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Als Militarismus wird die Dominanz militarischer Wertvorstellungen und Interessen in der Politik und im gesellschaftlichen Leben bezeichnet wie sie etwa durch die einseitige Betonung des Rechts des Starkeren und die Vorstellung Kriege seien notwendig oder unvermeidbar zum Ausdruck kommen oder durch ein strikt hierarchisches auf Befehl und Gehorsam beruhendes Denken vermittelt werden 1 Nurnberg 1934 NSDAP Reichsparteitag Marsch der deutschen ReichswehrRekrutierungsplakat der Panzerschule der Kaiserlich Japanischen Armee von 1939Die gegensatzliche Haltung zum Militarismus wird als Antimilitarismus bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen und Modelle 2 Geschichte 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseDefinitionen und Modelle BearbeitenNach dem Politologen und Militarismusforscher Wilfried von Bredow ist der Militarismus den er als die Dominanz des Militars als Organisation in Staat und Gesellschaft bezeichnet und der das Vorherrschen militarisch kriegerischer Denkkategorien in Staat Gesellschaft und Politik beinhaltet von zwei verschiedenen Modellen fur das zivil militarische Verhaltnis abhangig die sich nach der Industriellen Revolution entwickelten 2 nbsp Militarparade 1983 in Moskau zum Jahrestag der Oktoberrevolution nbsp Militarparade zum 75 Jahrestag der Arbeiterpartei in Nordkorea am 10 Oktober 2015Im ersten Modell erhalten die Streitkrafte im gesellschaftlichen Alltagsleben keine ubergrosse Bedeutung bleiben virtuell und erst im Falle einer Bedrohung werden sie aktuell bedeutsam Im militarischen Ernstfall erscheint es den Burgern als patriotische Pflicht die Uniform anzuziehen und ihren Staat zu verteidigen Nach von Bredow kann dieses Modell zu Militarismus fuhren muss aber nicht Im Falle der USA konnte der auf dieses Modell zuruckzufuhrende Waffenkult im Zivilleben als eine Schrumpfform des Militarismus bezeichnet werden Im zweiten Modell stellen die Streitkrafte selbst den Motor der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung Die Streitkrafte gelten als Schule der Nation und greifen auch in sogenannten Friedenszeiten massiv in politische Entscheidungsprozesse ein Militarische Werte und soldatische Verhaltensweisen bestimmen zivile Handlungen und Entscheidungsprozesse Dieses Modell befordert den Militarismus grundsatzlich Als geschichtliches Beispiel hierfur nennt von Bredow den deutschen Militarismus unter Kaiser Wilhelm II vgl auch Unterabschnitt Militar im Artikel Deutsches Kaiserreich Nicht nur aber auch mit Blick auf die nationalsozialistische Gewaltherrschaft charakterisiert Antony Joseph Coates den Militarismus als haufig auftretende Neigung oder eine kulturelle Voreingenommenheit zugunsten des Krieges auf die ein Kriegsfuhrender zuruckgreifen kann 3 In dieser Form verursacht der Militarismus zunachst Kriege und diktiert dann ihre rucksichtslose Durchfuhrung 3 Bei der Entnazifizierung zahlten Militaristen zu den sogenannten Belasteten Art 8 des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus kurz Befreiungsgesetz genannt bzw Art III der Kontrollratsdirektive Nr 38 fur die erhebliche Suhnemassnahmen vorgesehen waren Art 16 des Befreiungsgesetzes bzw Art IX der Kontrollratsdirektive Nr 38 4 5 Dem deutschen Militarhistoriker und Friedensforscher Wolfram Wette zufolge ist ein Kriterium fur einen nicht militaristisch orientierten Staat dass er von seinen Soldaten verlange einem Befehl der ein Vergehen oder Verbrechen beinhalte keinen Gehorsam zu leisten 6 Eine Gehorsamsverweigerung ist beispielsweise gem 22 Abs 1 Satz 1 WStG in Deutschland nicht strafbar wenn durch das Befolgen eines Befehls eine Straftat begangen wurde Geschichte Bearbeiten nbsp Die Pickelhaube gilt als Symbol des preussischen Militarismus nbsp Militargeistliche vereidigen am 23 November 1914 im Lubecker Dom die neuen RekrutenImmer wieder wurden ganze Gesellschaften durch eine lang anhaltende und viele Gesellschaftsbereiche umfassende Militarisierung gepragt z B Sparta Im deutschen Kulturraum bildete der Militarismus vom 18 bis Ende des 20 Jahrhunderts eine bedeutende gesellschaftliche Erscheinung Seit der fruhen Neuzeit kam es durch die Zwangsrekrutierung von Soldnern oder die Militardienstpflicht beim Aufbau stehender Heere in den protestantischen Landern Europas zu einer starken Militarisierung Emmanuel Todd weist darauf hin dass die jungeren Sohne in protestantischen Gesellschaften die nach dem Prinzip der Stammfamilie organisiert waren der alteste Sohn erbt den Hof und wohnt bei den Eltern die jungeren Sohne gehen weitgehend leer aus zu Instrumenten einer wahrhaftigen Militarisierung der Gesellschaft wurden Die in katholischen Landern mogliche Losung des Wechsels in ein Kloster blieb ihnen verschlossen So erreichte das katholische Frankreich zum Hohepunkt der Militarisierung unter Ludwig XIV um 1710 nur eine Heeresstarke von 1 5 der Bevolkerung im protestantischen Preussen 1740 hingegen waren es infolge der Rekrutierung nicht erbender Sohne 3 7 und 1760 7 1 Im protestantischen Schweden standen 1709 sogar 7 7 der Bevolkerung im Militardienst und in Hessen Kassel das seine Soldaten im amerikanischen Unabhangigkeitskrieg an die Briten auslieh erreichte die Militarisierungsquote ebenfalls 7 7 7 England bildete eine Ausnahme unter den protestantischen Staaten Hier herrschte fruh die Kernfamilie vor in der die Landwirte als Pachter nicht an den Boden fixiert waren und der Erbstatus der Kinder nicht festgelegt war und die Rekrutierungsquote erreichte 1710 ihr Maximum mit nur einem Prozent sie sank bis 1783 auf 0 3 ab Auch der Nationalismus eine Begleiterscheinung der Militarisierung sei im Protestantismus angelegt Jedes calvinistische Volk das die Bibel liest halt sich zu irgendeiner Zeit fur ein neues von Gott auserwahltes Israel 8 Spater wurde auch der Lutheranismus zu einem Vehikel der Militarisierung der deutschen Gesellschaft So bemerkte Ernst Troeltsch vor dem Ersten Weltkrieg dass das Luthertum sich verband mit der Reaktion des monarchischen Gedankens des agrarischen Patriarchalismus der militarischen Machtinstinkte und damit der Restauration ideellen und ethischen Ruckhalt gab Es wurde daher von den sozial und politisch reaktionaren Machten mit allen Gewaltmitteln gestutzt heiligte den realistischen Machtsinn und die dem preussischen Militarismus unentbehrlichen ethischen Tugenden des Gehorsams der Pietat und des Autoritatsgefuhls 9 Literatur BearbeitenVolker Berghahn Militarismus Die Geschichte einer internationalen Debatte Militarism Verlag Berg Hamburg 1981 ISBN 3 608 91479 X Wilfried von Bredow Militar und Demokratie in Deutschland Eine Einfuhrung Studienbucher Aussenpolitik und internationale Beziehungen VS Verlag Wiesbaden 2007 ISBN 978 3 531 15712 2 Stig Forster Der doppelte Militarismus Die deutsche Heeresrustungspolitik zwischen Status quo Sicherung und Aggression 1890 1913 Veroffentlichungen des Instituts fur europaische Geschichte Mainz Bd 118 Steiner Stuttgart 1985 ISBN 3 515 04310 1 Tomohide Ito Militarismus des Zivilen in Japan 1937 1940 Diskurse und ihre Auswirkungen auf politische Entscheidungsprozesse Reihe zur Geschichte Asiens Bd 19 Iudicium Verlag Munchen 2019 ISBN 978 3862052202 Wolfgang Kruse Die Erfindung des modernen Militarismus Krieg Militar und burgerliche Gesellschaft im politischen Diskurs der Franzosischen Revolution 1789 1799 Oldenbourg Verlag Munchen 2003 ISBN 3 486 56684 9 zugl Habilitationsschrift Universitat Hagen 2001 Christoph Schubert Weller Kein schonrer Tod Die Militarisierung der mannlichen Jugend und ihr Einsatz im Ersten Weltkrieg 1890 1918 Juventa Verlag Weinheim 1998 ISBN 3 7799 1127 2 Wolfram Wette Hrsg Schule der Gewalt Militarismus in Deutschland 1871 1945 Aufbau Taschenbuch Verlag Berlin 2005 ISBN 3 7466 8124 3 Wolfram Wette Militarismus in Deutschland Geschichte einer kriegerischen Kultur Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2011 ISBN 978 3 596 18149 0 Erstausgabe Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2008 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Militarismus Sammlung von Bildern Videos und 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Todd 2018 S 184 Ernst Troeltsch Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen Tubingen 1912 Nachdruck Aalen 1961 S 603 neu erschienen in Ernst Troeltsch Kritische Gesamtausgabe KGA 9 1 3 hg von F W Graf Berlin 2015 Normdaten Sachbegriff GND 4039356 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Militarismus amp oldid 230615834