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Augustin Louis Cauchy ogysˈtɛ lwi koˈʃi 21 August 1789 in Paris 23 Mai 1857 in Sceaux war ein franzosischer Mathematiker Augustin Louis CauchyAls ein Pionier der Analysis entwickelte er die von Gottfried Wilhelm Leibniz und Sir Isaac Newton aufgestellten Grundlagen weiter wobei er die fundamentalen Aussagen auch formal bewies und einer neuen Auffassung des Funktionsbegriffs zum Durchbruch verhalf Insbesondere in der von ihm im Wesentlichen begrundeten Gruppentheorie und Funktionentheorie stammen viele zentrale Satze von ihm Seine fast 800 Publikationen decken im Grossen und Ganzen die komplette Bandbreite der damaligen Mathematik ab In der Physik klarte und begrundete er insbesondere die Grundlagen der Elastizitatstheorie Er nimmt eine ahnliche Stellung in der Entwicklung der Analysis ein wie Leonhard Euler im 18 Jahrhundert und teilte sich im 19 Jahrhundert seine herausragende Stellung als Mathematiker in der ersten Halfte des Jahrhunderts mit Carl Friedrich Gauss Im Gegensatz zu diesem veroffentlichte er aber seine Ergebnisse ohne Verzogerung und hatte viele Schuler Cauchy war katholisch und ein Anhanger des franzosischen Herrschergeschlechts der Bourbonen Letzteres brachte ihn immer wieder in einen Konflikt zu den Anhangern der Republik und den Bonapartisten Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Ingenieur Napoleons 1 2 Professor an der Ecole polytechnique 1 3 Exil nach 1830 1 4 Jede Woche eine Veroffentlichung 1 5 Die letzten Jahre 2 Werk 2 1 Folgen und Reihen 2 2 Differential und Integralrechnung 2 3 Funktionentheorie 2 4 Differentialgleichungen 2 5 Funktionalgleichungen 2 6 Beitrage zur Physik 2 7 Sonstige Leistungen 3 Rezeption in Deutschland 4 Ehrungen 5 Literatur 6 Schriften Auswahl 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenCauchys Vater Louis Francois war ein katholischer belesener Royalist Zum Zeitpunkt der Ersturmung der Bastille am 14 Juli 1789 war er die rechte Hand des Lieutenant General der Polizei von Paris Louis Thiroux de Crosne Dieser floh kurz darauf nach England und Louis Francois Cauchy verlor seinen Posten Wenige Wochen spater wurde Augustin Louis geboren mitten in die franzosische Revolution hinein Im April 1794 kehrte Thiroux zuruck wurde verhaftet und am selben Tage zum Tode verurteilt Louis Francois nahm daraufhin aus Angst vor Denunziation seine Familie mit in ihr Landhaus nach Arcueil wo sie in Armut lebten Der kleine Augustin Louis erhielt von seinem Vater grundlegenden Unterricht Der Hunger und die gefahrliche Situation hinterliessen eine lebenslange Abneigung gegen Revolutionen Nach dem Ende der Terrorherrschaft kehrte die Familie nach Paris zuruck Louis Francois machte wieder Karriere und wurde schliesslich nach Napoleons Staatsstreich Generalsekretar des Senats Das fuhrte zu einer engen Bekanntschaft mit dem damaligen Innenminister Pierre Simon Laplace und dem Senator Joseph Louis Lagrange zwei bedeutenden Mathematikern Sie erkannten bereits fruh das mathematische Talent des Sohns So ausserte etwa Lagrange Vous voyez ce petit jeune homme eh bien Il nous remplacera tous tant que nous sommes de geometres Nun sehen Sie doch diesen jungen Mann Eines Tages wird er uns simple Geometer alle ubertreffen Joseph Louis Lagrange zu Akademiekollegen nach einem Gesprach mit dem zwolfjahrigen Cauchy im Palais du Luxembourg 1801 1 und riet seinem Vater Ne laissez pas cet enfant toucher un livre de Mathematiques avant l age de dix sept ans Si vous ne vous hatez de donner a Augustin une solide education litteraire son gout l entrainera il sera un grand mathematicien mais il ne saura pas meme ecrire sa langue Lassen Sie dieses Kind vor dem siebzehnten Lebensjahr kein mathematisches Buch anruhren Wenn Sie sich nicht beeilen Augustin eine grundliche literarische Erziehung zu geben so wird ihn seine Neigung fortreissen Er wird ein grosser Mathematiker werden aber kaum seine Muttersprache schreiben konnen Joseph Louis Lagrange 1 2 Augustin Louis Cauchy hatte zwei jungere Bruder Alexandre Laurent 1792 1857 der wie sein Vater Jurist wurde und in den Staatsdienst eintrat sowie Eugene Francois 1802 1877 einen Schriftsteller Auf Anraten von Lagrange lernte Cauchy zunachst klassische Sprachen was ihn auf eine weitere Mathematikausbildung vorbereiten sollte So besuchte er ab 1802 zwei Jahre lang die Ecole Centrale du Pantheon wo er besonders in Latein glanzte Daraufhin entschied er sich die Ingenieurslaufbahn einzuschlagen und nahm ab 1804 Mathematikunterricht der ihn fur die Aufnahmeprufung an der jungen Ecole polytechnique vorbereiten sollte 1805 absolvierte er als Zweitbester die Aufnahmeprufung die vom franzosischen Mathematiker und Physiker Jean Baptiste Biot durchgefuhrt wurde Die Ecole Polytechnique sollte Ingenieure fur Frankreichs offentlichen Dienst ausbilden und die Studenten mussten sich fruh fur eine spezielle Richtung entscheiden Cauchy wahlte Strassen und Bruckenbau Der Unterricht war sehr mathematiklastig Seine Lehrer trugen bekannte Namen wie Lacroix de Prony Hachette und Ampere Nach zwei Jahren war Augustin Louis Klassenbester und durfte zur weiteren Ausbildung auf die Ecole Nationale des Ponts et Chaussees Auch hier war er unter den Besten und durfte in seinem Praktikum unter Pierre Girard am Ourcq Kanal mitarbeiten In Paris waren die Studenten alles andere als unpolitisch Wahrend die meisten revolutionar und liberal eingestellt waren trat Cauchy der Congregation bei dem weltlichen Arm der Jesuiten Er blieb dort Mitglied bis sie 1828 faktisch verboten wurde Nach zwei Pflichtstudienjahren verliess er die Universitat im Januar 1810 als Aspirant ingenieur Ingenieur Napoleons Bearbeiten Im Februar 1810 erhielt Cauchy den Auftrag beim Bau des Hafens Port Napoleon in Cherbourg mitzuhelfen der damals grossten Baustelle Europas mit etwa 3000 Arbeitern Ziel war die Vorbereitung der Invasion Englands Die Arbeitszeiten waren lang und in seiner knappen Freizeit beschaftigte er sich mit der Mathematik Seine anfangliche Freude und sein Interesse am Ingenieurberuf nahmen bald ab und so reifte sein Entschluss eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen Cauchys Ziel war jedoch zu diesem Zeitpunkt keineswegs die Mathematik Die allgemeine wissenschaftliche Auffassung nach Eulers Tod war dass die Probleme der Mathematik so gut wie vollstandig gelost waren Wichtig war vor allem die Ingenieurswissenschaft sowie das Finden neuer Anwendungsfelder fur Mathematik Die Forschungen wahrend seiner Zeit in Cherbourg erbrachten eine kleine Verallgemeinerung des eulerschen Polyedersatzes und einen Beweis fur einen Satz uber die Frage unter welchen Bedingungen Polyeder mit gleichen Flachen identisch sind Den Satz hatte Euklid bereits in seinen Elementen formuliert er war jedoch bis dahin nie bewiesen worden Cauchy schuf sich durch diese Arbeit einen Namen in der akademischen Pariser Gesellschaft Im Sommer 1812 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand stark Cauchy war seit seiner Kindheit nicht sehr gesund und litt an gelegentlichen Depressionen Die grosse Arbeitsbelastung in Cherbourg machte ihm zu schaffen so dass er im September krankgeschrieben wurde und die Erlaubnis erhielt zu seiner Familie nach Paris zuruckzukehren Als sich seine Gesundheit verbesserte war er ganz und gar nicht bestrebt wieder als Ingenieur zu arbeiten und widmete sich der Forschung Er befasste sich inspiriert vom Satz von Lagrange mit der Gruppentheorie und fand die drei Axiome die eine Determinante eindeutig definieren Im Fruhjahr 1813 endete seine Krankschreibung Cauchy wollte auf keinen Fall nach Cherbourg zuruckkehren Da verschaffte ihm sein ehemaliger Lehrer Pierre Simon Girard die Moglichkeit weiter am Ourcq Kanalprojekt in Paris mitzuarbeiten Seine Forschung war in diesem Jahr unergiebig Zwar entwickelte er eine Methode zur Bestimmung der Anzahl der Losungen einer algebraischen Gleichung beliebigen Grades doch war diese nicht praxisgerecht Er bewarb sich auf uber 50 freie Stellen an den Pariser Akademien allerdings ohne Erfolg trotz der guten Beziehungen seines Vaters der Druck ausubte wo er konnte Seine wissenschaftlichen Kollegen Ampere Legendre Louis Poinsot und Emmanuel Francois Molard 1772 1829 wurden berufen Cauchy nicht Cauchy liess sich im Sommer ohne Bezahlung krankschreiben Die Niederlage Napoleons 1814 kam ihm zugute Das Ourcq Kanalprojekt wurde unterbrochen und ihm wurde keine neue Stelle zugewiesen Dieses Jahr markiert ebenfalls den Beginn der Beschaftigung Cauchys mit komplexen Funktionen Im Dezember 1815 gewann er fur seine Arbeit uber Wellen in Flussigkeiten den grossen Preis in Mathematik der Pariser Akademie Diese Arbeit hatte er sehr sorgfaltig ausgefuhrt Als Sensation wurde seine im November des gleichen Jahres eingereichte Losung von Fermats Polygonalzahlproblem gewertet diese machte ihn auf einen Schlag beruhmt 3 Davor war es nur gelungen die Falle der Quadrate Lagrange und Kuben Legendre zu losen mit neuen Beweisen fur beide Falle durch Gauss in seinen Disquisitiones arithmeticae einem Werk das Cauchy studiert hatte Mit dem Beweis hatte sich Cauchy seit 1812 befasst Das trug wesentlich zu seiner Wahl in die Akademie und dazu bei dass er Professor an der Ecole Polytechnique wurde Professor an der Ecole polytechnique Bearbeiten Die endgultige Niederlage Napoleons 1815 verschaffte Cauchys Karriere Auftrieb Ludwig XVIII wurde jetzt Konig von Frankreich und mit ihm gelangten restaurative Krafte an die Macht Cauchys Vater konnte als treuer Royalist seinen Posten auch unter dem neuen Regime behalten Wissenschaftler von zweifelhafter politischer also revolutionarer Gesinnung hatten nun einen schweren Stand Augustin Louis als strenger Katholik hatte diese Probleme nicht und so erhielt er im November 1815 eine Stelle als Assistenzprofessor an der Ecole polytechnique und bereits im Dezember eine volle Professur Im Marz 1816 wurde die Academie des sciences vom Konig selbst umgestaltet zwei liberale Mitglieder entfernt und die freiwerdenden Platze durch erzkonservative Wissenschaftler wie Cauchy besetzt der den Platz von Gaspard Monge einnahm Cour d Analyse aus dem Jahr 1821Dieses Vorgehen machte ihm keine Freunde Auch wenn er mittlerweile einen hervorragenden Ruf als Mathematiker hatte und seine Berufungen fachlich nicht zu beanstanden waren blieb ihnen doch der Makel der politischen Protektion Dazu kam dass Cauchy wenig auf die Meinungen anderer gab und nach aussen sehr schroff war insbesondere gegen Nichtkatholiken Sein Unterstutzer Lagrange war 1813 gestorben und Cauchy schaffte es sich auch noch Laplace zum Feind zu machen indem er die Methoden von Laplace und Poisson als zu intuitiv und zu wenig exakt bezeichnete Zu Poisson der auf sehr ahnlichen Gebieten arbeitete behielt er allerdings ein gutes Arbeitsverhaltnis und die beiden arbeiteten haufig zusammen Einzig mit dem katholischen Ampere verband ihn eine enge Freundschaft Als Mitglied der Academie war eine von Cauchys Pflichten die Begutachtung von eingesandten wissenschaftlichen Artikeln Dieser Arbeit widmete er viel seiner Zeit allerdings nicht unbedingt zur Freude der Schreiber So schrieb Niels Henrik Abel Cauchy ist verruckt und man kann nichts dagegen tun Allerdings ist er zur Zeit der einzige der weiss wie man Mathematik machen sollte Ahnliche schlechte Erfahrungen machten Galois und Poncelet Es schien auch dass Cauchy teilweise die Papiere der jungen Wissenschaftler verloren hatte was ihm heftig vorgeworfen wurde Michail Ostrogradski dagegen fand nur warme Worte fur Cauchy der den jungen Russen sogar mehrmals aus dem Schuldturm freikaufte wenn er mal wieder seine Miete nicht bezahlen konnte Im Unterricht entwickelte Cauchy grossen Eifer Er hielt die Analysis fur eine Grundvoraussetzung fur die Mechanik und andere wichtige Ingenieursdisziplinen In dieser Zeit entstand 1821 im Rahmen seiner Vorlesungen das Lehrbuch Cours d analyse de l Ecole Polytechnique Er legte grossen Wert auf die Genauigkeit der Definitionen und fuhrte viel neuen Stoff ein wie seine neue Definition der Ableitung die auf einem Grenzwert beruhte und nicht auf dem Infinitesimalkalkul Dies stiess auf Widerstand der Studenten denen Cauchys Vorlesungen zu abstrakt und zu wenig ingenieurorientiert waren hinzu kamen politische Ressentiments einmal wurde er sogar ausgebuht Cauchy hatte am 12 April 1821 seine 65 Vorlesung im Semester gehalten 4 Normalerweise waren pro Semester 50 Vorlesungen bestehend aus 30 Minuten Rekapitulation und 60 Minuten Vorlesung vorgesehen und Cauchy hatte schon fast zwei Stunden Vorlesung gehalten als die Studenten laut wurden und einige den Horsaal verliessen worauf es zu einer Untersuchung kam die beiden Seiten eine Teilschuld gab Schwerwiegender war in Folge der Widerstand auf Seiten mehr anwendungsorientierter Professoren wie Navier wahrend auf Seiten Cauchys nur Ampere ihn tatkraftig unterstutzte so dass schliesslich eine Anderung des Curriculums hin zu mehr anwendungsbezogener Mathematik durchgesetzt wurde 1824 bis 1830 unterrichtete er auch in Teilzeit am College de France und er vertrat auch Poisson an der Sorbonne Im April 1818 heiratete er Aloise de Bure gestorben 1863 die Tochter eines angesehenen Buchhandlers und Verlegers in dessen Verlag Cauchy spater viel veroffentlichte Die beiden hatten zwei Tochter Marie Francoise Alicia geboren 1819 spater verheiratet mit Felix d Escalopier und Marie Mathilde geboren 1823 verheiratet mit Alfred de Saint Pol Sie hatten ein Stadthaus in der Rue Serpente in Paris das Haus der De Bures und einen Sommersitz in Sceaux Exil nach 1830 Bearbeiten In der Julirevolution von 1830 wurde der reaktionare Konig Karl X gesturzt und durch den Burgerkonig Louis Philippe ersetzt Die Studenten der Ecole Polytechnique spielten eine nicht unbedeutende Rolle in den Strassenkampfen Fur Cauchy war dies alles zu viel Er verliess im September die Stadt und liess seine Familie zuruck Zunachst ging er in die Schweiz nach Freiburg einer Hochburg der Jesuiten Eine Ruckkehr nach Frankreich setzte nun allerdings einen Treueschwur auf das neue Regime voraus was fur ihn nicht in Frage kam So blieb Cauchy nichts anderes als das Exil fern von seiner Familie Er verlor seine Posten und ging 1831 nach Turin wo er auf einen Lehrstuhl fur theoretische Physik berufen wurde 1832 wurde Cauchy in die American Academy of Arts and Sciences gewahlt Bereits 1833 verliess er die Stadt um sich Karl X auf dem Hradschin in Prag anzuschliessen und wurde Hauslehrer dessen Enkels Henri d Artois des Herzogs von Bordeaux Karl X hatte im August 1830 abgedankt und seinen Enkel zum Thronerben erklart Dieser erhob damit ab seinem 14 Lebensjahr Anspruch auf den Titel des Konigs von Frankreich Dementsprechend war seine Erziehung ein Politikum das auch in Frankreich genau verfolgt wurde wo einige Adlige lieber die Bourbonen als Louis Philippe auf dem Thron wunschten Cauchy wurde aufgrund seiner wissenschaftlichen Meriten und seiner Nahe zu den Jesuiten ausgewahlt den Prinzen in Mathematik und den Naturwissenschaften insbesondere Chemie und Physik zu unterrichten Er nahm diese Aufgabe sehr ernst so wie er auch den Anspruch des Prinzen auf den Thron lebhaft unterstutzte So bereitete er sich gewissenhaft auf die Unterrichtsstunden vor und betrieb in diesen Jahren so gut wie keine Forschung Es zeigte sich auch hier wie schon in Paris und Turin sein mangelndes Talent als Lehrer Der Prinz zeigte keinerlei Interesse oder Begabung fur Mathematik und er verstand von dem was Cauchy ihm erzahlte herzlich wenig Bis zu seinem 18 Lebensjahr als seine Ausbildung beendet wurde entwickelte er eine ausgiebige Abneigung gegen Mathematik 1834 holte Augustin Louis seine Familie nach die er in den vorangegangenen vier Jahren nur bei seltenen Besuchen in Paris gesehen hatte Zwei Jahre spater zog der Tross des Exilkonigs nach Gorz weiter wo der Prinz 1838 seinen 18 Geburtstag feierte Fur Cauchy bedeutete dies das Ende seines Lebens als Hauslehrer Karl X belohnte ihn fur seine Dienste mit dem Titel eines Barons auf den Cauchy anschliessend viel Wert legte Wegen der schlechten Gesundheit seiner Mutter die 1839 starb kehrte er wieder nach Paris zuruck Jede Woche eine Veroffentlichung Bearbeiten Cauchy war nun in der schwierigen Situation dass er wegen seiner Weigerung den Treueeid auf den Konig zu schworen keine Professur mehr innehatte Zwar war er weiterhin Mitglied der Academie des Sciences und konnte so am wissenschaftlichen Leben teilhaben und publizieren allerdings konnte er sich auf keine neue Stelle bewerben Eine Ausnahme war das Bureau des Longitudes wo er eine lockere Handhabung des Treueeids erwartete so dass Cauchy sich dort bewarb Ende 1839 hatte er auch Erfolg doch bestand die Regierung auf dem Eid Die nachsten vier Jahre wurde dies am Bureau ignoriert Cauchy war nun also wieder Professor allerdings ohne Salar Damit begann eine seiner schaffensreichsten Perioden In Prag hatte Cauchy so gut wie nichts veroffentlicht allerdings uber vieles nachgedacht und die reifen Ideen brachte er jetzt zu Papier Die Academie hatte ein Journal eingerichtet die Comptes Rendus in dem die Mitglieder schnell publizieren konnten Cauchy nutzte dies aus wie kein anderer zwischen 1839 und Februar 1848 veroffentlichte er uber 300 Artikel Rechnet man ein dass er 1844 nicht forschte so bleibt fast ein Artikel pro Woche eine unglaubliche Schaffensgeschwindigkeit Er muss diese Zeitschrift derartig mit Abhandlungen uberschwemmt haben dass man zukunftig die Seitenzahl pro Abhandlung auf vier beschrankte 1843 starb Lacroix und so wurde eine Professur am College de France frei Es gab drei Bewerber Liouville Cauchy und Libri der Lacroix bereits vertreten hatte und dort seine fehlende Kompetenz gezeigt hatte Spater erwarb er zweifelhaften Nachruhm als Bucherdieb Die Jesuiten versuchten in dieser Zeit ihre Vorstellungen von der Lehre an den franzosischen Universitaten durchzusetzen Cauchy unterstutzte dieses Vorhaben nachdrucklich und mit eigenem Einsatz Libri dagegen war ein bekennender Gegner der Jesuiten und aus diesem Grund wurde Libri zum Professor ernannt Das Ministerium nahm dies zum Anlass Cauchy aus dem Bureau des Longitudes zu entfernen Er widmete daraufhin das nachste Jahr der Unterstutzung der jesuitischen Politik Erst die Februarrevolution von 1848 die den Burgerkonig Louis Philippe sturzte fuhrte wieder zur Verbesserung seiner Situation Die letzten Jahre Bearbeiten Fotografie von Cauchy aus seinen spateren LebensjahrenDie Februarrevolution brachte nicht wie von Cauchy erhofft seinen ehemaligen Schuler Henri von Bourbon an die Macht sondern Charles Louis Napoleon Bonaparte ab 1852 Kaiser Napoleon III Zunachst waren jedoch keine neuen Treueeide erforderlich und Cauchy konnte 1849 Professor fur mathematische Astronomie an der Sorbonne werden nachdem Urbain Le Verrier auf einen Lehrstuhl fur physische Astronomie gewechselt war nach dem Biographen von Cauchy Belhost wahrscheinlich ein wohl vorbereitetes Manover 5 Als Napoleon III 1852 Kaiser wurde wollte Cauchy auch diesem keinen Treueeid schworen doch machte man fur ihn eine Ausnahme Fur seine Familie hingegen war die Februarrevolution ein schwerer Schlag Sein Vater und seine beiden Bruder die seit dem Staatsstreich Napoleon Bonapartes fast 50 Jahre hochstehende Beamte waren und jeden Regimewechsel uberstanden hatten verloren diesmal ihre Posten Louis Francois Cauchy starb kurz danach im Dezember 1848 1850 bewarb Cauchy sich ebenso wie Liouville wieder auf die Mathematikprofessur am College de France Libri war gefluchtet Liouville wurde gewahlt und es entspann sich ein hasslicher Streit zwischen den beiden Cauchy wollte seine Niederlage nicht akzeptieren die erste Abstimmung hatte elf Stimmen fur ihn zehn fur Liouville und zwei Enthaltungen ergeben Die beiden gerieten daraufhin auch wissenschaftlich in Streit 1851 prasentierte Cauchy einige Resultate Charles Hermites uber doppeltperiodische Funktionen und bewies sie mittels seines Integralsatzes Liouville glaubte die Resultate direkt aus seinem Satz von Liouville folgern zu konnen Cauchy zeigte dagegen dass man den Satz von Liouville sehr einfach mit dem Integralsatz beweisen kann Auf die jungen Mathematiker Frankreichs ubte Cauchy einen bedeutenden Einfluss aus Auch in seinen letzten Jahren in denen er nur noch wenig forschte evaluierte er viele eingereichte Artikel und kritisierte sie ausgiebig Cauchy hatte ferner die letzten Jahre versucht seine Kollegen zum katholischen Glauben zuruckzufuhren Dies war ihm bei dem Mathematiker Duhamel gelungen Ausgerechnet mit ihm lieferte er sich im Dezember 1856 einen Prioritatsstreit den Ostrogradski zu Ungunsten Cauchys aufklaren konnte Cauchy weigerte sich seinen Fehler zuzugeben und wurde so Zielscheibe vieler Anfeindungen die seine letzten Monate uberschatteten Er starb 1857 in Sceaux bei Paris im Kreis seiner Familie Nach seinem Tod wurde er dadurch geehrt dass sein Name in die Reihe der 72 Namen auf dem Eiffelturm aufgenommen wurde Der Nachlass von Cauchy kam in die Familie seiner altesten Tochter Alicia und danach in die von deren Tochter die in die Familie Leudeville heiratete Sie schickten den wissenschaftlichen Nachlass 1936 oder 1937 an die Akademie der Wissenschaften da sie damit nichts anfangen konnten Leider schickte die Akademie die in der Zeit von Gaston Darboux der Familie noch hohes Interesse signalisiert hatte den Nachlass unmittelbar an die Familie zuruck und er wurde danach verbrannt Nur einige Notizbucher uberdauerten 1989 wurde ein Teil der privaten Korrespondenz mit seiner Familie wiederentdeckt 6 Cauchy wurde 1840 auf Vorschlag von Gauss in die Gottinger Akademie der Wissenschaften aufgenommen und wurde auch 1836 in die Berliner Akademie gewahlt nachdem ein erster Anlauf 1826 scheiterte da es gleich viele Ja wie Nein Stimmen gab Werk BearbeitenDas Werk Cauchys ist beachtlich es umfasst nahezu 800 Artikel und diverse Bucher In 27 Banden wurde es im Laufe von fast 100 Jahren in den Œuvres completes Gauthier Villars Paris 1882 1974 veroffentlicht Die Inspiration fur seine Forschung holte Cauchy sich aus zwei Quellen der Mathematiklehre und der Physik Die grossen Mathematiker vor ihm wie Euler oder Lagrange hatten ohne saubere mathematische Definitionen gearbeitet wie sie heute eine Selbstverstandlichkeit sind und viel intuitives Verstandnis von Funktionen Differenzierbarkeit oder Stetigkeit benutzt Bei der Vorbereitung zu seinen Vorlesungen fielen Cauchy diese Lucken auf und so stellte er als erster die Analysis auf eine strenge methodische Basis eine seiner grossen wissenschaftlichen Leistungen weswegen man ihn als einen der ersten modernen Mathematiker betrachtet Hatte man vorher eher intuitiv mit infinitesimalen Einheiten argumentiert fuhrte Cauchy in seinen Vorlesungen Cours d analyse de l Ecole Polytechnique 1821 Grenzwerte zur Definition der Stetigkeit und Differenzierbarkeit ein Dies ermoglichte eine exakte Problemdefinition und die Beweisbarkeit der verwendeten Theorien Mit dem Cours d Analyse beginnt das Zeitalter der Strenge und der Arithmetisierung der Analysis Lediglich der Begriff der lokal gleichmassigen Konvergenz fehlt noch um dem Werk den letzten Schliff zu geben In Unkenntnis dieses Begriffs formulierte Cauchy falschlich den Satz dass konvergente Reihen stetiger Funktionen immer stetige Grenzfunktionen haben Cauchyscher Summensatz 7 Uber seine Herangehensweise im Cours d Analyse schrieb er Quant au methodes j ai chercher a leur donner tout la rigueur qu on exige en geometrie de maniere a ne jamais recourir aux raisons tirees de la generalite de l algebre Was die Methoden betrifft habe ich mich bemuht diesen die Strenge zu geben die man in der Geometrie fordert ohne immer auf Uberlegungen zuruckzugreifen die sich aus der Allgemeingultigkeit der Algebra ergeben 8 Der haufig zitierte Satz stellt einerseits die den Mathematikern aus Euklid in der Geometrie gelaufige Strenge der Methoden den flexiblen Methoden der algebraischen Analysis des 18 Jahrhunderts Euler Lagrange gegenuber die erst die vielfaltigen Entdeckungen auf diesem Gebiet ermoglichten Ein grosser Teil der wissenschaftlichen Beitrage Cauchys sind in seinen drei Werken Cours d analyse de l Ecole Polytechnique 1821 Exercises de mathematique 5 Bande 1826 30 und Exercises d analyse et de physique mathematique 4 Bande aufgefuhrt die Cauchy im Rahmen seiner Vorlesungen an der Ecole Polytechnique verfasst hatte Die Exercices waren dabei mehr eine Art privates Forschungsjournal von Cauchy der damit unzufrieden war dass die Akademie der Wissenschaften nur relativ langsam seine in schneller Folge erstellten Arbeiten zur Veroffentlichung annahm 9 Vom Cours d Analyse von 1821 erschien nur ein Band da die Ecole Polytechnique bald darauf ihr unter dem Druck der mehr anwendungsorientierten de Prony und Navier das Curriculum anderte mit weniger Ausrichtung auf die Grundlagen worauf Cauchy mit neuen Lehrbuchern reagierte die die Darstellung der Grundlagen stark zusammenkurzten 10 Sein grundlegendes Werk wurde deshalb an der Ecole Polytechnique nie als Lehrbuch benutzt Beispielhaft folgt hier die Gliederung eines Teils der Vorlesungen von 1821 die schon einen grossen Teil seiner Forschungen widerspiegeln Die wichtigsten Beitrage in seinen Abhandlungen betreffen vor allem Folgen und Reihen sowie komplexe Funktionen COURS D ANALYSE DE L ECOLE ROYALE POLYTECHNIQUE Vorlesung der Analysis an der koniglichen polytechnischen HochschulePremiere Partie Erster TeilAnalyse algebrique Algebraische Analysis1 Des fonctions reelles 1 Reelle Funktionen2 Des quantites infiniment petites ou infiniment grandes et de la continuite des fonctions Valeurs singulieres des fonctions dans quelques cas particuliers 2 Unendlich kleine oder unendlich grosse Grossen Singulare Funktionswerte in bestimmten Fallen 3 Des fonctions symetriques et des fonctions alternees Usage de ces fonctions pour la resolution des equations du premier degre a un nombre quelconque d inconnues Des fonctions homogenes 3 Symmetrische und alternierende Funktionen Verwendung dieser Funktionen fur die Losung von Gleichungen ersten Grades mit mehreren Unbekannten Homogene Funktionen 4 Determination des fonctions entieres d apres un certain nombre de valeurs particulieres supposees connues Applications 4 Vollstandige Bestimmung ganzer Funktionen anhand einzelner bekannter Funktionswerte Anwendungen 5 Determination des fonctions continues d une seule variable propres a verifier certaines conditions 5 Bestimmung stetiger Funktionen mit einer Variablen unter Berucksichtigung bestimmter Bedingungen 6 Des series reelles convergentes et divergentes Regles sur la convergence des series Sommation de quelques series convergentes 6 Reelle divergente und konvergente Reihen Regeln der Konvergenz von Reihen Summation ausgewahlter konvergenter Reihen 7 Des expressions imaginaires et de leurs modules 7 Komplexe Ausdrucke und ihre Betrage 8 Des variables et des fonctions imaginaires 8 Komplexe Variable und Funktionen 9 Des series imaginaires convergentes et divergentes Sommation de quelques series imaginaires convergentes Notations employees pour representer quelques fonctions imaginaires auxquelles on se trouve conduit par la sommation de ces memes series 9 Komplexe konvergente und divergente Reihen Summation von ausgewahlten konvergenten komplexen Reihen Verwendete Notation um bestimmte komplexe Funktionen darzustellen die bei der Reihensummation auftreten 10 Sur les racines reelles ou imaginaires des equations algebriques dont le premier membre est une fonction rationnelle et entiere d une seule variable Resolution de quelques equations de cette espece par l algebre ou la trigonometrie 10 Reelle oder komplexe Wurzeln algebraischer Gleichungen deren erstes Glied eine ganze rationale Funktion einer Variablen ist Algebraische oder trigonometrische Losung derartiger Gleichungen 11 Decomposition des fractions rationnelles 11 Zerlegung rationaler Bruche 12 Des series recurrentes 12 Rekursive Folgen Folgen und Reihen Bearbeiten In der Theorie der Folgen und Reihen hat Cauchy viele wichtige Kriterien fur deren Konvergenz entwickelt Von grundlegender Bedeutung fur die Theorie der Folgen und Reihen ist die Cauchy Folge Cauchy benutzte im Cours d analyse das Cauchykriterium fur Reihen das analog auf Folgen angewandt werden kann um ihre Konvergenz zu zeigen Einen echten Beweis dafur dass Cauchyfolgen in R konvergieren gab er allerdings nicht Bernard Bolzano hatte bereits 1817 bewiesen dass der Grenzwert einer Cauchy Folge eindeutig bestimmt sein muss allerdings setzten offenbar sowohl Bolzano als auch Cauchy die Existenz dieses Grenzwerts in R als anschaulich gegeben voraus Erst in der von Eduard Heine und Georg Cantor begrundeten Theorie der reellen Zahlen vgl Konstruktion von R aus Q wurde dieser Mangel beseitigt indem R einfach als Menge von Aquivalenzklassen von Fundamentalfolgen definiert wurde Zu Ehren Cauchys heissen diese seither Cauchy Folgen Anfang der 1970er Jahre gab es eine Kontroverse um die Behauptung von Ivor Grattan Guinness Cauchy habe Bolzano plagiarisiert 11 12 Cauchy zeigte die Konvergenz der geometrischen Reihe und leitete daraus das Quotientenkriterium und das Wurzelkriterium ab Letzteres besagt dass eine Reihe reeller Zahlen konvergiert wenn ab einem n ten Summanden der Reihe die n te Wurzel dieses Summanden kleiner als eine Zahl kleiner als 1 ist Meistens kann das Wurzelkriterium mit Hilfe des Grenzwerts der n ten Wurzel praktisch uberpruft werden Einer ahnlichen Idee folgt die Formel von Cauchy Hadamard mit der man den Konvergenzradius einer Potenzreihe ermitteln kann Er berechnet sich als oberer Grenzwert des Quotienten zweier benachbarter Koeffizienten einer Potenzreihe Der Grenzwertsatz von Cauchy besagt schliesslich dass das arithmetische Mittel der Elemente einer konvergenten Folge gegen den Grenzwert dieser Folge strebt Der cauchysche Verdichtungssatz gibt ein Kriterium an wie ausgewahlte Glieder einer Reihe daher verdichtet als Kriterium fur eine streng monoton fallende Reihe verwendet werden konnen Im Reihenproduktsatz wies er erstmals nach dass die so genannte cauchysche Produktreihe zweier konvergenter Reihen unter besonderen Bedingungen ebenfalls konvergiert Dieser Beweis wird haufig fur die Konvergenzanalysen von Potenzreihen herangezogen Cauchy hat ausser dem Reihenproduktsatz noch weitere Erkenntnisse uber die Potenzreihen geliefert Vor allem bewies er erstmals mit formaler Strenge das taylorsche Theorem und entwickelte in diesem Zusammenhang das Cauchysche Restglied einer Taylorreihe Als erster bewies er streng die Konvergenz der schon von Leonhard Euler untersuchten Folge 1 1 n n textstyle 1 frac 1 n n deren Grenzwert die eulersche Zahl e e ist Eine spezielle Anwendung konvergenter Folgen findet sich im cauchyschen Hauptwert mit dessen Hilfe Integrale von Funktionen mit Polstellen bestimmt werden konnen Man untersucht hier ob das Integral der Funktion in der Umgebung der Polstelle konvergiert Differential und Integralrechnung Bearbeiten Ebenfalls im Cours d Analyse findet sich Cauchys Definition der Ableitung als Grenzwert Seine Zeitgenossen Lagrange und Laplace hatten die Ableitung uber Taylor Reihen definiert da sie annahmen dass eine stetige Funktion durch eine unendliche Taylor Reihe eindeutig dargestellt werden konnte die Ableitung war dann einfach der zweite Koeffizient der Reihe Cauchy widerlegte diese Annahme erstmals In der Integralrechnung benutzte Cauchy ebenfalls als erster auch im Cours d Analyse eine Definition uber einen Grenzwertprozess bei dem das Integrationsintervall in immer kleiner werdende Teilintervalle unterteilt wird und die Lange jedes Teilintervalls mit dem Funktionswert am Anfang des Intervalls multipliziert wird Von Cauchy stammt auch die Cauchy Formel fur mehrfache Integration Ende des 20 und Anfang des 21 Jahrhunderts gab es eine Renaissance der Forschung zu Cauchy und eine Neubewertung seiner zahlreichen Beitrage zur Analysis im Rahmen Begriffsbildungen seiner Zeit und weniger aus der Sicht der spateren Entwicklung etwa in der Weierstrass Schule 13 Ein Aspekt davon ist die kontroverse Debatte um eine mogliche Interpretation Cauchys im Sinn der spateren Nichtstandardanalysis Cauchy verwendet den Begriff der unendlich kleinen Grosse explizit in seinem Cours d Analyse 14 Schon Abraham Robinson und Imre Lakatos 15 gingen der Frage nach ob einige wohlbekannte Fehler aus spaterer Sicht in Cauchys Werk darauf beruhten dass man die Verwendung von Infinitesimalen bei Cauchy ernst nehmen sollte eine Form der Nichtstandardanalysis Das wurde auch von einem weiteren Pionier der Nichtstandardanalysis Detlef Laugwitz 16 17 vertreten und zum Beispiel von Detlef Spalt der Cauchy spater aber etwas anders interpretierte mit einem immer noch von seinen Zeitgenossen radikal unterschiedlichen Funktionsbegriff 18 Dabei ging es unter anderem um den sogenannten Cauchyschen Summensatz der in der ublichen Interpretation der Analysis falschen Behauptung von Cauchy in seinem Cours d Analyse von 1821 eine konvergente Reihe stetiger Funktionen ware stetig wozu schon Abel 1826 ein Gegenbeispiel gab Ersetzt man punktweise durch gleichmassige Konvergenz ist der Satz rettbar Philipp Ludwig Seidel George Gabriel Stokes 1847 und die Debatte ging darum ob hier auch Cauchy richtig lag wenn man unterstellte er hatte ihn im Sinn der Nichtstandardanalysis interpretiert siehe auch den Abschnitt Geschichte in Gleichmassige Konvergenz Die Mehrzahl der Cauchy Forscher lehnt dies aber als ein Beispiel nachtraglicher Interpretation aus moderner Sicht ab entwickelte aber auch ein sehr viel differenzierteres Bild von Cauchys Verstandnis der Analysis Beispiele von neueren Mathematikhistorikern die sich intensiv mit Cauchys Beitragen beschaftigten sind Ivor Grattan Guinness Hans Freudenthal Judith Grabiner Umberto Bottazzini Frank Smithies besonders Funktionentheorie und Amy Dahan Dalmedico besonders die Anwendungen in der Physik und das Gruppenkonzept Spalt der sich in den 1990er Jahren von der Sichtweise von Laugwitz absetzte versuchte Cauchy aus dessen eigenem Begriffsystem heraus zu verstehen und wies daraufhin dass er einen anderen Funktionsbegriff als heute ublich verwendete der sich aber auch radikal von dem der damals ublichen algebraischen Analysis unterschied Paradigmenwechsel und den er von seinem Lehrer Lacroix ubernahm Er fasste so Spalt Funktionswerte als ausgedehnte Grossen auf die wiederum von anderen ausgedehnten Grossen den Variablen abhingen und interpretierte Cauchys Beweis des Summensatzes im Sinn des spater von Constantin Caratheodory eingefuhrten Begriffs der stetigen Konvergenz aus dem die gleichmassige Konvergenz folgt Cauchy selbst kam 1853 auf den Summensatz zuruck und diese Arbeit wurde von Grattan Guinness und Bottazzini als Beginn der gleichmassigen Konvergenz gesehen was aber ebenfalls umstritten ist 19 Grabiner wies insbesondere darauf hin dass die Epsilontik in der strengen Begrundung der Analysis auf Cauchy zuruckgeht auch wenn das nicht immer deutlich wird da sich Cauchy verschiedenster Methoden bediente und vieles nicht in Formeln ausdruckte sondern mit Worten umschrieb Ansatze dazu gab es schon im 18 Jahrhundert bei Fehlerabschatzungen mit Hilfe von Ungleichungen d Alembert Euler Lagrange u a und zwei Vorlaufer von Cauchy Gauss und Bolzano kamen ihm nahe aber es war im Wesentlichen Cauchy der dies systematisierte und streng begrundete 20 Von Cauchy stammt der erste Beweis des Mittelwertsatzes der Differentialrechnung 1823 in seinen Vorlesungen uber Infinitesimalrechnung Funktionentheorie Bearbeiten Lecons sur le calcul differentiel 1829Cauchys Leistungen auf dem Gebiet der Funktionentheorie also der Lehre von komplexen Funktionen waren bahnbrechend Euler und Laplace hatten bereits auf intuitive Weise die komplexe Zahlenebene zur Berechnung von reellen Integralen benutzt allerdings ohne diese Vorgehensweise durch einen Beweis rechtfertigen zu konnen Es war Laplace der Cauchys Interesse fur diese Methode weckte Cauchy begann 1814 damit sich systematisch mit komplexen Funktionen auseinanderzusetzen In diesem Jahr sandte er einen Aufsatz Memoire sur les integrales definies prises entre des limites imaginaires an die franzosische Akademie der Wissenschaften der aber erst 1825 veroffentlicht wurde Er definierte im Cours d Analyse als erster formal eine Funktion komplexer Variablen und war faktisch bis etwa 1840 der einzige der sich systematisch mit Funktionentheorie beschaftigte Carl Friedrich Gauss befasste sich ebenfalls damit und kannte viele der Resultate von Cauchy und weiter daruber hinaus veroffentlichte aber nichts bis 1831 21 22 Dementsprechend gross ist sein Beitrag zu diesem Gebiet In seinem beruhmten Aufsatz Sur les integrales definies begann er 1814 reelle Funktionen uber Rechtecke in der komplexen Zahlenebene zu integrieren um reelle Integrale auszurechnen Hier tauchen zum ersten Mal die Cauchy Riemann Differentialgleichungen auf die komplexe Differenzierbarkeit und partielle Differentialgleichungen verbinden Eine komplexwertige Funktion ist genau dann komplex differenzierbar wenn sie total differenzierbar ist und dem oben genannten System der Cauchy Riemann Gleichungen genugt Es folgt ein Beweis des cauchyschen Integralsatzes fur das Rechteck Schliesslich beschaftigt sich der Aufsatz mit dem Fall dass die Funktion in dem Rechteck einfache Polstellen hat und enthalt den Residuensatz fur den Fall der Integration uber ein Rechteck Das erste veroffentlichte Beispiel einer Auswertung eines Integrals durch einen Integrationsweg im Komplexen stammte aber von Simeon Denis Poisson 1820 der aber die damals noch unveroffentlichte Arbeit von Cauchy kannte 23 Diese Ansatze verfolgt er in den nachsten zehn Jahren weiter und verallgemeinerte sie auf beliebige Integrationspfade wobei er davon ausging dass der jordansche Kurvensatz gilt und auch auf mehrfache Pole Alle holomorphen Funktionen konnen mit Hilfe der Integralformel von Cauchy beliebig oft differenziert werden Man kann dann mit diesen Ableitungen holomorphe Funktionen als Potenzreihen darstellen Mit der cauchyschen Majorantenmethode Calcul des Limites von ihm 1831 in einer Arbeit zur Himmelsmechanik zuerst veroffentlicht kann die Existenz der Losungen einer Differentialgleichung mit einer holomorphen Funktion als rechte Seite untersucht werden Grundlage dafur ist die Potenzreihenentwicklung der Losung siehe auch den Abschnitt Differentialgleichungen Cauchy sah in den komplexen Zahlen rein symbolische Ausdrucke Die geometrische Interpretation benutzte er erst 1825 24 Spater in den Compte rendu 1847 versuchte er die Verwendung komplexer Zahlen weiter auf reelle Grossen zu reduzieren indem er sie beeinflusst durch die zahlentheoretischen Arbeiten von Gauss als Rechnen modulo X 2 1 X 2 1 im Ring der Polynome interpretierte Das war ein Vorgriff auf die spateren Arbeiten von Leopold Kronecker 25 Differentialgleichungen Bearbeiten Nach ihm ist das Cauchy Problem benannt das sind Anfangswertprobleme bei denen die Losungen auf dem kompletten Raum gesucht werden Die Ideen zu dem nach ihm benannten Anfangswertproblem hatte er moglicherweise bei seiner grossen Abhandlung und Akademie Preisschrift uber Wellen in Flussigkeiten von 1815 26 Die wesentlich neue Erkenntnis war dass die Existenz einer Losung bewiesen werden konnte auch wenn man die Losung nicht kannte und musste und deren Eindeutigkeit durch spezielle Anfangs und Randwertbedingungen sichergestellt werden musste Zum Beweis der Existenz und Eindeutigkeit von Losungen von Differentialgleichungen benutzte er zwei Methoden 27 Fur das Anfangswertproblem y f t y t y t 0 y 0 displaystyle dot y f t y t y t 0 y 0 benutzte er das eulerschen Polygonzugverfahrens manchmal zusatzlich nach Cauchy benannt Das entwickelte er in den 1820er Jahren und stellte es im ersten Band seiner Exercices d Analyse dar Cauchy setzte die Stetigkeit der Funktion und ihrer Ableitung voraus das wurde durch Rudolf Lipschitz 1875 gelockert Lipschitz Bedingung und der Satz nach Cauchy und Lipschitz benannt allerdings auch nach Emile Picard und Lindelof Satz von Picard Lindelof 28 Seine zweite Methode hatte ein breiteres Anwendungsspektrum und wurde von ihm auch im Komplexen benutzt sein calcul des limites von ihm in mehreren Arbeiten in den Comptes Rendus 1839 bis 1842 entwickelt spater auch als Methode der Majoranten Funktion bezeichnet Im oben angegebenen Anfangswertproblem mit einer analytischen Funktion f f entsprache das einer Taylorentwicklung um den Anfangswert bei einem Punkt P 0 P 0 wobei die hoheren Ableitungen in den Koeffizienten der Taylorreihe durch sukzessive Ableitung der Differentialgleichung gewonnen werden ausgewertet am Punkt P 0 P 0 29 Die Methode wurde von Charles Briot und Jean Claude Bouquet vereinfacht und ihre Darstellung wurde spater die Standardform Wahrscheinlich kannte Cauchy auch ein drittes Verfahren das heute nach Picard benannt ist das Iterationsverfahren der Methode der sukzessiven Approximation zuerst von Joseph Liouville benutzt Cauchy ubertrug seine Methode des Calcul des Limites auch auf partielle Differentialgleichungen die er zunachst auf Systeme von Differentialgleichungen reduzierte Ein Existenzsatz zum Cauchy Problem von partiellen Differentialgleichungen ist nach ihm und Sofja Kowalewskaja sie fand den Satz unabhangig 1875 und in etwas verbesserter Form benannt Satz von Cauchy Kowalewskaja Cauchy veroffentlichte dazu in einer Reihe von Arbeiten 1842 in den Comptes Rendu der Akademie Bei partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung war er 1819 unabhangig von Johann Friedrich Pfaff einer der Begrunder der Methode der Charakteristiken 30 Diese war aber im Fall zweier Variabler schon Gaspard Monge bekannt und auch Ampere 31 Cauchy untersuchte vor allem lineare partielle Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten die er etwa in Anwendungen wie der Hydrodynamik Elastizitatstheorie oder Optik fand schon als Operatoren Gleichungen auffasste und vornehmlich mit der Methode der Fouriertransformation von ihm zuerst auf gewohnliche Differentialgleichungen angewandt und ab 1826 auch mit seinem Residuenkalkul behandelte Cauchy benutzte die Methode der Fourier Transformation haufig und nutzte sie mit grosserem Geschick als jeder seiner Zeitgenossen einschliesslich Fourier und Poisson 32 Von ihm stammt auch die erste korrekte Formulierung der Umkehrformel die er nach eigener Aussage unabhangig von Fourier fand aber nach diesem benannte 33 Funktionalgleichungen Bearbeiten Im Kapitel 5 seiner Analyse algebrique untersuchte Cauchy die vier Funktionalgleichungen F x y F x F y F x y F x F y F x y F x F y F x y F x F y begin aligned Phi x y amp Phi x Phi y Phi x y amp Phi x cdot Phi y Phi x cdot y amp Phi x Phi y Phi x cdot y amp Phi x cdot Phi y end aligned und bewies dass die stetigen Losungen die Form F x a x Phi x ax F x a x Phi x a x mit positivem a a F x a log x Phi x a log x beziehungsweise F x x a Phi x x a haben Fur die erste dieser Funktionalgleichungen hat sich seither die Bezeichnung Cauchy Funktionalgleichung bzw cauchysche Funktionalgleichung eingeburgert Beitrage zur Physik Bearbeiten Seine Forschungen in der Elastizitatstheorie waren grundlegend auch fur heutige Anwendungen So entwickelte Cauchy den Spannungstensor eines Wurfels mit dessen 9 Kennzahlen die Spannung in einem Punkt eines elastischen Korpers vollstandig beschrieben werden kann Dagegen gibt die Cauchy Zahl das Verhaltnis der Tragheitskrafte zu den elastischen Kraften bei Schwingungen des Schalls in einem Korper an Nach dem Cauchyschen Ahnlichkeitsmodell haben zwei Korper dann das gleiche Elastizitatsverhalten wenn sie die gleiche Cauchy Zahl aufweisen Die Bedeutung dieser Erkenntnis liegt darin dass man so mit Modellen die Stabilitat von realen Bauwerken untersuchen kann Die theoretischen Erkenntnisse Cauchys in der Elastizitatstheorie machten erst die baustatischen Forschungen Naviers an der Ecole Polytechnique und anderer moglich Sein Biograph Hans Freudenthal hielt das fur seinen grossten Beitrag zur Wissenschaft In der Kontinuumsmechanik sind die Cauchy eulerschen Bewegungsgesetze nach ihm und Euler benannt und die Cauchy Elastizitat In einem gewissen Zusammenhang mit der Elastizitatstheorie stehen auch die Forschungen Cauchys uber das Licht Man wollte zu dieser Zeit das Wesen der Lichtwellen mit Hilfe der Dispersion also der wellenlangenabhangigen Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht beim Durchgang durch ein Prisma untersuchen Cauchy hatte schon 1815 Wellengleichungen untersucht und sich vor allem in seinen Studien zur Elastizitat mit linearen partiellen Differentialgleichungen beschaftigt was er fur die Untersuchung von Lichtwellen ausnutzen konnte Man ging davon aus dass der Raum von einem mit einer Flussigkeit vergleichbaren Medium dem sogenannten Ather erfullt sein musse da die Wellen ja einen Trager fur ihre Verbreitung brauchten Cauchy leitete aus diesen Forschungen empirisch einen einfachen Zusammenhang zwischen Brechungsindex des Prismas und der Wellenlange des Lichts ab Cauchy befasste sich auch mit Himmelsmechanik wobei er auch detaillierte Storungsrechnungen anstellte Dabei uberprufte er auch 1845 die verwickelte Bahnberechnung des Asteroiden Pallas von Urbain Le Verrier mit einer einfacheren Methode 34 Sonstige Leistungen Bearbeiten Die Cauchy Verteilung oder auch t Verteilung mit einem Freiheitsgrad zeichnet sich dadurch aus dass sie keine Momente besitzt Das Integral der Erwartungswerte konvergiert hier nicht Die Cauchy Schwarz Ungleichung gibt an dass der Absolutwert des Skalarproduktes zweier Vektoren nie grosser als das Produkt der jeweiligen Vektornormen ist Diese Erkenntnis dient beispielsweise als Basis fur den Korrelationskoeffizienten in der Statistik Ein wertvoller Beitrag zur Stochastik ist das Prinzip der Konvergenz mit Wahrscheinlichkeit 1 mit der eine Folge von Zufallsvariablen fast sicher gegen eine Zufallsvariable konvergiert In der Geometrie bewies er um 1812 dass konvexe Polyeder starr sind Starrheitssatz fur Polyeder von Cauchy 35 36 Er gab damals auch einen der ersten strengen Beweise des Eulerschen Polyedersatzes Der Satz von Cauchy gibt den Flacheninhalt eines konvexen Korpers als Mittel uber die Flacheninhalte der Parallelprojektionen an und ist ein fruhes Resultat zur Integralgeometrie In der linearen Algebra veroffentlichte er eine Abhandlung uber Determinanten 1812 machte damit diesen Begriff popular und bewies grundlegende Eigenschaften wie die Bestimmung der Matrix Inverse mit ihrer Hilfe und Determinantenproduktsatz gleichzeitig mit Binet Satz von Binet Cauchy 1829 veroffentlichte er gleichzeitig mit Carl Gustav Jacobi die allgemeine Theorie der Hauptachsentransformation einer quadratischen Form durch orthogonale Transformationen was fruhere Untersuchungen von Euler und Lagrange verallgemeinerte und vereinheitlichte Cauchy bewies dabei auch dass die Eigenwerte einer symmetrischen n n Matrix reell sind Die Arbeit von Cauchy stand in Zusammenhang mit n dimensionalen Flachen zweiter Ordnung und war auch eine der ersten Arbeiten zur n dimensionalen Geometrie 37 1815 begrundete er in einer Arbeit auch die Theorie der Permutationen die er zunachst als Substitution bezeichnete und erst spater wie heute als Permutation und fuhrte die heute ublichen Begriffe einschliesslich Zyklendarstellung ein In den 1840er Jahren kam er in seinen Exercises darauf zuruck Er betrachtete schon spezielle Substitutionen konjugierte Substitutionen und die Vertauschbarkeitseigenschaften stiess aber noch nicht zum Gruppenbegriff durch der sich erst mit Arthur Cayley herausbildete der wiederum auf Cauchy aufbaute Bei diesen Untersuchungen knupfte er an Lagrange an Ein Beitrag zur Gruppentheorie von Cauchy ist der Satz von Cauchy von 1845 1815 veroffentlichte er einen Beweis des Fermatschen Polygonalzahlsatzes der mit dazu beitrug seinen Ruf zu festigen Er versuchte sich auch an der Fermat Vermutung und fand wie auch Ernst Eduard Kummer in der Diskussion die sich an den Beweisversuch von Gabriel Lame 1847 anschloss dass die eindeutige Primfaktorzerlegung in den betrachteten algebraischen Zahlkorpern nicht immer gegeben ist 38 Zunachst lieferte er sich aber im Marz 1847 einen Wettkampf mit Lame um den Beweis der Vermutung unter Voraussetzung der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung von x n y n displaystyle x n y n in n n komplexe Faktoren Pierre Wantzel hatte wahrenddessen behauptet einen Beweis fur diese Voraussetzung gefunden zu haben Am 17 Mai verlas schliesslich der schon immer skeptische Joseph Liouville einen Brief an die Akademie von Ernst Eduard Kummer der mitteilte bereits vor drei Jahren die Nichteindeutigkeit der Primfaktorzerlegung bewiesen zu haben Lame erkannte das schnell an und stellte die Veroffentlichungen ein Cauchy veroffentlichte noch bis August weiter uber Polynome in Kreisteilungskorpern allerdings zunehmend unabhangig von der Frage der Fermatvermutung und Ideen Kummers aufgreifend 39 Rezeption in Deutschland BearbeitenIn Deutschland fand Cauchy hohe Anerkennung sowohl durch Gauss obwohl der sich auch im erhaltenen Briefwechsel und auch sonst kaum zu ihm ausserte und die Rezensionen von Cauchys Schriften im Gottinger Gelehrten Anzeiger anderen uberliess aber seine Aufnahme in die Gottinger Akademie veranlasste als auch zum Beispiel durch Carl Gustav Jacobi der ihn mit Gauss zu den fuhrenden Geometern zahlte 40 Nach Karin Reich 41 fanden seine Lehrbucher anfangs eine gemischte teils ziemlich negative Aufnahme Martin Ohm zum Beispiel fand es in seiner Rezension des Cours d Analyse von 1829 schlimm wenn man sich nur noch auf konvergente Reihen beschranken musste und die gewohnte algebraische Analysis als formale Manipulation von Folgen und Reihen in der Nachfolge Eulers opfern wurde 42 und erst in den 1840er Jahren anderte sich das mit den Lehrbuchern von Oskar Schlomilch Handbuch der algebraischen Analysis 1845 und Johann August Grunert Obwohl Schlomilch in seinem Lehrbuch Cauchys Neuerungen in Deutschland erstmals allgemein bekannt machte vermisste auch er die Schonheit des architektonischen Baus und das Leben der Erfindung 43 Noch 1860 gestand Moritz Abraham Stern in seinem Analysis Lehrbuch zwar zu dass Cauchy eine neue Epoche der Analysis eingeleitet hatte bemangelte aber auch Kunstlichkeit Undurchsichtigkeit im Vergleich zu Euler und bekannte Fehler Cauchyscher Summensatz Bernhard Riemann kannte bei seinem Aufbau der Funktionentheorie die Beitrage der franzosischen Schule von Cauchy Er las schon als Student den Cours d Analyse 44 verwendete in seiner Dissertation zur Begrundung seiner Funktionentheorie eine kurze Note in den Comptes Rendus der Akademie von Cauchy von 1851 mit der Cauchy Riemannschen Differentialgleichung die Note beruhte auf vielen fruheren Arbeiten von Cauchy und kannte und verwendete in spateren Vorlesungen die Lehrbucher von Briot und Bouquet und die Arbeiten von Puiseux die Cauchys Lehre ausbauten Auch wenn er in seinen Veroffentlichungen nicht immer explizit darauf als Quelle hinwies sondern dies als Allgemeinwissen voraussetzte 45 Er integrierte auch in seinen Vorlesungen den Potenzreihen Zugang zur Funktionentheorie der historisch mit Cauchy und Weierstrass verbunden wird mit seinem eigenen geometrisch potentialtheoretischen Zugang konforme Abbildungen Cauchy Riemannsche Differentialgleichung als Basis und war in der Wahl seiner Mittel flexibel wie zum Beispiel Erwin Neuenschwander bei Untersuchung der Vorlesungsnachschriften zeigte 46 47 48 Umgekehrt finden sich viele der Riemann zugeschriebenen Erkenntnisse der geometrischen Funktionentheorie schon bei Cauchy 49 auch wenn Cauchy es sich wie Laugwitz bemerkte selbst schwer machte indem er bewusst die geometrische Interpretation der komplexen Zahlen umging Es gibt eine Anekdote aus den Erinnerungen von James Joseph Sylvester der sich dabei auf eine Unterhaltung mit einem ehemaligen Kommilitonen von Riemann berief dass Riemann in seiner Berliner Zeit 1847 bis 1849 nach der intensiven Lekture von gerade erschienenen Arbeiten von Cauchy in den Comptes Rendus meinte dass man hier eine neue Mathematik vor sich habe 50 Auch Weierstrass schatzte Cauchy In erst in seinen gesammelten Werken 1894 veroffentlichten Abhandlungen die er 1841 42 als Student verfasste nahm er wesentliche Teile der Funktionentheorie vorweg Er behauptete spater dass er damals die Werke von Cauchy noch nicht gelesen hatte und vor allem durch Abel beeinflusst war doch war Cauchys Einfluss damals schon so gross dass dies auch indirekt geschehen sein konnte 51 Danach lebte er weitgehend isoliert bis zu seiner Berufung nach Berlin 1856 In seinen Vorlesungen hielt er sich vor allem an sein eigenes System und seine eigenen Forschungen und passte die Forschung anderer daran an so dass sich sein Student Leo Koenigsberger einmal beklagte von den vielen Entdeckungen Cauchys dabei nichts erfahren zu haben 52 Die Weierstrass Schule war es die auch international in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts von grosstem Einfluss war Ehrungen BearbeitenDer Mondkrater Cauchy der Asteroid 16249 Cauchy und die Rupes Cauchy sind nach ihm benannt Literatur BearbeitenBruno Belhoste Augustin Louis Cauchy A biography Springer New York 1985 1991 ISBN 3 540 97220 X Umberto Bottazzini Geometrical Rigour and modern analysis An introduction to Cauchy s Cours d analyse Vorwort zur Faksimile Ausgabe des Cours d Analyse von Cauchy Bologna 1990 Amy Dahan Dalmedico Mathematisations Augustin Louis Cauchy et l Ecole Francaise Ed du choix Argenteuil 1992 amp Albert Blanchard Paris 1992 Rezension von Craig Fraser in Isis A Journal of the History of Science 86 1995 S 501f doi 10 1086 357285 Giovanni Ferraro The rise and development of the theories of series up to the early 1820s Springer 2008 Hans Freudenthal Cauchy Augustin Louis In Charles Coulston Gillispie Hrsg Dictionary of Scientific Biography Band 3 Pierre Cabanis Heinrich von Dechen Charles Scribner s Sons New York 1971 S 131 148 Craig Fraser Cauchy In Dictionary of Scientific Biography Band 2 Scribners 2008 S 75 79 Judith Grabiner The Origins of Cauchy s Rigorous Calculus MIT Press 1981 Dover 2005 Judith Grabiner Who gave you the epsilon Cauchy and the origins of rigorous calculus Amer Math Monthly Band 90 1983 S 185 194 Online Ivor Grattan Guinness The development of the foundations of mathematical analysis from Euler to Riemann MIT Press Cambridge 1970 Ivor Grattan Guinness Ivor Cooke Hrsg Landmark writings in the history of mathematics Elsevier 2005 darin von Grattan Guinness Cours d analyse and Resume of the calculus 1821 1823 von F Smithies Two memoirs on complex function theory 1825 1827 Hans Niels Jahnke Hrsg A history of analysis American Mathematical Society 2003 darin Jesper Lutzen The foundation of analysis in the 19th century Umberto Bottazzini Complex function theory 1780 1900 im Original Geschichte der Analysis Spektrum Akademischer Verlag 1999 Frank Smithies Cauchy and the creation of complex function 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1874 Band 7 S 265 304 Band 8 S 43 55 148 159 und in den Oeuvres Serie 2 Band 15 1974 S 41 89 deutsche Ausgabe Abhandlung uber bestimmte Integrale zwischen imaginaren Grenzen Ostwalds Klassiker hrsg von Paul Stackel Leipzig 1900 Archive Memoire sur les integrales definies Memoires presentes par divers savants a l Academie des Sciences Ser 2 Band 1 1827 S 601 799 Wieder abgedruckt in den Oeuvres Reihe 1 Band 1 1882 S 319 506 es stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1814 Cours d analyse de l Ecole royale polytechnique Band 1 Paris Imprimerie Royale 1821 Archive 53 Deutsche Ubersetzung Lehrbuch der Algebraischen Analysis Konigsberg 1828 Ubersetzer C L B Huzler 54 Digitalisat Ausgabe Berlin Springer 1885 Hrsg Carl Itzigsohn SUB Gottingen Englische Ubersetzung mit Kommentar Robert Bradley Edward Sandifer Cauchy s Cours d Analyse An annotated translation Springer 2009 Resume des lecons donnees a l Ecole royale polytechnique sur le calcul infinitesimal Paris De Bure 1823 Lecons sur les applications du calcul infinitesimal a la geometrie Paris Imprimerie Royale 1826 Archive Deutsche Ubersetzung von Heinrich Christian Schnuse 55 Vorlesungen uber die Anwendung der Differentialreichnung in der Geometrie 1840 Exercices de mathematiques 5 Bande Paris De Bure freres 1826 bis 1830 Archive Band 1 Lecons sur le calcul differentiel Paris 1829 Eine deutsche Ubersetzung von Heinrich Christian Schnuse kam 1836 in Braunschweig heraus Vorlesung uber die Differenzialrechnung mit Fourier s Auflosungsmethoden der bestimmten Gleichungen verbunden Lecons de calcul differentiel et de calcul integral Paris 1844 Archive Deutsche Ubersetzung von Schnuse Vorlesung uber die Integralrechnung Braunschweig 1846 Exercices d analyse et de physique mathematique 4 Bande Paris Bachelier 1840 bis 1847 Archive Band 1Weblinks Bearbeiten Commons Augustin Louis Cauchy Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Augustin Louis Cauchy im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Augustin Louis Cauchy in der Deutschen Digitalen Bibliothek John J O Connor Edmund F Robertson Augustin Louis Cauchy In MacTutor History of Mathematics archive Augustin Louis Cauchy Eintrag in Bibm th La bibliotheque des mathematiques Cauchy Augustin 1789 1857 auf der Website MathCS org von Bert G Wachsmuth Eintrag im Katalog der Bibliotheque nationale de FranceEinzelnachweise Bearbeiten a b Claude Alphonse Valson La vie et les travaux du baron Cauchy membre de la cademie des sciences Gauthier Villars Paris 1868 S 18 Google Digitalisat Gerhard Kowalewski Grosse Mathematiker Eine Wanderung durch die Geschichte der Mathematik vom Altertum bis zur Neuzeit 2 Auflage J F Lehmanns Verlag Munchen Berlin 1939 Belhost Cauchy S 46 Es gab zwei Semester pro Jahr und das Semester begann im November und endete eigentlich im Marz er hatte also uberzogen Zum Unterricht an der Ecole Polytechnique siehe Belhost La formation d une technocratie Belin 2003 S 372 Belhost Cauchy 1991 S 224 Belhost Cauchy 1991 S 363 nach Reinhold Remmert Funktionentheorie I Springer Berlin 1984 ISBN 3 540 12782 8 Cauchy Cours d Analyse 1821 Introduction S ii Robert Bradley Edward Sandifer Vorwort zur Neuausgabe des Cours d Analyse Springer 2009 S XII Robert Bradley Edward Sandifer Cauchy s Cours d Analyse An annotated translation Springer 2009 S VIII Grattan Guinness Bolzano Cauchy and the new analysis of the early nineteenth century Archive for History of Exact Sciences Band 6 1970 S 372 400 Hans Freudenthal Did Cauchy plagiarize Bolzano Archive for History of Exact Sciences Band 7 1971 S 375 392 Zum Beispiel der Nachtrag von Craig Fraser zur neueren Cauchy Forschung im neuen Dictionary of Scientific Biography 2008 als Erganzung zu dem alteren Aufsatz von Hans Freudenthal der damals in den 1970er Jahren schon zahlreiche Beitrage Cauchys aufzahlte und ein ausgesprochener Bewunderer seines Werks war Definition von infinitement petit in der Ausgabe 1821 S 4 Lakatos Cauchy and the Continuum Mathematical Intelligencer 1978 Nr 9 Der Aufsatz stammte ursprunglich aus dem Jahr 1966 und beruht auf Diskussionen mit Abraham Robinson Laugwitz Infinitely small quantities in Cauchy s textbooks Historia Mathematica Band 14 1987 S 258 274 Laugwitz Definite Values of Infinite Sums Aspects of the Foundations of Infinitesimal Analysis around 1820 Archive for History of Exact Sciences Band 39 1989 S 195 245 Spalt Cauchys Kontinuum Arch Hist Exact Sciences Band 56 2002 S 285 338 Klaus Viertel Geschichte der gleichmassigen Konvergenz 2015 S 32f mit Viertels eigener Analyse von Cauchys Arbeit von 1853 Grabiner Who gave you the Epsilon Cauchy and the origins of rigorous calculus American Mathematical Monthly Marz 1983 S 185 Jean Luc Verley Analytische Funktionen in Geschichte der Mathematik 1700 1900 Vieweg 1985 S 145 Dort wird besonders auf einen Brief an Bessel 1811 Bezug genommen Nahin An imaginary tale Princeton UP 1998 S 190 Nahin An imaginary tale 1998 S 196 Verley Analytische Funktionen in Dieudonne Gesch der Math Vieweg 1985 S 145 Verley in Dieudonne Gesch der Math 1985 S 146 Freudenthal Dict Sci Biogr Morris Kline Mathematical thought from ancient to modern times Oxford UP 1972 S 717ff Cauchy Lipschitz theorem Encyclopedia of Mathematics Springer Kline Mathematical thought S 718f Freudenthal Dictionary of Scientific Biography Morris Kline Mathematical thought 1972 S 703 Freudenthal Artikel Cauchy Dictionary of Scientific Biography In der Ara von Weierstrass trat diese Methode zur Losung von Differentialgleichungen nach Freudenthal zugunsten anderer Methoden dagegen wieder in den Hintergrund Die Behandlung der Fouriertransformation samt Umkehrformel findet sich in seiner Preisschrift von 1815 uber Wasserwellen abgedruckt in Reihe 1 Band 1 der Werke Freudenthal Cauchy Dictionary of Scientific Biography Nach Freudenthal seine bekannteste Leistung in der Astronomie Siehe Aigner Ziegler Das Buch der Beweise in dem Cauchy s Beweis dargestellt wird Cauchy IIe memoire sur les polygones et les polyedres J Fac Polytechnique Band 9 1813 S 87 98 H W Alten H Wussing u a 4000 Jahre Algebra Springer 2003 S 401 Alten u a 4000 Jahre Algebra Springer 2003 S 400 Belhoste Cauchy S 212 Haufig wird auch ein Ausspruch von Jacobi zu Dirichlet zitiert dass dieser allein wusste was Strenge in einem mathematischen Beweis ware wenn Gauss einen Beweis streng nennen wurde ware es ihm Jacobi wahrscheinlich bei Cauchy ebenso oft pro wie contra bei Dirichlet sicher Reich Cauchy und Gauss Cauchys Rezeption im Umfeld von Gauss Archive for History of Exact Sciences Band 57 2003 S 433 463 Zur Wertschatzung von Jacobi S 453 Hans Niels Jahnke Algebraische Analysis In D Spalt Rechnen mit dem Unendlichen Springer 1990 S 103 122 In Deutschland gab es eine feste Etablierung der algebraischen Analysis im Schulunterricht und auch die spezielle Auspragung in Form der kombinatorischen Analysis von Carl Friedrich Hindenburg Die Tradition der algebraischen Analysis in Deutschland endete auch im Schulunterricht mit den Reformen von Felix Klein Jahnke Algebraische Analysis in Spalt Rechnen mit dem Unendlichen 1990 S 118 Laugwitz Riemann 1996 S 91 Er lieh sich ihn in Gottingen 1847 aus Laugwitz Riemann 1996 S 86 Er kannte sogar die Cauchy Hadamard Formel hatte aber anscheinend den Ursprung seiner Kenntnis im Cours d Analyse von Cauchy den er als Student auslieh vergessen und leitete sie umstandlicher ab Laugwitz Riemann S 96 Neuenschwander Riemann und das Weierstrasssche Prinzip der analytischen Fortsetzung durch Potenzreihen Jahresbericht DMV Band 82 1980 S 1 11 Riemann kannte auch Arbeiten von Weierstrass von 1856 57 Neuenschwander Studies in the history of complex function theory II Interactions among the French school Riemann and Weierstrass Bulletin of the American Mathematical Society 1981 S 87 105 online Neuenschwander Uber die Wechselwirkungen zwischen der franzosischen Schule Riemann und Weierstrass Eine Ubersicht mit zwei Quellenstudien Archive for History of Exact Sciences Band 24 1981 S 221 255 Laugwitz Riemann Birkhauser 1996 S 83 Laugwitz Riemann 1996 S 115 Laugwitz behandelt S 114ff den Einfluss von Cauchy auf Riemann Neuenschwander Uber die Wechselwirkungen der franzosischen Schule Riemann und Weierstrass Archive for History of Exact Sciences Band 24 1981 S 229 Neuenschwander Riemann Weierstrass und die Franzosen 1981 S 232 Die Ausgabe von 1821 hat 568 Seiten und unterscheidet sich in mehreren Punkten von der Ausgabe die 1897 in den Oeuvres Serie 2 Band 3 erschien und eher eine zweite Auflage darstellt Konrektor an der Hoheren Stadtschule von Lobenicht in Konigsberg Schnuse wurde 1808 in Braunschweig geboren besuchte dort das Collegium Carolinum und studierte bis 1834 Mathematik in Gottingen 1835 wurde er bei Christian Gerling in Marburg promoviert Er war hauptberuflich Ubersetzer mathematischer Werke und rezensierte diese und lebte unter anderem in Heidelberg und Munchen Er starb um 1878 Dieser Artikel ist als Audiodatei 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