffenstillstandsverhandlungen von Compiegne hatte die Regierung ausserdem vorgezogen die Bitte um ein Ende der Kampfe als politische Entscheidung darzustellen da eine Kritik an den Generalen und ein Eingestehen der militarischen Niederlage die Verhandlungsposition noch weiter geschwacht hatten Sie bestand nicht auf der Unterschrift der Generale unter Waffenstillstands und spater Friedensvereinbarungen so dass diese sich dann davon distanzieren konnten ohne fur ihr eigenes Versagen zur Rechenschaft gezogen zu werden Die Metapher wurde vom konservativ nationalistischen deutschen Burgertum bereitwillig aufgegriffen da sie eine willkommene Erklarung fur die im Herbst 1918 als uberraschend empfundene Niederlage lieferte Statt mit der strukturellen militarischen und okonomischen Unterlegenheit der Mittelmachte gegenuber der durch den Kriegseintritt der USA entscheidend verstarkten Entente und dem Versagen der eigenen politisch militarischen Fuhrung wurde der Ausgang des Krieges jetzt mit den angeblich zersetzenden Umtrieben der politischen Linken erklart Hinzu kam dass sich Politiker in verantwortlicher Position in ahnlicher Weise ausserten Der Vorsitzende im Rat der Volksbeauftragten der SPD Vorsitzende Friedrich Ebert begrusste die heimkehrenden deutschen Soldaten mit dem Ausruf sie seien im Felde unbesiegt geblieben und der Kolner Oberburgermeister Konrad Adenauer von der Zentrumspartei bescheinigte der Reichswehr sie kehre nicht besiegt und nicht geschlagen in die Heimat zuruck Die offizielle Ideologie des neuen Sowjetrussland bestatigte ihrerseits diese Sicht indem sie die Novemberrevolution zu einer zielgerichteten Entmachtung des deutschen Militars verklarte Der sowjetische Aussenminister Tschitscherin etwa behauptete Der preussische Militarismus wurde zermalmt nicht durch die Geschutze und Tanks des verbundeten Imperialismus sondern durch die Erhebung der deutschen Arbeiter und Soldaten Dolchstossprozess BearbeitenDie DNVP die Volkische Bewegung und die Nationalsozialisten griffen die Dolchstosslegende auf verknupften sie mit der Behauptung einer alliierten Kriegsschuldluge und nutzten sie propagandistisch fur ihre Zwecke aus Denn wenn das angeblich unbesiegte deutsche Heer durch einen Dolchstoss der Juden und Kommunisten um den Sieg gebracht worden sei dann hatten die Revolutionare vom November 1918 und die demokratischen Politiker Schuld an der Niederlage und am folgenden Versailler Vertrag Sie wurden deshalb als Novemberverbrecher bezeichnet die durch ihren Verrat die Niederlage Deutschlands verschuldet hatten Diese Propaganda war eine schwere Belastung fur die junge Weimarer Demokratie Sie trug wesentlich dazu bei die staatstragenden Parteien der Weimarer Koalition in der Offentlichkeit zu delegitimieren und die Republik scheitern zu lassen In diesem Zusammenhang begingen Rechtsradikale zu Beginn der 1920er Jahre auch einige politischen Morde so an Matthias Erzberger und Walther Rathenau Friedrich Ebert geriet im Dolchstossprozess unter juristischen und medialen Druck sein Verhalten im letzten Kriegsjahr zu rechtfertigen Ein Gutachten des Potsdamer Reichsarchivs hob die massgeblichen Entscheidungsablaufe der OHL hervor Wilhelm Groener deckte sein Geheimabkommen mit Ebert vom 9 November 1918 auf Dies entlastete Ebert von den Vorwurfen der jedoch nicht zuletzt durch die ungerechtfertigten Anklagen gedemutigt und gesundheitlich angeschlagen kurz darauf an einer verschleppten Blinddarmentzundung verstarb Rolle im Nationalsozialismus BearbeitenBand 14 der vom Reichsarchiv herausgegebenen Reihe Der Weltkrieg 1914 1918 im Jahr 1942 43 schloss mit den Worten Und doch hat nicht die gesunkene Kampfkraft der Front sondern die Revolution in der Heimat der Dolchstoss in den Rucken des kampfenden Heeres dazu gezwungen am 11 November 1918 das feindliche Waffenstillstandsdiktat anzunehmen ohne die letzten Mittel des Widerstands erschopft zu haben 32 Auch zur Ideologie fuhrender Nationalsozialisten gehorte die Dolchstosslegende So schrieb Adolf Hitler im Jahr 1923 im Volkischen Beobachter 33 Wir haben uns immer daran zu erinnern dass jeder neue Kampf nach aussen mit den Novemberverbrechern im Rucken dem deutschen Siegfried sofort wieder den Speer in den Rucken stiesse In seiner Programmschrift Mein Kampf von 1925 lud Hitler die Dolchstosslegende antisemitisch auf Im Anschluss an seine Betrachtungen zur Novemberrevolution die er verwundet in einem Lazarett erlebte rasonierte er die Fuhrer des Marxismus denen Kaiser Wilhelm II bereits die Hand zur Versohnung gereicht hatte hatten mit der anderen schon nach dem Dolche gesucht Daraus folgerte er Mit dem Juden gibt es kein Paktieren sondern nur das harte Entweder Oder Ich aber beschloss nun Politiker zu werden 34 Die uneingestandene militarische Niederlage liess die Nationalsozialisten und die militarische Fuhrung verkennen welchen Anteil die Wirtschafts und Militarmacht der USA an dieser Niederlage gehabt hatten Dies begunstigte die grobe Unterschatzung der amerikanischen Moglichkeiten im Zweiten Weltkrieg 35 Die Dolchstosslegende spielte auch ab etwa 1942 eine verhangnisvolle Rolle Viele Offiziere der Wehrmacht lehnten es ab sich an einem Putsch oder Attentat gegen Hitler zu beteiligen auch als es keine Chancen auf einen militarischen Sieg mehr gab Sie furchteten als Verrater zu gelten und eine neue Dolchstosslegende zu begrunden Dies trug zum Scheitern des Attentats vom 20 Juli 1944 bei Von 35 000 Urteilen der NS Militarjustiz wegen Fahnenflucht darunter mindestens 22 750 Todesurteilen und 15 000 Hinrichtungen wurden jene in der letzten Kriegsphase gefallten Urteile besonders oft damit begrundet dass unter allen Umstanden ein neuer Dolchstoss durch Druckeberger verhindert werden musse 36 Insgesamt spielte die Dolchstosslegende wie der britische Historiker Richard J Evans resumiert in der NS Propaganda aber nur eine untergeordnete Rolle In Mein Kampf komme sie nur einmal vor in den verschiedenen Quelleneditionen von Hitlers Reden und Schriften auf weniger als zwei Prozent der Seiten Die Kriegsniederlage wurde vielmehr der kaiserlichen Regierung und ihrer vermeintlichen Willensschwache angelastet von der die Nationalsozialisten sie nicht durch Hinweis auf eine Verschworung oder ein Versagen der Heimatfront entlasten wollten Hierbei hatten in der Aufstiegsphase des Nationalsozialismus auch wahltaktische Motive eine Rolle gespielt da Frauen und Alte die im Weltkrieg zu Hause geblieben waren zur Zielgruppe ihrer Wahlkampfe gehorte Starker als gegen Dolchstoss Verschworer richtete sich die Propaganda gegen so genannte Novemberverbrecher also diejenigen die den Waffenstillstand und den Versailler Vertrag unterschrieben hatten und so durch Verrat den Frieden verloren hatten 37 Eine realistische Erklarung BearbeitenLaut dem deutschen Historiker Gerd Krumeich steht neben der bosartigen Radikalitat mit der die Nationalsozialisten die These vom Dolchstoss zuspitzten eine differenziertere Analyse der Standpunkte welche im Untersuchungsausschuss vertreten wurden Tatsachlich hatte der militarische Experte Kuhl hinter dem Topos eine abwagende Erklarung der Ereignisse von 1918 19 geaussert Der Krieg sei zwar nach der franzosischen Offensive vom 18 Juli 1918 objektiv verloren gewesen und Ende 1918 sei es nicht mehr um einen Verstandigungsfrieden gegangen sondern nur noch um eine moglichst grosse Milderung der Friedensbedingungen Denn so Kuhl wenn das Heer nicht durch die Novemberrevolution daran gehindert worden ware den Kampf fortzusetzen nachdem am 7 Mai 1919 die rigiden Bestimmungen des Versailler Vertrags bekannt geworden waren die ohne Verhandlungen zu unterschreiben von der deutschen Delegation ultimativ verlangt wurde hatte ein gunstigerer Friedensschluss erreicht werden konnen Krumeich weist aber auch darauf hin dass Agitation fur gigantische Kriegsziele die Legitimation des Krieges als Verteidigungskrieg unglaubwurdig gemacht habe 38 Dem widerspricht der britische Historiker Richard J Evans Tatsachlich habe die Moral der Truppe bereits im Fruhjahr und Sommer 1918 angefangen zu brockeln und zwar aus militarischen nicht aus innenpolitischen Grunden Seit Anfang Oktober als von einer Revolution noch nichts zu merken war habe sich die Westfront faktisch aufgelost Hatten die kriegsmuden Soldaten tatsachlich weitergekampft so waren sie von den uberlegenen alliierten Verbanden die durch frische amerikanische Verbande verstarkt wurden muhelos niedergewalzt worden 39 Verwendung des Begriffes im Zusammenhang mit den USA BearbeitenVietnamkrieg Bearbeiten Der englische Begriff stab in the back myth wurde in den USA nach dem Vietnamkrieg benutzt um damit die Behauptungen zu kennzeichnen wonach die Niederlage nicht auf dem Schlachtfeld verursacht worden sei sondern von verschiedenen innenpolitischen Akteuren Beschuldigt werden z B politische Entscheidungstrager die Medien Antikriegsdemonstranten der Kongress die Liberalen oder die Demokratischen Partei 40 General William Westmoreland beschuldigte die US Medien sich nach der Tet Offensive von 1968 entschieden gegen den Krieg gewendet zu haben Diesem Narrativ folgten spater Intellektuelle wie Guenter Lewy und Norman Podhoretz US Wahl 2020 Bearbeiten Das Verhalten von Prasident Donald Trump nach der verlorenen US Wahl 2020 wurde von einigen Kommentatoren im deutschsprachigen Raum als Vorbereitung einer Dolchstosslegende bezeichnet 41 Trump behauptete die Wahl nur durch massiven Betrug verloren zu haben 42 was nicht der Wahrheit entspricht Gleichwohl stellte er sich als unbesiegt und daher weiterhin als legitimer Prasident dar Dies erinnere an das Verhalten mancher Deutscher am Ende des Kaiserreichs 43 In den USA selbst wurde der Begriff stab in the back myth im Zusammenhang mit Trump nur vereinzelt verwendet 44 Literatur BearbeitenBoris Barth Dolchstosslegenden und politische Desintegration Das Trauma der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1914 1933 Schriften des Bundesarchivs Band 61 Droste Dusseldorf 2003 ISBN 3 7700 1615 7 Rezension Wolfgang Benz Hrsg Legenden Lugen Vorurteile Ein Worterbuch zur Zeitgeschichte dtv Band 4666 6 Auflage Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 1992 ISBN 3 423 03295 2 Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen Dolchstoss Diskussion und Dolchstosslegende im Wandel von vier Jahrzehnten In Waldemar Besson Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen Hrsg Geschichte und Gegenwartsbewusstsein Historische Betrachtungen und Untersuchungen Festschrift fur Hans Rothfels zum 70 Geburtstag Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1963 S 122 160 Gerhard P Gross Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Dolchstosslegende Kriege der Moderne Reclam Ditzingen 2018 ISBN 9783150111680 Lars Broder Keil Sven Felix Kellerhoff Deutsche Legenden Vom Dolchstoss und anderen Mythen der Geschichte Ch Links Berlin 2002 ISBN 3 86153 257 3 Kapitel Von hinten erdolcht Das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 S 33 43 Anja Lobenstein Reichmann Die Dolchstosslegende Zur Konstruktion eines sprachlichen Mythos In Muttersprache Band 112 1 2002 S 25 41 Gerhard Paul Der Dolchstoss Ein Schlusselbild nationalsozialistischer Erinnerungspolitik In Gerhard Paul Hrsg Das Jahrhundert der Bilder Band 1 1900 bis 1949 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2009 ISBN 978 3 525 30011 4 S 300 307 Irmtraud Permooser Der Dolchstossprozess in Munchen 1925 In Zeitschrift fur Bayerische Landesgeschichte Band 59 1996 S 903 926 Digitalisat Joachim Petzold Die Dolchstosslegende Eine Geschichtsfalschung im Dienst des deutschen Imperialismus und Militarismus Schriften des Instituts fur Geschichte Reihe 1 Band 18 2 unveranderte Auflage Akademie Berlin 1963 OCLC 64518901 Helmut Reinalter Dolchstosslegende In derselbe Hrsg Handbuch der Verschworungstheorien Salier Leipzig 2018 ISBN 978 3 96285 004 3 S 92 ff Rainer Sammet Dolchstoss Deutschland und die Auseinandersetzung mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg 1918 1933 trafo Berlin 2003 ISBN 3 89626 306 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Dolchstosslegende Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Dolchstosslegende Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Erklarung des Generalfeldmarschalls von Hindenburg vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Dolchstosslegende 18 November 1919 in 1000dokumente de Deutsches Historisches Museum Dolchstosslegende Wolfgang Benz Argumente gegen rechtsextreme Vorurteile Dolchstosslegende Bundeszentrale fur politische Bildung Preussenchronik Dolchstosslegende Rainer Sammet Dolchstosslegende In Historisches Lexikon Bayerns Erhard Deutelmoser Das Sprengmittel In Berliner Tageblatt Band 50 466 Morgenausgabe 4 Oktober 1921 S 1 2 dfg viewer de abgerufen am 27 Marz 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Richard J Evans Das Dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzen DVA Munchen 2021 ISBN 3421048673 S 86 f Lars Broder Keil Sven Felix Kellerhoff Deutsche Legenden Vom Dolchstoss und anderen Mythen der Geschichte Christoph Links Berlin 2002 ISBN 3 86153 257 3 S 36 Richard J Evans Das dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzten Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2020 S 90 92 Joachim Petzold Die Dolchstosslegende S 26 Georg Metzler Die verruchte Luge In Die Weltbuhne vom 9 Januar 1919 S 34 37 Richard J Evans Das dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzten Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2020 S 92 Reinhard Sturm Kampf um die Republik 1919 1923 In Informationen zur politischen Bildung Nr 261 4 Quartal 1998 ISSN 0046 9408 S 18 31 hier S 20 Paul von Hindenburg Aus meinem Leben Hirzel Leipzig 1920 S 403 Zitiert nach Jesko von Hoegen Der Held von Tannenberg Genese und Funktion des Hindenburg Mythos Bohlau Wien Koln Weimar2007 S 253 Paul von Hindenburg Aus meinem Leben Leipzig 1920 S 398 Erhard Deutelmoser Das Sprengmittel In Berliner Tageblatt Band 50 466 Morgenausgabe 4 Oktober 1921 S 1 2 dfg viewer de abgerufen am 27 Marz 2023 Delbruck Hans Ludendorffs Selbstportrat mit einer Widerlegung der Forsterschen Gegenschrift Verlag fur Politik und Wirtschaft Berlin 1922 S 63 Volltext auf archive org Richard J Evans Das dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzten Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2020 S 103 Zit nach Richard J Evans Das dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzten Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2020 S 92 Richard J Evans Das dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzten Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2020 S 117 ff Joachim Petzold Die Dolchstosslegende eine Geschichtsfalschung im Dienst des deutschen Imperialismus und Militarismus Akademie Verlag Berlin 1963 S 23 f 42 70 und ofter Volker Ullrich Die Revolution von 1918 19 Beck Munchen 2009 S 11 27 Anne Lipp Meinungslenkung im Krieg Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2003 ISBN 3525351402 S 300 Armin Hermann Wie die Wissenschaft ihre Unschuld verlor Macht und Missbrauch der Forscher Deutsche Verlags Anstalt 1982 ISBN 3421027234 S 103 Anne Lipp Heimatwahrnehmung und soldatisches Kriegserlebnis In Gerhard Hirschfeld Hrsg Kriegserfahrungen Klartext 1997 ISBN 3884745387 S 225 242 Volltext online Sonke Neitzel Weltkrieg und Revolution 1914 1918 19 be bra Verlag Berlin 2008 S 150 und 154 Volker Ullrich Die Revolution von 1918 19 Munchen 2009 S 24f Ulrich Herbert Geschichte Deutschlands im 20 Jahrhundert Beck Munchen 2017 S 148 Heinrich August Winkler Geschichte des Westens Die Zeit der Weltkriege 1914 1945 Beck Munchen 2016 S 77 Jacob Rosenthal Die Ehre des judischen Soldaten Die Judenzahlung im Ersten Weltkrieg und ihre Folgen Campus Judaica 2007 S 127ff Eva Krivanec Kriegsbuhnen Theater im Ersten Weltkrieg Berlin et al 2012 ISBN 978 3 8376 1837 2 S 310 Vergleiche die originale Vorlage fur diese Kopie in Helmut Gold Georg Heuberger Hrsg Abgestempelt Judenfeindliche Postkarten Auf der Grundlage der Sammlung Wolfgang Haney Heidelberg 1999 S 268 Michaelis Schraepler Ursachen und Folgen Band 4 S 8 zitiert in Der Hitler Ludendorff Putsch 9 November 1923 Kamp Verlag Reihe Volk und Wissen PDF 137 kB Memento vom 30 September 2007 im Internet Archive Bruno Thoss Der erste Weltkrieg als Ereignis und Erlebnis Paradigmenwechsel in der westdeutschen Weltkriegsforschung seit der Fischer Kontroverse In Wolfgang Michalka Hrsg Der Erste Weltkrieg Piper Munchen 1994 ISBN 3 492 11927 1 S 1023 Vgl auch Martin Kitchen The Silent Dictatorship The Politics of the German High Command under Hindenburg and Ludendorff 1916 1918 London 1976 Berthold Wiegand Der Erste Weltkrieg und der ihm folgende Friede Cornelsen Berlin 1993 ISBN 3 454 59650 5 S 81 f zitiert nach Stefan Storz Krieg gegen den Krieg In Der Erste Weltkrieg Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2004 ISBN 3 421 05778 8 S 77 f Der Sieg war zum Greifen nah Broschure zur Verbreitung der Dolchstosslegende zitiert in Deutsche Rundschau Gebruder PaetelT1 1957 ISSN 0415 617X S 593 Google Plus Adolf Hitler Zum Parteitag 1923 Aufsatz im Volkischen Beobachter vom 27 Januar 1923 In Eberhard Jackel Axel Kuhn Hrsg Adolf Hitler Samtliche Aufzeichnungen 1905 1924 Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Band 21 Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1980 ISBN 3 421 01997 5 S 801 Christian Hartmann Thomas Vordermayer Othmar Plockinger Roman Toppel Hrsg Hitler Mein Kampf Eine kritische Edition Institut fur Zeitgeschichte Berlin Munchen 2016 Bd 1 S 217 Gerd R Ueberschar Wolfram Wette Hrsg Unternehmen Barbarossa Der deutsche Uberfall auf die Sowjetunion 1941 Berichte Analysen Dokumente Schoningh Paderborn 1984 ISBN 3 506 77468 9 S 220 Williamson Murray Betrachtungen zur deutschen Strategie im Zweiten Weltkrieg In Rolf Dieter Muller Hans Erich Volkmann Hrsg Die Wehrmacht Mythos und Realitat Verlag Oldenbourg Munchen 1999 Volker Ullrich Ich habe mich ausgestossen Das Los von zehntausenden deutscher Deserteure im Zweiten Weltkrieg In Wolfram Wette Hrsg Deserteure der Wehrmacht Feiglinge Opfer Hoffnungstrager 1 Auflage Klartext Essen 1995 S 108 Richard J Evans Das Dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzen DVA Munchen 2021 S 112 117 und Anm 89 S 321 Gerd Krumeich Die unbewaltigte Niederlage Das Trauma des Ersten Weltkriegs und die Weimarer Republik Herder Freiburg 2018 ISBN 978 3 451 39970 1 S 183 209 die Zitate S 199 und 201 Richard J Evans Das Dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzen DVA Munchen 2021 S 120 Jeffrey P Kimball The Stab in the Back Legend and the Vietnam War In Armed Forces amp Society 14 Heft 3 1988 S 433 458 Dolchstosslegende Die grosse Luge die den ewigen Trump ermoglichen soll Trump und seine Dolchstosslegende USA nach der Wahl Das Ende von Trumps Dolchstosslegende Trump s Stab in the Back Myth nbsp Dieser Artikel ist als Audiodatei verfugbar source source Speichern 08 27 min 4 6 MB Text der gesprochenen Version 18 Januar 2007 Mehr Informationen zur gesprochenen Wikipedia Normdaten Sachbegriff GND 4150387 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dolchstosslegende amp oldid 237834371