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Dieser Artikel behandelt die Fundamentalgruppe in der algebraischen Topologie Die Fundamentalgruppe eines Graphen von Gruppen wird dort erklart Die Fundamentalgruppe dient in der algebraischen Topologie zur Untersuchung geometrischer Objekte beziehungsweise topologischer Raume Jedem topologischen Raum kann eine Fundamentalgruppe zugeordnet werden Sie selbst ist jedoch ein Objekt aus der Algebra und kann auch mit deren Methoden untersucht werden Haben zwei topologische Raume unterschiedliche Fundamentalgruppen so schliesst man daraus dass die zwei Raume topologisch verschieden das heisst nicht homoomorph sind Henri Poincare fuhrte 1895 als erster das Konzept der Fundamentalgruppe ein 1 Inhaltsverzeichnis 1 Anschauliche Erklarung am Beispiel des Torus 2 Mathematische Definition 2 1 Unabhangigkeit vom Basispunkt 3 Beispiele 4 Eigenschaften und Anwendungen 4 1 Uberlagerungen 4 2 Satz von Seifert van Kampen 4 3 Folgerungen aus bestimmten Fundamentalgruppen 4 4 Zusammenhang mit Homologie 5 Verallgemeinerungen 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseAnschauliche Erklarung am Beispiel des Torus Bearbeiten nbsp Eine zusammenziehbare Schleife auf dem Torus nbsp Zwei nicht zusammenziehbare Schleifen auf der Torusoberflache nbsp Verknupfung zweier Schleifen auf dem TorusZunachst soll an einem Beispiel die Idee der Fundamentalgruppe erklart werden Als topologischer Raum wird der zweidimensionale Torus betrachtet und darauf ein Basispunkt markiert Von diesem Punkt aus gibt es Schleifen das heisst geschlossene Kurven die im Basispunkt starten auf der Torusoberflache verlaufen und wieder im Basispunkt enden Manche der Schleifen lassen sich auf dem Torus zu einem Punkt zusammenziehen andere nicht Dazu stelle man sich vor dass die Schleifen aus Gummi sind und beliebig gedehnt gestaucht und verschoben werden durfen allerdings immer so dass Anfang und Ende im Basispunkt festbleiben und die Schleifen immer auf dem Torus bleiben mussen also nur auf der Oberflache und nicht durch den Teig des Donuts verlaufen Eine solche Verformung nennt man Homotopie man sagt auch eine Schleife wird homotopiert Zwei Schleifen die sich durch eine Homotopie ineinander uberfuhren lassen nennt man homotop Alle Schleifen die homotop zueinander sind fasst man zu einer Homotopieklasse zusammen Die verschiedenen Homotopieklassen bilden die Elemente der Fundamentalgruppe Die beiden Schleifen a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp in der Abbildung rechts gehoren zum Beispiel zu verschiedenen Homotopieklassen Sie lassen sich nicht ineinander verformen und beschreiben daher unterschiedliche Elemente der Fundamentalgruppe Weitere Elemente bekommt man indem man eine der beiden Schleifen mehrfach durchlauft bevor man die Schleife schliesst Eine Schleife die zweimal um das Loch herumlauft lasst sich nicht in eine verformen die dreimal darum herumfuhrt usw Ganz allgemein lassen sich zwei Schleifen zu einer dritten kombinieren indem man erst die eine dann die andere durchlauft also das Ende der ersten mit dem Anfang der zweiten verknupft da die Verknupfungsstelle jetzt ein innerer Punkt der Schleife ist muss sie nicht mehr unbedingt auf dem Basispunkt liegen bleiben sondern darf von ihm auch weggeschoben werden Mit dieser Verknupfung wird aus der Menge der Homotopieklassen eine Gruppe die sogenannte Fundamentalgruppe Das neutrale Element ist die Klasse der Schleifen die sich auf den Basispunkt zusammenziehen lassen Das inverse Element zu einer Klasse von Schleifen erhalt man indem man diese ruckwarts durchlauft Mathematische Definition BearbeitenSei X displaystyle X nbsp ein topologischer Raum und p X displaystyle p in X nbsp ein Basispunkt in X displaystyle X nbsp Eine Schleife ist eine stetige Abbildung g 0 1 X displaystyle gamma 0 1 to X nbsp die p displaystyle p nbsp mit sich selbst verbindet d h g 0 g 1 p displaystyle gamma 0 gamma 1 p nbsp Eine Homotopie H displaystyle H nbsp zwischen zwei Schleifen g 0 displaystyle gamma 0 nbsp und g 1 displaystyle gamma 1 nbsp ist eine stetige Familie von Schleifen die beide Schleifen verbindet d h H 0 1 0 1 X displaystyle H 0 1 times 0 1 to X nbsp ist eine stetige Abbildung mit den Eigenschaften H 0 t H 1 t p displaystyle H 0 t H 1 t p nbsp t 0 1 displaystyle forall t in 0 1 nbsp H s 0 g 0 s displaystyle H s 0 gamma 0 s nbsp und H s 1 g 1 s displaystyle H s 1 gamma 1 s nbsp Der erste Parameter s displaystyle s nbsp von H s t displaystyle H s t nbsp entspricht dem ursprunglichen Schleifenparameter Der zweite Parameter t displaystyle t nbsp beschreibt den Fortschritt der Schleifenverformung t 0 displaystyle t 0 nbsp entspricht g 0 displaystyle gamma 0 nbsp und t 1 displaystyle t 1 nbsp entspricht g 1 displaystyle gamma 1 nbsp Zwei Schleifen heissen homotop wenn es eine Homotopie H displaystyle H nbsp zwischen ihnen gibt Die Homotopie zwischen Schleifen definiert eine Aquivalenzrelation und die Aquivalenzklassen bezeichnet man als Homotopieklassen Die Menge der Homotopieklassen bildet die Fundamentalgruppe p 1 X p displaystyle pi 1 X p nbsp von X displaystyle X nbsp mit dem Basispunkt p displaystyle p nbsp Die Gruppenstruktur erhalt man durch die oben angegebene Verknupfung also durch Aneinanderhangen Konkatenation von Schleifen g 0 g 1 g 0 g 1 displaystyle gamma 0 gamma 1 gamma 0 oplus gamma 1 nbsp mit g 0 g 1 t g 0 2 t fur 0 t 1 2 g 1 2 t 1 fur 1 2 t 1 displaystyle gamma 0 oplus gamma 1 t begin cases gamma 0 2 cdot t amp text fur 0 leq t leq frac 1 2 gamma 1 2 cdot t 1 amp text fur frac 1 2 leq t leq 1 end cases nbsp Da man aus Homotopien zwischen verschiedenen Reprasentanten auch eine Homotopie zwischen den verknupften Schleifen konstruieren kann ist die resultierende Homotopieklasse unabhangig von der Wahl der jeweiligen Reprasentanten Das neutrale Element der Fundamentalgruppe p 1 X p displaystyle pi 1 X p nbsp ist die Homotopieklasse ϵ displaystyle epsilon nbsp der konstanten Schleife ϵ t p displaystyle epsilon t p nbsp und das inverse Element der Homotopieklasse g displaystyle gamma nbsp ist die Homotopieklasse g displaystyle bar gamma nbsp der Schleife g t g 1 t displaystyle bar gamma t gamma 1 t nbsp die die Schleife g displaystyle gamma nbsp ruckwarts durchlauft Geschlossene Kurven welche zur Homotopieklasse der konstanten Abbildung gehoren also das neutrale Element der Fundamentalgruppe reprasentieren werden auch als zusammenziehbare oder nullhomotope Kurven bezeichnet Unabhangigkeit vom Basispunkt Bearbeiten Da alle Schleifen am Basispunkt p displaystyle p nbsp beginnen misst die Fundamentalgruppe p 1 X p displaystyle pi 1 X p nbsp nur Eigenschaften der Wegzusammenhangskomponente von p displaystyle p nbsp Daher ist es sinnvoll anzunehmen dass X displaystyle X nbsp wegzusammenhangend ist Dann ist jedoch auch die Wahl des Basispunktes fur die Fundamentalgruppe nicht wesentlich Es gibt vielmehr einen Gruppenisomorphismus ϕ p 1 X p p 1 X q displaystyle phi colon pi 1 X p to pi 1 X q nbsp wenn p displaystyle p nbsp und q displaystyle q nbsp durch eine Kurve c 0 1 X mit c 0 p und c 1 q displaystyle c colon 0 1 to X qquad text mit c 0 p text und c 1 q nbsp verbunden sind Dieser Gruppenisomorphismus ist definiert durch ϕ g c g c displaystyle phi gamma bar c oplus gamma oplus c nbsp Wahrend sich die Schleifen c g c displaystyle bar c oplus gamma oplus c nbsp und c g c displaystyle bar c oplus gamma oplus c nbsp unterscheiden sind sie dennoch homotop und der Gruppenisomorphismus kann uber beide Schleifen definiert werden Ist X displaystyle X nbsp also wegzusammenhangend spricht man allgemein von p 1 X displaystyle pi 1 X nbsp und lasst den Basispunkt weg Ist dagegen X displaystyle X nbsp nicht wegzusammenhangend so kann die Fundamentalgruppe durchaus vom gewahlten Basispunkt p X displaystyle p in X nbsp abhangen Nach obigem Argument ist die Fundamentalgruppe p 1 X p displaystyle pi 1 X p nbsp dann aber nur abhangig von der Wegzusammenhangskomponente von p displaystyle p nbsp Beispiele BearbeitenAuf einer Sphare ab Dimension 2 lasst sich jede Schleife auf einen Punkt zusammenziehen Daher ist die Fundamentalgruppe der Sphare trivial p 1 S n 0 displaystyle pi 1 S n 0 nbsp fur n 2 displaystyle n geq 2 nbsp Der oben beschriebene Torus besitzt die Fundamentalgruppe p 1 T 2 Z 2 displaystyle pi 1 T 2 mathbb Z 2 nbsp Die beiden Schleifen a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp sind Erzeuger der Fundamentalgruppe Sie ist in diesem Fall abelsch Die Schleife a b a 1 b 1 displaystyle aba 1 b 1 nbsp lasst sich auf einen Punkt zusammenziehen schneidet man den Torus entlang von a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp auf so erhalt man ein Viereck dessen Randkurve genau a b a 1 b 1 displaystyle aba 1 b 1 nbsp ist und sich im Innern des Vierecks zusammenziehen lasst Deshalb gilt a b a 1 b 1 1 displaystyle aba 1 b 1 1 nbsp also a b b a displaystyle ab ba nbsp Fur einen n displaystyle n nbsp dimensionalen Torus gilt p 1 T n Z n displaystyle pi 1 T n mathbb Z n nbsp Die zweidimensionale Ebene mit einem Loch R 2 0 displaystyle mathbb R 2 backslash 0 nbsp hat die Fundamentalgruppe Z displaystyle mathbb Z nbsp genauso wie die 1 Sphare ein einfacher Kreis Die Homotopieklasse einer Schleife ist dadurch festgelegt wie oft die Schleife um das Loch herumlauft z B im Uhrzeigersinn Die zweidimensionale Ebene mit zwei Lochern hat als Fundamentalgruppe eine freie Gruppe in zwei Erzeugern namlich den beiden Schleifen die einmal um eines der Locher herumlaufen Diese Gruppe ist nicht abelsch Fundamentalgruppen mussen nicht torsionsfrei sein so sind die Fundamentalgruppen der reellen projektiven Ebene oder der Gruppe der Drehungen im Raum S O 3 R displaystyle mathrm SO 3 mathbb R nbsp isomorph zu Z 2 Z displaystyle mathbb Z 2 mathbb Z nbsp der zyklischen Gruppe der Ordnung 2 Man kann zeigen dass es zu jeder Gruppe G displaystyle G nbsp einen so genannten klassifizierenden Raum B G displaystyle BG nbsp gibt dessen Fundamentalgruppe isomorph zu G displaystyle G nbsp ist Die Fundamentalgruppe eines Knotenkomplements wird als Knotengruppe bezeichnet Sie kann mit dem Wirtinger Algorithmus berechnet werden Eigenschaften und Anwendungen BearbeitenUberlagerungen Bearbeiten Die Fundamentalgruppe spielt eine entscheidende Rolle bei der Klassifikation von Uberlagerungen Fur Raume die eine universelle Uberlagerung besitzen ist die Fundamentalgruppe isomorph zur Decktransformationsgruppe der universellen Uberlagerung Dieser Isomorphismus ist eines der wichtigsten Hilfsmittel zur Berechnung der Fundamentalgruppe Satz von Seifert van Kampen Bearbeiten Hauptartikel Satz von Seifert van Kampen Ein wichtiges Hilfsmittel zur Berechnung der Fundamentalgruppe ist auch der Satz von Seifert van Kampen der es erlaubt den Raum X displaystyle X nbsp in sich uberlappende Bereiche zu zerlegen und die Fundamentalgruppe von X displaystyle X nbsp aus den einfacheren Fundamentalgruppen der Bereiche und der Uberlappung auszurechnen Folgerungen aus bestimmten Fundamentalgruppen Bearbeiten Die Kenntnis der Fundamentalgruppe erlaubt oft Ruckschlusse auf den topologischen Raum Hat zum Beispiel eine Mannigfaltigkeit eine endliche Fundamentalgruppe so kann sie keine Metrik tragen die uberall nichtpositive Krummung hat Die einzige geschlossene Flache mit trivialer Fundamentalgruppe ist die Sphare Die mittlerweile bewiesene Poincare Vermutung besagt dass eine analoge Aussage auch fur dreidimensionale Mannigfaltigkeiten gilt Zusammenhang mit Homologie Bearbeiten Im allgemeinen Fall braucht die Fundamentalgruppe nicht wie beim Torus abelsch zu sein Man kann sie aber abelsch machen indem man die Kommutatorgruppe herausteilt Die Gruppe die man dann erhalt ist fur wegzusammenhangende Raume isomorph zur ersten Homologiegruppe Verallgemeinerungen BearbeitenDie Fundamentalgruppe ist die erste Homotopiegruppe daher kommt auch die Bezeichnung p 1 displaystyle pi 1 nbsp Da die Definition eindimensionale Schleifen benutzt kann die Fundamentalgruppe nur die eindimensionale topologische Struktur erkennen Ein Loch in einer zweidimensionalen Flache lasst sich durch Schleifen feststellen ein Loch im dreidimensionalen Raum etwa R 3 0 displaystyle mathbb R 3 backslash 0 nbsp jedoch nicht sie lassen sich daran vorbeiziehen Die Verallgemeinerung zur n displaystyle n nbsp ten Homotopiegruppen p n displaystyle pi n nbsp benutzt daher statt Schleifen Spharen der Dimension n displaystyle n nbsp Falls p 1 0 displaystyle pi 1 0 nbsp so besagt der Satz von Hurewicz nach Witold Hurewicz dass die erste nichttriviale Homotopiegruppe mit der ersten nichttrivialen Homologiegruppe ubereinstimmt Mit p 0 displaystyle pi 0 nbsp bezeichnet man keine Gruppe sondern nur die Menge der Wegzusammenhangskomponenten von X displaystyle X nbsp Da man eine Homotopie als Weg im Schleifenraum W X p displaystyle Omega X p nbsp verstehen kann wird uber p 1 X p p 0 W X p displaystyle pi 1 X p pi 0 Omega X p nbsp der Zusammenhang zwischen p 0 displaystyle pi 0 nbsp und p 1 displaystyle pi 1 nbsp hergestellt Siehe auch BearbeitenFundamentalgruppoidLiteratur BearbeitenTammo tom Dieck Topologie de Gruyter Berlin 2000 ISBN 3 11 016236 9 Allen Hatcher Algebraic topology CUP Cambridge 2003 ISBN 0 521 79160 X auch Algebraic Topology Einzelnachweise Bearbeiten John Stillwell Mathematics and its history Springer New York 2010 ISBN 978 1 4419 6052 8 S 485 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fundamentalgruppe amp oldid 222876434