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Als parlamentarisches Regierungssystem bezeichnet man jene Ausformungen parlamentarischer Demokratien in denen die Regierung zu ihrer Wahl und in ihrer Amtsausubung auf die direkte oder indirekte Unterstutzung durch das Parlament angewiesen ist Hierbei sind die beiden Institutionen personell miteinander verzahnt und das Parlament besitzt ausgepragte Kompetenzen in erster Linie die Wahl und Absetzung der Regierung Bedeutend ist auch dass der Vorsitzende der Regierung also der Regierungschef wie beispielsweise der Kanzler oder ein Ministerprasident vom Parlament gewahlt wird und erweiterte Rechte gegenuber den Ministern besitzt Staats und Regierungsformen der WeltPrasidentielle Republik Semiprasidentielle Republik Republik mit einem exekutiven Staatschef der von der Legislative bestimmt wurde Parlamentarische Republik Konstitutionelle Monarchie Parlamentarische Monarchie Absolute Monarchie Einparteiensystem ggf mit Blockparteien Verfassungsrechtliche Bestimmungen ausgesetzt Kein verfassungsrechtlich festgelegtes Regime Keine RegierungStand 2021Dem parlamentarischen Regierungssystem steht das prasidentielle Regierungssystem gegenuber mit dem Prototyp der Vereinigten Staaten von Amerika Die Mischform mit Elementen beider Typen nennt man semiprasidentielles Regierungssystem ein ausgepragtes Beispiel bietet die heutige Funfte Franzosische Republik Inhaltsverzeichnis 1 Begriffliche und institutionelle Entwicklung 2 Konfiguration des parlamentarischen Systems 2 1 Klassifikation eines parlamentarischen Systems 2 2 Primarmerkmale 2 3 Sekundarmerkmale 3 Parlamentarische Republik 4 Parlamentarische Monarchie 5 Die Rolle des Parlaments 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBegriffliche und institutionelle Entwicklung BearbeitenDer Ausdruck Parlament stammt von dem altfranzosischen Wort parlement sprechen sich unterhalten ab als Bezeichnung fur die Reichsversammlungen der frankischen Konige tritt er erstmals im 12 Jahrhundert auf Im England des 13 Jahrhunderts wurde als parliamentum die Unterredung des Konigs mit den Standen bezeichnet die den Ursprung des heutigen Parlamentarismus bildet Erst ab Mitte des 19 Jahrhunderts verbreitet sich das Wort auch in Deutschland steht aber nach wie vor in gewisser Konkurrenz zu Begriffen wie Tag oder Versammlung Bundestag Landtag Unter der Herrschaft von Konig Alfons IX wurden die Cortes des Jahres 1188 in der Stadt Leon gehalten Dies war das erste europaische Parlament spanisch Cortes Standeversammlung mit der Beteiligung des dritten Etats der Bourgeoisie der Stadte In diesem Parlament wurden die Unverletzlichkeit der Privatwohnung und die Unverletzlichkeit der Post anerkannt sowie die Notwendigkeit fur den Konig das Parlament einzuberufen um den Krieg zu erklaren oder Frieden zu schliessen Verschiedene individuelle und kollektive Rechte wurden garantiert Die Cortes von Benavente im Jahr 1202 erweiterten die Grund und Wirtschaftsrechte des Konigreichs Leon und seiner Bewohner Keane 2009 169 176 1 Als Ursprungsland des Parlamentarismus wird gemeinhin das englische System erachtet das eine kontinuierliche 800 jahrige relativ ungebrochene Evolution politischer Institutionen hin zu dem heutigen System aufweist Aus den koniglichen Beratern entwickelte sich mit der Ausbildung des englischen Feudalsystems der Rat des Konigs curia regis der sich nach und nach ein Mitspracherecht unter anderem bei der Steuererhebung aneignete Im 13 Jahrhundert wurde dieses Gremium dann um die commons d h Burgerliche Handwerker Gildenmitglieder Handler und Ritter erweitert und somit eine zweite Kammer etabliert Die beiden Kammern konnten nach und nach ihre Rechte im Budgetrecht erweitern Das Budgetrecht war somit eine der ersten Kompetenzen die sich die Kerne zukunftiger Parlamente gegenuber den Monarchen erstreiten konnten und uber welches sie im Zeitverlauf immer wieder auch andere Politikbereiche indirekt auch gegen den Willen der Monarchen beeinflussen konnten engl power of the purse Macht des Geldbeutels Ausser in Russland Danemark und Norwegen setzte sich durch dass die Erhebung von Abgaben uber die feudalen hinaus nicht ohne Zustimmung der Betroffenen erfolgen durfte das Steuerbewilligungsrecht der Stande blieb in den meisten Landern bis in das 17 Jahrhundert hinein erhalten ausser in Frankreich in dem sie es 1440 wieder verloren Die Power of the Purse half den Parlamenten somit sich unentbehrlich zu machen und fuhrte zu einer schrittweisen Konzentration von Souveranitat in den Parlamenten Konfiguration des parlamentarischen Systems BearbeitenJe nach Herangehensweise haben verschiedene Autoren zu unterschiedlichen Zeiten versucht parlamentarische Systeme zu beschreiben Der Politikwissenschaftler Klaus von Beyme stellt folgenden Katalog auf Eine enge Verbindung zwischen Exekutive und Legislative verbunden mit der Kompatibilitat von Abgeordnetenmandat und Ministeramt fehlt aber z B in Luxemburg oder den Niederlanden Premierminister und ubrige Minister stammen in der Regel aus dem Parlament einzelne Ressorts Aussen Verteidigungs und technisches Ministeramt hatten dabei lange die Tendenz Experten von ausserhalb anzuziehen Die Regierung muss zurucktreten demissionieren wenn die Parlamentsmehrheit ihr das Vertrauen entzieht politische oder parlamentarische Ministerverantwortlichkeit meist entwickelte sich ein Misstrauensvotum sonst auch Vertrauensfrage der Regierung oder feindliche Abstimmung Budgetverweigerung des Parlaments Das Parlament hat das Recht durch Interpellationen formliche Anfragen die Regierung zu kontrollieren und sich Informationen uber andere Hilfsmittel wie Untersuchungsausschusse zu verschaffen Dadurch wird die Entscheidung uber die Anwendung der Sanktion erleichtert auch diente manchmal das Budgetrecht als Sanktion Klassifikation eines parlamentarischen Systems Bearbeiten Weitere Moglichkeiten fur die Klassifikation eines Systems als parlamentarisch Die Kompatibilitat von Parlamentsmandat und Regierungsamt Im parlamentarischen System ist die Bekleidung eines Regierungsamts und eines Parlamentsmandats durch die gleiche Person rechtlich zulassig und zudem politisch notwendig In einigen politischen Systemen wie dem des Vereinigten Konigreichs mussen die Minister gar aus den Reihen des Parlaments hervorgehen Diese Kompatibilitat fuhrt zu einer personellen Verschrankung der beiden Staatsgewalten Exekutive und Legislative beruhrt jedoch nicht deren institutionelle Teilung Die Absetzbarkeit der Regierung durch das Parlament Die Funktion der Regierungskontrolle kommt in parlamentarischen Systemen vornehmlich dadurch zum Ausdruck dass das Parlament befahigt ist die Regierung aus politischen Grunden abzusetzen Dies erfolgt durch das so genannte Misstrauensvotum das die Regierung zum Abdanken verpflichtet und die Neuwahl des Regierungsoberhauptes zur Folge hat Diese Kompetenz kann sich auch auf einzelne Minister beziehen Der Auftrag zur Regierungsbestellung hingegen liegt zwar haufig beim Parlament ist aber kein zwingender Bestandteil dieses Systemtyps Durch diesen Umstand ist die Regierung in der Erhaltung ihres Amtes vom Parlament abhangig Auflosbarkeit des Parlaments durch die Regierung Die Regierung behalt sich das Recht vor das Parlament aufzulosen Somit ist auch das Parlament graduell von der Regierung abhangig wenngleich eine Auflosung des Parlaments im parlamentarischen System den Rucktritt der Regierung zur Folge hat Primarmerkmale Bearbeiten Die oben genannten Konfigurationen haben bestimmte Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Parlament und Regierung sowie die innere Struktur des Parlaments Strikte Partei und Fraktionsdisziplin Da Parlament und Regierung derart voneinander abhangig sind ist es zugunsten einer stabilen Regierung unerlasslich dass das Regierungsoberhaupt seine Partei bzw Fraktion im Parlament unter Kontrolle hat Im Gegensatz zu prasidentiellen Systemen gestaltet sich die Bindung der Parlamentarier daher zu Gunsten der eigenen Partei bzw Fraktion und zu Ungunsten des jeweiligen Wahlkreises Demgegenuber steht das Prinzip des freien Mandats welches dem Abgeordneten bei einzelnen Entscheidungen eine Gewissensfreiheit einraumt Die Regierungsmehrheit Als Regierungsmehrheit gilt die Menge der Abgeordneten im Parlament welche durch ihre Unterstutzung die Regierung im Amt halt Sie umfasst also samtliche Regierungsmitglieder die Angehorigen der Regierungspartei und eventuell die Koalitionsparteien In prasidentiellen Systemen wo die Regierung und ihr Oberhaupt unabhangig von parlamentarischen Mehrheiten sind gibt es eine solche Regierungsmehrheit nicht Die klar erkennbare Opposition im Parlament Im Gegenzug zur Regierungsmehrheit gibt es auch eine erkennbare Opposition im Parlament Anders gesprochen sind hier Regierung und Opposition im Parlament klar voneinander zu unterscheiden Im prasidentiellen System hat diese Unterscheidung keine grosse Bedeutung da dort der Prasident mit so genannten Ad hoc Mehrheiten regiert also mit einer Mehrheit nur fur die jeweilige Entscheidung und weitgehend unabhangig von strukturellen Partei und Koalitionsgrenzen Die Opposition bringt ihre Position in den parlamentarischen Prozess ein und tragt dadurch zur Kontrolle der Regierungsarbeit bei Dabei kann sie abhangig vom jeweiligen Parteiensystem gar eine Gegenregierung fur einen eventuellen Regierungswechsel bereitstellen wie etwa das Schattenkabinett im britischen Unterhaus Sekundarmerkmale Bearbeiten Die doppelte Spitze der Exekutive In parlamentarischen Systemen kennt die Exekutive zwei Oberhaupter Neben den Regierungschef tritt der Staatschef Anders als im prasidentiellen System handelt es sich bei diesen Amtern zwangslaufig um zwei verschiedene Organe siehe Beispiel der Schweiz die mit einer jeweils eigenen Legitimation ins Amt kommen In Monarchien ist der Staatschef der Monarch das Amt wird dabei vererbt ausser in Wahlmonarchien In Republiken hingegen wird er gewahlt entweder direkt vom Volk oder durch die Delegierten einer Versammlung Der Regierungschef wird in beiden Fallen gewahlt Parlamentarische Republik BearbeitenDer Begriff parlamentarische Republik bezieht sich oft auf die republikanische Form des parlamentarischen Regierungssystems Teilweise wird sie aber auch zur allgemeinen Klassifikation einer semiprasidentiellen Republik mit relevantem Parlament verwendet Im ersteren Fall bestehen die Aufgaben des Staatsoberhaupts welches kein Monarch ist sondern durch eine Wahl bestimmt wird vor allem in der Reprasentation des Staates nach innen und aussen Neben der starken Stellung des Regierungschefs ist ebenfalls kennzeichnend dass der Ministerprasident vom Parlament gewahlt wird und die Minister seines Kabinetts bestimmt Die Regierung ist im Gegensatz zum Prasidialsystem unmittelbar vom Vertrauen des Parlaments abhangig Das dieser Machtverteilung zugrundeliegende Prinzip ist der Parlamentarismus Da das Konzept der parlamentarischen Republik heterogen ist genugt kein Blick in entsprechende Gesetzestexte Die Kompetenzverteilung wird massgeblich vom Durchsetzungsvermogen der Einzelpersonen in politischen Amtern bestimmt Dementsprechend gibt es folgende Kategorien Exekutivkooperation Es handelt sich um eine Gleichverteilung des Einflusses zwischen den beiden Exekutivorganen Regierung und Staatsoberhaupt Sie ist etwa in Italien oder Osterreich anzutreffen Kanzlerdominanz Von Kanzlerdominanz auch Kanzlerdemokratie spricht man wenn der Regierungschef als massgeblicher politischer Akteur auftritt In der Bundesrepublik Deutschland spricht man immer in solchen Perioden von Kanzlerdominanz in denen der derzeitige Bundeskanzler als starke Personlichkeit auftritt also etwa in den Zeiten Konrad Adenauers oder Helmut Schmidts Ein viel zitiertes Gegenbeispiel stellt die Ara Kurt Georg Kiesingers dar Versammlungsdominanz Dieser Subtyp des parlamentarischen Systems bezeichnet die dominante Stellung des Parlaments im Staat ist jedoch heute nur mehr selten vorzufinden In der Schweiz kann insofern davon gesprochen werden als die Bundesversammlung das aus den zwei Kammern von Nationalrat und Standerat bestehende Parlament die Mitglieder des aus Sicht der Checks and Balances relativ schwachen Bundesrates die Schweizer Regierung wahlt Art 175 Bundesverfassung In der schweizerischen Konkordanzdemokratie hat das Parlament eine starkere Stellung gegenuber der Regierung als in einem parlamentarischen System weil keine konstante Parlamentsmehrheit die Regierung stutzen muss Vielmehr konnen sich im Parlament von Thema zu Thema wechselnde Mehrheiten bilden haufig auch gegen die Regierung Andererseits ist die Legislativ Kompetenz des Parlaments durch die Moglichkeit Referenden uber Gesetze Art 138 ff BV zu erzwingen zuruckgebunden direkte Demokratie Parlamentarische Monarchie Bearbeiten Hauptartikel Parlamentarische Monarchie Innerhalb der monarchischen Form des parlamentarischen Regierungssystems kann der Monarch nicht tonangebend sein da ihm dazu die obligatorische demokratische Legitimation fehlt Stattdessen ubernimmt er weitestgehend reprasentative Funktionen Selbst in Monarchien deren Gesetze dem Monarchen daruber weit hinausgehende Kompetenzen gewahrleisten nimmt er diese kaum noch wahr Dominant ist hier der vom Parlament gewahlte Regierungschef Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Parlamentarischen Monarchie Die Rolle des Parlaments BearbeitenEs ist ein bekanntes Paradoxon dass gerade in parlamentarischen Systemen das Parlament uber wenig Handlungsspielraum verfugt Die folgende Untergliederung soll diesen Umstand erlautern Arbeitsparlament Von Arbeitsparlamenten spricht man dann wenn das Parlament neben dem Beschluss von Gesetzen auch wesentlich an deren Ausarbeitung und Einbringung in die parlamentarische Debatte beteiligt ist Dafur bedient sich das Parlament seiner Ausschusse Redeparlament Ist das Parlament funktional auf Gesetzesbeschlusse beschrankt und uberlasst die Arbeit weitgehend der Regierung spricht man vom Redeparlament Gerade dieser Typus ist in parlamentarischen Demokratien haufig vorzufinden Da gerade durch die Abhangigkeit der Regierung vom Parlament eine starke Fraktionsdisziplin vorherrscht ist das Parlament in seiner Fahigkeit beschrankt gegen die Regierung zu arbeiten Diese verfugt schliesslich uber eine Mehrheit im Parlament und hat somit in der Regel mit keiner starken parlamentarischen Opposition zu rechnen In diesem Fall beschrankt sich das Parlament weitgehend auf Debatten Da jedoch wie oben geschildert die Regierungsmitglieder weitgehend dem Parlament angehoren nimmt es die Regierungskontrolle durch Befragungen wahr Literatur BearbeitenErnst Fraenkel Karl Dietrich Bracher Hrsg Staat und Politik Das Fischer Lexikon Bd 2 Frankfurt am Main 1964 Jurgen Hartmann Hrsg Westliche Regierungssysteme Parlamentarismus prasidentielles und semi prasidentielles Regierungssystem Aus Grundwissen Politik Bd 29 Opladen 2000 John Keane australischer Politikwissenschaftler WZB Berlin The Life and Death of Democracy London 2009 Stefan Marschall Parlamentarismus Eine Einfuhrung Nomos 2005 Dieter Nohlen Hrsg Lexikon der Politik Bd 5 Begriffe Munchen 1998 Winfried Steffani Parlamentarische und prasidentielle Demokratie Strukturelle Aspekte westlicher Demokratien Opladen 1979 Winfried Steffani Hrsg Regierungsmehrheit und Opposition in den Staaten der EG Opladen 1991 Winfried Steffani Hrsg Zur Unterscheidung parlamentarischer und prasidentieller Regierungssysteme In Zeitschrift fur Parlamentsfragen 14 Jg 1983 Heft 3 S 390 401 Uwe Thaysen Roger H Davidson Robert G Livingstone Hrsg US Kongress und Deutscher Bundestag Bestandsaufnahme im Vergleich Opladen 1988 Quirin Weber Parlament Ort der politischen Entscheidung Legitimationsprobleme des modernen Parlamentarismus dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland Basel 2011 ISBN 978 3 7190 3123 7 Weblinks Bearbeiten Wikiquote Parlamentarisches Regierungssystem Zitate Interparliamentary Union englisch Einzelnachweise Bearbeiten The Decreta of Leon of 1188 The oldest documentary manifestation of the European parliamentary system UNESCO Memory of the World 2013 abgerufen am 21 Mai 2016 Vorlage Cite web temporarNormdaten Sachbegriff GND 4044696 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Parlamentarisches Regierungssystem amp oldid 230941645