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Reichskanzler war von 1871 bis 1945 die Amtsbezeichnung des Regierungschefs des Deutschen Reiches In dieser Rolle stand er dem Kabinett von 1871 bis 1918 der sogenannten Reichsleitung von 1919 bis 1945 der Reichsregierung vor Von November 1918 bis August 1919 fuhrten die Regierungschefs den Titel Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten bzw Reichsministerprasident Die Amtsbezeichnung entstammt der deutschen Kanzlertradition des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit Der Reichskanzlertitel wurde daruber hinaus zuweilen auch in anderen Monarchien Europas wichtigen Ministern verliehen so etwa wurde dieser in Osterreich Ungarn von 1867 bis 1871 vom k u k Aussenminister Friedrich Ferdinand von Beust und in Russland vom Fursten Gortschakow gefuhrt Im Deutschen Reich nach 1871 entwickelte sich daraus eine fortlaufende Tradition die bis heute im Titel des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland nachwirkt In Osterreich wurde der Kanzlertitel in der Ersten Republik 1919 wieder aufgegriffen und wird seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der Zweiten Republik fortgefuhrt Inhaltsverzeichnis 1 Deutsches Reich 1848 1849 2 Norddeutscher Bund und Deutsches Kaiserreich 3 Osterreich Ungarn 4 Weimarer Republik 5 Zeit des Nationalsozialismus 6 Nachwirkungen 6 1 Deutsche Demokratische Republik 6 2 Bundesrepublik Deutschland 7 Statistisches 7 1 Allgemeines und Amtszeit 7 2 Titel und Amter 8 Siehe auch 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseDeutsches Reich 1848 1849 BearbeitenWahrend der Revolution von 1848 49 errichtete die Frankfurter Nationalversammlung eine Provisorische Zentralgewalt Im entsprechenden Zentralgewaltgesetz vom 28 Juni 1848 ist nur von Ministern die Rede die der Reichsverweser ernennt Der fuhrende Minister wurde in der Verfassungswirklichkeit Prasident des Gesamt Reichsministeriums oder Reichsministerprasident genannt Von September bis Dezember regierte das Kabinett Schmerling ohne offiziellen Prasidenten aber Anton von Schmerling sass laut interner Absprache dem Ministerrat vor Auch die Frankfurter Reichsverfassung vom 28 Marz 1849 sah nur Minister oder Reichsminister vor Der Kaiser sollte die Minister ernennen welche die Reichsgewalt ausuben sollten Sie hatten eigens verantwortlich sein sollen und ein spateres Gesetz sollte diese Ministerverantwortlichkeit genauer regeln Von einer Entlassung der Minister durch den Kaiser war nicht ausdrucklich die Rede Siehe auch Liste der Reichsminister 1848 1849Norddeutscher Bund und Deutsches Kaiserreich Bearbeiten Hauptartikel Reichskanzler Deutsches Kaiserreich nbsp Otto von Bismarck 1890 Kanzler und preussischer MinisterprasidentIm Jahr 1867 wurde der Norddeutsche Bund gegrundet in dem Preussen der grosste und dominierende Einzelstaat war Im Jahr 1870 kamen durch die Novembervertrage die suddeutschen Staaten hinzu In der Folge wurde der Bund in Deutsches Reich umbenannt Auch andere Bezeichnungen anderten sich wenngleich die Grundzuge des politischen Systems dieselben blieben Der Bundesstaat von 1867 hatte als Bundesorgane den Bundesrat als Vertretung der Einzelstaaten den Reichstag als gewahltes Parlament und das Bundesprasidium das immer vom preussischen Konig ausgeubt wurde Das Bundesprasidium setzte einen Bundeskanzler ein der fur die Anordnungen des Prasidiums die Verantwortung ubernahm Damit war er der einzige Bundesminister Ausserdem hatte der Bundeskanzler den Vorsitz im Bundesrat Zwar war es nicht in der Verfassung vorgeschrieben aber der Kanzler war gleichzeitig meist preussischer Ministerprasident Innerhalb der Staatsorganisation sollte die Wahl des Kanzlerbegriffs einen untergeordneten Rang dieses Bundesorgans signalisieren denn der neue Kanzler des Bundes sollte anders als die Regierungschefs der Bundesstaaten eben kein vollwertiger Ministerprasident sein 1 Zudem symbolisierte der Kanzlertitel wie in der preussischen Tradition etwa von Hardenbergs auch eine starke monarchisch burokratische und damit letztlich antiparlamentarische Komponente In beidem unterschied sich die 1867 71 geschaffene Exekutive des Bundes bzw des Reiches ganz bewusst vom deutschen Gesamt Reichsministerium der Revolutionsjahre 1848 49 an dessen Spitze ein Reichsministerprasident gestanden hatte Diese Konstruktion wurde 1871 im durch die suddeutschen Staaten erweiterten Kaiserreich beibehalten Faktisch waren die meisten Angehorigen der Reichsleitungen dennoch Minister da die Reichsamter in der Regel in Personalunion mit den entsprechenden preussischen Ministerien verwaltet wurden Im Range eines seinem Monarchen verantwortlichen Ministers auf Reichsebene stand jedoch allein der Reichskanzler wahrend die Leiter der Reichsressorts keine eigenstandigen Minister sondern Staatssekretare waren Der Kanzler konnte diesen Beamten Weisungen erteilen Der Reichskanzler war zwischen 1871 und 1918 allein dem Deutschen Kaiser und nicht etwa dem Reichstag verantwortlich Der Kaiser als Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches berief und entliess den Reichskanzler Der Kanzler hatte ohne preussisches Mandat auch kein Recht vor dem Reichstag zu reden Der preussische Ministerprasident Otto von Bismarck war der erste Bundeskanzler am 4 Mai 1871 wurde der Titel in Reichskanzler geandert Schon im Norddeutschen Bund war der Reichskanzler gleichzeitig preussischer Ministerprasident und Aussenminister Durch die Oktoberreformen 1918 wurde unter anderem Artikel 15 der Reichsverfassung der die Ernennung des Reichskanzlers durch den Kaiser regelte um eine Bestimmung erganzt Demnach bedurfte der Reichskanzler zu seiner Amtsfuhrung des Vertrauens des Reichstags Diese Vorschrift die erst kurz vor dem Ende des Kaiserreichs eingefugt wurde ist spater in die Weimarer Verfassung ubernommen worden Osterreich Ungarn BearbeitenNach der Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 war der osterreichische Kaiser Franz Joseph I gezwungen die Nationalitatenfrage im Vielvolkerstaat zu losen Osterreichisch Ungarischer Ausgleich Der erste Minister des Ministeriums des kaiserlichen und koniglichen Hauses und des Ausseren Friedrich Ferdinand von Beust Amtsinhaber von 1867 1871 trug den Titel Reichskanzler der dann auf ungarischen Wunsch ab 1871 nicht mehr vergeben wurde Siehe auch Vorsitzende des gemeinsamen MinisterratesWeimarer Republik Bearbeiten Hauptartikel Reichskanzler Weimarer Republik Mit der Novemberrevolution von 1918 wurde nicht nur das deutsche Kaisertum gesturzt sondern auch das Amt des Reichskanzlers durch einen revolutionaren Rat der Volksbeauftragten abgelost Im Februar 1919 wurde erneut ein Kabinett auf Reichsebene gebildet und zwar aufgrund des Gesetzes uber die vorlaufige Reichsgewalt Es sah die Bildung eines Reichsministeriums vor womit die Regierung insgesamt gemeint war Der Vorsitzende dieser Reichsregierung erhielt dann den Titel eines Reichsministerprasidenten auch Prasident des Reichsministeriums Bereits im August 1919 fuhrte die Weimarer Reichsverfassung jedoch wieder die eingeburgerte Bezeichnung Reichskanzler ein Auch in der Weimarer Republik 1919 1933 wurde der Reichskanzler vom deutschen Staatsoberhaupt nunmehr dem Reichsprasidenten ernannt und entlassen doch war er dem Reichstag gegenuber insoweit verantwortlich als der Reichskanzler und auch jeder Reichsminister gemass Art 54 der Weimarer Verfassung 2 zurucktreten musste wenn ihm der Reichstag durch ausdrucklichen Beschluss sein Vertrauen entzog Bis zu einem solchen Misstrauensvotum konnte der Reichskanzler mithin ohne parlamentarische Mehrheit regieren Zudem konnte der Reichsprasident gemass Art 48 der Weimarer Verfassung sogenannte Notverordnungen erlassen Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenAls Adolf Hitler am 30 Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde endete alsbald faktisch auch die parlamentarische Regierungsform Hitler richtete sehr schnell eine Parteidiktatur ein und wurde zum Alleinherrscher ohne jede Verantwortlichkeit Nach dem Tode des Reichsprasidenten Paul von Hindenburg liess Hitler Anfang August 1934 im Gesetz uber das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs 3 die Amter des Reichsprasidenten und des Reichskanzlers zu seinen Gunsten zusammenlegen und sich in der Volksabstimmung uber das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs als Fuhrer und Reichskanzler bestatigen Diesen Titel fuhrte er bis zu seinem Suizid am 30 April 1945 Hitler besass verfassungsrechtlich nicht das Recht auf einfachem testamentarischen Wege seine Nachfolge zu bestimmen doch hatte er auf diese Weise am 29 April 1945 seinen engen Gefolgsmann Joseph Goebbels zu seinem Nachfolger als Reichskanzler bestimmt Dies zeigte keine politische Wirkung da das Reich damals bereits zu grossen Teilen von den Alliierten besetzt war und Goebbels schon einen Tag nach Hitler am 1 Mai 1945 ebenfalls Selbstmord beging Der von Hitler auf dieselbe zweifelhafte Weise zum neuen Reichsprasidenten bestimmte Grossadmiral Karl Donitz beauftragte daraufhin am 2 Mai 1945 Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk mit der Leitung der Geschaftsfuhrenden Reichsregierung wobei dieser den Titel des Reichskanzlers nicht mehr fuhrte Diese letzte nationalsozialistische Reichsexekutive die weder uber Legitimitat noch uber reale politische Macht verfugte wurde am 23 Mai 1945 von den Alliierten verhaftet und Schwerin von Krosigk am 5 Juni 1945 auch formell abgesetzt Nachwirkungen Bearbeiten nbsp Bismarck Denkmal in Munchen 2007Deutsche Demokratische Republik Bearbeiten In der DDR war der Amtstitel des Regierungschefs zunachst Ministerprasident wobei dieser Titel allerdings sehr bald durch den eines Vorsitzenden des Ministerrats verdrangt wurde der sich an sowjetische Traditionen einer Raterepublik anlehnte Im November 1989 kam aber der ursprungliche Titel wieder in Gebrauch Bundesrepublik Deutschland Bearbeiten Die Amtsbezeichnung des Regierungschefs der Bundesrepublik Deutschland ist seit 1949 in bewusster Anlehnung an die Tradition sowie der staatsrechtlichen Kontinuitat und volkerrechtlichen Identitat des deutschen Staates zum Norddeutschen Bund und Deutschen Reich Bundeskanzler Statistisches BearbeitenAllgemeines und Amtszeit Bearbeiten nbsp Die Punch Karikatur Dropping the Pilot im Deutschen meist ubersetzt mit Der Lotse geht von Bord von Sir John Tenniel zum Rucktritt Bismarcks 1890 an der Reling Kaiser Wilhelm II Werden der Nachfolger Hitlers Joseph Goebbels und der diesem nachfolgende Leitende Minister Lutz Schwerin von Krosigk mit hinzugenommen so sind es von Bismarck bis einschliesslich Schwerin Krosigk 24 Personen die Reichskanzler Reichsministerprasident oder Quasikanzler waren Am langsten gedient hat Bismarck Er war fast auf den Tag genau 19 Jahre lang Reichskanzler dazu knapp vier Jahre Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes In der Weimarer Zeit amtierte Wilhelm Marx werden seine beiden Amtszeiten vier Kabinette zusammengerechnet drei Jahre und 74 Tage Am kurzesten dauerte die Amtszeit von Joseph Goebbels einen Tag 30 April bis 1 Mai 1945 der von Hitler testamentarisch eingesetzt worden war Schwerin Krosigk war 22 Tage Schleicher 57 Tage im Amt Im Kaiserreich dauerte vor dem Ersten Weltkrieg die kurzeste Kanzlerschaft viereinhalb Jahre Leo von Caprivi und wahrend des Krieges einen Monat Max von Baden Titel und Amter Bearbeiten nbsp General Kurt von Schleicher 1932Georg von Hertling war 1917 der erste Kanzler mit Promotion Gedient haben von den kaiserzeitlichen Kanzlern Otto von Bismarck Leo von Caprivi und Max von Baden Von den Weimarer Kanzlern war der wehrdienstuntaugliche Joseph Wirth Krankenpfleger im Weltkrieg gewesen Heinrich Bruning Franz von Papen Kurt von Schleicher und Adolf Hitler waren Soldaten bzw Offiziere gewesen Gustav Bauer Joseph Wirth Gustav Stresemann und Wilhelm Marx ubernahmen auch nach ihrer Kanzlerschaft noch Ministeramter Umgekehrt war es gangig dass ein Kanzler zuvor Minister bzw Staatssekretar im Kaiserreich war Bernhard von Bulow Aussenamt Theobald von Bethmann Hollweg Inneres Gustav Bauer Arbeit Hermann Muller Aussenamt Joseph Wirth Finanzen Hans Luther Ernahrung Finanzen Kurt von Schleicher Reichswehr Ehemalige Ministerprasidenten eines deutschen Landes waren Chlodwig zu Hohenlohe Schillingsfurst und Georg von Hertling beide Bayern Nie Mitglied des Reichstags waren Max von Baden Wilhelm Cuno Hans Luther und Kurt von Schleicher Hitler wurde erst wahrend seiner Kanzlerschaft Reichstagsabgeordneter Bei Amtsantritt kein Parlamentarier wohl aber zuvor war Georg von Hertling 1875 1890 1896 1912 Ehemalige Fraktionsvorsitzende waren Scheidemann Gustav Stresemann Hermann Muller und Heinrich Bruning der fruhere Reichstagsprasident Constantin Fehrenbach war es nach seiner Kanzlerschaft wieder Siehe auch BearbeitenListe der Regierungschefs des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches Kanzler in Preussen ReichserzkanzlerWeblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Reichskanzler Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Bundesarchiv Die Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs 1871 bis 1918 Die Reichskanzler der Weimarer RepublikEinzelnachweise Bearbeiten Dazu Katrin Stein Die Verantwortlichkeit politischer Akteure Mohr Siebeck Tubingen 2009 S 598 Dementsprechend unterschieden sich die Amtsverhaltnisse des Reichskanzlers und der Staatssekretare unter der Bismarck schen Reichsverfassung nicht von den Beamtenverhaltnissen Schuster Deutsche Verfassungen 1976 S 109 Gesetz uber das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1 August 1934Verfassungsorgane der Weimarer Republik Legislative Reichstag Reichsrat Exekutive Reichsprasident Reichsregierung Reichskanzler Reichsminister Judikative Staatsgerichtshof fur das Deutsche Reich Reichsgericht Organe der Lander Landtage Landesregierungen Siehe auch Verfassungsorgan und Weimarer Republik Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reichskanzler amp oldid 238966468