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Dieser Artikel beschreibt die Funktionentheorie der Mathematik Zur fast gleichnamigen Theorie in der Musikwissenschaft siehe Funktionstheorie Die Funktionentheorie ist ein Teilgebiet der Mathematik Sie befasst sich mit der Theorie holomorpher also differenzierbarer komplexwertiger Funktionen mit komplexen Variablen Da insbesondere die Funktionentheorie einer komplexen Variablen reichlich Gebrauch von Methoden aus der reellen Analysis macht nennt man das Teilgebiet auch komplexe Analysis Funktionsgraph von f z z2 1 z 2 i 2 z2 2 2i in Polarkoordinaten Der Farbton gibt den Winkel an die Helligkeit den Betrag der komplexen Zahl Zu den Hauptbegrundern der Funktionentheorie gehoren Augustin Louis Cauchy Bernhard Riemann und Karl Weierstrass Inhaltsverzeichnis 1 Funktionentheorie in einer komplexen Variablen 1 1 Komplexe Funktionen 1 2 Holomorphe Funktion 1 3 Cauchysche Integralformel 1 4 Funktionen mit Singularitaten 1 5 Weitere wichtige Themen und Ergebnisse 2 Funktionentheorie in mehreren komplexen Variablen 3 Komplexe Geometrie 4 Funktionentheoretische Methoden in anderen mathematischen Teilgebieten 5 Siehe auch 5 1 Wichtige Satze 5 2 Ganze Funktionen 5 3 Meromorphe Funktionen 6 Literatur 7 WeblinksFunktionentheorie in einer komplexen Variablen BearbeitenKomplexe Funktionen Bearbeiten Eine komplexe Funktion ordnet einer komplexen Zahl eine weitere komplexe Zahl zu Da jede komplexe Zahl durch zwei reelle Zahlen in der Form x i y displaystyle x iy nbsp geschrieben werden kann lasst sich eine allgemeine Form einer komplexen Funktion durch x i y f x i y u x y i v x y displaystyle x iy mapsto f x iy u x y iv x y nbsp darstellen Dabei sind u x y displaystyle u x y nbsp und v x y displaystyle v x y nbsp reelle Funktionen die von zwei reellen Variablen x displaystyle x nbsp und y displaystyle y nbsp abhangen u x y displaystyle u x y nbsp heisst der Realteil und v x y displaystyle v x y nbsp der Imaginarteil der Funktion Insofern ist eine komplexe Funktion nichts anderes als eine Abbildung von R 2 displaystyle mathbb R 2 nbsp nach R 2 displaystyle mathbb R 2 nbsp also eine Abbildung die zwei reellen Zahlen wieder zwei reelle Zahlen zuordnet Tatsachlich konnte man die Funktionentheorie auch mit Methoden der reellen Analysis aufbauen Der Unterschied zur reellen Analysis wird erst deutlicher wenn man komplex differenzierbare Funktionen betrachtet und dabei die multiplikative Struktur des Korpers der komplexen Zahlen ins Spiel bringt die dem Vektorraum R 2 displaystyle mathbb R 2 nbsp fehlt Die grafische Darstellung komplexer Funktionen ist etwas umstandlicher als gewohnt da nun vier Dimensionen wiedergegeben werden mussen Aus diesem Grund behilft man sich mit Farbtonen oder sattigungen Holomorphe Funktion Bearbeiten Hauptartikel Holomorphe Funktion Der Differenzierbarkeitsbegriff der eindimensionalen reellen Analysis wird in der Funktionentheorie zur komplexen Differenzierbarkeit erweitert Analog zum reellen Fall definiert man Eine Funktion einer komplexen Variablen heisst komplex differenzierbar im Punkt a displaystyle a nbsp falls der Grenzwert f a lim w 0 f a w f a w displaystyle f a lim w to 0 frac f a w f a w nbsp existiert Dabei muss f displaystyle f nbsp in einer Umgebung von a displaystyle a nbsp definiert sein Fur die Definition des Grenzwerts muss dabei der komplexe Abstandsbegriff verwendet werden Damit sind fur komplexwertige Funktionen einer komplexen Variablen zwei verschiedene Differenzierbarkeitsbegriffe definiert die komplexe Differenzierbarkeit und die Differenzierbarkeit der zweidimensionalen reellen Analysis reelle Differenzierbarkeit Komplex differenzierbare Funktionen sind auch reell differenzierbar die Umkehrung gilt nicht ohne zusatzliche Voraussetzungen Funktionen die in einer Umgebung eines Punktes komplex differenzierbar sind nennt man holomorph oder analytisch Diese haben eine Reihe hervorragender Eigenschaften die es rechtfertigen dass sich eine eigene Theorie hauptsachlich damit beschaftigt eben die Funktionentheorie Zum Beispiel ist eine Funktion die einmal komplex differenzierbar ist automatisch beliebig oft komplex differenzierbar was im reellen Fall naturlich nicht gilt Einen anderen Zugang zur Funktionentheorie bietet das System der Cauchy Riemannschen Differentialgleichungen x u x y y v x y y u x y x v x y displaystyle begin aligned partial x u x y amp partial y v x y partial y u x y amp partial x v x y end aligned nbsp Eine Funktion ist namlich genau dann komplex differenzierbar in einem Punkt wenn sie dort reell differenzierbar ist und das System der Cauchy Riemannschen Differentialgleichungen erfullt Daher konnte man die Funktionentheorie auch als Teilgebiet der Theorie der partiellen Differentialgleichungen verstehen Jedoch ist die Theorie mittlerweile zu umfangreich und zu vielseitig mit anderen Teilgebieten der Analysis vernetzt als dass man sie in den Kontext der partiellen Differentialgleichungen einbetten wurde Geometrisch interpretieren lasst sich die komplexe Differenzierbarkeit als lokale Approximierbarkeit durch orientierungstreue affine Abbildungen genauer durch Verkettungen von Drehungen Streckungen und Translationen Entsprechend ist die Gultigkeit der Cauchy Riemannschen Differentialgleichungen aquivalent damit dass die zugehorige Jacobi Matrix die Darstellungsmatrix einer Drehstreckung ist Holomorphe Abbildungen erweisen sich demzufolge abseits der Ableitungsnullstellen als lokal konform d h winkel und orientierungstreu Cauchysche Integralformel Bearbeiten Hauptartikel Cauchysche Integralformel Mit einem Integrationsweg der keinerlei Singularitaten von f displaystyle f nbsp umlauft und fur dessen Umlaufzahl um z displaystyle z nbsp gilt dass 1 1 2 p i 1 w z d w displaystyle 1 frac 1 2 pi i oint frac 1 w z mathrm d w nbsp gilt die cauchysche Integralformel f z 1 2 p i f w w z d w displaystyle f z frac 1 2 pi i oint frac f w w z mathrm d w nbsp Diese besagt dass der Wert einer komplex differenzierbaren Funktion auf einem Gebiet nur von den Funktionswerten auf dem Rand des Gebiets abhangt Funktionen mit Singularitaten Bearbeiten Da die Menge der holomorphen Funktionen recht klein ist betrachtet man in der Funktionentheorie auch Funktionen die ausser in isolierten Punkten uberall holomorph sind Diese isolierten Punkte werden isolierte Singularitaten genannt Ist eine Funktion in einer Umgebung um eine Singularitat beschrankt so kann man die Funktion in der Singularitat holomorph fortsetzen Diese Aussage heisst riemannscher Hebbarkeitssatz Ist eine Singularitat z 0 displaystyle z 0 nbsp einer Funktion f displaystyle f nbsp nicht hebbar hat jedoch die Funktion z z 0 k f z displaystyle z z 0 k f z nbsp in z 0 displaystyle z 0 nbsp eine hebbare Singularitat so spricht man von einer Polstelle k ter Ordnung wobei k minimal gewahlt ist Hat eine Funktion isolierte Polstellen und ist sonst holomorph so nennt man die Funktion meromorph Ist die Singularitat weder hebbar noch ein Pol so spricht man von einer wesentlichen Singularitat Nach dem Satz von Picard sind Funktionen mit einer wesentlichen Singularitat dadurch charakterisiert dass es hochstens einen Ausnahmewert a gibt so dass sie in jeder beliebig kleinen Umgebung der Singularitat jeden beliebigen komplexen Zahlenwert mit hochstens der Ausnahme a annehmen Da man jede holomorphe Funktion in eine Potenzreihe entwickeln kann kann man auch Funktionen mit hebbaren Singularitaten in Potenzreihen entwickeln Meromorphe Funktionen konnen in eine Laurent Reihe entwickelt werden die nur endlich viele Glieder mit negativer Potenz haben und die Laurent Reihen von Funktionen mit wesentlicher Singularitat haben eine nicht abbrechende Entwicklung der Potenzen mit negativen Exponenten Der Koeffizient a 1 displaystyle a 1 nbsp von z z 0 1 displaystyle z z 0 1 nbsp der Laurent Entwicklung heisst Residuum Nach dem Residuensatz kann man nur mit Hilfe dieses Wertes Integrale uber meromorphe Funktionen und uber Funktionen mit wesentlichen Singularitaten bestimmen Dieser Satz ist nicht nur in der Funktionentheorie von Bedeutung denn man kann mit Hilfe dieser Aussage auch Integrale aus der reellen Analysis bestimmen die wie das gausssche Fehlerintegral keine geschlossene Darstellung der Stammfunktion besitzen Weitere wichtige Themen und Ergebnisse Bearbeiten Wichtige Ergebnisse sind ausserdem noch der riemannsche Abbildungssatz und der Fundamentalsatz der Algebra Letzterer besagt dass sich ein Polynom im Bereich der komplexen Zahlen vollstandig in Linearfaktoren zerlegen lasst Fur Polynome im Bereich der reellen Zahlen ist dies im Allgemeinen mit reellen Linearfaktoren nicht moglich Weitere wichtige Forschungsschwerpunkte sind die analytische Fortsetzbarkeit von holomorphen und meromorphen Funktionen auf die Grenzen ihres Definitionsbereiches und daruber hinaus Funktionentheorie in mehreren komplexen Variablen BearbeitenEs gibt auch komplexwertige Funktionen mehrerer komplexer Variablen Im Vergleich zur reellen Analysis gibt es in der komplexen Analysis fundamentale Unterschiede zwischen Funktionen einer und mehrerer Variablen In der Theorie holomorpher Funktionen mehrerer Variablen gibt es kein Analogon zum cauchyschen Integralsatz Auch der Identitatssatz gilt nur in einer abgeschwachten Form fur holomorphe Funktionen mehrerer Veranderlicher Die cauchysche Integralformel jedoch lasst sich ganz analog auf mehrere Variablen verallgemeinern In dieser allgemeineren Form nennt man sie auch Bochner Martinelli Formel Ausserdem besitzen meromorphe Funktionen mehrerer Variablen keine isolierten Singularitaten was aus dem sogenannten Kugelsatz von Hartogs folgt und als Konsequenz auch keine isolierten Nullstellen Auch der riemannsche Abbildungssatz ein Hohepunkt der Funktionentheorie in einer Variablen hat kein Aquivalent in hoheren Dimensionen Nicht einmal die beiden naturlichen Verallgemeinerungen der eindimensionalen Kreisscheibe die Einheitskugel und der Polyzylinder sind in mehreren Dimensionen biholomorph aquivalent Ein grosser Teil der Funktionentheorie mehrerer Variablen beschaftigt sich mit Fortsetzungsphanomenen riemannsche Hebbarkeitssatze Kugelsatz von Hartogs Satz von Bochner uber Rohrengebiete Cartan Thullen Theorie Die Funktionentheorie mehrerer komplexer Variablen wird zum Beispiel in der Quantenfeldtheorie benutzt Komplexe Geometrie Bearbeiten Hauptartikel Komplexe Geometrie Die komplexe Geometrie ist ein Teilgebiet der Differentialgeometrie das auf Methoden der Funktionentheorie zuruckgreift In anderen Teilgebieten der Differentialgeometrie wie der Differentialtopologie oder der riemannschen Geometrie werden glatte Mannigfaltigkeiten mit Techniken aus der reellen Analysis untersucht In der komplexen Geometrie dagegen werden Mannigfaltigkeiten mit komplexen Strukturen untersucht Im Gegensatz zu den glatten Mannigfaltigkeiten ist es auf komplexen Mannigfaltigkeiten moglich mit Hilfe des Dolbeault Operators holomorphe Abbildungen zu definieren Diese Mannigfaltigkeiten werden dann mit Methoden der Funktionentheorie und der algebraischen Geometrie untersucht Im vorigen Abschnitt wurde erklart dass es grosse Unterschiede zwischen der Funktionentheorie einer Veranderlichen und der Funktionentheorie mehrerer Veranderlicher gibt Diese Unterschiede spiegeln sich auch in der komplexen Geometrie wider Die Theorie der riemannschen Flachen ist ein Teilgebiet der komplexen Geometrie und beschaftigt sich ausschliesslich mit Flachen mit komplexer Struktur also mit eindimensionalen komplexen Mannigfaltigkeiten Diese Theorie ist reichhaltiger als die Theorie der n dimensionalen komplexen Mannigfaltigkeiten Funktionentheoretische Methoden in anderen mathematischen Teilgebieten BearbeitenEine klassische Anwendung der Funktionentheorie liegt in der Zahlentheorie Benutzt man dort funktionentheoretische Methoden nennt man dieses Gebiet dann analytische Zahlentheorie Ein wichtiges Ergebnis ist beispielsweise der Primzahlsatz Reelle Funktionen die sich in eine Potenzreihe entwickeln lassen sind auch Realteile von holomorphen Funktionen Damit lassen sich diese Funktionen auf die komplexe Ebene erweitern Durch diese Erweiterung kann man oft Zusammenhange und Eigenschaften von Funktionen finden die im Reellen verborgen bleiben zum Beispiel die eulersche Identitat Hieruber erschliessen sich vielfaltige Anwendungsbereiche in der Physik beispielsweise in der Quantenmechanik die Darstellung von Wellenfunktionen sowie in der Elektrotechnik zweidimensionale Strom Spannungs Diagramme Diese Identitat ist auch die Basis fur die komplexe Form der Fourier Reihe und fur die Fourier Transformation In vielen Fallen lassen sich diese mit Methoden der Funktionentheorie berechnen Fur holomorphe Funktionen gilt dass Real und Imaginarteil harmonische Funktionen sind also die Laplace Gleichung erfullen Dies verknupft die Funktionentheorie mit den partiellen Differentialgleichungen beide Gebiete haben sich regelmassig gegenseitig beeinflusst Das Wegintegral einer holomorphen Funktion ist vom Weg unabhangig Dies war historisch das erste Beispiel einer Homotopieinvarianz Aus diesem Aspekt der Funktionentheorie entstanden viele Ideen der algebraischen Topologie beginnend mit Bernhard Riemann In der Theorie der komplexen Banachalgebren spielen funktionentheoretische Mittel eine wichtige Rolle ein typisches Beispiel ist der Satz von Gelfand Mazur Der holomorphe Funktionalkalkul erlaubt die Anwendung holomorpher Funktionen auf Elemente einer Banachalgebra auch ein holomorpher Funktionalkalkul mehrerer Veranderlicher ist moglich Siehe auch BearbeitenWichtige Satze Bearbeiten Cauchyscher Integralsatz Identitatssatz Satz von der Gebietstreue Satz von Liouville Satz von Morera Weierstrassscher Konvergenzsatz Riemannscher AbbildungssatzGanze Funktionen Bearbeiten Exponentialfunktion Trigonometrische Funktionen HyperbelfunktionenMeromorphe Funktionen Bearbeiten Gammafunktion Elliptische FunktionenLiteratur BearbeitenLars Ahlfors Complex Analysis McGraw Hill 1953 Heinrich Behnke Friedrich Sommer Theorie der analytischen Funktionen einer komplexen Veranderlichen 3 Auflage Springer Berlin 1976 ISBN 978 3 540 07768 8 Ludwig Bieberbach Lehrbuch der Funktionentheorie 2 Bande Teubner 1923 Rolf Busam Eberhard Freitag Funktionentheorie 1 4 Auflage Springer Berlin 2006 ISBN 3 540 31764 3 Heinrich Durege Elemente der Theorie der Funktionen einer komplexen veranderlichen Grosse 1 5 Auflage Teubner archive org 1882 1906 Wolfgang Fischer Ingo Lieb Funktionentheorie 8 Auflage Vieweg Braunschweig 2003 ISBN 3 528 77247 6 Joseph Anton Gmeiner Otto Stolz Einleitung in die Funktionentheorie Bande 1 u 2 Teubner 1904 Klaus Janich Funktionentheorie 6 Auflage Springer Berlin 2004 ISBN 3 540 20392 3 William Fogg Osgood Lehrbuch der Funktionentheorie Bande 1 2 3 Teubner 1923 hti umich edu Alfred Pringsheim Vorlesungen uber Funktionenlehre Teubner 1925 Weierstrasscher Standpunkt Reinhold Remmert Georg Schumacher Funktionentheorie 1 5 Auflage Springer Berlin 2002 ISBN 3 540 59075 7 Reinhold Remmert Georg Schumacher Funktionentheorie 2 3 Auflage Springer Berlin 2007 ISBN 3 540 40432 5 Volker Scheidemann Introduction to complex analysis in several variables Birkhauser Basel 2005 ISBN 3 7643 7490 X Ian Stewart David Tall Complex Analysis Cambridge University Press 1997 ISBN 0 521 24513 3 Carl Johannes Thomae Elementare Theorie der analytischen Functionen einer complexen Veranderlichen Nebert Halle Saale 1898 resolver library cornell edu Weblinks Bearbeiten nbsp Wikibooks Einfuhrung in die Funktionentheorie Lern und Lehrmaterialien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Funktionentheorie amp oldid 234814024