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Dieser Artikel behandelt die 1872 bis 1939 erschienene Zeitung Siehe auch Neues Berliner Tageblatt 1875 1877 Das Berliner Tageblatt BT war von 1872 bis 1939 eine uberregionale Tageszeitung im Deutschen Reich Die vollstandige Bezeichnung lautete Berliner Tageblatt und Handelszeitung Von Rudolf Mosse gegrundet richtete sich das Blatt an ein Massenpublikum und entwickelte sich als auflagenstarkste Zeitung im Deutschen Kaiserreich zu einem Leitmedium Wahrend der Weimarer Republik vertrat das Berliner Tageblatt eine linksliberale Linie und wurde als nichtoffizielle Parteizeitung der Deutschen Demokratischen Partei wahrgenommen womit ein deutlicher Ruckgang der Auflage verbunden war 1 2 1933 erfolgte die Gleichschaltung und 1937 zur Abwicklung die Eingliederung in den Deutschen Verlag 3 Die Zeitung besass Redaktionsburos in mehreren Stadten im In und Ausland Der Hauptsitz befand sich im Mossehaus in der Jerusalemer Strasse 46 49 in Berlin Plakatwerbung fur das Berliner Tageblatt inv Ephraim Moses Lilien 1899 Inhaltsverzeichnis 1 Struktur und Inhalte 2 Auflage und Statistik 3 Anfange in der Kaiserzeit 4 Entwicklung in der Weimarer Republik 4 1 Politische Positionierung 4 2 Wirtschaftlicher Zusammenbruch 5 Zeit des Nationalsozialismus 5 1 Entlassung von Theodor Wolff 5 2 Verbot und vorauseilender Gehorsam 5 3 Kalte Arisierung 5 4 Der Frontschwein Artikel 5 5 Aufbruch und Ende 6 Aktuelles zu Markenrechten 7 Chefredakteure 8 Bekannte Autoren Auswahl 9 Siehe auch 10 Weblinks 11 Literatur 12 EinzelnachweiseStruktur und Inhalte Bearbeiten nbsp Innenseite des Berliner Tageblatts vom 13 Januar 1930Das Berliner Tageblatt erschien mit einer Berliner und einer Reichsausgabe wochentlich jeweils zwolfmal Die Woche begann im Hause Mosse immer montags mit einer Abendausgabe eine Morgenausgabe gab es an diesem Tag nicht Dienstags bis sonnabends wurden eine Morgen und eine Abendausgabe ausgeliefert sonntags nur eine Morgenausgabe spater nur noch Sonntagsausgabe genannt Die Satzschrift war bis zum 21 Marz 1927 Fraktur danach Antiqua 4 Wochentags umfasste die Zeitung 16 und sonntags 32 Seiten mit Berichten aus den Bereichen Kultur Politik Wirtschaft und Sport Kennzeichnend fur das aus heutiger Sicht moderne und vielfaltige Blatt waren Sensationsberichte uber Rekorde Unfalle Attentate Verbrechen Feuerbrunste und sonstige Ausnahme Tatbestande Die Titelseite blieb weitestgehend der Politik mit einem kritischen Leitartikel vorbehalten Auf der zweiten Seite ging es weiter mit innenpolitischen und deutschlandweiten Nachrichten Es folgten die Auslandsberichterstattung und ein kurzer Wirtschaftsteil nebst Borsenkursen Dem Feuilleton wurde ein hoher Stellenwert beigemessen Neben Reiseberichten Kurzgeschichten Fortsetzungsromanen Gedichten gab es Bucherempfehlungen Kino Theater und Rundfunk Wochenspielplane sowie Kritiken zu Kunstausstellungen Kino Kabarett Theater und Konzertauffuhrungen Einen konkreten Nutzwert boten Tabellen mit diversen aktuellen Vergleichspreisen fur Brot Milch Briketts und weiteren Artikeln des taglichen Lebensbedarfs Zeit ihres Bestehens enthielt die Zeitung viele Kleinanzeigen und besonders am Wochenende sehr uppige gewerbliche Annoncen 5 Regelmassige Beilagen meist in Heftform waren unter anderen Ulk Illustriertes Sportblatt Technische Rundschau Berliner Stadtblatt expliziter Lokalteil des Berliner Tageblatts Der Weltspiegel Der Frauenspiegel Haus Hof und GartenAuflage und Statistik BearbeitenDas Berliner Tageblatt zahlte zeitweise zu den auflagenstarksten Zeitungen im Deutschen Reich wobei die Angaben in der heute vorliegenden Literatur erheblich voneinander abweichen Hintergrund Eine einheitliche und quartalsbezogene Erhebung gab es noch nicht Kontrollmechanismen wurden erst ab 1933 installiert Nach Eigenangaben des Mosse Konzerns soll die Auflage wahrend der Weimarer Zeit an manchen Sonntagen bei 300 000 gelegen haben Konkret werden beispielsweise fur 1929 werktags 137 000 davon 83 000 Hauptstadtauflage und sonntags 250 000 Exemplare angegeben Diese firmeneigene Statistik zweifelten bereits zu dieser Zeit Werbende und Kreditgeber an Unter den rund 4 700 existierenden Tages und Wochenzeitungen tobte ein aggressiver Kampf um Anzeigenkunden sodass Verleger schon damals die Auflagenhohe wegen des Tausenderkontaktpreises gern nach oben korrigierten In diesem Zusammenhang stellte die Hausbank des Mosse Konzerns 1929 fest dass den 3 2 Millionen Einwohnern in Berlin nur 308 900 Haushalte und 147 in der Reichshauptstadt erscheinende beziehungsweise reichsweit 4 700 Tages und Wochenzeitungen gegenuberstanden 6 7 Unwahrscheinlich sind die Angaben auch deshalb weil oft in den gleichen Zeitraumen Auflagenzahlen fur die Berliner Morgen Zeitung von 150 000 und fur die Berliner Volks Zeitung von 160 000 angegeben wurden die beide ebenfalls im Mosse Konzern erschienen Wird allein noch der Ullstein Verlag berucksichtigt der zeitgleich mit seiner Berliner Morgenpost 623 000 und mit der Berliner Illustrirte Zeitung sage und schreibe 1 952 740 Exemplare erzielt haben will dann kann das Ganze als reductio ad absurdum bezeichnet werden 8 9 Nachweislich erreichte die Auflage des Berliner Tageblatts am Vorabend des Ersten Weltkriegs ihren Hochststand ging ab 1916 zuruck schwankte in der Weimarer Zeit stark und fiel 1932 extrem Als gesichert gelten die Angaben fur folgende Jahre 1906 95 000 Exemplare gemass Meldung an das Kaiserliche Statistische Amt 1914 245 000 Exemplare gemass Meldung an das Kaiserliche Statistische Amt 1919 160 000 Exemplare gemass Meldung an das Statistische Reichsamt 1932 25 000 Exemplare gemass Ermittlung im Zuge der Eroffnung des Konkursverfahrens 1937 56 000 Exemplare gemass Ermittlung des Reichsministeriums fur Volksaufklarung und Propaganda 10 11 Diese Zahlen sprechen dennoch fur die hohe Akzeptanz und Qualitat des Berliner Tageblatts Wegen der grossen Medienvielfalt lag die Auflage der meisten Tageszeitungen zwischen 5 000 und 20 000 Exemplaren 10 Anfange in der Kaiserzeit BearbeitenDas am 1 Januar 1872 gegrundete Berliner Tageblatt bestand anfangs nur aus Anzeigen Um eine grossere Aufmerksamkeit bei den Lesern zu erzielen erganzte Rudolf Mosse sehr bald die Seiten mit redaktionellen Beitragen Erster Chefredakteur war Arthur Levysohn Ihm folgte 1906 Mosses Vetter Theodor Wolff der den Charakter der Zeitung 27 Jahre massgeblich pragte Er war bei personellen Entscheidungen die letzte Instanz trug die Verantwortung fur Gestaltung Gesamtinhalt sowie Themenauswahl und bestimmte die weltanschauliche Ausrichtung Das Berliner Tageblatt trug ausgepragte Zuge eines Familienunternehmens In den Redaktionsburos im In und Ausland waren samtliche Fuhrungspositionen mit nahen Verwandten von Rudolf Mosse besetzt Zeitweise beschaftigte der Verlag uber 4 000 Mitarbeiter von denen ein hoher Anteil der judischen Glaubensgemeinschaft angehorte 12 Diese Wurzeln spiegelten sich in der Zeitung nur bedingt wider Wenn es um explizit judische Themen ging wurden diese in Reaktion auf aktuelle Ereignisse diskutiert und nicht aus einer aktiv propagierten ideologisch motivierten Haltung heraus 13 Politisch hatte das Blatt in der Kaiserzeit eine liberale Ausrichtung wobei zu Lebzeiten Mosses auf eine gewisse Neutralitat beziehungsweise parteiliche Ausgewogenheit bei politischen Themen geachtet wurde Grundsatzlich gab das Berliner Tageblatt in den ersten vier Jahrzehnten ihres Bestehens einen Sachverhalt nicht als Kommentar sondern als Bericht oder Nachricht wieder 14 Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellten die Redakteure in ihrer Berichterstattung vorubergehend innenpolitische Auseinandersetzungen komplett zuruck Mit zunehmender Dauer des Krieges und dem ausbleibenden Sieg begann die Bereitschaft der auferlegten Zuruckhaltung zu brockeln Versorgungsmangel sowie Kriegsmudigkeit fuhrten im zweiten Kriegsjahr zu ersten wilden Streiks und Demonstrationen Das Ende des politischen Burgfriedens kam im Sommer 1916 Als erste Zeitung thematisierte das Berliner Tageblatt die Kriegszielfrage offentlich Daraufhin wurde die Ausgabe vom 28 Juni 1916 beschlagnahmt und die Auslieferung der Zeitung vom 1 bis 7 August 1916 verboten 15 Fur Wolff war damit bis Kriegsende die Veroffentlichung von Exklusivberichten ausserst muhselig Reichskanzler Bernhard von Bulow verweigerte dem Blatt generell Interviews und Theobald von Bethmann Hollweg untersagte allen Regierungsstellen jegliche Zusammenarbeit mit den Redakteuren des Berliner Tageblatts 16 Entwicklung in der Weimarer Republik BearbeitenPolitische Positionierung Bearbeiten Im Zuge der Novemberrevolution positionierte sich das Blatt als ein Verfechter der Radikaldemokratie mit stark linksliberalen Tendenzen Am 14 November 1918 erschien unter dem Titel Volksstaat oder verkehrter Obrigkeitsstaat ein Gastbeitrag von Hugo Preuss in dem auf die Legitimitats und Demokratiedefizite der Revolutionsregierung und auf die Dringlichkeit der Einberufung einer auf soziale und liberale Reformen hinarbeitenden Nationalversammlung hingewiesen wurde einen Tag spater berief Friedrich Ebert Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten aufgrund dieses kritischen Artikels Preuss in das Amt des Staatssekretars im Reichsamt des Innern um durch ihn die Regierungsvorlage eines Entwurfes fur eine neue republikanische Verfassung erarbeiten zu lassen 17 Am 16 November 1918 erschien in der Morgenausgabe unter der Uberschrift Die grosse demokratische Partei ein von Theodor Wolff verfasster und von 60 weiteren Personen unterzeichneter Aufruf zur Grundung der Deutschen Demokratischen Partei DDP Das Berliner Tageblatt stand in der Folgezeit dieser Partei sehr nahe lehnte den Sozialismus sowie einen ubersteigerten Wohlfahrtstaat ab und trat fur eine individuelle Freiheit der Menschen ein 18 Damit praktizierte die Redaktion fortan einen klar erkennbaren Meinungsjournalismus nbsp Rudolf Mosse um 1916Der Grundungsausruf trug auch die Unterschrift des 78 jahrigen Rudolf Mosse der einerseits stets die Hand uber Theodor Wolff gehalten andererseits eine zu starke und vor allem einseitige Politisierung in seinen Zeitungen immer abgelehnt hatte 19 Weil sich das Berliner Tageblatt gegen Kommunismus und gegen eine Raterepublik aussprach wurde am 5 Januar 1919 die Redaktion fur eine Woche von bewaffneten Spartakisten besetzt und das Mossehaus durch den Einsatz von Artillerie Handgranaten und Maschinengewehren stark beschadigt 20 nbsp Theodor Wolff um 1901Als Mosse am 8 September 1920 auf Schloss Schenkendorf starb hinterliess er einen millionenschweren und schuldenfreien Konzern Zum Nachfolger hatte er seinen Schwiegersohn Hans Lachmann Mosse bestimmt Der betriebswirtschaftlich orientierte Finanzfachmann ubernahm damit die verlegerische Leitung eines der grossten deutschen Zeitungsverlage Seinem Chefredakteur hatte Mosse testamentarisch neben der vollstandigen personellen sowie inhaltlichen Verantwortung nun auch 50 Mitspracherechte bei der kaufmannischen Leitung eingeraumt der diesen Einfluss sowohl beim Berliner Tageblatts als auch bei der Berliner Volks Zeitung und der Berliner Tages Zeitung kunftig ausubte Spannungen zwischen Wolff und dem 17 Jahre jungeren Lachmann Mosse waren damit vorprogrammiert 21 Wolff der aus heutiger Sicht unbestritten zu den besten Journalisten seiner Zeit zahlte entwickelte sich immer mehr zu einem Politiker Er forderte wiederholt im Berliner Tageblatt den Versailler Vertrag nicht zu unterzeichnen Zur Kriegsschuldfrage veroffentlichte er zwei Bucher in welchen er sich gegen die Alleinverantwortungsthese stellte 22 In mehreren Artikeln bekampfte Wolff demokratisch gewahlte Kabinette in denen die DDP nicht vertreten war und forcierte offen deren Prinzip der Privatwirtschaft Fur seine Partei reiste er als offizieller Vertreter zu verschiedenen Konferenzen ins Ausland und setzte sich mit Vehemenz fur das demokratisch parlamentarische Regierungssystem ein 1920 wollte ihn Hermann Muller zum Botschafter in Paris machen was Wolff ablehnte 23 Seine fehlende Neutralitat in den Leitartikeln stiess bei Lachmann Mosse zunehmend auf Kritik der bei einer politisch immer weiter auseinanderklaffenden Leserschaft einen Auflagenruckgang voraussah Tatsachlich verlor die DDP schon ab 1920 in grossem Masse Stimmen an die DVP und DNVP da innerhalb der Partei Uneinigkeit bei der Reparationsfrage bestand Zudem entstand in der Offentlichkeit das Bild dass die DDP eine Partei des Hochkapitals sei 24 Am 4 Dezember 1926 trat Wolff aus der DDP aus Anlass war die Zustimmung seiner Partei bei der Verabschiedung des sogenannten Schmutz und Schundgesetzes Neu war diese Rechtsnorm nicht zur Durchsetzung erfolgte nun in Berlin und Munchen die Installation spezieller Zensurbehorden Wegen Koppelgeschaften der Verbreitung von Schleichwerbung Schwindelanzeigen sowie jugendgefahrdender Inserate war das Berliner Tageblatt bereits mehrfach abgemahnt und Ausgaben beispielsweise vom 7 bis 14 Oktober 1920 1 bis 12 Juli 1922 10 bis 16 November 1923 verboten worden Das Haus Mosse zeigte sich bei Anzeigenkunden nie wahlerisch Schmutz und Schwindelinserate bildeten einen nicht unerheblichen Teil des Annoncengeschafts Darunter fielen unter anderem Engelmacherei Wunderheilungen Pornografie falsche Preisangaben aber auch Inserate frivoler Kabarett Kino oder Theaterveranstaltungen Koppelgeschafte waren branchenublich je ofter beispielsweise ein Theater inserierte umso besser fielen die Kritiken aus 25 26 Trotz seines Austritts blieb Wolff seiner politischen Linie treu In den folgenden Jahren entwickelte sich das Berliner Tageblatt zur Speerspitze der liberalen Demokratie Allein das Politikressort bestand aus einem 90 kopfigen Stab mit Redakteuren Leitartiklern Auslandskorrespondenten die sich selbst als Kerntruppe der Republik bezeichneten 27 Spater wurde seine Agitation differenzierter beurteilt Er bekampfte Linke Rechte Konservative aber auch Angehorige demokratischer Parteien Seine Methoden gingen weit uber Verbalattacken hinaus So stiess die Grundung der Republikanischen Partei Deutschlands RPD bei Wolff auf derartig entschiedenen Widerstand dass er unter anderem die Entlassung von Carl von Ossietzky veranlasste der als Redakteur bei der zum Mosse Konzern gehorenden Berliner Volks Zeitung beschaftigt und Grundungsmitglied der RPD war 28 Ahnlich erging es dem Sozialdemokraten Kurt Tucholsky der in einem abschatzigen Ruckblick Theodor Wolff als einen herablassenden etwas dummlichen Mann mit angeblich so liberalen aber einseitigen Prinzipien beschrieb 29 30 Wirtschaftlicher Zusammenbruch Bearbeiten nbsp Das Mossehaus 1923 im Berliner ZeitungsviertelIm Zuge der Hyperinflation 1922 23 verlor der Konzern den grossten Teil seines Umlaufvermogens konnte jedoch seinen Immobilienbesitz im In und Ausland retten Ohnehin hatte die Familie ihr immenses Privatvermogen bei einer Basler Bank des SBV in Schweizer Franken angelegt Aufgrund der Inflationserfahrungen erwarb Lachmann Mosse ab 1926 mittels Eigen und Fremdkapital eine grosse Anzahl von Grundstucken sowie Immobilien Ganze Hauserzeilen in Berlin am Hohenzollerndamm Lehniner Platz Kurfurstendamm und in der Cicerostrasse gehorten bald dem Mosse Verlag Parallel erweiterte er mit hohen Summen die Kunstsammlung im Mosse Palais investierte in Musikverlage grundete im Ausland weitere Annoncen Expeditionen und kaufte eine Vielzahl von Zeitungen auf 31 Sowohl die Dresdner Bank als Hausbank der Rudolf Mosse OHG gewahrte Kredite in Millionenhohe wie die Deutsche Bank die Danat Bank und Schweizer Banken Speziell der Erwerb weiterer Printmedien erwies sich als unternehmerische Fehlentscheidung weil er damit seinen bisherigen Publikationserzeugnissen eigene Konkurrenz verschaffte Vor allem mit dem Berliner Tageblatt konnten ab 1926 nur noch Verluste erwirtschaftet werden dessen Anzeigeneinnahmen 1913 bei 2 1 Millionen Mark 1928 bei 705 000 Mark und 1930 bei 304 000 Mark lagen Genauso fiel die Auflage der Zeitung 32 nbsp Der Leipziger Platz in den 1920er Jahren ganz links das Mosse PalaisVon den Auflageruckgangen der Mosse Zeitungen profitierte am meisten der Ullstein Verlag Dort praktizierten die Redakteure bis zum Ende der Weimarer Republik einen ausgesprochenen interpretativen Journalismus bei welchem auf Neutralitat und politische Ausgewogenheit geachtet wurde Scharenweise wechselten Leser und Anzeigenkunden aus dem Hause Mosse insbesondere zur Berliner Morgenpost Aufgrund der unparteiischen Berichterstattung entwickelte sich die Berliner Morgenpost mit einer exorbitanten Auflage von nachweislich 614 680 Exemplaren ab 1929 zur auflagenstarksten Zeitung in der Weimarer Republik 33 34 35 Fur den Ruckgang machte Lachmann Mosse Theodor Wolff verantwortlich Ganz unberechtigt war der Vorwurf nicht Speziell der Belehrungston stiess bei vielen Lesern auf immer weniger Akzeptanz Wolff ging jedoch keinen Schritt von der Politisierung des Blattes zuruck Immer mehr verschloss er die Augen vor den wahren Zustanden in der Weimarer Republik und den Bedurfnissen sowie Problemen seiner Leserschaft 35 Dies gipfelte in propagierten Programmen des Sozialen Kapitalismus in denen Arbeiter und Unternehmer sich gegenseitig Pflicht Recht Leistung und Gewinn anerkennen sollten Diese visionaren Vorstellungen waren bei steigender Arbeitslosigkeit Kurzung von Sozialleistungen Steuererhohungen sowie unter dem Druck der Reparationslasten vollig realitatsfremd 36 Dementsprechend erreichten die Linksliberalen gegen Ende der Weimarer Republik bei Wahlen nur noch etwa ein Prozent und sanken zur Bedeutungslosigkeit herab 37 Als erster Glaubiger gab im November 1927 die Deutsche Bank ihre Mehrheitsbeteiligung an der Rudolf Mosse OHG ab Zu dieser Zeit waren bereits alle Immobilien im In und Ausland mit Hypotheken belastet Die Hausbank des Verlags wies ab Januar 1928 auf eine bevorstehende Zahlungsunfahigkeit hin was die Geschaftsleitung ignorierte Im Fruhjahr 1928 hatte ein geordnetes Insolvenzverfahren zumindest Teile des Mosse Konzern retten konnen mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 war dies nicht mehr moglich Alle auslandischen Banken zogen Geld aus Deutschland ab und bestanden auf umgehender Ruckzahlung der Kredite Von ungeheurer Signalwirkung war im Dezember 1930 die Kundigung des Chef Justiziars und Prokuristen Martin Carbe Er wechselte zum Ullstein Verlag was ein unglaubliches Ereignis in der gesamten Presselandschaft darstellte Tatsachlich verschleppte die Mosse Konzernleitung den Konkurs bis zum Herbst 1932 38 Hierfur trug Lachmann Mosse die Verantwortung aber speziell fur das Berliner Tageblatt Theodor Wolff der zur Halfte Mitbestimmungsrechte und pflichten besass Ausserdem war es das Berliner Tageblatt welches die grossten Verluste einfuhr 39 Lachmann Mosse forderte unnachgiebig inhaltliche Anderungen der Zeitung sowie eine Reduzierung der politischen Redakteure Es folgten rabiate Einsparungen Honorarkurzungen Schliessung von Agenturen im In und Ausland Wegfall von Beilagen und Farbdrucken sowie Seitenanzahl Dezimierungen zerstorten das Vertrauen der Redaktionen in den Betrieb Viele junge und gute Journalisten kundigten von sich aus Als Entlassungen altgedienter Mitarbeiter anstanden ergriff die Belegschaft Streikmassnahmen 40 Der okonomische Zusammenbruch des einst grossten deutschen Pressekonzerns vollzog sich 1932 Uber 3 000 Arbeitsplatze standen auf dem Spiel Wolff dem jegliches betriebswirtschaftliches Verstandnis fehlte fuhrte einen langst verlorenen Kampf Mit Lachmann Mosse sprach er nicht mehr und schrieb ihm Ich weiss dass Sie gerade der Politik wenig Interesse entgegenbringen aber sie ist das Ruckgrat des Blattes Das Publikum ist ubermassig politisch geworden Selbst wenn meine Redakteure noch Mehrbelastung auf sich nahmen ware der Schaden ausserordentlich Denn jeden Tag den das Blatt nicht voller Kampfeskraft erscheint verliert es an Gewicht und politischer Bedeutung 41 Dass der Auflagenruckgang ein Indiz dafur war dass reichsweit kaum noch jemand das Berliner Tageblatt lesen wollte nahm Wolff nicht zur Kenntnis Am 13 September 1932 erfolgte die Eroffnung des Konkursverfahrens Rund 8 000 Glaubiger meldeten ihre Anspruche an 42 Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenEntlassung von Theodor Wolff Bearbeiten Grundsatzlich war der sechzigjahrige Theodor Wolff unkundbar Zwar drohte er selbst wiederholt mit Amtsniederlegung kampfte aber in Wirklichkeit um seinen Machterhalt Wolffs Rucktrittsgeruchte verursachten nicht nur innerhalb der Belegschaft eine grosse Unsicherheit er machte diese sogar in Zeitungsartikeln zum offentlichen Thema sodass die Schwierigkeiten des Verlags kein Geheimnis im politischen Berlin blieben 43 Nach der Reichstagswahl im Juni 1932 ergriff Lachmann Mosse die Initiative und veranlasste in allen Mosse Zeitungen neutralere Tone Victor Klemperer vermerkte in seinem Tagebuch am 30 Januar 1933 dass auch das Berliner Tageblatt ganz zahm geworden sei 44 Artikel verfasste Wolff nach dem Regierungswechsel nur noch wenige Sein einspaltiger Leitartikel am 31 Januar 1933 trug die Uberschrift Es ist erreicht und enthielt die Namen der neuen Kabinettsmitglieder nebst zuruckhaltender Kommentare uber die Erfolgsaussichten der Hitlerregierung Die Ereignisse um den Reichstagsbrand wurden im Berliner Tageblatt gleichfalls sachlich dargestellt ohne Mitwirkung von Theodor Wolff Tatsachlich hatte er in der Nacht vom 27 zum 28 Februar Berlin in Richtung Munchen verlassen Am 3 Marz 1933 kehrte er zuruck und erhielt sofort bei Ankunft im Mossehaus seine Kundigung 45 Die Entlassung erfolgte nicht auf Veranlassung der neuen Machthaber Lachmann Mosse zog damit den Schlussstrich unter die Auseinandersetzung die er mit Wolff seit 1928 gefuhrt hatte Bei der Amtsenthebung teilte ihm Lachmann Mosse mit Fur unabsehbare Zeit wird sich das Berliner Tageblatt innenpolitisch im Wesentlichen neutral auf die Bearbeitung der grossen wirtschaftlichen und aussenpolitischen Fragen konzentrieren Aber wahre Demokratie und Gerechtigkeit verlangen dass positive Leistungen des Staates auch dann wenn dieser Staat eine wesentlich andere Gestalt angenommen hat sachliche Anerkennung erfahren 46 Der letzte Leitartikel von Theodor Wolff behandelte die bevorstehende Reichstagswahl am 5 Marz 1933 Der bereits in Munchen entworfene Artikel erschien zwei Tage nach seiner Entlassung Anhand dieser nach der Kundigung erfolgten Veroffentlichung wird seine Machtfulle sowie Mitverantwortung an der Orientierungslosigkeit der Fuhrungskrafte und Mitarbeiter deutlich Der Belegschaft fehlte zu diesem Zeitpunkt jegliche Kenntnis wer das Berliner Tageblatt uberhaupt fuhrte 46 Am 5 Marz 1933 gab Wolff in einem Wahllokal in unmittelbarer Nahe seines Hauses am Hohenzollerndamm seine Stimme zur Reichstagswahl ab und verliess Berlin mit dem Abendzug wieder nach Munchen Am 9 Marz ging er mit seiner Familie mit Zwischenaufenthalten in Osterreich und der Schweiz nach Sudfrankreich ins Exil Er schrieb nochmals mehrere Briefe an Lachmann Mosse in welchen er darauf bestand weiterhin als Chefredakteur im Berliner Tageblatt genannt zu werden Tatsachlich wurde sein Name erst am 21 Marz 1933 nicht mehr im Impressum aufgefuhrt 46 Aufgrund unterschiedlicher Darstellungen in der Gegenwartsliteratur muss ausdrucklich darauf hingewiesen werden dass Wolff nach dem 5 Marz 1933 beim Berliner Tageblatt in keiner Weise mehr redaktionell involviert gewesen ist Verbot und vorauseilender Gehorsam Bearbeiten Mit der Uberschrift Marz 1933 Die Untaten der alten die Versprechen der neuen Regierung und aufgrund der Spaltenbreite klein darunter in Mandschukuo sollte am 10 Marz 1933 auf der Titelseite ein von Wolfgang Bretholz verfasster Artikel uber die Vorfalle in der Mandschurei erscheinen Weil die Headline missverstanden werden konnte liess Walter Haupt der seit dem 13 September 1932 als Insolvenzverwalter des Verlags eingesetzt war die bereits sich im Druck befindende Auflage stoppen und legte die Ausgabe zur Prufung der Zensurbehorde vor 47 Diese betrachtete die Schlagzeile tatsachlich als Provokation und verhangte auf Grundlage der im Februar 1933 erlassenen Verordnungen des Reichsprasidenten zum Schutz von Volk und Staat ein Verbot der Zeitung vom 10 bis zum 13 Marz 1933 Alle anderen Mosse Zeitungen waren davon nicht betroffen 48 Als Joseph Goebbels am 11 Marz von der Angelegenheit erfuhr liess er mit sofortiger Wirkung das Verbot aufheben und das Berliner Tageblatt konnte am 12 Marz wieder erscheinen mit dem Artikel und der Uberschrift Allerdings interessierte sich Goebbels nunmehr fur die anarchistischen von wilden Streiks begleiteten Zustande im Hause Mosse Am 21 Marz 1933 setzte er fur mehrere Tage den SA Sturmbannfuhrer Wilhelm Ohst als Aufpasser an den Rotationsdruckmaschinen ein was bei der Belegschaft fur noch mehr Unruhe sorgte 48 Die spatere von einigen Autoren aufgestellte Behauptung Lachmann Mosse habe nach diesem Verbot zur Anbiederung an die Nationalsozialisten besonders viele Juden entlassen entspricht nicht der Realitat 49 Eigens die von Alfred Kerr im Exil kolportierten Anekdoten wonach nicht nur Kundigungen sondern auch Zensurmassnahmen der Entjudung dienten bezeichnet die Historikerin Elisabeth Kraus als unwissenschaftliche Verleumdung massgeblich gegenuber der Familie Mosse Vielmehr begann die Kundigungswelle im Herbst 1932 und betraf angesichts des hohen Anteils von judischen Mitarbeitern beim Berliner Tageblatt logischerweise viele Juden 50 Im Ubrigen war das Berliner Tageblatt nach Hitlers Machtergreifung nicht die einzige und nicht die erste sanktionierte burgerliche Zeitung Beispielsweise wurden schon am 18 Februar 1933 die katholisch konservative Germania sowie die Markische Volkszeitung fur zwei Tage verboten ganz abgesehen von kommunistischen Parteiblattern 51 Kalte Arisierung Bearbeiten Trotz aller gebotenen Vorsicht hat nach Ansicht verschiedener Historiker eine Arisierung und Enteignung des Mosse Konzerns nicht stattgefunden Wenn uberhaupt dann konne von einer Kalten Arisierung gesprochen werden 52 53 Fest steht dass die Nationalsozialisten ein hoch verschuldetes Unternehmen mit 3 000 gefahrdeten Arbeitsplatzen nicht bezahlten Gehaltern ausstehenden Sozialversicherungsbeitragen offenen Rechnungen sowie einer nicht mehr anwesenden Chefredaktion und Geschaftsleitung ubernahmen 54 Hans Lachmann Mosse floh am 1 April 1933 nach Paris und veranlasste von dort aus die Umwandlung des Konzerns in eine Stiftung zum 15 April 1933 Am gleichen Tag stellte die Rudolf Mosse OHG samtliche Zahlungen ein Bezuglich des Zwecks der Stiftung teilte er dem Konkursverwalter schriftlich mit Ich will von nix profitieren Alle Fruchte die der Baum noch tragt sollen den hungernden Kriegsopfern Erster Weltkrieg gehoren 55 Walter Haupt gab sich mit dieser vaterlandischen Erklarung der neu gegrundeten Stiftung nicht zufrieden 56 Weil er im Unternehmen keinen verantwortlichen Ansprechpartner mehr hatte und bei mehreren Banken die Unterschrift des Firmeninhabers benotigte forderte er von Lachmann Mosse konkrete Nachfolgeregelungen Der ausserte sich dazu nicht Am 12 Juli 1933 erfolgte auch bei der Stiftung der endgultige Zahlungstopp 57 Getreu dem schon seit 1914 so bezeichneten Too big to fail Phanomen gaben Joseph Goebbels und Hermann Goring an den Verlag wegen der vielen Arbeitsplatze nicht zerschlagen zu wollen Insbesondere das Berliner Tageblatt sollte erhalten bleiben In Paris erreichte Lachmann Mosse ein Angebot Gorings die Zeitung als Geschaftsfuhrer weiterzuleiten Dafur wurde ihm sogar eine Ehrenarierschaft in Aussicht gestellt Theodor Wolff der sich zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz aufhielt bekam die gleiche Offerte Beide lehnten das Angebot ab 58 Zum Insolvenzverwalter wurde nun Max Winkler bestimmt der als Krisenmanager und graue Eminenz der deutschen Presse den Nationalsozialisten ebenso bereitwillig wie fruheren Kabinetten zu Diensten stand 59 Winkler sah keine Moglichkeiten den Verlag wirtschaftlich fortzufuhren Erst auf mehrfaches Drangen von Goebbels stimmte er einer Sanierung uber Auffanggesellschaften zu Die Reichsregierung veranlasste am 23 Dezember 1933 ein Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses und stellte zur Befriedung der Glaubiger 30 Millionen Mark aus Steuermitteln zur Verfugung 60 Diese Summe entsprache heute einer Kaufkraft von rund 2 Milliarden Euro 61 Die Anspruche konnten nur zu einem Bruchteil befriedigt werden Viele kleine Glaubiger allen voran die Handwerker vom WOGA Komplex am Lehniner Platz gingen leer aus Die gerichtliche Klarung zog sich in einigen Fallen bis in die Nachkriegszeit 62 Der Frontschwein Artikel Bearbeiten In die deutsche Pressegeschichte ging der als Frontschwein Artikel bezeichnete Leitartikel ein welcher am 4 April 1933 mit der Uberschrift Klarheit im Berliner Tageblatt erschien Darin rief Wolffs langjahriger politischer Mitarbeiter Karl Vetter dazu auf die Spannungen des Regierungswechsels zu uberwinden Er fuhr fort dass er den Gottern und Gotzen einer Zeit die gewesen ist keine Trane nachweine Er habe als Frontschwein trotz fehlender Hurra Psychose seine Heimat mit derselben Pflichttreue wie jeder deutsche Soldat verteidigt Er appellierte in Erinnerung an Otto von Bismarck dass jetzt auch Adolf Hitler den Besiegten die Hand reichen solle Er warf der Weimarer Republik vor zu glauben mit einer abgekampften Generation von Parteiunteroffizieren das neue Deutschland gestalten zu konnen Vetter rief dazu auf dem Gegner von gestern nicht die Feindschaft von morgen anzusagen Zu den Juden gewandt schrieb er dass das Ausland diesen keinen Dienst erweisen wurde wenn sie als alte Anklageweiber herumlaufen Auf dem Wege in die Zukunft solle kein staatsbewusster Deutscher ausgeschlossen werden die aufbauwilligen Krafte brauchen jetzt den inneren Frieden im Lande Er bekannte sich im Namen der Redaktion zu den schicksalsgewaltigen Ereignissen dieser Tage und schrieb als Abschlusssatz Das Berliner Tageblatt respektiere den Volkswillen vor aller Welt 63 Vetter war nicht in der Position uber die Veroffentlichung des Artikels allein zu entscheiden Der Frontschwein Artikel war ein offener Bruch der Redaktion zur republikanischen Vergangenheit des Berliner Tageblatts und wurde nicht nur von Journalisten vielfach als Unterwerfung betrachtet Mit diesem Artikel haben sich die Redakteure nicht nur offentlich zum neuen System bekannt sondern als erste Zeitung gegenuber der neuen Macht von selbst gleichgeschaltet 63 Aufbruch und Ende Bearbeiten Im April 1934 setzte die Reichspressekammer Paul Scheffer als neuen Hauptschriftleiter ein Der selbstbewusste weitgereiste gebildete und finanziell unabhangige Scheffer arbeitete seit 1919 fur das Berliner Tageblatt als Korrespondent im Fernen Osten den USA in Italien Grossbritannien und Sowjetrussland Im Juli 1933 hatte er schon die Leitung des aussenpolitischen Ressorts ubertragen bekommen Goebbels der wiederholt die Eintonigkeit der deutschen Presse kritisierte wollte das Berliner Tageblatt als deutsches Weltblatt aufbauen Dafur sicherte er dem neuen Chefredakteur freie Hand bei der inhaltlichen Gestaltung zu 64 Mit viel Energie machte sich Scheffer daran das Berliner Tageblatt vor dem volligen Absinken in die journalistische Bedeutungslosigkeit zu bewahren Es gelang ihm die Auflage zu stabilisieren und deutlich zu steigern Scheffers Leitartikel und Berichte zeigten eine sachliche Brillanz und Schlagkraft die vollig im Gegensatz zum Belehrungston anderer Zeitungen standen 65 Einen hohen Stellenwert mass er Auslandsreportagen bei die fast schon literarische Qualitat besassen Dafur schickte Scheffer junge Journalisten auf wochenlange Reisen in fur viele Leser damals unbekannte und exotische Lander Zu nennen sind besonders Margret Boveri die im Auftrag der Zeitung in Malta Marokko Algerien Tunesien Agypten sowie im Sudan unterwegs war und im Kaiserreich Abessinien ein von der Auslandspresse viel beachtetes Interview mit Haile Selassie fuhrte oder Herbert Ihering der fur exklusive Filmrezensionen nach Indien Sudamerika und Hollywood flog 66 In seinen Artikeln sprach Scheffer stets von Herrn Hitler statt vom Fuhrer oder Kanzler Auf einer Pressekonferenz des Propagandaministeriums kam es 1935 zum ersten Eklat Scheffer hatte in einem Leitartikel geschrieben dass die Volker mit intakten Religionsgemeinschaften wie es sie beispielsweise in Italien und England gibt den anderen Nationen an seelischer Spannkraft uberlegen sind Deutschland hingegen fehle die regulare Verbindlichkeit 67 Alfred Ingemar Berndt der Sprecher des Propagandaministers schrie Scheffer an ob er denn nicht Alfred Rosenbergs ersten Band Mythus des 20 Jahrhunderts kenne Zum Schrecken der Konferenzteilnehmer verbat sich Scheffer nicht nur den schroffen Ton sondern setzte mit schneidender Ironie hinzu Im Ubrigen nehme ich zur Kenntnis dass Deutschland jetzt eine Religion besitzt von der der erste Band bereits erschienen ist 67 Mit dem Vierjahresplan anderten sich ab 1936 Gorings und Goebbels Ziele Im Vordergrund stand nunmehr die Optimierung von Ressourcen unter anderem mittels Lenkung des Arbeitskrafteeinsatzes der Papier und Rohstoffkontingentierung und damit verbunden eine Reduzierung der Presseerzeugnisse Insgesamt sank die Zahl der Zeitungen bis 1937 auf 2 500 und bis 1944 auf 977 68 Wie alle Zeitungen musste ab 1936 auch das Berliner Tageblatt verschiedene Auflagen von Lenkungsinstanzen erfullen Scheffer der stets bemuht war dem Blatt seine Unabhangigkeit zu bewahren gab schliesslich entnervt auf und verliess Ende 1936 Deutschland Er bereiste fur zwei Jahre Sudostasien arbeitete anschliessend fur deutsche Zeitungen in New York als Auslandskorrespondent und liess sich 1942 nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten als freier Journalist endgultig in den USA nieder 69 Als neuen Chefredakteur setzte Goebbels den uberzeugten Nationalsozialisten Erich Schwarzer ein der ab August 1937 gleichzeitig die Kreuzzeitung als Hauptschriftfuhrer leitete Auf die neuen Tone die Schwarzer anschlug reagierten die meisten Redaktionsmitglieder teils mit Kundigung teils mit einer Art von Dienst nach Vorschrift 70 Einige fanden spater Arbeit bei der Wochenzeitschrift Das Reich Letzter Chefredakteur wurde im Mai 1938 Eugen Mundler der die Aufgabe zur Abwicklung der Zeitung ubernommen hatte Das Berliner Tageblatt erschien unter seiner Regie vollstandig mit dem Text der Kreuzzeitung bei der Mundler ebenfalls als Chefredakteur eingesetzt war Beide Zeitungen wurden letztmals am 31 Januar 1939 ausgeliefert 71 Aktuelles zu Markenrechten BearbeitenAm 31 Juli 2007 wurde beim Deutschen Patent und Markenamt die Wort Bildmarke Berliner Tageblatt 72 gesichert Die Markeninhaberin hat ihren Sitz in Moskau Russland Genutzt wird die Marke fur eine deutschsprachige Onlinezeitung mit Sitz in Tiraspol 73 Chefredakteure BearbeitenArthur Levysohn 1876 1906 Theodor Wolff 1906 1933 Paul Scheffer 1934 1936 Erich Schwarzer 1936 1938 Eugen Mundler 1938 1939 Bekannte Autoren Auswahl BearbeitenVictor Auburtin Margret Boveri Wolfgang Bretholz Friedrich Dernburg Anton Dietzenschmidt Hedwig Dohm Erich Dombrowski 1916 1926 Leiter des innenpolitischen Ressorts und stellvertretender Chefredakteur Alfred Einstein Julie Elias 1915 1918 Modekolumnistin Fritz Engel 1890 1933 Theaterkritiker Erich Everth Paul Fechter Ernst Feder Otto Flake Hans Joachim Flechtner Alfred Frankenfeld Lieselotte Friedlaender Fred Hildenbrandt Heinrich Eduard Jacob Max Jordan Isidor Kastan Erich Kastner Alfred Kerr 1919 1933 Theaterkritiker Egon Erwin Kisch Karl Korn Maximilian Muller Jabusch Rudolf Olden Felix Pinner 1910 1933 Leiter des Handelteils Paul Schlenther 1910 1916 Theaterkritiker Leopold Schmidt Josef Schwab Fritz Stahl Kurt von Stutterheim Peter Suhrkamp Frank Thiess Gabriele Tergit 1924 1933 Gerichtsreporterin Kurt Tucholsky Robert WalserSiehe auch BearbeitenPressegeschichteWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Berliner Tageblatt Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ausgaben des Berliner Tageblatts 1879 1928 Staatsbibliothek Berlin ab 1877 und bis 1939 nur einzelne Ausgaben bzw Beilagen Abruf 15 Januar 2022 Ausgaben des Berliner Tageblatts 1878 1929 The european library direkter Link zeigt zurzeit auf die Hauptseite 15 Januar 2022 Literatur von und uber Berliner Tageblatt im Katalog der Deutschen NationalbibliothekLiteratur BearbeitenRedaktion des Berliner Tageblatts Funfundzwanzig Jahre Deutscher Zeitgeschichte 1872 1897 Jubilaums Schrift Mosse Verlag 1897 Margret Boveri Wir lugen alle Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler Walter Verlag 1965 Gotthart Schwarz Berliner Tageblatt 1872 1939 In Heinz Dietrich Fischer Hrsg Deutsche Zeitungen des 17 20 Jahrhunderts Publizistik historische Beitrage Band 2 Pullach bei Munchen 1972 ISBN 3 7940 3602 6 Walther G Oschilewski Zeitungen in Berlin Im Spiegel der Jahrhunderte Haude amp Spener 1975 Peter de Mendelssohn Zeitungsstadt Berlin Menschen und Machte in der Geschichte der deutschen Presse Ullstein 1982 ISBN 3 550 07496 4 Karl Schottenloher Flugblatt und Zeitung Ein Wegweiser durch das gedruckte Tagesschrifttum Band 1 Von den Anfangen bis 1848 Schmidt 1922 Neuauflage J Binkowski bei Klinkhardt und Biermann 1985 ISBN 3 7814 0228 2 Elisabeth Kraus Die Familie Mosse deutsch judisches Burgertum im 19 und 20 Jahrhundert C H Beck 1999 ISBN 3 406 44694 9 Arnulf Kutsch Johannes Weber 350 Jahre Tageszeitung Forschungen und Dokumente Edition Lumiere 2002 ISBN 3 934686 06 0 Siegfried Jacobsohn Kurt Tucholsky Dem siebzigjahrigen Mosse In Siegfried Jacobsohn Gesammelte Schriften Band 2 Schrei nach dem Zensor 1909 1915 Veroffentlichungen der Deutschen Akademie fur Sprache und Dichtung Band 85 Wallstein Verlag 2005 ISBN 3 89244 672 5 Karsten Schilling Das zerstorte Erbe Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait Dissertation BoD Norderstedt 2011 Einzelnachweise Bearbeiten Detlef Lehnert Die Erfolgsspirale der Ungleichzeitigkeit Bewertungsmuster der NSDAP Wahlergebnisse in der Berliner und Wiener Tagespresse Springer Verlag 2013 S 30 Rudiger Graf Die Zukunft der Weimarer Republik Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918 1933 Oldenbourg Verlag 2008 S 48 49 Karsten Schilling Das zerstorte Erbe Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait Dissertation BoD Norderstedt 2011 S 214 f Gotthart Schwarz Berliner Tageblatt 1872 1939 In Heinz Dietrich Fischer Hrsg Deutsche Zeitungen des 17 20 Jahrhunderts Fischer 1972 S 315 327 Karsten Schilling Das zerstorte Erbe Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait BoD Norderstedt 2011 S 224 f Sabine Rennefanz Die Auflagenzahlen der IVW sind nicht immer exakt In Berliner Zeitung 28 November 2001 Otto Altendorfer Ludwig Hilmer Medienmanagement Band 2 Medienpraxis Mediengeschichte Medienordnung Springer Verlag 2015 S 164 Institut fur vergleichende Medien und Kommunikationsforschung an der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften David Oels Ute Schneider Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere Ullstein in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts Walter de Gruyter 2015 S 266 a b Otto Altendorfer Ludwig Hilmer Medienmanagement Band 2 Medienpraxis Mediengeschichte Medienordnung Springer Verlag 2015 S 164 Elisabeth Kraus Die Familie Mosse deutsch judisches Burgertum im 19 und 20 Jahrhundert C H Beck 1999 S 470 f Elisabeth Kraus Die Familie Mosse deutsch judisches Burgertum im 19 und 20 Jahrhundert C H Beck 1999 S 193 f Karsten Schilling Das zerstorte Erbe Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait BoD Norderstedt 2011 S 222 f Elisabeth Kraus Die Familie Mosse deutsch judisches Burgertum im 19 und 20 Jahrhundert C H Beck 1999 S 470 Kurt Koszyk Deutsche Pressepolitik im Ersten Weltkrieg Droste 1968 S 167 Uwe Klussmann Joachim Mohr Die Weimarer Republik Deutschlands erste Demokratie DVA 2015 S 22 f Michael Dreyer Hugo Preuss Biografie eines Demokraten Steiner Verlag Stuttgart 2018 S 334 336 Konstanze Wegner Linksliberalismus im wilhelminischen Deutschland und in der Weimarer Republik Literaturbericht In Geschichte und Gesellschaft Nr 4 1978 S 120 Elisabeth Kraus Die Familie Mosse deutsch judisches Burgertum im 19 und 20 Jahrhundert C H Beck 1999 S 362 f Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie C H Beck 1998 S 302 Kraus S 154 f Bernd Sosemann Theodor Wolff Ein Leben mit der Zeitung Econ Verlag 2000 ISBN 3 430 18569 6 S 88 f Uwe Klussmann Joachim Mohr Die Weimarer Republik Deutschlands erste Demokratie Deutsche Verlagsanstalt 2015 S 270 Konstanze Wegner Linksliberalismus im wilhelminischen Deutschland und in der Weimarer Republik Ein Literaturbericht In Geschichte und Gesellschaft Nr 4 1978 S 120 Peter de Mendelssohn Zeitungsstadt Berlin Menschen und Machte in der Geschichte der deutschen Presse Frankfurt am Main 1982 S 180 f Horst Wagner Die Grundung der DDP 1918 In Berlinische Monatsschrift Nr 11 1998 Elisabeth Kraus Die Familie Mosse deutsch judisches Burgertum im 19 und 20 Jahrhundert C H Beck 1999 S 495 Margret Boveri Wir lugen alle Walter Olten 1965 S 38 Friedhelm Greis Ian King Tucholsky und die Medien Dokumentation der Tagung 2005 Wir leben in einer merkwurdigen Zeitung Rohrig Universitatsverlag 2006 S 21 27 Michael Hepp Kurt Tucholsky Rowohlt Verlag 2015 S 134 Kraus 1999 S 495 Kraus S 500 f Karsten Schilling ebenso S 197 205 Karl Schottenloher Johannes Binkowski Flugblatt und Zeitung Von 1848 bis zur Gegenwart Klinkhardt amp Biermann 1985 S 116 f a b Werner Faulstich Die Kultur der 30er und 40er Jahre Fink Wilhelm Verlag 2009 S 155 Werner Stephan Aufstieg und Verfall des Linksliberalismus 1918 1933 Die Geschichte der Deutschen Demokratischen Partei Vandenhoeck amp Ruprecht 1973 S 94 f Deutsche Demokratische Partei DDP Deutsche Staatspartei 1918 1933 Deutsches Historisches Museum Kraus ebenso S 366 f Kraus S 366 f Norbert Frei Johannes Schmitz Journalismus im Dritten Reich C H Beck 2011 S 41 gekurzt Elisabeth Kraus S 513 516 Elisabeth Kraus S 513 Wolfram Kohler Der Chef Redakteur Theodor Wolff Droste 1978 S 154 Victor Klemperer Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten Tagebucher 1933 1945 Aufbau Verlag 2012 Tagebucheintrag vom 30 Januar 1933 S 10 Georg Lachmann Mosse Confronting History A Memoir University of Wisconsin Press Madison 2000 S 44 a b c Bernd Sosemann Theodor Wolff Ein Leben mit der Zeitung Walter de Gruyter 2001 S 293 George Wronkow Kleiner Mann in grossen Zeiten Reportagen eines Lebens Walter de Gruyter 2008 S 135 a b Boveri S 77 Kraus S 511 sowie Karl Vetter In eigener Sache In Mannheimer Morgen 26 April 1947 Kraus S 511 Wolfram Pyta Carsten Kretschmann Giuseppe Ignesti Tiziana Di Maio Die Herausforderung der Diktaturen Katholizismus in Deutschland und Italien 1918 1943 45 Walter de Gruyter 2009 S 146 Kraus S 492 f Birgit Bublies Godau Hans Georg Fleck Jurgen Frolich Jahrbuch zur Liberalismus Forschung Bande 12 13 Nomos 2000 S 256 Kraus S 492 f Kraus S 719 Boveri S 219 Kraus S 501 f Jost Hermand Kultur in finsteren Zeiten Nazifaschismus Innere Emigration Exil Bohlau Verlag 2010 S 152 Norbert Frei Johannes Schmitz Journalismus im Dritten Reich C H Beck 2011 Kraus S 522 vgl Reichsmark Abschnitt Kaufkraftumrechnung 1 Reichsmark 1924 1936 3 32 Euro 6 49 Deutsche Mark was aktuell 2016 6 63 Euro entsprache Boveri S 122 f a b Boveri S 95 97 Christina Holtz Bacha Arnulf Kutsch Schlusselwerke fur die Kommunikationswissenschaft Springer Verlag 2013 S 79 Alexander Kluge Zeitungmachen unter Hitler In Der Spiegel 10 Januar 1966 Boveri S 322 f a b Walter Kiaulehn Wir lugen alle Margret Boveris Bericht uber das Berliner Tageblatt unter Hitler In Die Zeit Nr 51 1965 Kurt Koszyk Deutsche Presse 1914 1945 Geschichte der deutschen Presse Teil III Colloquium Verlag 1972 S 997 Alexander Kluge Zeitungmachen unter Hitler In Der Spiegel 10 Januar 1966 Norbert Frei Johannes Schmitz Journalismus im Dritten Reich C H Beck 2011 S 47 Burkhard Treude Konservative Presse und Nationalsozialismus Inhaltsanalyse der Neuen Preussischen Kreuz Zeitung am Ende der Weimarer Republik Studienverlag Brockmeyer 1975 S 32 dpma de Leonard Novy Propaganda der Paper Snatchers Carta 2 10 14 Normdaten Werk GND 4144695 1 lobid OGND AKS VIAF 181550512 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Berliner Tageblatt amp oldid 238061272