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Estrada auch Estrade Mehrzahl Estraden russisch Estrada wortlich ubersetzt Buhne ist eine Bezeichnung fur die populare Unterhaltungsmusik in der ehemaligen Sowjetunion und in anderen Landern in Osteuropa Entstanden im ersten Drittel des 20 Jahrhunderts war die Estrada die sowjetische Variante der internationalen Popularmusik beziehungsweise das Aquivalent zum deutschen Schlager Stilistisch und zeitlich umfasst die Estrada ein breites Spektrum unterschiedlicher Genres und Moden es reicht von dem 1920er Jahre Varietesanger Alexander Wertinski bis zu der aktuell sehr popularen Sangerin Kristina Orbakaite Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verringerte sich ihre Bedeutung zugunsten der aktuell gangigen Stil Vielfalt aus internationalem Pop Rockmusik sowie neueren landesspezifischen Popmusik Formen wie beispielsweise der Popsa Nach wie vor stark popular ist der russische Schlager vor allem beim alteren Teil der russischen Bevolkerung Alexander Wertinski Estradasanger der 1920er Inhaltsverzeichnis 1 Begriff und Genre 2 Geschichte 2 1 1860 1928 Entstehung der Estrada 2 2 1928 1953 Estrada wahrend der Stalin Ara 2 3 1953 1990 Estrada in der poststalinistischen Sowjetunion 2 4 Seit 1991 Zwischen eigenstandigem Genre und internationaler Popmusik 3 Resonanz und Kritiken 4 Bekannte Estrada Titel 5 Einzelnachweise 6 Literatur 7 WeblinksBegriff und Genre Bearbeiten nbsp Elena Vaenga Estradasangerin nach 2000 nbsp Karte von Russland und den umliegenden Landern nbsp Verbreitung der russischen Sprache dunkelblau Amtssprache turkis weit verbreitet Die Herkunft des Begriffs Estrada ist nicht ganz eindeutig Einer Theorie zufolge erfolgte die Ubernahme des russischen Begriffs fur Buhne deswegen weil es fur Hit respektive Popmusik im Russischen kein geeignetes Wort gab 1 Die Ahnlichkeiten mit dem Schlager sowie der Unterhaltungs Popularmusik anderer europaischer Lander sind zwar sehr gross aus geschichtlichen und geografischen Grunden gibt es allerdings einige spezifische Besonderheiten Stilistische Einflusse Bedingt durch die Lage der Sowjetunion ihre Bedeutung sowie die Zusammensetzung ihrer Bevolkerung speiste sich die Estrada aus einem spezifischen Mix aus landeseigenen und internationalen Musikgenres der russischen Klassik vor allem der popularen leichten Klassik darunter insbesondere der Operette der volkstumlichen Folklore zeitgenossischer Zirkus Variete Salon und Kaffeehaus Musik sowie Anfang des 20 Jahrhunderts aufkommenden Musik und Tanzmoden wie Tango Walzer Zigeunerromanze Foxtrott und Charleston Weitere Stilquellen waren das urbane russische Chanson der Jazz zeitgenossische Formen des internationalen Schlagers vor allem seiner in den Mittelmeerlandern gepflegten Variante sowie Marsch Militar und Agitprop Musik Im Lauf der letzten Jahre gesellten sich weitere Einflusse dazu vor allem solche aus der internationalen Pop und Rockmusik Kultur und landesspezifische Einwirkungen Einige Einflusse der Estrada sind auf kulturelle Besonderheiten beziehungsweise landesubliche Praferenzen zuruckzufuhren Einflusse die die russische Estrada von der Unterhaltungsmusik anderer Lander unterscheiden Ein Einfluss ist beispielsweise die chorgepragte Gesangskultur des bauerlichen Russland sowie russische Volkstanze Modernere Einflusse sind etwa spezielle Topoi wie beispielsweise die Figur des Zirkusclowns ein Motiv das in sowjetischen Filmen ebenso wiederkehrt wie in bekannten Estrada Liedern Historische Einflusse und Erscheinungsformen Das Auf und Ab zeitgenossischer Moden wirkte sich auch auf den russischen spater sowjetischen Schlager aus Ein spezifisches Merkmal dabei waren unterschiedliche Grade an kunstlerisch stilistischer Gestaltungsfreiheit So koexistierten vor der Oktoberrevolution sowie wahrend der NEP Ara unterschiedlichste Stile nebeneinanderher Die 1930er und 1940er wiederum waren von einer starken Homogenisierung gepragt mit deutlichen Kontrasten zwischen unpolitischer leichter Unterhaltung und propagandistischer Agitprop Musik Der Zweite Weltkrieg hatte eine zeitweilige Liberalisierung zur Folge Die spaten 1940er und fruhen 1950er wiederum waren von einem starken Isolationismus gekennzeichnet In den spateren Jahrzehnten wahrend der Tauwetter Periode sowie in der anschliessenden Breschnew Ara gewannen westliche Einflusse mehr und mehr Terrain In Bezug auf die Art der Darbietung gibt es ebenfalls deutliche Unterschiede Waren bis in die 1960er Jahre statisch heroische an Hochkultur Vorbildern orientierte Vortragsformen vorherrschend orientierten sich spatere Produktionen zunehmend am dynamisch bunten Erscheinungsbild westlicher Popmusik Produktionen Okonomische Grundlage Anders als in westlichen Landern war die sowjetische Estrada eine staatlich forcierte Form der Unterhaltung Einerseits gewahrleistete der Staat ein vergleichsweise hohes musikhandwerkliches Niveau durch die staatliche Ausbildung der Musiker unterschiedliche Berufsvereinigungen sowie die grossteils unter staatlicher Agide betriebenen Musikaufnahmen Veranstaltungsorte und Tourneen 2 Hinzu kam die 1964 vollzogene Zusammenfassung der Schallplattenproduktion in einem staatseigenen Monopolunternehmen der Melodija Andererseits boten die unterschiedlichen Institutionen durchaus Spielraume auch fur das Ausdrucken von Differenz Monopolstellung Einerseits gewahrleistete das System der Estrada zwar eine gewisse musikalische Vielfalt Andererseits wurden dissidente Richtungen oder politisch unerwunschte Stile durch das System aus Monopolisierung und Zensur in die halblegale Sphare abgedrangt Kommerziell eigenstandige Nischenmarkte wie in den entwickelten westlichen Landern konnten sich so nur schwer etablieren In unterschiedlichem Ausmass davon betroffen waren der Jazz das russische Chanson die oppositionell gesellschaftskritischen Liedermacher der 1960er und 1970er sowie die russische Variante der Rockmusik der sogenannte Perestroika Rock Als Stilbezeichnung bezieht sich der Begriff meist auf die klassische Estrada in der Sowjetunion weniger auf die heute dort gangige Popmusik oder gar Spezialgenres wie Rock oder Hip Hop Andererseits umfasst der Begriff auch heutige Versionen entsprechender Musik sowohl in Russland als wichtigstem Nachfolgestaat der Sowjetunion als auch in ehemaligen Sowjetrepubliken wie der Ukraine Belarus sowie den baltischen Landern Landeseigene Versionen der Estrada gibt es daruber hinaus auch in kulturell nahe verwandten Landern wie zum Beispiel Bulgarien Geschichte BearbeitenDie Geschichte der russischen Estrada lasst sich grob in vier Phasen unterteilen die Herausbildung unterschiedlicher Popularmusik Stile vom Ende des 19 Jahrhunderts bis zum Beginn der Stalin Ara eine heroische stark von der Politik gepragte Phase die zeitlich ungefahr synchron geht mit der Ara des Stalinismus eine poststalinistische von grosserer Offenheit gekennzeichnete Phase und schliesslich die Estrada im heutigen Russland sowie in von russischer Kultur stark gepragten Landern wie zum Beispiel Bulgarien der Ukraine oder auch den baltischen Staaten 3 1860 1928 Entstehung der Estrada Bearbeiten nbsp Buhnenkunst von Leon Bakst fur das Ballets RussesAhnlich wie in anderen europaischen Landern differenzierten sich auch im russischen Kaiserreich des 19 Jahrhunderts E Musik und U Musik immer weiter aus Zwischen den beiden Polen klassische Musik und Volksmusik etablierte sich zunehmend eine dritte Form von Musik die auf Unterhaltung ausgerichtete urbane populare Musikkultur Erste Anfange der Estrada lassen sich bereits um 1860 ausmachen Auch in Russland schlossen sich die klassischen Komponisten dem allgemeinen Trend hin zur leichten Muse grossteils an Ahnlich wie ihre westeuropaischen Kollegen Giuseppe Verdi Robert Schumann Georges Bizet und Claude Debussy griffen auch Michail Glinka Modest Mussorgski Mili Balakirew Cesar Cui sowie Georgi Rimski Korsakow zunehmend auf Elemente der Volkskunst zuruck Eine landestypischer Aspekt dieser Begeisterung fur die Musik aus dem einfachen Volk waren professionelle Chore welche das Folkloregut wissenschaftlich erfassten und in professionalisierter Form darboten 4 Bekannteste Exponenten dieser Form von Folklore waren der 1911 gegrundete Pjatnizki Chor unter seinem Leiter Mitrofan Pjatnizki sowie das Balalaika Orchester von Wassili Andrejew 5 Ein Neuerer im Bereich des Balletts war Sergei Djagilew 1909 begrundete er das Pariser Ballettensemble Ballets Russes das aufgrund seiner modernen innovativen Ansatze weltweit bald einen ausgezeichneten Ruf genoss Ebenfalls als stilpragend vor allem im Bereich der gesellschaftlichen Eliten erwiesen sich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg die Einflusse aus der Neuen Musik insbesondere die Werke von Igor Strawinski und Arnold Schonberg 6 Ungeachtet dieser modernen Einflusse war die musikalische Kultur des vorrevolutionaren Russlands von einer starken Polarisierung gepragt Auf der einen Seite standen die musikalischen Volkstraditionen insbesondere das bauerliche landliche Russland mit seiner vokalorientierten Chorkultur Auf der anderen Seite stand die klassisch gepragte Kultur der gesellschaftlichen Eliten Uberlagert wurde diese Polarisierung durch den alten Streit zwischen Slawophilen und Westlern Die dahinterstehende Frage lautete Sollte sich Russland starker auf seine eigenen Traditionen besinnen oder sollte es sich starker in Richtung Westen orientieren Zwischenzeitlich gewannen auch in Russland populare urbane Musikstile zunehmend an Terrain Zigeunerromanzen Marsche Walzer und Polka Stucke neapolitanische Schlager sowie Variete und Zirkuslieder erfreuten sich bereits um die Jahrhundertwende grosser Beliebtheit Einhergehend mit dem Fortschreiten der technischen Entwicklung fanden auch kommerziell vertriebene Tin Pan Alley Schlager Noten sowie Grammophone eine immer starkere Verbreitung Vorlaufer des Jazz wie Ragtime Foxtrott und Cakewalk sowie andere moderne Gesellschaftstanze wie der Onestepp fanden vor allem in den urbanen Zentren zahlreiche Anhanger 1914 schliesslich erreichte die europaische Tango Begeisterung das Zarenreich Erganzend pragte sich in den sudlichen Zentren an der Schwarzmeerkuste mehr und mehr ein spezieller Stil stadtischer Folklore aus das russische Chanson mit seinen Grossstadt und Halbweltballaden 6 7 nbsp Wladimir Iljitsch Lenin 1920 Die vorwiegend urban gepragte leichte Unterhaltungsmusik hatte sich bis zur Oktoberrevolution 1917 zwar einen festen Platz in der russischen Gesellschaft erobert Die Fuhrer der Bolschewiki allerdings waren in der Regel von klassisch burgerlicher Hochkultur gepragt Was die Kulturpolitik anbelangte pflegen sie meist eine damit einhergehende Auffassung von Musik Lenin etwa war ein begeisterter Anhanger von Ludwig van Beethoven insbesondere dessen bekannter Klaviersonate Appassionata 8 Die kulturpolitischen Vorstellungen der Bolschewiki indes waren keinesfalls einheitlich Wahrend des Burgerkriegs konzentrierten sich die entsprechenden Dekrete vor allem auf die Konsolidierung der Macht beziehungsweise die Erfordernisse des Kampfes gegen die Weissen Armeen Am 7 April 1919 etwa erfolgte die Bekanntmachung dass alle Musikschaffenden an die Front mussen Am 26 August 1919 gab die Partei bekannt dass die Unterhaltung unter der Oberhoheit des Staates stehe Am 19 April 1920 schliesslich erging ein Gesetz welches Musikauffuhrungen an die Auflage staatlicher Genehmigungen koppelte 9 nbsp Pjotr LetschenkoDie Kulturpolitik der Bolschewiki wahrend der 1920er Jahre war von zwei unterschiedlichen Ansatzen gepragt Wahrend des Burgerkriegs sowie in den Jahren danach stand das aktionistische Agitprop Konzept stark im Vordergrund welches vor allem auf die Elemente Erziehung und Vorbildfunktion setzte Ein Mittel die anvisierte Agitation der Bevolkerung praktisch in die Wege zu leiten bildeten Arbeiterchore 10 Vorwiegend zur Truppenbetreuung abgestellt kamen diese Chore bereits wahrend des Burgerkriegs zum Einsatz Ihr Repertoire bestand zu einem grossen Teil aus traditionellen Arbeiterliedern hinzu kamen aktuelle beziehungsweise situationsbedingte Agitations Lieder Nach dem Burgerkrieg setzte eine breitere Diskussion ein uber den Weg welchen die sowjetische Kulturpolitik einschlagen sollte Die Radikalen formierten sich rund um den RAPM die Russische Assoziation Proletarischer Musiker Die kunstformubergreifende proletarische Kulturbewegung kurz auch Proletkult genannt konnte in den 1920er Jahren zwar eine Reihe von Kampagnen initiieren Die kulturpolitische Hauptrichtung innerhalb der Partei darunter auch Lenin forcierte allerdings einen anderen Weg die Ubernahme der burgerlichen klassischen Kultur sowie ihre allgemeine Zuganglichmachung Aus pragmatischen Grunden war der Partei Mainstream daruber hinaus bereit ein gewisses Ausmass an unpolitischer Unterhaltungskultur zuzugestehen 11 Charakteristisch fur das erste Jahrzehnt nach der Oktoberrevolution war eine eher oberflachliche Form der Kontrolle Von punktuellen Unternehmungen wie etwa der Agit Prop Kampagne abgesehen griff die Partei wenig in das musikalische Leben ein Begunstigt durch die Neue Okonomische Politik NEP nach 1924 welche privaten Initiativen mehr Raum gewahrte konnte sich die Vielfalt der bestehenden Stile halbwegs unbeanstandet weiterentwickeln 12 Durch den Burgerkrieg etwas verzogert fasste nach 1922 der Jazz russisch Dschass zunehmend Fuss Hinzu kamen neue stark auf dem Jazz basierende Modetanze Shimmy Black Bottom Two Step sowie ab 1923 der Charleston Als Dauerbrenner bis weit in die 1930er Jahre hinein erwies sich der Kult um den sudamerikanischen Tango Die Vielfalt der russischen Unterhaltungsmusik spiegelte sich in den Estrada Schlagern der 1920er wider Zwei populare Lieder dieser Epoche etwa das von judischer Klezmer Musik beeinflusste Bublitschki sowie die bekannte Ganovenballade Murka entstammen dem Fundus der urbanen Schwarzmeerkusten Chansons Andere Lieder waren eng mit dem Schicksal der Emigration verknupft beispielsweise der Schlager Dorogoi dlinnoju dessen erste Aufnahme von dem emigrierten Sanger Alexander Wertinski stammte Stilistisch zuordnen lasst sich dieser Periode auch der aus der Nahe von Odessa stammende Sanger Pjotr Leschtschenko der mit seinen sentimentalen Balladen und Zigeunerromanzen als Konig des Tango galt und vor allem in den 1930er Jahren sehr popular war 13 1928 1953 Estrada wahrend der Stalin Ara Bearbeiten nbsp Leonid Utjossow 1930er nbsp Klassifizierte Jazz als Musik der Dicken ab der Schriftsteller Maxim GorkiDie Vereinheitlichung der sowjetischen Unterhaltungsmusik vollzog sich zeitlich synchron mit dem Aufstieg Stalins zum Generalsekretar des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion KPdSU B und schliesslich zum allseits prasenten sowjetischen Diktator Ein wesentliches Ergebnis der in den 1930er Jahren etablierten Kontrolle des Staates uber die Musik war die fur die sowjetische Estrada typische Zweiteilung in politisch motivierte Kampflieder einerseits und unpolitische Unterhaltungslieder andererseits Kulturpolitisch gesehen hatten die Umwalzungen der 1930er Jahre drei Folgen eine Hinwendung zu traditionelleren Werten eine Abkehr von den avantgardistischen Kunstformen der 1920er und schliesslich das Bemuhen um eingangige massenkompatible Formen der Darbietung Aus der Sicht vieler Parteiaktiver war die Sowjetunion Anfang der 1930er weit entfernt von einer sozialistisch vorbildlichen Musikkultur Beleg fur diese Einschatzung war eine Stichprobe anlasslich der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Oktoberrevolution 1930 auf dem Roten Platz in Moskau 44 Prozent der musikalischen Darbietungen so die Erhebung seien burgerlich bourgeoiser Natur 19 Prozent stufte die Untersuchung als pseudo revolutionar ein 19 Prozent als rein folkloristisch und lediglich 18 Prozent als politisch nicht zu beanstanden 14 Unzufriedenheit mit dem Zustand der sowjetischen Unterhaltungsmusik hatte zwei Jahre zuvor auch Maxim Gorki zum Ausdruck gebracht In der Prawda Ausgabe vom 24 April 1928 unterzog der 1927 aus dem Exil zuruckgekehrte Schriftsteller die Jazzmusik einer vernichtenden Kritik Gorkis Text machte den Jazz fur Erscheinungsformen der sexuellen Degeneration verantwortlich und kanzelte ihn in Kontrast zum jungen in die Zukunft strebenden Arbeiterstaat als Musik der Dicken ab 15 16 Der Umgang mit dem Dschass war in vielerlei Hinsicht symptomatisch fur die stalinistische Kulturpolitik der 1930er In der Praxis war der Begriff eine Sammelbezeichnung fur sehr unterschiedliche Repertoires Spielweisen und Combo Zusammenstellungen Gemeinsamkeit war die Orientierung an zeitgenossischen westlichen Unterhaltungsstilen sowie eine mal mehr mal weniger swingende Spielweise Zu Galionsfiguren der sowjetischen Jazzmusik wurden die beiden Bandleader Alexander Zfasman und Leonid Utjossow Beide genossen eine immense Popularitat Uber Tourneeveranstaltungen Radiokonzerte Auftragskompositionen sowie Filmmusiken waren sie fest in die staatsoffizielle Estrada der 1930er eingebunden Was berufliche Schwerpunkte sowie das Repertoire anbelangte gab es zwischen den beiden einige Unterschiede Zfasman leitete unterschiedliche Bands darunter von 1939 bis 1946 das Jazzorchester des Rundfunkkomitees der UdSSR Utjossow hingegen kaprizierte sich starker auf Musicals sowie Filmmusiken Deutliche Nuancen gab es auch musikalischer Hinsicht Wahrend Zfasman sich mit seinem Stil starker an das Repertoire US amerikanischer Swing Bands anlehnte strebte Utjossow eine Synthese aus internationalen Einflussen und russischer Unterhaltungsmusik an 17 Nichtsdestotrotz blieb die Rolle des Jazz in den 1930er und 1940er Jahren widerspruchlich Aufgrund der Widerstande in Partei und Staatsapparat konnten die Stars des roten Jazz nur aufgrund von Protektion sowie kunstlerischen Konzessionen ihre Position behaupten Eine entscheidende Rolle in diesem System aus Privilegierung und Verdikt spielte oftmals die personliche Gunst von Stalin Eine Konstellation die bisweilen zu kompromittierenden Situationen fuhrte Bandleader Utjossow etwa wurde in Anwesenheit einiger Zensoren anlasslich eines Konzerts im Kreml von Stalin genotigt Gangsterchanson Titel zu spielen Musik aus einem Genre das auch auf Geheiss Stalins in den 1930er Jahren unter Verdikt stand 18 nbsp Der Komponist Isaak DunajewskiBis weit in die 1950er hinein waren Konzerte die vorrangigste Form bei der die sowjetische Bevolkerung mit der Estrada in Kontakt kam Ein weiteres wichtiges Medium war der Film Zum Paradebeispiel fur den Stand der aktuellen sowjetischen Unterhaltungskunst wurde der Musikfilm Circus aus dem Jahr 1936 ein Melodram welches unter anderem den Rassismus in einem amerikanischen Zirkus thematisierte inklusive eines Happy Ends in der UdSSR Die Filmmusik stammte von Isaak Dunajewski einem Komponisten der sich vorwiegend auf Formen der leichten heiteren Unterhaltung kapriziert hatte Kulturpolitisch machte Dunajewski seinen Einfluss geltend fur eine unabhangigere politikfreiere Estrada Nur so konne so seine Argumentationsfuhrung das von der Partei eingeforderte hohe handwerklich kunstlerische Niveau erreicht werden Dunajewskis Aktivitaten fur eine mit den Vorstellungen des Sozialistischen Realismus konforme jedoch nicht vollends reglementierte Estrada fuhrten zwar wiederholt zu Konflikten mit den Kulturdogmatikern im RAPM 19 1939 jedoch fand von Dunajewski massgeblich mitinitiiert der erste Estrada Kontest der Sowjetunion statt Eine wichtige Rolle im System der Estrada spielten die Lied Komponisten und Texter Deren Genre und Stil Schwerpunkte waren unterschiedlich Als Texter im Bereich Massenlied ist vor allen Wassili Lebedew Kumatsch hervorzuheben Die Musik fur einige seiner Lieder steuerte Isaak Dunajewski bei Einflussreich im Bereich Filmmusik war daruber hinaus Dmitri Schostakowitsch ein im Metier Klassik formpragender Komponist der trotz gelegentlich kritischer Tone die Rolle eines Staatskunstlers innehatte Dmitri Pokrass wahrend des Burgerkriegs Soldat der Reiterarmee kaprizierte sich vorwiegend auf Militarmarsche bekanntes Stuck der Budjonny Marsch Filmmusiken sowie volkstumliche Lieder Matwei Blanter ein weiterer Komponist kam hingegen von der Tanzmusik Neben stalinistischen Lobeshymen Beispiel das 1938 entstandene Pesnja o Staline Lied uber Stalin schrieb er populare Schlager wie beispielsweise den WK II Welterfolg Katjuscha nbsp Lidija Ruslanowa 1930er Heterogen im vorgegebenen Rahmen war auch das Spektrum der Interpreten und Interpretinnen Stark dem Stil der 1920er verhaftet war beispielsweise das Repertoire der Sangerin Isabella Jurjewa Eines ihrer bekanntesten Stucke ist der auch heute noch interpretierte Titel Sasha Den mondanen Stil der Vergangenheit bedienten auch die Lieder des zwischenzeitlich in die rumanische Hauptstadt Bukarest umgezogenen Tangokonigs Pjotr Leschtschenko Neben Isabella Jurjewa waren in den 1930ern und 1940ern vor allem drei Estrada Kunstler immens popular und erfolgreich Wadim Kosin Lidija Ruslanowa und Klawdija Schulschenko Kosin ein Tenor aus Leningrad sang eine Reihe erfolgreicher Titel darunter das Stuck Druschba Freundschaft aus dem Jahr 1938 Lidija Ruslanowa geboren in Saratow an der Wolga hatte ihre ersten Auftritte bei Truppenkonzerten im Burgerkrieg absolviert und war zeitweilig mit einem Tschekisten liiert Seit Mitte der 1920er als professionelle Sangerin tatig vollzog mit ihrer stark emotional gepragten Vortragsweise den Bruckenschlag zum bauerlichen traditionellen Russland Fester Bestandteil ihrer Auftritte waren traditionelle Bauerntracht Kopftuch sowie ein uberwiegend folkloristisch ausgerichtetes Repertoire Zwei ihrer bekannten Stucke die Folkloreballade Na Muromskoi Doroschke Auf dem Weg nach Murom und Walenki 20 Die 1906 in Moskau geborene Klawdija Schulschenko schliesslich bediente eher eine grossstadtische sowjetisch ausgerichtete Form des Easy Listening Einer ihrer beliebtesten Titel war die bereits 1940 entstandene und 1942 aktualisierte Ballade Sini platotschek Blaues Kopftuch Weitere Sanger und Sangerinnen dieser Periode waren Mark Bernes Arkadi Pogodin sowie der Tenor Georgi Winogradow nbsp Chor der Roten Armee 1952 Stilpragend bis uber das Ende der Sowjetunion hinaus war ein 1928 gegrundeter Soldatenchor der von Alexander Alexandrow ins Leben gerufene Chor der Roten Armee Stalin sah das Ensemble erstmals 1931 und forderte es seitdem kontinuierlich 1937 erhielt Alexandrow den Auftrag zur Komposition einer neuen Parteihymne Einzelinterpreten des Ensembles traten ebenfalls als Estrada Kunstler in Erscheinung Beispiel der Solist Wladimir Bunchikow mit dem Anfang der 1940er entstandenen Massenlied Marsch entusijastow Marsch der Enthusiast Zum beruhmtesten Lied des Chors und zu einem der bekanntesten sowjetischen Lieder wahrend des Zweiten Weltkriegs avancierte die Mobilisierungs Hymne Wstawai strana ogromnaja Der heilige Krieg Geschrieben von Wassili Lebedew Kumatsch in Zusammenarbeit mit Chorgrunder Alexandrow kam es gleich nach Kriegsbeginn zur Urauffuhrung auf dem Belorussischen Bahnhof in Moskau bei der Verabschiedung von Kriegsfreiwilligen an die Front 21 Eine wichtige Rolle fur die Mobilisierung im Grossen Vaterlandischen Krieg spielte auch das Lied Katjuscha das bei Soldatenverabschiedungen in den ersten Kriegsmonaten ebenfalls zum Zug kam 22 Bereits in der Vorkriegszeit von unterschiedlichen Sangerinnen und Sangern interpretiert u a Lidija Ruslanowa avancierte Katjuscha zu einem der bekanntesten sowjetischen Schlager uberhaupt 23 Ein Aspekt der Truppenmobilisierung im Grossen Vaterlandischen Krieg 1941 1945 war die starke Prasenz von Estrada Interpreten im Rahmen der Truppenbetreuung direkt an der Front Das Alexandrow Ensemble Leonid Utjossow mit seiner Band Wadim Kosin und zahlreiche andere bekannte Kunstler absolvierten wahrend des Kriegs zum Teil eine vierstellige Anzahl von Auftritten Klawdija Schulschenko absolvierte zahlreiche Konzerte vor Rotarmisten im belagerten Leningrad 24 Lidija Ruslanowa zeigte bei der Truppenbetreuung ebenfalls Dauerprasenz Als Mitglied von General Georgi Schukows Armeekorps bei der Schlacht um Berlin gab sie Anfang Mai 1945 als erste russische Sangerin ein Truppenkonzert auf den Stufen den zerstorten Reichstagsgebaudes 20 Wahrend des Kriegs wurde der Vorstoss der Roten Armee von zahlreichen Mobilisierungsliedern flankiert wie zum Beispiel Marsch sowetskich tankistow Marsch der sowjetischen Panzerfahrer dem Pessenka frontowowo schofjora Lied der Frontkraftfahrer oder Kasaki w Berline Kosaken in Berlin einem schmissigen stark von US amerikanischem Swing beeinflussten Stuck Kulturell gesehen hatte der Zweite Weltkrieg eine zeitweilige Verwestlichung zur Folge Dies betraf sowohl die Musik selbst als auch ihr Publikum Bedingt durch den Kontakt mit Bewohnern anderer Lander sowie Soldaten befreundeter Armeen gelangten Millionen von Tontragern in die UdSSR Das Regime hatte wahrend der Kriegsjahre eine gewisse Freizugigkeit in Kauf genommen Nach dem Krieg schlug das Pendel in die Gegenrichtung aus Fur die sowjetische Estrada leitete die Schliessung des Eisernen Vorhangs 1946 1947 eine Epoche jahrelanger Stagnation ein Die auch als verlorene Jahre bezeichnete Periode wurde vor allem durch die Aktivitaten von Andrei Schdanow gepragt einem Gefolgsmann Stalins der in der internationalen Diplomatie als Hardliner auftrat und innenpolitisch eine repressive Kulturpolitik in die Wege leitete 15 nbsp Eddie RosnerDie in den Nachkriegsjahren einsetzende Schdanowschtschina richtete sich nicht nur gegen anerkannte Schriftsteller wie beispielsweise Boris Pasternak und Anna Achmatowa Von der Kampagnen gegen den Kosmopolitismus sowie anderen Sauberungsaktionen in den Nachkriegsjahren waren zahlreiche etablierte Estrada Kunstler betroffen darunter die beliebten Sanger Wadim Kosin und Lidija Ruslanowa der in Rumanien inhaftierte Tangokonig Pjotr Leschtschenko sowie die Jazzmusiker Eddie Rosner und Alexander Zfasman 25 Der mittlerweile in Rumanien ansassige Leschtschenko erhielt zunachst Auftrittsverbot Anfang der 1950er wurde er in einem Lager interniert 26 Wadim Kosin war vermutlich wegen Nichterfullung eines Musikwunsches bereits 1944 inhaftiert worden Funf Jahre spater wurde er zwar entlassen Seine Karriere war allerdings am Ende 27 Lidija Ruslanowa gehorte als Bekannte von Marschall Georgi Schukow ebenfalls zur oberen Funktionstrager Elite des Systems Daruber hinaus war sie mit einem als Held der Sowjetunion ausgezeichneten Offizier aus Schukows Armee verheiratet Als letzterer verhaftet wurde und Ruslanowa sich weigerte eine Erklarung zu unterzeichnen dass ihr Mann schuldig sei brachte ihr das eine Verurteilung zu zehn Jahren Lagerarbeit im Gefangenenlager Wladimirowka ein 20 28 Die mit der Kampagne gegen den Kosmopolitismus einhergehende Repressionswelle der Nachkriegsjahre die bis zu Stalins Tod 1953 anhielt trug unterschiedliche Zuge Alexander Zfasmans Orchester wurde 1947 aufgelost Zfasman selbst konnte zwar in beschranktem Rahmen weiterarbeiten zog sich de facto jedoch in den Vorruhestand zuruck Der Swing Trompeter Orchester Leader und geburtige Berliner Eddie Rosner hingegen der nach dem deutschen Uberfall auf Polen in der Sowjetunion Exil gesucht hatte wurde zunachst von Stalin protegiert Nach Kriegsende fiel er allerdings in Ungnade und wurde 1946 in einem Lager der ostsibirischen Region Kolyma interniert Andere Estrada Kunstler wie Dmitri Schostakowitsch Matwei Blanter Klawdija Schulschenko oder Mark Bernes uberstanden die Jahre der Repression hingegen unbeschadet oder wurden wie Schostakowitsch Blanter und Bernes mit dem Stalinpreis geehrt Beruflich verliefen die Karrieren der an der Vorkriegs Estrada Beteiligten unterschiedlich Lidija Ruslanowa unmittelbar nach Stalins Tod 1953 aus der Lagerhaft entlassen war durch die Haftstrapazen korperlich gezeichnet Trotzdem versuchte sie an ihre alte Karriere wieder anzuknupfen Zusammen mit Mark Bernes Leonid Utjossow und Klawdija Schulschenko ubernahm sie die Schirmherrschaft uber das Erste Festival des sowjetischen Liedes daruber hinaus gab sie bis zu ihrem Tod 1972 gelegentliche Konzerte 20 Der Jazzmusiker Eddie Rosner stieg zum Leiter des Lagerorchesters in Magadan auf Nach seiner Entlassung 1953 war er im informellen Sektor der 1950er bis 1970er Sowjetunion ein nachgefragter Musiker Frustriert uber die andauernde Geringschatzung seiner Musik reiste er 1973 allerdings nach Deutschland aus wo er 1976 verarmt und vergessen verstarb 29 1953 1990 Estrada in der poststalinistischen Sowjetunion Bearbeiten nbsp 2 Weltfestspiele der Jugend 1951 in BudapestDer Tod Stalins 1953 sowie die Mitte der 1950er Jahre einsetzende Tauwetter Periode bedeuteten fur die sowjetische Estrada einen markanten Einschnitt Wahrend die Unterhaltungsmusik in der stalinistischen Periode stark von Mobilisierungs und Massenliedern gepragt war hatte sie in der Tauwetter und Breschnew Ara eine Doppelrolle inne Einerseits wurde sie mehr und mehr zum Synonym wachsenden Wohlstands und Konsums Andererseits fungierte sie wie es der Musikhistoriker Ingo Grabowsky in seinen Beitragen zur Estrada formulierte zunehmend als Motor der Verwestlichung Die Verwestlichung vollzog sich teils im Untergrund sowie im informellen Sektor auf langere Sicht allerdings auch in der offiziellen Unterhaltungsmusik Im informellen Sektor hatte sich seit Beginn der 1950er Jahre eine westlich orientierte Subkultur formiert die Stiljagi ubersetzt etwa Stiljager Stilsuchtige Sozial rekrutierten sich die Stiljagi grossteils aus Sohnen und Tochtern der Nomenklatura Im Wesentlichen ein Phanomen der grossen Metropolen orientierten sie sich in Bezug auf Musik und Kleidung an Jazz den US amerikanischen Zoot Suiters der Nachkriegsjahre und spater den Mods 30 31 Die Verbreitung unerwunschter beziehungsweise auf normalen Kanalen nicht erhaltlicher Musik erfolgte teils uber unkonventionelle Mittel wie zum Beispiel Schallplatten auf Rippen Anstelle des schwer erhaltlichen Vinyl wurden hierbei Rontgenaufnahmen fur das Pressen von Tontragern zweckentfremdet 32 Parallel zu der von Nikita Chruschtschow ins Rollen gebrachten Tauwetter Periode offnete sich auch der sowjetische Schlager neuen Einflussen Standen im Nachkriegsjahrzehnt noch heroische Kompositionen stark im Vordergrund Beispiel der von Wassili Solowjow Sedoi komponierte und bis heute gespielte Marsch W put naherte sich die Unterhaltungsmusik der Nachkriegsjahrzehnte mehr und mehr westlichen Formen Ein Indiz fur die liberalere Haltung im Kulturbereich war der Film Jetzt schlagt s 13 aus dem Jahr 1956 In Szene gesetzt als humorvolle Kritik stellte er ein zu enges unpopulares Verstandnis von Unterhaltung in den Mittelpunkt der Handlung Die Komodie in der unter anderem der vormals verfemte Jazzmusiker Eddie Rosner mitwirkte avancierte 1957 zum bestbesuchten Film Als markanter Wendepunkt erwiesen sich die Internationalen Weltfestspiele der Jugend 1957 in Moskau Die Weltfestspiele fuhrten nicht nur zu einem ungewohnlich engen Austausch mit Jugendlichen aus anderen Landern Sie beforderten auch den Karrierestart einer neuen Generation von Estrada Stars Ihren Erstauftritt bei den Weltfestspielen absolvierte unter anderem die Sangerin Edita Pjecha 1957 noch Mitglied der Formation Druschba Freundschaft wurde sie zu einer der Ikonen der Sechziger Jahre Estrada Zur Erkennungsmelodie der Weltfestspiele avancierte einer der bekanntesten sowjetischen Schlager uberhaupt das von Wassili Solowjow Sedoi komponierte Lied Podmoskownyje Wetschera Moskauer Nachte 31 nbsp Wladimir Putin mit Muslum Maqomayev 2002 Die Tauwetterperiode hatte unter anderem eine zeitweilige Hinnahme der zuvor verfemten Jazzmusik zur Folge beziehungsweise so staatliche Kulturverantwortliche ihres positiven lebensbejahenden Teils Insgesamt war die Periode stark von Ambivalenz gepragt Einerseits hoben Kunstler auch nach dem Fall der Sowjetunion die handwerkliche Professionalitat der Nachkriegs Estrada anerkennend hervor Die Sanger so einer von ihnen seien wirkliche Sanger gewesen die Komponisten wirkliche Komponisten 31 Andererseits herrschte eine stark von Arbeitswerten gepragte und auf Konformitat ausgerichtete Haltung vor Trotzdem waren westliche Einflusse in den 1960ern unubersehbar auf dem Vormarsch Zur Ikone dieser modernen Form Estrada wurde die in Polen geborene Sangerin Edita Pjecha Anstatt wie bislang ublich ihre Lieder auf statische Weise zu interpretieren bediente sie sich dem Ausdrucksmittel des Tanzes ihr bekanntestes Stuck der im franzosischen Ye Ye Stil gehaltene Pop Schlager Nash sosed aus dem Jahr 1968 Einflusse des westlichen Schlagers vor allem seiner franzosischen und italienischen Variante waren auch bei dem in Baku geborenen Sanger Muslum Maqomayev unuberhorbar Maqomayev ein klassisch ausgebildeter Bariton wechselte erst im Verlauf der 1960er zur Unterhaltungsmusik Als eine Art sowjetische Ausgabe von Elvis Presley genoss Maqomayev in den 1960ern und 1970ern einen Kultstatus an den kaum ein anderer sowjetischer Sanger herankam Viele seiner Erfolgsstucke waren stark von internationalen Modetanzen gepragt wie zum Beispiel Kuba ljubow moja Kuba Meine Liebe oder von Einflussen des franzosischen Nouvelle Vague wie der aus dem Jahr 1972 stammende Titel Gorod Moi Baku Meine Stadt Baku 15 nbsp Die Komponistin Alexandra Pachmutowa untere Reihe zweite von links Parallel zum Erfolg von Pjecha und Maqomayev vollzog sich auch auf der Ebene der Komponisten und Schlager Zulieferer ein Generationswechsel Erfolgreichste Komponistin der 1960er und 1970er Estrada wurde Alexandra Pachmutowa Geboren 1929 in der Nahe des ehemaligen Stalingrad versierte sie sich auf ein breites Spektrum welches klassische Kompositionen ebenso beinhaltete wie populare Estrada Lieder Einige ihrer Stucke avancierten zu Klassikern beispielsweise die Komsomol Hymne Pesnja o trewoschnoi molodosti 1958 das als Referenz an den Kosmonauten Juri Gagarin geschriebene Lied Neschnost das unter anderem von Muslum Maqomayev interpretierte Stuck Kuba ljubow moja oder das populare Abschiedslied der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau Do swidanija Moskwa Auf Wiedersehen Moskau Die Texte zu Pachmutowas Kompositionen insgesamt uber 400 Titel stammten zumeist von ihrem Ehemann Nikolai Dobronrawow 15 Bekannte Estrada Kompositionen im Bereich Filmmusik lieferte der armenische Komponist Mikael Tariwerdijew beispielsweise fur die Filme Ironie des Schicksals 1975 sowie Der Lehrling des Medicus 1984 Die aufgefuhrten Komponisten und Texter wurden fur ihr Werk mit zahlreichen Ehrungen bedacht Insbesondere Alexandra Pachmutowa gilt mit ihrem Werk bis heute als eine tragende Komponistin der Nachkriegs Estrada nbsp Lew Leschtschenko 2009 Insgesamt gestaltete sich das Bild der Estrada in den 1960ern und 1970ern durchwachsen Einerseits orientierten sich eine Reihe Kunstler der Tauwetter Ara mehr oder weniger deutlich an westlichen Stilen Die Anfang der 1970er in den Westen ubergesiedelte Sangerin Larisa Mondrus beispielsweise benannte im Ruckblick italienische Schlager sowie Easy Listering Stars wie Frank Sinatra und Barbra Streisand als wesentliche Vorbilder 31 Ljudmila Gurtschenko bekannt geworden durch die Komodie Jetzt schlagt s 13 wandte sich verstarkt den Genres Jazz und Chanson zu spater auch dem Crossover zu internationaler Popmusik Ebenfalls eine moderne westlichen Einflussen gegenuber offene Variante der Estrada reprasentierte die polnisch russisch deutsche Sangerin Anna German die mit dem Lied Gi 1967 Polen auf dem Sanremo Festival vertrat Andererseits orientierten sich viele weiterhin an dem staatsoffiziellen Kanon der sozialistische Werte sowie die ruhmreiche Vergangenheit in den Vordergrund stellte Beispielhaft fur diese Form von Estrada war etwa der Sanger Lew Leschtschenko ein Solist des Chors der Roten Armee der 1975 mit dem Weltkrieg Gedenklied Den Pobedy grossen Erfolg hatte Ein Paradebeispiel fur die stetigen Zensurmassnahmen ausgesetzte Estrada der 1960er und 1970er Jahre war ein Erfolgslied des Sangers Eduard Chil aus dem Jahr 1976 Weil die Verantwortlichen Chills Liedtext uber einen Cowboy der sich freut nach Hause zuruckzukehren als zu amerikanisch einschatzten erschien Ja otschen rad wed ja nakonez woswraschtschajus domoi in einer vokalisierten Form Der Fernsehclip in dem Chill sein Lied mit einem unnaturlich wirkenden Dauerlacheln vortrug avancierte unter dem Stichwort Trololo Man 2010 schliesslich zu einem Internet Hit mit Millionen von Zugriffen 31 33 nbsp Eduard Chil 2009 Mit dem Machtantritt Leonid Breschnews ging die Liberalisierung der 1960er Jahre in eine neue Phase der Restauration uber Starke Bemuhungen die Estrada von nichtkonformen Einflussen zu reinigen zeigte insbesondere Sergei Lapin ab 1970 Leiter des staatlichen Rundfunks und Fernsehens Lapin tauschte nicht nur zahlreiche Fuhrungskrafte in den betroffenen Anstalten aus Seine orthodoxe mit antisemitischen Vorurteilen einhergehende Kulturauffassung brachte er auch in einem 1973 erschienenen Prawda Artikel zum Ausdruck Lapins Resummee zufolge lebte das Volk der Sowjetunion nicht nur fur den Augenblick sondern vielmehr fur Funfjahresplane 31 Eine weitere Veranderung war okonomischer Natur Bereits 1964 waren die unterschiedlichen regionalen Plattenfirmen zu einem staatlichen Monopol zusammengefasst worden dem staatseigenen Konzern Melodija Von 1964 bis Mitte der 1980er Jahre fungierte Melodija als einziger Ansprechpartner fur Aufnahme und Distribution von Unterhaltungsmusik 34 Erganzend zu Melodija begann die sowjetische Kulturburokratie ab Mitte der 1960er auch landeseigene Varianten von Rockmusik starker zu fordern Synonym hierfur wurden die Vokal Instrumentalen Ensembles russisch VIA Abkurzung transkribiert WIA Einerseits trug das WIA System der Tatsache Rechnung dass sich westliche Pop Beat und Rockgruppen einer unubersehbaren Beliebtheit erfreuten vor allem die Beatles spater auch hartere Bands wie zum Beispiel Led Zeppelin Andererseits hatte das WIA System eine kanalisierende Funktion inne Ungeachtet der mainstream orientierten konventionellen Ausrichtung sowie den geglatteten Popmusik Formen die auf diese Weise gefordert wurden diente das WIA System zahlreichen Kunstlern als Karriere Startrampe 15 Unter dem Etikett WIA firmierten unter anderem die Formationen Iwerija Pesnjary Pojuschtschije Gitary Zwety Wessolyje Rebjata Semljane sowie die stark folkorientierte aus Usbekistan stammende Band Yalla 35 nbsp Estrada Sangerin Alla Pugatschowa 1976 in Ost BerlinZum uberragenden Star des sowjetischen Schlagers der 1970er und 1980er Jahre avancierte die 1949 in Moskau geborene Sangerin Alla Pugatschowa Im Ruckblick gilt Alla Pugatschowa als Mutter der russischen Pop Kultur sowie Ikone der russischen Popmusik einem seit der Perestroika Ara kursierenden russischen Witz zufolge ist Leonid Breschnew jener KPdSU Generalsekretar der wahrend der Ara Pugatschowa amtiert habe 15 Stilistisch bediente Alla Pugatschowa ein breites Repertoire Zu ihrem Erkennungszeichen wurde ihre expressive von internationalen Showstars wie Liza Minnelli inspirierte Art der Inszenierung Ihre Popularitat begrundete 1975 der Titel Arlekino die Geschichte eines Clowns der seine Gefuhle hinter einer Maske des Lachelns verbergen muss Ein weiteres bekanntes Stuck von Alla Pugatschowa ist die Ballade Mne nrawitsja tschto wy bolny ne mnoi 1976 ein literarisch inspiriertes Chanson welches die Vorzuge der Unvollkommenheit zum Thema hat und mit rund anderthalb Minuten selbst fur ein populares Lied ungewohnlich kurz ausfallt In den 1980ern hatte Alla Pugatschowa auch im Westen zahlreiche Auftritte darunter auch den USA und Israel Nicht nur musikalisch wirkte sich ihr Beispiel stark innovativ aus Bei gesellschaftlich kontroversen Themen ging Alla Pugatschowa mitunter ebenfalls auf Abstand zum politischen Establishment beispielsweise anlasslich eines 1986 durchgefuhrten Benefiz Konzerts fur die Opfer der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 36 Experimentierfreudigkeit und Erfolg von Alla Pugatschowa wirkten sich auch auf andere Kunstler ermutigend aus Verglichen mit den 1950er und 1960er Jahren orientierten sich die Sowjet Schlager der spaten 1970er und fruhen 1980er Jahre weitaus starker an Standards der internationalen Popmusik Im Hinblick auf die Interpreten war zwischenzeitlich eine weitere Wachablosung erfolgt Weitere bekannte Sangerinnen der spaten Estrada Periode waren Lili Ivanova Irina Allegrowa und Laima Vaikule sowie der Sanger und Songschreiber Igor Nikolajew der unter anderem auch mit Alla Pugatschowa zusammenarbeitete Im Zug der von Michail Gorbatschow initiierten Perestroika naherte sich die sowjetische Estrada noch starker internationalen Popproduktions Standards an Flankierend gelangten verstarkt westliche Einflusse in die Sowjetunion beispielsweise in Form der Disco Welle Ironischerweise kehrten einige russische Themen in Form von Pop Produktionen wieder ins Land zuruck beispielsweise dem Boney M Titel Rasputin oder dem Disko Stuck Casatschok einer freien Adaption des sowjetischen Weltkriegs Hits Katjuscha Erganzt wurde der Popmusik Crossover der End 1980er durch westliche Tontrager sowie Konzerte westlicher Interpreten Parallel dazu formierte sich im informellen Bereich eine unabhangige Rockszene die eine eigene russische Version der Rockmusik etablierte den sogenannten Perestroika Rock Bedeutende Rockbands dieser Phase waren DDT Aquarium sowie die Gruppe Kino mit ihrem charismatischen 1990 verstorbenen Sanger Wiktor Zoi 37 Ahnlich wie im Westen facherte sich die Unterhaltungsmusik der Sowjetunion in unterschiedliche Segmente auf ein Prozess der sich durch den Zusammenbruch der Sowjetunion sowie die damit verbundene Etablierung marktwirtschaftlicher Verhaltnisse auf dramatische Weise verstarkte 38 Seit 1991 Zwischen eigenstandigem Genre und internationaler Popmusik Bearbeiten nbsp Das Popsa Duo t A T u 2006 nbsp Kristina Orbakaite 2010 nbsp Die Popsa Sangerin Walerija 2006 nbsp Filipp Kirkorow 2013 nbsp Ljudmila Gurtschenko 2010 Die mit der Auflosung der Sowjetunion verbundenen Umbruche waren fur die staatlich geforderte Estrada ein markanter Einschnitt Die Umbruchsphase der End 1980er und Anfangs 1990er hatte kulturelle wie okonomische Auswirkungen Eine kulturelle war dass westliche Popprodukte nunmehr ungehindert ins Land gelangten Eine spezielle Folge davon war die starke Begeisterung fur Disco Musik speziell die Sparten Europop Eurodisco und Eurodance Stark nachgefragt waren insbesondere deutsche Diskopop Produktionen wie beispielsweise der populare Modern Talking Hit Cheri Cheri Lady 2 Auch russische Interpreten und Bands orientierten sich zunehmend am Erscheinungsbild westlicher Synthie Pop Produktionen 2 Zeitgleich brach das staatliche Unterstutzungsgerust weg welches die sowjetische Estrada bislang getragen hatte Der staatliche Konzern Melodija etwa verblieb langfristig zwar in Staatsbesitz Ohne Subventionierung wirtschaftend und negativ in die Schlagzeilen geraten aufgrund umstrittener Vermarktungspraktiken im Hinblick auf das umfangreiche Klassik Repertoire verlor das Unternehmen allerdings schnell seine fruhere Bedeutung Die Etablierung marktwirtschaftlicher Verhaltnisse im Unterhaltungsmusikbereich hatte unterschiedliche Aspekte Zum einen traten neue Akteure auf den Plan Als wichtige Plattform fur Musik Videoclips etablierte sich vor allem der russische Ableger von MTV MTV Russland Der Sender fokussierte nicht nur einen hohen Anteil an inlandischen Produktionen Daruber hinaus forderte er den russischen Popmusik Markt mit sendereigenen Auszeichnungen wie zum Beispiel dem Russian Music Award Die Teilnahme von Russland am alljahrlichen Eurovision Song Contest wirkte sich im Hinblick auf das internationale Renommee des heimischen Popmarkts ebenfalls als belebender Faktor aus 39 Video Produktionen wurden mehr und mehr zu einem typischen Markenzeichen russischer Popmusik 40 Ein weiterer Aspekt waren unseriose zum Teil im halbkriminellen oder kriminellen Bereich angesiedelte Machenschaften sowie die Ausrichtung des Markts auf kurzfristige den Aufbau von Kunstlern vernachlassigende Erfolge Als problematisch werteten viele Akteure auch den ungenugenden Copyright Schutz fur musikalische Werke Eine Auswirkung davon ein breites Angebot an Internet Portalen das westliche Musik sowie traditionelle und moderne russische Popmusik zum Download anbietet 41 Eine Domane der klassischen Estrada blieben vor allem die staatlichen TV Programme Stark prasent sind nach wie vor Kunstler die ihren Karriere Hohepunkt in den 1960ern und 1970ern hatten wie zum Beispiel Iossif Kobson Waleri Leontjew oder Lew Leschtschenko und entsprechend vor allem von einem alteren Publikum favorisiert werden Starke TV Prasenz zeigen auch die Estrada Kunstler der 1980er Pop Ikone Alla Pugatschowa ist in den Medien allseits prasent und spielte auch im neuen Jahrtausend eine Reihe neuer Veroffentlichungen ein 42 Pugatschowas Tochter Kristina Orbakaite ist als Sangerin und Moderatorin ebenfalls stark im TV prasent 2002 erhielt sie eine Auszeichnung als meistverkaufter Musiker Russlands Filipp Kirkorow geboren 1967 in der bulgarischen Stadt Warna war zeitweilig mit Alla Pugatschowa verheiratet Seine Karriere begann er 1995 als russischer Teilnehmer des Eurovision Song Contest In die Schlagzeilen geraten unter anderem durch eine Reihe skandaloser Auftritte pflegt Kirkorow mittlerweile ein generationsubergreifendes Repertoire aus internationalem Crooning Folk Blues spanischen Rhythmen Musical Liedern Estrada Klassikern bis hin zu Anklangen elektronischer Musik 43 Den gemassigt Popmusik orientierten Estrada Stil der 1980 setzten auch andere etablierte Sangerinnen und Sanger aus Zeiten der Sowjetunion fort Die Wochenillustrierte Ogonjok ein Flaggschiff der Perestroika hob als Kontinuitatsfaktor fur die Estrada der Post Sowjetunion insbesondere das Œuvre der Sangerin Laima Vaikule lobend hervor 44 Ebenfalls hohe Platze in den Charts erzielte die als Queen of Pop titulierte Sangerin Sofija Rotaru Ahnliches gilt fur die 1955 in Baku geborene Sangerin Larisa Dolina 45 Anders als andere Estrada Interpreten kaprizierte sich Dolina starker auf ein internationales Crooning und Jazz umfassendes Repertoire welches Gershwin Songs ebenso umfasst wie romantische Stucke von Tschaikowski Jungere Interpretinnen und Interpreten hingegen favorisierten immer starker einen an internationalen Popproduktionen orientierten Stil Beispiele die Sangerinnen Natascha Koroljowa Scholtyje tjulpany 1999 Anschalika Ahurbasch Ja budu schit dlja tebja 2006 und Tatjana Terjoschina Das aktuelle Spektrum an Unterhaltungsschlagern ist recht heterogen Es reicht von klassischen Estrada Kunstlern im Stil der alten Sowjetunion uber Russian Pop bis hin zu Anleihen aus der Elektronischen Musik House und Dance Ein Beispiel fur die letzte Variante ist beispielsweise Aljona Apina Ex Leadsangerin der Electropop Formation Kombinazija die 1997 mit Elektritschka einen grosseren Hit hatte und zugibt dass sie musikalisch vor allem von Disko Musik gepragt ist 45 Mit Popsa hat sich beim jungeren Publikum ein spezieller russischer Diskotheken Pop etabliert mit eigenen Stars wie etwa dem auch im Westen bekannten Duo t A T u oder der Sangerin Walerija 39 Kommerziellen Erfolg haben daneben auch nostalgisch verklarende oder patriotisch aufgeladene Ruckgriffe auf Repertoire und Formen der Nachkriegs Estrada Ein Beispiel hierfur ist etwa die Sangerin Jelena Wajenga deren Musik auf einem Mix aus Chansons und Folk Pop besteht kombiniert mit Versatzstucken aus der sowjetischen Vergangenheit sowie einer entsprechenden Inszenierung Jelena Wajenga zahlt zu den Top Acts des russischen Showbusiness In politisch gesellschaftlichen Fragen ergriff Wajenga wiederholt konservative Positionen So unterstutzte sie 2012 die Prasidentschaftskandidatur von Wladimir Putin Ebenso wie einige andere russische Musiker und Schriftsteller ausserte sie sich daruber hinaus kritisch zu den westlichen Protesten nach der Verhaftung der Pussy Riot Musikerinnen und charakterisierte deren Punk Gebet Aktion in der Moskauer Christ Erloser Kathedrale als Blasphemie und Hooliganismus 46 Resonanz und Kritiken BearbeitenWelche Interpretationsformen und welche Epochen genau unter den Begriff Estrada subsumiert werden ist nicht einhellig festgelegt Der Kulturhistoriker David MacFadyen etwa fasst die Bezeichnung recht weit In seinem dreibandigen Werk zum Thema setzt er den Beginn der Estrada in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts an MacFadyen zufolge ist die Estrada weiterhin aktuell der dritte Band seiner Buchreihe widmet sich ausschliesslich den zeitgenossischen Erscheinungsformen nach dem Ende der Sowjetunion Neben dieser weitgefassten Definition gibt es solche die einen engeren Zusammenhang mit der politischen Kultur der Sowjetunion in den Vordergrund rucken Auch hier gibt es wieder Unterschiede Der deutsche Osteuropa Experte und Kulturhistoriker Ingo Grabowsky beispielsweise richtet in seinen Fachbeitragen zum Thema den Fokus sehr stark auf den sowjetischen Schlager der Nachkriegsjahrzehnte Stark im Vordergrund steht fur ihn insbesondere der Aspekt der Verwestlichung welche das Genre langfristig befordert habe Andere Texte zum Thema hingegen bringen den Begriff starker mit der Kultur der Massen und Agitationslieder der stalinistischen Ara in Verbindung Auch in stilistischer Hinsicht sind die Abgrenzungen nicht eindeutig Allgemeine Einhelligkeit besteht daruber dass die dissidenten in den informellen Raum abgedrangten Musikformen der Sowjetara nicht zur Estrada gehoren beispielsweise das russische Chanson das Bard Lied oder auch der Perestroika Rock Abgrenzungen zu aktuellen russischen Popmusik Produktionen beziehungsweise zum Popsa sowie der damit verbundenen Disko Kultur sind allerdings schwer beziehungsweise nur punktuell moglich Allgemeine Tendenz hier ist die zur Estrada eher jene Darbietungsformen zu zahlen die fur den Schlager zur Zeit der Sowjetunion typisch waren Trotzdem spielen Abgrenzungen eine wichtige Rolle Filipp Kirkorow beispielsweise einer der Stars des neuen russischen Pop grenzt sich von Popsa Produktionen mittlerweile entschieden ab und betont dass Estrada eine eigenstandige Richtung sei 43 Aufgrund der stilistischen Vielfalt welche die russische Popularmusik mittlerweile aufweist ist Estrada nur noch ein Stil von vielen Aufgrund der speziellen Historie ist er stark an nostalgische Gefuhle gekoppelt Vom Publikum her ist Estrada eher der Musikstil der alteren Generation 45 Im Westen insbesondere in Deutschland hat das Interesse an Musik aus Russland zwar seit der Offnung des Eisernen Vorhangs deutlich zugenommen Das Gros der Publikationen richtet den Fokus allerdings auf die dissidenten Richtungen der Vergangenheit oder aber auf die aktuelle Club und Undergroundszene sowie einzelne Acts Was die Verbreitung anbelangt beschrankt sich die Vorliebe fur Estrada nach wie vor auf den russischsprachigen Raum sowie die russischen Communitys in anderen Landern Eine weltweite Akzeptanz wie die englischsprachig gepragte internationale Popmusik haben russischer Pop und Estrada derzeit nicht Trotzdem ist das Interesse am russischen Liedgut darunter auch Estrada Schlagern im Westen seit der Offnung des Eisernen Vorhangs am Ansteigen insbesondere in den urbanen Zentren ein Prozess der unter anderem von der Globalisierung befordert wird Unterschiedlich beantwortet wird nach wie vor die Frage wie systemkonform oder widerstandig der sowjetische Schlager war Der Schlager und Estrada Experte Ingo Grabowsky macht im Repertoire der Estrada zwei unterschiedliche Charaktermerkmale aus Lieder die der Agitation dienten und unpolitische Lieder die der Zerstreuung dienten Entwickelt habe sich daruber hinaus ein dritter Typus Lieder die zwar das System verherrlichten vom Publikum jedoch entsprechend den eigenen Vorstellungen und Wunschen um interpretiert worden seien Entsprechend sei das Misstrauen der Machthaber in den Schlager gross gewesen Grabowsky Schlager standen zwar bei den Machthabern immer in schlechtem Ansehen Sie galten beispielsweise oft als vom dekadenten kapitalistischen Westen inspiriert und minderwertiger als die aus der Sicht der Machthaber wirkliche Kultur der klassischen Musik Aber bei den Menschen waren Schlager viel beliebter als etwa Opern Und deshalb mussten die kommunistischen Machthaber diesem gesellschaftlichen Bedurfnis Raum geben 31 Die Schwerpunkte Dissidenz versus Konformitat spiegeln sich auch in der Sichtweise einzelner Interpreten Der Komponist Alexander Schurbin beispielsweise hebt die internationalen Einflusse auf die Estrada Musik explizit hervor Einerseits sei sofort zu horen dass Estrada eine russische beziehungsweise sowjetische Form von Musik sei Alle sowjetischen Lieder trugen einen bestimmten Stempel der sie als Lieder aus der Sowjetunion ausweise Andererseits sei Russland immer offen gewesen fur Einflusse aus anderen Landern etwa aus Frankreich Italien Deutschland oder auch den USA Letztendlich hatten sich all diese Einflusse dann auch in der Estrada niedergeschlagen 31 Der Sanger Lew Letschenko hingegen hebt vor allem den politischen systemkonformen Aspekt hervor Letschenko Naturlich hatte jedes Land seine Popmusik Aber uns in Osteuropa vereinte sozusagen eine gemeinsame Stimmung gemeinsame Themen Die Estrada war orientiert ausgerichtet auf ein sozialistisches Format Daher gab es viele Lieder uber die Arbeit Es gab viele Lieder uber das heutige Leben uber die Arbeiter uber die Werktatigen uber Bergleute Ich weiss nicht wie es bei Ihnen ist aber bei uns gab es das Bei uns ruhmten die Lieder die Arbeit Sie waren sachbezogen 31 Bekannte Estrada Titel Bearbeiten1917 Alexander Wertinski Dorogoi dlinnoju Remake 1968 Those Were the Days 47 1922 Erstinterpret unbekannt Bublitschki populare Interpretationen in den 1930ern Leonid Utjossow und die franzosische Chanson Sangerin Damia 1923 Erstinterpret unbekannt Murka 48 1933 Pjotr Leschtschenko Rjumka Wodki Ein Glaschen Wodka 1936 Isaak Dunajewski Komponist Entre Marsch Titelstuck aus dem Film Circus 1937 Isabella Jurjewa Sascha 49 1938 Orchester Wiktor N Knuschewizki Gesang Walentina Batischchewa Katjuscha Urauffuhrung weitere bekannte Version 1941 von Lidija Ruslanowa 1938 Klawdija Schulschenko La Paloma russische Version 1939 Dmitri Pokrass Komponist Marsch sowetskich tankistow Marsch der sowjetischen Panzerfahrer 1940 Wladimir Bunchikow Marsch entusijastow 1941 Chor der Roten Armee Wstawai strana ogromnaja Der heilige Krieg 1941 Lidija Ruslanowa Walenki 1942 Klawdija Schulschenko Sini Platotschek Blaues Kopftuch 1945 Wiktor Wuijatschitsch Kasaki w Berline Kosaken in Berlin 1945 Boris Mokroussow Boris Laskin Komposition Pessenka frontowowo schofjora Lied der Frontkraftfahrer 1951 Georgi Winogradow Schkolny wals 1954 Chor der Sowjetarmee W put 1954 Nina Dorda Moi Wasja 1957 Wladimir Troschin Podmoskownyje Wetschera Moskauer Nachte 1958 Alexandra Pachmutowa Lew Oschanin Komposition Pesnja o trewoschnoi molodosti 1962 Muslum Maqomayev Kuba ljubow moja 1962 Muslum Maqomayev Korolewa krassoty 1968 Edita Pjecha Nasch sossed 1968 Lili Ivanova Camino 1969 Mark Bernes Schurawli Kraniche 1975 Lew Leschtschenko Den Pobedy 1975 Alla Pugatschowa Arlekino Harlekin 1976 Eduard Chil Ja otschen rad wed ja nakonez woswraschtschajus domoi Trololo Lied 1980 Alexandra Pachmutowa Komposition Do swidanija Moskwa Auf Wiedersehen Moskau 1986 Laima Vaikule Skripatsch na krysche 1991 Leonid Agutin Bossonogi maltschik 1992 Kristina Orbakaite Pogoworim 1997 Aljona Apina ElektrichkaEinzelnachweise Bearbeiten David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl S 5 a b c Russland Popsa und russisches Chanson Irving Wolther eurovision de 28 Marz 2008 Zeitspanne sowie Grobunterteilung orientieren sich an der dreibandigen Gesamtdarstellung von David MacFadyen siehe auch Abschnitt Literatur Russische Volksmusik und ihre Bedeutung Memento vom 13 November 2013 im Internet Archive Hubl Greiner WDR Musikgeschichte Beitrage zur Musikgeschichte und Musikwissenschaft 2003 Der beruhmte Pjatnizki Chor feiert sein 100 Jubilaum Maria Strelkowa Radiofeature bei radio Stimme Russlands 6 Marz 2011 a b S Frederic Starr Red and Hot Jazz in Russland 1917 1990 Hannibal Verlag Hofen 1990 ISBN 3 85445 062 1 S 27 ff Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 56 Lenin Liebe Lust und Leidenschaft Eine Erotik der Macht Elke Suhr Deutschlandfunk 30 Dezember 2008 David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl S 11 S Frederic Starr Red and Hot Jazz in Russland 1917 1990 Hannibal Verlag Hofen 1990 ISBN 3 85445 062 1 S 15 16 42 43 S Frederic Starr Red and Hot Jazz in Russland 1917 1990 Hannibal Verlag Hofen 1990 ISBN 3 85445 062 1 S 79 ff Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 40 Trauer in russischen Schlagern von 1931 TV Kurzfeature uber Pjotr Leschtschenko auf dctp tv aufgerufen am 25 Dezember 2013 David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl S 14 a b c d e f Ingo Grabowsky Motor der Verwestlichung Das sowjetische Estrada Lied 1950 1975 In Monatszeitschrift Osteuropa Ausgabe April 2012 S 21 35 S Frederic Starr Red and Hot Jazz in Russland 1917 1990 Hannibal Verlag Hofen 1990 ISBN 3 85445 062 1 S 82 ff S Frederic Starr Red and Hot Jazz in Russland 1917 1990 Hannibal Verlag Hofen 1990 ISBN 3 85445 062 1 S 115 ff Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 32 ff David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl S 17 ff a b c d Lidia Ruslanova russia ic aufgerufen am 25 Dezember 2013 Russlands singende Waffe Irina Wolkowa Neues Deutschland 22 Juni 2011 Katyusha song Musikquellen Vergleichsseite TopShelfReviews aufgerufen am 25 Dezember 2013 engl Stalinorgel und Katjuscha Geschichte eines Liedes und einer Waffe Memento vom 21 Mai 2011 im Internet Archive Wolf Oschlies shoa de aufgerufen am 25 Dezember 2013 David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl S 151 ff Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 127 ff Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 96 Underground Dandy alias Pop Zar Gregor Auenhammer Der Standard 9 Marz 2010 David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl S 202 ff Gertrud Pickhan Maximilian Preisler Von Hitler vertrieben von Stalin verfolgt Der Jazzmusiker Eddie Rosner be bra wissenschaft verlag Berlin 2010 ISBN 978 3 937233 73 4 Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 127 ff a b c d e f g h i Ruf der Freiheit Politik und Schlager in der Sowjetunion Radiofeature von Micky Beisenherz mit Ingo Grabowsky beisenherz de 6 Oktober 0213 Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 116 ff Trololo Mann Russischer Schlager aus den 1970ern neuer Internet Hit krone at 2 April 2010 Uli Hufen Das Regime und die Dandys Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin Rogner amp Bernhard 2010 ISBN 978 3 8077 1057 0 S 96 Russian Culture Modern Russian Music Memento vom 18 Juli 2011 im Internet Archive guidetorussia org aufgerufen am 1 Dezember 2013 engl Allas Rockkonzert Gebet um Errettung Johannes Grotzky Die Zeit 6 Juni 1986 Musikspecial Russland Ground Zero des russischen Rock laut de 2 Oktober 2012 Russlandische Musikkulturen im Wandel Memento vom 30 Januar 2012 im Internet Archive Mischa Gabowitsch kultura Mai 5 2006 Populare Musik in Russland Mai 2006 PDF Datei 508 kB a b Musikspecial Russland Pop zwischen Omas und Lolitas laut de 5 Oktober 2012 Musikspecial Russland Musik fur 140 Millionen laut de 5 Oktober 2012 Die Geschichte des russischen Rocks Memento vom 26 Dezember 2013 im Internet Archive Michail W Sigalow Neue Musikzeitung online auf www cccp pok com aufgerufen am 5 August 2011 Analyse Russischer Glamour und die Ara Putin Birgit Menzel bpb de Webseite der Bundeszentrale fur politische Bildung 3 Juni 2013 a b David MacFadyen Estrada Grand Narratives and the Philosophy of the Russian Popular Song Since Perestroika Mcgill Queens University Press Montreal 2002 ISBN 0 7735 2371 5 engl S 23 David MacFadyen Estrada Grand Narratives and the Philosophy of the Russian Popular Song Since Perestroika Mcgill Queens University Press Montreal 2002 ISBN 0 7735 2371 5 engl S 19 a b c Russische Pop Musik heute Kampf um Unabhangigkeit Memento vom 30 Januar 2012 im Internet Archive David MacFadyen kultura Mai 5 2006 Populare Musik in Russland Mai 2006 PDF Datei 508 kB Putin Pussy Riot shouldn t be judged too harshly Ilya Kharlamov Voice of Russia 4 August 2012 engl Quellen zu Erstveroffentlichungsjahr unklar Text und Musik nicht hundertprozentig verifiziert Jakow Jadow und Oskar Strok Jahreszahl Aufnahmejahr Teil von Isabella Jurjewas Repertoire vermutlich Ende der 1920erLiteratur BearbeitenIngo Grabowsky Schundsanger gegen die organisierte Langeweile Westliches Image und Regionalitat als Erfolgsrezept im sowjetischen Schlager der 1950er bis 1970er Jahre In Jahrbucher fur Geschichte Osteuropas Bd 67 Nr 3 2019 S 447 474 Ingo Grabowsky Motor der Verwestlichung Das sowjetische Estrada Lied 1950 1975 In Osteuropa 4 2012 Ingo Grabowsky Er richtet sich besonders an die janz Scharfen Der sowjetische Schlager in den 1960er und fruhen 1970er Jahren In Boris Belge Martin Deuerlein Goldenes Zeitalter der Stagnation Perspektiven auf die sowjetische Ordnung der Breznev Ara Mohr Siebeck Tubingen 2014 ISBN 978 3 16 152996 2 David MacFadyen Songs for Fat People Affect Emotion and Celebrity in the Russian Popular Song 1900 1955 Mcgill Queens University Press Montreal 2003 ISBN 0 7735 2441 X engl auszugsweise online bei Google Books David MacFadyen Red Stars Personality and the Soviet Popular Song 1955 1991 Mcgill Queens University Press Montreal 2001 ISBN 0 7735 2106 2 engl auszugsweise online bei Google Books David MacFadyen Estrada Grand Narratives and the Philosophy of the Russian Popular Song Since Perestroika Mcgill Queens University Press Montreal 2002 ISBN 0 7735 2371 5 engl auszugsweise online bei Google Books Richard Stites Russian Popular Culture Entertainment and Society since 1900 Cambridge University Press Cambridge 1992 ISBN 0 521 36986 X engl auszugsweise online bei Google BooksWeblinks BearbeitenRuf der Freiheit Politik und Schlager in der Sowjetunion Radiofeature zur Estrada mit Ingo Grabowsky auf beisenherz de Guide to Russia Webseite mit Kurzbeschreibungen wichtiger russischer Popularmusikstile Modern Russian Music Ubersichtsseite zu aktuellen russischen Popularmusikstilen mit Auffuhrung wichtiger Genre Kunstler nbsp Dieser Artikel wurde am 27 Juni 2018 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Estrada Musik amp oldid 237885502