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Dieser Artikel behandelt den topologischen Begriff Homotopie Fur die daraus entstandene Begriffsbildung der homologischen Algebra siehe Homotopie homologische Algebra Zu homotopen Gruppen in der Chemie siehe Topizitat In der Topologie ist eine Homotopie von griechisch ὁmos homos gleich und topos topos Ort Platz eine stetige Deformation zwischen zwei Abbildungen von einem topologischen Raum in einen anderen beispielsweise die Deformation einer Kurve in eine andere Kurve Eine Anwendung von Homotopie ist die Definition der Homotopiegruppen welche wichtige Invarianten in der algebraischen Topologie sind Eine Homotopie die eine Kaffeetasse in einen Donut einen Volltorus uberfuhrt Der Begriff Homotopie bezeichnet sowohl die Eigenschaft zweier Abbildungen zueinander homotop praferiert zu sein als auch die Abbildung stetige Deformation die diese Eigenschaft vermittelt Inhaltsverzeichnis 1 Definition 1 1 Eigenschaften 2 Beispiel 3 Relative Homotopie 3 1 Beispiel Die Fundamentalgruppe 4 Homotopieaquivalenz 5 Isotopie 5 1 Definition 5 2 Beispiele 5 3 Unterschied zur Homotopie 5 4 Anwendungen 6 Kettenhomotopie 7 Punktierte Homotopie 8 Literatur 9 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenEine Homotopie zwischen zwei stetigen Abbildungen f g X Y displaystyle f g colon X to Y nbsp ist eine stetige Abbildung H X 0 1 Y displaystyle H colon X times 0 1 to Y nbsp mit der Eigenschaft fur alle x X displaystyle x in X nbsp gilt H x 0 f x displaystyle H x 0 f x quad nbsp und H x 1 g x displaystyle quad H x 1 g x nbsp wobei 0 1 displaystyle 0 1 nbsp das Einheitsintervall ist Der erste Parameter entspricht also dem der ursprunglichen Abbildungen und der zweite gibt den Grad der Deformation an Eine Homotopie definiert eine ein parametrige Familie H t x 0 t 1 displaystyle H t x 0 leq t leq 1 nbsp mit H t x H x t displaystyle H t x H x t nbsp so dass H 0 x f x displaystyle H 0 x f x nbsp und H 1 x g x displaystyle H 1 x g x nbsp Besonders anschaulich wird die Definition wenn man sich den zweiten Parameter als Zeit vorstellt vgl Bild Aquivalent kann man eine Homotopie definieren als einen stetigen Weg von f displaystyle f nbsp nach g displaystyle g nbsp im Raum der stetigen Funktionen C X Y displaystyle C X Y nbsp mit der kompakt offenen Topologie Man sagt f displaystyle f nbsp sei homotop zu g displaystyle g nbsp und schreibt f g displaystyle f sim g nbsp Homotopie ist eine Aquivalenzrelation auf der Menge der stetigen Abbildungen X Y displaystyle X to Y nbsp die zugehorigen Aquivalenzklassen heissen Homotopieklassen die Menge dieser Aquivalenzklassen wird haufig mit X Y displaystyle X Y nbsp bezeichnet Eine stetige Abbildung f X Y displaystyle f colon X to Y nbsp heisst nullhomotop wenn sie homotop zu einer konstanten Abbildung ist Eigenschaften Bearbeiten Homotopierelationen bleiben unter Kompositionen erhalten das heisst wenn f 1 f 2 Y Z displaystyle f 1 f 2 colon Y to Z nbsp und g 1 g 2 X Y displaystyle g 1 g 2 colon X to Y nbsp stetige Funktionen sind undf 1 f 2 displaystyle f 1 sim f 2 quad nbsp g 1 g 2 displaystyle g 1 sim g 2 nbsp dd gilt dann gilt auchf 1 g 1 f 2 g 2 displaystyle f 1 circ g 1 sim f 2 circ g 2 nbsp 1 dd Beispiel Bearbeiten nbsp Homotopie eines Kreises in R auf einen PunktSei X S 1 R 2 displaystyle X S 1 subset mathbb R 2 nbsp der Einheitskreis in der Ebene und Y R 2 displaystyle Y mathbb R 2 nbsp die ganze Ebene Die Abbildung f displaystyle f nbsp sei die Einbettung von X displaystyle X nbsp in Y displaystyle Y nbsp und g displaystyle g nbsp sei die Abbildung die ganz X displaystyle X nbsp auf den Ursprung abbildet also f X Y displaystyle f colon X to Y nbsp f x x displaystyle f x x nbsp und g X Y displaystyle g colon X to Y nbsp g x 0 displaystyle g x 0 nbsp Dann sind f displaystyle f nbsp und g displaystyle g nbsp zueinander homotop Denn H X 0 1 R 2 displaystyle H colon X times 0 1 to mathbb R 2 nbsp mit H x t 1 t f x displaystyle H x t 1 t cdot f x nbsp ist stetig und erfullt H x 0 1 f x f x displaystyle H x 0 1 cdot f x f x nbsp und H x 1 0 f x 0 g x displaystyle H x 1 0 cdot f x 0 g x nbsp Relative Homotopie BearbeitenIst E displaystyle E nbsp eine Teilmenge von X displaystyle X nbsp und stimmen zwei stetige Abbildungen f g X Y displaystyle f g colon X to Y nbsp auf E displaystyle E nbsp uberein so heissen f displaystyle f nbsp und g displaystyle g nbsp homotop relativ zu E displaystyle E nbsp wenn es eine Homotopie H f g displaystyle H colon f sim g nbsp gibt fur die H e t displaystyle H e t nbsp fur jedes e E displaystyle e in E nbsp unabhangig von t displaystyle t nbsp ist nbsp Homotopie zweier Kurven nbsp Die beiden hier gezeigten gestrichelten Wege sind relativ zu ihren Endpunkten homotop Die Animation reprasentiert eine mogliche Homotopie Ein wichtiger Spezialfall ist die Homotopie von Wegen relativ der Endpunkte Ein Weg ist eine stetige Abbildung g 0 1 X displaystyle gamma colon 0 1 to X nbsp dabei ist 0 1 displaystyle 0 1 nbsp das Einheitsintervall Zwei Wege heissen homotop relativ der Endpunkte wenn sie homotop relativ 0 1 displaystyle 0 1 nbsp sind d h wenn die Homotopie die Anfangs und Endpunkte festhalt Sonst waren Wege in der gleichen Wegzusammenhangskomponente immer homotop Sind also g 0 displaystyle gamma 0 nbsp und g 1 displaystyle gamma 1 nbsp zwei Wege in Y displaystyle Y nbsp mit g 0 0 g 1 0 x displaystyle gamma 0 0 gamma 1 0 x nbsp und g 0 1 g 1 1 y displaystyle gamma 0 1 gamma 1 1 y nbsp so ist eine Homotopie relativ der Endpunkte zwischen ihnen eine stetige Abbildung H 0 1 0 1 Y displaystyle H 0 1 times 0 1 to Y nbsp mit H t 0 g 0 t displaystyle H t 0 gamma 0 t nbsp H t 1 g 1 t displaystyle H t 1 gamma 1 t nbsp H 0 s x displaystyle H 0 s x nbsp und H 1 s y displaystyle H 1 s y nbsp Ein Weg heisst nullhomotop genau dann wenn er homotop zum konstanten Weg g t x 0 displaystyle gamma t x 0 nbsp ist Der andere haufig auftretende Fall ist die Homotopie von Abbildungen zwischen punktierten Raumen Sind X x 0 displaystyle X x 0 nbsp und Y y 0 displaystyle Y y 0 nbsp punktierte Raume so sind zwei stetige Abbildungen f g X x 0 Y y 0 displaystyle f g colon X x 0 to Y y 0 nbsp homotop als Abbildungen von punktierten Raumen wenn sie relativ x 0 displaystyle x 0 nbsp homotop sind Beispiel Die Fundamentalgruppe Bearbeiten Die Menge der Homotopieklassen von Abbildungen punktierter Raume von S 1 displaystyle S 1 nbsp nach X x 0 displaystyle X x 0 nbsp ist die Fundamentalgruppe von X displaystyle X nbsp zum Basispunkt x 0 displaystyle x 0 nbsp Ist zum Beispiel X x 0 displaystyle X x 0 nbsp ein Kreis mit einem beliebigen ausgewahlten Punkt x 0 displaystyle x 0 nbsp dann ist der Weg der durch einmaliges Umrunden des Kreises beschrieben wird nicht homotop zum Weg den man durch Stillstehen am Ausgangspunkt x 0 displaystyle x 0 nbsp erhalt Homotopieaquivalenz Bearbeiten Hauptartikel Homotopieaquivalenz Seien X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp zwei topologische Raume und sind f X Y displaystyle f colon X to Y nbsp und g Y X displaystyle g colon Y to X nbsp stetige Abbildungen Dann sind die Verknupfungen g f displaystyle g circ f nbsp und f g displaystyle f circ g nbsp jeweils stetige Abbildungen von X displaystyle X nbsp bzw Y displaystyle Y nbsp auf sich selbst und man kann versuchen diese zur Identitat auf X bzw Y zu homotopieren Falls es solche f displaystyle f nbsp und g displaystyle g nbsp gibt dass g f displaystyle g circ f nbsp homotop zu id X displaystyle operatorname id X nbsp und f g displaystyle f circ g nbsp homotop zu id Y displaystyle operatorname id Y nbsp ist so nennt man X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp homotopieaquivalent oder vom gleichen Homotopietyp Die Abbildungen f displaystyle f nbsp und g displaystyle g nbsp heissen dann Homotopieaquivalenzen Homotopieaquivalente Raume haben die meisten topologischen Eigenschaften gemeinsam Falls X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp homotopieaquivalent sind so gilt falls X displaystyle X nbsp wegzusammenhangend so auch Y displaystyle Y nbsp falls X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp wegzusammenhangend so sind die Fundamentalgruppen und die hoheren Homotopiegruppen isomorph die Homologie und Kohomologiegruppen von X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp sind gleich X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp sind Deformationsretrakte eines topologischen Raums Z displaystyle Z nbsp Isotopie BearbeitenDefinition Bearbeiten Wenn zwei gegebene homotope Abbildungen f X Y displaystyle f colon X to Y nbsp und g X Y displaystyle g colon X to Y nbsp zu einer bestimmten Regularitatsklasse gehoren oder andere zusatzliche Eigenschaften besitzen kann man sich fragen ob die beiden innerhalb dieser Klasse durch einen Weg miteinander verbunden werden konnen Dies fuhrt zum Konzept der Isotopie Eine Isotopie ist eine Homotopie H X 0 1 Y displaystyle H colon X times 0 1 to Y nbsp wie oben wobei alle Zwischenabbildungen H t H t displaystyle H t H cdot t nbsp fur festes t ebenfalls die geforderten Zusatzeigenschaften besitzen sollen Die zugehorigen Aquivalenzklassen heissen Isotopieklassen Beispiele Bearbeiten Zwei Homoomorphismen sind also isotop wenn eine Homotopie existiert so dass alle H t displaystyle H t nbsp Homoomorphismen sind Zwei Diffeomorphismen sind isotop wenn alle H t displaystyle H t nbsp selbst Diffeomorphismen sind Man bezeichnet sie dann auch als diffeotop Zwei Einbettungen sind isotop wenn alle H t displaystyle H t nbsp Einbettungen sind Unterschied zur Homotopie Bearbeiten Zu verlangen dass zwei Abbildungen isotop sind kann tatsachlich eine starkere Anforderung sein als zu verlangen dass sie homotop sind Zum Beispiel ist der Homoomorphismus der Einheitskreisscheibe in R 2 displaystyle mathbb R 2 nbsp der durch f x y x y displaystyle f x y x y nbsp definiert ist dasselbe wie eine 180 Grad Drehung um den Nullpunkt darum sind die Identitatsabbildung und f displaystyle f nbsp isotop denn sie konnen durch Drehungen miteinander verbunden werden Im Gegensatz dazu ist die Abbildung auf dem Intervall 1 1 displaystyle left 1 1 right nbsp in R displaystyle mathbb R nbsp definiert durch f x x displaystyle f x x nbsp nicht isotop zur Identitat Das liegt daran dass jede Homotopie der beiden Abbildungen zu einem bestimmten Zeitpunkt die beiden Endpunkte miteinander vertauschen muss zu diesem Zeitpunkt werden sie auf denselben Punkt abgebildet und die entsprechende Abbildung ist kein Homoomorphismus Hingegen ist f displaystyle f nbsp homotop zur Identitat zum Beispiel durch die Homotopie H 1 1 0 1 1 1 displaystyle H colon left 1 1 right times left 0 1 right to left 1 1 right nbsp gegeben durch H x t 2 t x x displaystyle H x t 2tx x nbsp Anwendungen Bearbeiten In der Geometrischen Topologie werden Isotopien benutzt um Aquivalenzrelationen herzustellen Zum Beispiel in der Knotentheorie wann sind zwei Knoten K 1 displaystyle K 1 nbsp und K 2 displaystyle K 2 nbsp als gleich zu betrachten Die intuitive Idee den einen Knoten in den anderen zu deformieren fuhrt dazu dass man einen Weg von Homoomorphismen verlangt Eine Isotopie die mit der Identitat des dreidimensionalen Raumes beginnt und bei einem Homoomorphismus h endet so dass h den Knoten K 1 displaystyle K 1 nbsp in den Knoten K 2 displaystyle K 2 nbsp uberfuhrt Eine solche Isotopie des umgebenden Raumes wird ambiente Isotopie 2 oder Umgebungsisotopie genannt Eine andere wichtige Anwendung ist die Definition der Abbildungsklassengruppe Mod M einer Mannigfaltigkeit M Man betrachtet Diffeomorphismen von M bis auf Isotopie das heisst dass Mod M die diskrete Gruppe der Diffeomorphismen von M ist modulo der Gruppe der Diffeomorphismen die isotop zur Identitat sind Homotopie kann in der numerischen Mathematik fur eine robuste Initialisierung zur Losung von differential algebraischen Gleichungen eingesetzt werden siehe Homotopieverfahren Kettenhomotopie BearbeitenZwei Kettenhomomorphismen f g A d A B d B displaystyle f bullet g bullet colon A bullet d A bullet to B bullet d B bullet nbsp zwischen Kettenkomplexen A d A displaystyle A bullet d A bullet nbsp und B d B displaystyle B bullet d B bullet nbsp heissen kettenhomotop wenn es einen Homomorphismus K A B 1 displaystyle K bullet colon A bullet to B bullet 1 nbsp mit d B 1 K K 1 d A f g displaystyle d B bullet 1 K bullet K bullet 1 d A bullet f bullet g bullet nbsp gibt Wenn f g X Y displaystyle f g colon X to Y nbsp homotope Abbildungen zwischen topologischen Raumen sind dann sind die induzierten Abbildungen der singularen Kettenkomplexe f g C X d C Y d displaystyle f bullet g bullet colon C bullet X d bullet to C bullet Y d bullet nbsp kettenhomotop Punktierte Homotopie Bearbeiten Hauptartikel Punktierter topologischer Raum Zwei punktierte Abbildungen f g X x 0 Y y 0 displaystyle f g colon X x 0 to Y y 0 nbsp heissen homotop wenn es eine stetige Abbildung H X 0 1 Y displaystyle H colon X times left 0 1 right to Y nbsp mit H x 0 f x displaystyle H x 0 f x nbsp und H x 1 g x displaystyle H x 1 g x nbsp fur alle x X displaystyle x in X nbsp H x 0 t y 0 displaystyle H x 0 t y 0 nbsp fur alle t 0 1 displaystyle t in left 0 1 right nbsp gibt Die Menge der Homotopieklassen punktierter Abbildungen wird mit X Y displaystyle left X Y right nbsp bezeichnet Literatur BearbeitenBrayton Gray Homotopy theory An introduction to algebraic topology Pure and Applied Mathematics Nr 64 Academic Press New York u a 1975 ISBN 0 12 296050 5 Allen Hatcher Algebraic Topology Cambridge University Press Cambridge 2002 ISBN 0 521 79540 0 cornell edu John McCleary Hrsg Higher Homotopy Structures in Topology and Mathematical Physics Proceedings of an international Conference June 13 15 1996 at Vassar College Poughkeepsie New York to Honor the sixtieth Birthday of Jim Stasheff Contemporary Mathematics Band 227 American Mathematical Society Providence RI 1999 ISBN 0 8218 0913 X George W Whitehead Elements of Homotopy Theory Corrected 3rd Printing Graduate Texts in Mathematics Band 61 Springer New York u a 1995 ISBN 0 387 90336 4 M Sielemann F Casella M Otter C Claus J Eborn S E Mattsson H Olsson Robust Initialization of Differential Algebraic Equations Using Homotopy International Modelica Conference Dresden 2011 ISBN 978 91 7393 096 3 Einzelnachweise Bearbeiten John M Lee Introduction to Smooth Manifolds Hrsg Springer 2 Auflage S 74 75 Tammo tom Dieck Topologie 2 Auflage de Gruyter Berlin 2000 ISBN 3 11 016236 9 S 277 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homotopie amp oldid 232636412