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Der Reichsrat war die Vertretung der Gliedstaaten Landerkammer in der Weimarer Republik 1919 1933 Gemass Artikel 60 der Weimarer Reichsverfassung war er das Organ zur Vertretung der Lander bei der Gesetzgebung und Verwaltung auf Reichsebene Er trat an die Stelle des Bundesrates im Deutschen Kaiserreich und des Ubergangsgremiums Staatenausschuss In der Zeit des Nationalsozialismus 1933 1945 bedeutungslos geworden wurde der Reichsrat schliesslich per Gesetz im Februar 1934 aufgelost Buro des Reichsrats Siegelmarke Inhaltsverzeichnis 1 Zusammensetzung 2 Organisation 3 Rechte 4 Beurteilung 5 Ende in der Zeit des Nationalsozialismus 6 Nachwirkungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseZusammensetzung BearbeitenDer Reichsrat setzte sich aus Vertretern der 18 deutschen Lander zusammen Sie wurden von den Landesregierungen entsandt und hatten ein imperatives Mandat Nur in Preussen wurde die Halfte der Reichsratsmitglieder nicht von der Staatsregierung bestimmt sondern von den Provinzialverbanden Die Zahl der Vertreter eines Landes war abhangig von seiner Einwohnerzahl Jedes Land hatte mindestens eine Stimme und damit Anspruch auf ein Mitglied Bei grosseren Staaten entfiel auf jeweils 700 000 Einwohner eine Stimme zuvor auf eine Million Einwohner geandert durch ein Reichsgesetz 1921 ein Rest von mindestens 350 000 Einwohnern vormals 500 000 wurde mit 700 000 gleichgerechnet Kein Staat durfte aber mehr als zwei Funftel 40 aller Stimmen bzw Mitglieder auf sich vereinen Die Mitglieder wurden von den Landesregierungen ernannt Ein Sonderfall ist Preussen das ebenfalls maximal vierzig Prozent der Mitglieder stellen durfte dessen Einwohnerzahl aber einen Stimmenanteil von uber sechzig Prozent gerechtfertigt hatte Eine zusatzliche Schwachung der immer noch starken preussischen Position war die zwangsweise Zusammensetzung der preussischen Reichsratsmitglieder Ab dem 14 Juli 1921 durfte die Halfte nicht von der Staatsregierung sondern musste von den Provinzialverbanden der Preussischen Provinzen entsandt werden Mit dieser Clausula antiborussica sollte ein zu starkes Einwirken der Staatsregierung verhindert und zugleich eine gewisse Fairness gegenuber den kleineren stimmschwacheren Staaten erreicht werden Die Stimmverteilung im Reichsrat sah folgendermassen aus Sortierung nach Anzahl der Sitze bzw alphabetisch Lander 15 August 1919 1 Mai 1920 14 Juli 1921 15 Mai 1926 1 April 1929pr nbsp Freistaat Preussen 25 22 26 27 26Bayernfrei nbsp Freistaat Bayern 7 7 10 11 11SachsenFreistaat nbsp Freistaat Sachsen 5 5 7 7 7Wurttemberg nbsp Volksstaat Wurttemberg 3 3 4 4 4Baden nbsp Republik Baden 3 3 3 3 3Thuringen nbsp Land Thuringen 7 A 1 2 2 2 2HessenVolksstaat nbsp Volksstaat Hessen 2 2 2 2 2ham nbsp Freie und Hansestadt Hamburg 1 1 2 2 2Anhalt nbsp Freistaat Anhalt 1 1 1 1 1BraunschweigFrei nbsp Freistaat Braunschweig 1 1 1 1 1bre nbsp Freie Hansestadt Bremen 1 1 1 1 1LippeFreistaat nbsp Freistaat Lippe 1 1 1 1 1Luebeck nbsp Lubeck 1 1 1 1 1MecklenburgSchwerin nbsp Mecklenburg Schwerin 1 1 1 1 1MecklenburgStrelitz nbsp Mecklenburg Strelitz 1 1 1 1 1OldenburgFrei nbsp Freistaat Oldenburg 1 1 1 1 1SchaumburgLippeFreistaat nbsp Freistaat Schaumburg Lippe 1 1 1 1 1WaldeckPyrmont nbsp Freistaat Waldeck Pyrmont 1 1 1 1 A 2 Summen 63 55 66 68 66 Thuringische Sitze 1919 Jedes der sieben thuringischen Lander Reuss Sachsen Altenburg Sachsen Gotha Sachsen Meiningen Sachsen Weimar Eisenach Schwarzburg Rudolstadt Schwarzburg Sondershausen hatte je einen Sitz Das vereinigte Land Thuringen entstand am 1 Mai 1920 Am 1 April 1929 vereinigte sich der Freistaat Waldeck mit Preussen seine Stimme entfiel damit Organisation BearbeitenDer Reichsrat trat wie zuvor der Bundesrat in einem vom Architekten Paul Wallot eigens dafur vorgesehenen Saal im Reichstagsgebaude zusammen Obwohl der Reichsrat neben dem Reichstag das zweite Gesetzgebungsorgan auf Reichsebene war oblag seine Einberufung der Reichsregierung Auch den Vorsitz des Reichsrates fuhrte wie schon im Bundesrat des Norddeutschen Bundes und des Kaiserreichs jeweils ein Mitglied der Reichsregierung in der Regel der Innenminister 1 Der Reichsrat teilte sich in Fachausschusse innerhalb derer die Mitglieder in ihrer Stimmenzahl gleichberechtigt waren Innerhalb des Reichsrates durften jedes Mitglied sowie die Mitglieder der Reichsregierung Antrage stellen hierin unterschied er sich vom fruheren Bundesrat in dem die Reichsregierung kein Initiativrecht hatte Uber die Antrage wurde mit einfacher relativer Mehrheit entschieden Rechte BearbeitenDer Reichsrat hatte das Recht die Einbringung eines Gesetzes zu verlangen wobei die Reichsregierung hierzu Stellung beziehen durfte sich von der Reichsregierung uber laufende Regierungsgeschafte unterrichten zu lassen und gegen vom Reichstag beschlossene Gesetze ein Veto einzulegen das allerdings mit Zweidrittelmehrheit des Reichstags uberwunden werden konnte Anders als zum Beispiel der Bundesrat nach 1949 konnte der Reichsrat keine eigenen Gesetzesentwurfe einbringen Beurteilung BearbeitenDer Reichsrat war in der Tradition des Foderalismus in Deutschland die institutionalisierte Vertretung der Landerinteressen auf der Ebene des Nationalstaats Insgesamt hatte der Reichsrat gegenuber seinem Vorganger dem Bundesrat und nominell hochsten Verfassungsorgan des foderalen Kaiserreichs an Bedeutung verloren vor allem weil ihm die Gleichberechtigung im Gesetzgebungsprozess verloren ging Ausserdem verlor er an Unabhangigkeit da die Reichsregierung nicht nur die Leitung innehatte sondern auch direkt Gesetze einbringen konnte wahrend es sich beim Bundesrat theoretisch um eine wenn auch durch Preussen bestimmte reine Vertretung der Interessen der Landesfursten gehandelt hatte denen die Reichsleitung zu folgen hatte Zwar hatte der Reichsrat Mitberatungs und Vetorecht bei der Gesetzgebung Der Reichstag konnte aber mit Zweidrittelmehrheit ein Veto des Reichsrates uberstimmen und war somit nominell das starkere der beiden parlamentarischen Organe Da die Zusammensetzung des Reichstags mit seinen vielen Fraktionen die Vereinigung von zwei Dritteln der Stimmen aber nicht einfach machte waren die Regierungsfraktionen in der Regel bestrebt im Vorfeld zu einer Einigung mit dem Reichsrat zu gelangen Der Vorsitz durch die Reichsregierung beschnitt den Reichsrat ebenfalls in seinen Souveranitatsrechten Er konnte sich nur selbst einberufen wenn ein Drittel der Mitglieder das gegenuber der Reichsregierung forderte Durch den Vorsitz eines Reichsministers hatte die Reichsregierung einen bestimmenden Einfluss auf den Geschaftsgang Der Reichsrat war kein rein legislatives Organ da er bei der Verwaltung des Reiches mitwirkte indem der Grossteil der Verordnungen seiner Zustimmung bedurfte Damit konnten die Lander gestutzt auf die Expertise ihrer Ministerialburokratien enormen Einfluss auf die Ausfuhrungsbestimmungen zu Reichsgesetzen nehmen die sie in der Regel auch in eigener Kompetenz ausfuhrten Aufgrund der relativen Stabilitat der Landesregierungen wurde der Reichsrat vor allem in der Endphase der Weimarer Republik als der Reichstag zunehmend handlungsunfahig war als einer der letzten Stabilitatsanker der Reichsinstitutionen gesehen 2 Die Schwachung der Landerkammer im Vergleich zur Verfassung des Kaiserreichs fugt sich insgesamt aber ein in die generell deutlich zentralistischere Weimarer Reichsverfassung die die Gesetzgebungskompetenz des Reiches sowie dessen Aufsichtsrechte gegenuber den Landern wesentlich erweiterte Die nun angenommene staatsrechtliche Hoheit des Reichs uber die Lander Gerhard Anschutz im Verein mit der Reichsfinanzreform Matthias Erzbergers 1919 1920 fuhrten zu einer deutlichen Schwachung der Stellung der Gliedstaaten die erst mit dem Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland wieder ruckgangig gemacht wurde Dessen Landerkammer der Bundesrat orientiert sich in Zusammensetzung und Kompetenzen am Reichsrat Im Vergleich zu diesem hat er bei den Zustimmungsgesetzen mit seinem absoluten Vetorecht eine starkere Position bei den Einspruchsgesetzen jedoch eine schwachere Position da der Bundestag ein Bundesratsveto hier bereits mit einfacher Mehrheit zuruckweisen kann Ende in der Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenIm Zuge der nationalsozialistischen Machtubernahme 1933 wurden die Lander des Deutschen Reiches gleichgeschaltet Wahrend Preussen bereits 1932 im Preussenschlag von der Regierung unter Reichskanzler Franz von Papen ubernommen worden war setzte die neue NS Reichsregierung auf Grund der Reichstagsbrandverordnung vom 28 Februar 1933 in allen Landern von ernannten Reichskommissaren gefuhrte Regierungen ein Da diese nun die Mitglieder des Reichsrates benannten hatte die NSDAP schnell eine sehr grosse Mehrheit in der Landerkammer Diese nutzte sie dann dazu um am 24 Marz 1933 das vom Reichstag beschlossene Ermachtigungsgesetz durchzuwinken Als Gesetz das in die Verfassung eingreift brauchten sie hier die Zustimmung der Landervertretung Das garantierte zunachst den Weiterbestand des Reichsrates Mit dem ersten Gleichschaltungsgesetz vom 31 Marz 1933 3 waren die Einflussmoglichkeiten der Landesparlamente bereits stark beschnitten worden Mit dem Gesetz uber den Neuaufbau des Reichs vom 30 Januar 1934 4 wurden die Landesparlamente schliesslich abgeschafft Damit waren die Hoheitsrechte der Lander auf das Reich ubertragen Da auch dieses Gesetz in die Verfassung eingriff musste der Reichsrat der inzwischen nur aus NS Vertretern bestand zustimmen Dies fand in seiner letzten Sitzung am 30 Januar 1934 statt 1 Da die Lander nun nur noch Verwaltungseinheiten des Zentralstaates waren hatte ihre Vertretung ihren Sinn verloren Seine Abschaffung war nun moglich da mit dem Reichsneuaufbaugesetz die Reichsregierung auch das Recht hatte Verfassungsrecht zu setzen Der Reichsrat wurde am 14 Februar 1934 durch das von der Reichsregierung beschlossene Gesetz uber die Aufhebung des Reichsrats formal aufgelost 5 Im zentralistischen NS Staat gab es keinen Platz mehr fur eine Landerkammer Nachwirkungen BearbeitenIn der Bundesrepublik Deutschland ubernimmt der Bundesrat seit 1949 die Funktion der Vertretung der Lander In der ehemaligen DDR hatte fur kurze Zeit die Landerkammer diese Funktion Literatur BearbeitenJoachim Lilla Der Reichsrat Vertretung der deutschen Lander bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs 1919 1934 Droste Verlag 2006 ISBN 978 3 7700 5279 0 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Gesetz uber die Aufhebung des Reichsrats Quellen und Volltexte Joachim Lilla Reichsrat 1919 1934 im Historischen Lexikon Bayerns Joachim Lilla Das Ende des Reichsrats auf Shoa deEinzelnachweise Bearbeiten a b Vor 75 Jahren wurde der Reichsrat aufgelost www bundesrat de 3 Marz 2009 abgerufen am 16 August 2015 Gerhard Lehmbruch Foderalismus als Verteilungsentscheidungen in Hans Georg Wehling Hrsg Die deutschen Lander Geschichte Politik Wirtschaft Wiesbaden 2004 S 345 Vorlaufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Lander mit dem Reich www documentarchiv de 3 Februar 2004 abgerufen am 17 August 2015 Gesetz uber den Neuaufbau des Reichs www documentarchiv de 3 Februar 2004 abgerufen am 17 August 2015 Gesetz uber die Aufhebung des Reichsrats www documentarchiv de 3 Februar 2004 abgerufen am 16 August 2015 Deutsche Parlamente Deutscher Bund Deutsches Reich 1848 1849 und Erfurter Union Bundestag 1815 1848 und 1850 1866 Frankfurter Nationalversammlung 1848 1849 Erfurter Unionsparlament 1850 Norddeutscher Bund Konstituierender Reichstag 1867 Reichstag 1867 1870 Bundesrat 1867 1870 Deutsches Reich Deutsches Kaiserreich Reichstag 1871 1918 Bundesrat 1871 1918 Weimarer Republik Weimarer Nationalversammlung 1919 1920 Staatenausschuss 1919 Reichstag 1920 1933 Reichsrat 1919 1933 1934 Zeit des Nationalsozialismus Reichstag 1933 1945 1938 umbenannt in Grossdeutscher Reichstag Deutsche Demokratische Republik Volkskammer 1949 1990 Landerkammer 1949 1952 1958 Bundesrepublik Deutschland Bundestag seit 1949 Bundesrat seit 1949 Verfassungsorgane der Weimarer Republik Legislative Reichstag Reichsrat Exekutive Reichsprasident Reichsregierung Reichskanzler Reichsminister Judikative Staatsgerichtshof fur das Deutsche Reich Reichsgericht Organe der Lander Landtage Landesregierungen Siehe auch Verfassungsorgan und Weimarer Republik Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reichsrat Deutschland amp oldid 238490244