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Die Poincare Vermutung besagt dass ein geometrisches Objekt solange es kein Loch hat zu einer Kugel deformiert also geschrumpft gestaucht aufgeblasen o a werden kann Und das gelte nicht nur im Fall einer zweidimensionalen Oberflache im dreidimensionalen Raum sondern auch fur eine dreidimensionale Oberflache im vierdimensionalen Raum Die Poincare Vermutung gehort zu den bekanntesten lange Zeit unbewiesenen mathematischen Satzen und galt als eines der bedeutendsten ungelosten Probleme der Topologie eines Teilgebiets der Mathematik Henri Poincare hatte sie 1904 aufgestellt Im Jahr 2000 zahlte das Clay Mathematics Institute die Poincare Vermutung zu den sieben bedeutendsten ungelosten mathematischen Problemen den Millennium Problemen und lobte fur ihre Losung eine Million US Dollar aus Grigori Perelman hat die Vermutung 2002 bewiesen 2006 sollte er die Fields Medaille fur seinen Beweis erhalten die er jedoch ablehnte Am 18 Marz 2010 wurde ihm auch der Millennium Preis des Clay Instituts zugesprochen 1 den er ebenfalls ablehnte 2 In einem dreidimensionalen Raum ist eine Oberflache dann homoomorph zu einer nicht begrenzten zweidimensionalen Kugeloberflache wenn sich jede geschlossene Schleife auf dieser Flache zu einem Punkt zusammenziehen lasst Die Poincare Vermutung behauptet dass dies auch im Fall eines vier dimen sio nalen Raumes gilt wenn also die Oberflache durch eine 3 dimensionale Mannigfaltigkeit beschrieben wird z B durch eine 3 Sphare eine unanschauliche Oberflache eines 4 dimensionalen Kugelaquivalents Inhaltsverzeichnis 1 Wortlaut und Beschreibung 2 Erlauterungen Begrifflichkeit 3 Die Vermutung in hoheren Dimensionen 4 Geschichte 5 Beweis 6 Bedeutung der Vermutung 7 Literatur 7 1 Popularwissenschaftlich 8 Weblinks 9 Einzelnachweise und AnmerkungenWortlaut und Beschreibung BearbeitenJede einfach zusammenhangende kompakte unberandete 3 dimensionale Mannigfaltigkeit ist homoomorph zur 3 Sphare Daruber hinaus gibt es noch eine Verallgemeinerung der Vermutung auf n dimensionale Mannigfaltigkeiten in der folgenden Form Jede geschlossene n Mannigfaltigkeit mit dem Homotopietyp einer n Sphare ist zur n Sphare homoomorph Fur den Fall n 3 displaystyle n 3 nbsp stimmt diese verallgemeinerte Vermutung mit der ursprunglichen Poincare Vermutung uberein Vereinfacht kann man die Poincare Vermutung so beschreiben Die Oberflache einer Kugel ist 2 dimensional beschrankt und randlos und jede geschlossene Kurve lasst sich auf einen Punkt zusammenziehen welcher auch auf der Kugel liegt Sie ist topologisch gesehen auch das einzige 2 dimensionale Gebilde mit diesen Eigenschaften Bei der Poincare Vermutung geht es um das 3 dimensionale Analogon Hier geht es um eine 3 dimensionale Oberflache eines 4 dimensionalen Korpers Erlauterungen Begrifflichkeit BearbeitenMannigfaltigkeit Eine 3 dimensionale Mannigfaltigkeit ist etwas das in einer Umgebung jedes Punktes auf der Mannigfaltigkeit wie ein 3 dimensionaler euklidischer Raum aussieht Geschlossen Geschlossen bedeutet in diesem Zusammenhang dass die Mannigfaltigkeit kompakt ist also sich nicht ins Unendliche ausdehnt und dass sie keinen Rand hat Eine dreidimensionale Kugel ist etwa eine 3 Mannigfaltigkeit aber sie hat einen Rand die Oberflache Daher ist sie nicht geschlossen Ihre Oberflache ist dagegen eine geschlossene 2 dimensionale Mannigfaltigkeit Die Poincare Vermutung stellt nur eine Behauptung fur geschlossene Mannigfaltigkeiten auf Einfach zusammenhangend Einfach zusammenhangend bedeutet dass man jede geschlossene Kurve auf einen Punkt zusammenziehen kann Ein Gummiband auf einer Kugeloberflache lasst sich immer so auf der Oberflache verschieben dass es zu einem Punkt wird Auf einem Torus etwa einem Fahrradschlauch beispielsweise funktioniert das Zusammenziehen nicht immer Wenn das Gummiband rund um die dunnere Seite des Fahrradschlauches lauft kann man es nie zu einem Punkt zusammenziehen man musste den Schlauch zerschneiden was in der Topologie nicht erlaubt ist Daher ist ein Torus nicht einfach zusammenhangend 3 Sphare Allgemein ist eine n Sphare Bezeichnung S n displaystyle S n nbsp der Rand einer n 1 dimensionalen Kugel Eine 1 Sphare ist die Kreislinie einer Kreisflache Eine 2 Sphare ist die Oberflache einer 3 dimensionalen Kugel Eine 3 Sphare ist die Oberflache einer 4 dimensionalen Kugel Dieses Objekt kann man sich naturlich nicht mehr einfach vorstellen weil es eigentlich in einem 4 dimensionalen Raum lebt Mathematisch kann man die 3 Sphare leicht durch eine Formel beschreiben namlich als die Menge aller Punkte im 4 dimensionalen reellen Raum die den Abstand 1 vom Nullpunkt haben S 3 x 1 x 2 x 3 x 4 x 1 2 x 2 2 x 3 2 x 4 2 1 displaystyle S 3 x 1 x 2 x 3 x 4 x 1 2 x 2 2 x 3 2 x 4 2 1 nbsp dd Eine 2 Sphare besteht aus zwei hohlen Halbkugeln die an den Randern zusammengefugt sind Topologisch sind diese hohlen Halbkugeln eigentlich Kreisflachen wenn man sie von oben plattdruckt entstehen zwei Scheiben Damit kann man eine 2 Sphare erhalten indem man zwei Kreisflachen an den Randern zusammenklebt Genauso kann man ein relativ anschauliches Bild einer 3 Sphare konstruieren Man nimmt zwei Kugeln entspricht den Kreisflachen im 2 Dimensionalen und klebt sie an den entsprechenden Punkten der Oberflache zusammen Ein Weg auf der 3 Sphare beginnt damit in einer der beiden Kugeln Wenn man zum Rand kommt dann springt man auf den entsprechenden Punkt der zweiten Kugel und umgekehrt Auf diese Weise kann man Wege auf der 3 Sphare im 3 dimensionalen Raum beschreiben Man sieht auf diese Weise auch dass es nirgendwo einen Rand gibt Damit ist die 3 Sphare geschlossen Die Vermutung in hoheren Dimensionen BearbeitenWir bezeichnen eine Mannigfaltigkeit M als m zusammenhangend wenn jede Abbildung einer k Sphare nach M fur k lt m sich zu einem Punkt zusammenziehen lasst Fur m 1 ergibt das genau den oben beschriebenen Begriff von einfach zusammenhangend Eine Formulierung der n dimensionalen Poincare Vermutung besagt nun das folgende Eine kompakte unberandeten dimensionale Mannigfaltigkeit ist genau dann n 1 zusammenhangend wenn sie homoomorph zurn Sphare ist Ein Argument mit Poincare Dualitat zeigt dass man hier auch n 1 durch n 1 2 ersetzen kann Fur n 3 ergibt sich damit genau die weiter oben gegebene Formulierung der Poincare Vermutung Es gibt eine Reihe von weiteren aquivalenten Formulierungen die man haufig in der Literatur findet Eine ersetzt die Bedingung n 1 zusammenhangend dadurch dass man fordert dass die Mannigfaltigkeit schon homotopieaquivalent zur n Sphare ist Diese zwei Bedingungen sind nach dem Satz von Hurewicz aquivalent Homotopieaquivalenz ist dabei eine grobere Aquivalenzrelation als Homoomorphie die aber oft leichter zu uberprufen ist Die Poincare Vermutung besagt dass diese beiden Relationen im Fall der Sphare dann doch glucklicherweise ubereinstimmen Eine weitere aquivalente Bedingung ist dass die Mannigfaltigkeit einfach zusammenhangend ist und die gleiche Homologie wie eine n Sphare hat Wahrend diese Beschreibung technischer ist hat sie den Vorteil dass man die Homologie einer Mannigfaltigkeit oft verhaltnismassig leicht berechnen kann Wahrend in Dimension 3 schon lange bekannt ist dass jede Mannigfaltigkeit die homoomorph zur Sphare ist auch diffeomorph zur Sphare ist ist das in hoheren Dimensionen nicht so Ab Dimension 7 gibt es sogenannte exotische Spharen die homoomorph aber nicht diffeomorph zur Standardsphare sind Somit kann man in der Poincare Vermutung von n gt 6 homoomorph nicht durch diffeomorph ersetzen Geschichte BearbeitenUrsprunglich hatte Poincare eine etwas andere Vermutung aufgestellt Er glaubte dass jede 3 dimensionale geschlossene Mannigfaltigkeit die die gleiche Homologie wie eine 3 Sphare besitzt schon topologisch eine Sphare sein muss Wahrend Poincare zunachst glaubte einen Beweis zu haben der mit dieser schwacheren Voraussetzung auskommt erwies sich die Forderung dass die Mannigfaltigkeit einfach zusammenhangend ist als unentbehrlich Poincare selbst fand mit der Poincare Homologiesphare ein Gegenbeispiel zu seiner ursprunglichen Vermutung Sie hat die gleiche Homologie wie eine 3 Sphare ist aber nicht einfach zusammenhangend und kann deshalb noch nicht einmal homotopieaquivalent zu einer 3 Sphare sein Daher anderte er seine Vermutung auf die heute bekannte Aussage Interessant ist dass die n dimensionale Poincare Vermutung in verschiedenen Dimensionen sehr unterschiedliche Beweise besitzt wahrend die Formulierung allgemein ist Fur n 2 displaystyle n 2 nbsp gilt die Aussage als klassisch in diesem Fall sind sogar alle geschlossenen 2 dimensionalen Mannigfaltigkeiten bekannt und klassifiziert Im Fall n gt 4 displaystyle n gt 4 nbsp wurde die Vermutung von Stephen Smale 1960 fur glatte und PL Mannigfaltigkeiten bewiesen 3 wofur er Techniken der Morsetheorie benutzte Sie folgt aus seinem H Kobordismus Satz Unter anderem fur diesen Beweis erhielt er 1966 die Fields Medaille Max Newman erweiterte spater sein Argument auf topologische Mannigfaltigkeiten Michael Freedman loste den Fall n 4 displaystyle n 4 nbsp im Jahre 1982 Auch er erhielt dafur 1986 die Fields Medaille Der Fall n 3 displaystyle n 3 nbsp hat sich nicht uberraschend als der schwierigste erwiesen Viele Mathematiker haben Beweise vorgelegt die sich dann aber als falsch erwiesen Dennoch haben einige dieser fehlerhaften Beweise das Verstandnis der niedrig dimensionalen Topologie erweitert Beweis BearbeitenEnde des Jahres 2002 tauchten Meldungen auf Grigori Perelman vom Steklow Institut in Sankt Petersburg habe die Vermutung bewiesen Er verwendet die von Richard S Hamilton entwickelte analytische Methode des Ricci Flusses um die allgemeinere Vermutung der Geometrisierung von 3 Mannigfaltigkeiten von William Thurston zu beweisen aus der die Poincare Vermutung als Spezialfall folgt Perelman veroffentlichte seine sich uber mehrere Publikationen erstreckende und insgesamt etwa 70 Seiten umfassende Beweiskette im Online Archiv arXiv Die Arbeit wurde seitdem von Mathematikern weltweit uberpruft und in Anerkennung der Richtigkeit seines Beweises wurde Grigori Perelman 2006 beim Internationalen Mathematikerkongress in Madrid die Fields Medaille zugesprochen die er aber wie von ihm zuvor angekundigt nicht annahm Da Perelman selbst kein Interesse an einer detaillierteren Darstellung seines Beweises zeigt haben verschiedene Gruppen von Mathematikern dies ubernommen So haben Bruce Kleiner und John Lott bereits bald nach Bekanntwerden von Perelmans Arbeiten ihre Ausarbeitung vieler Details veroffentlicht und mehrmals zu inzwischen 192 Seiten erganzt John Morgan und Tian Gang haben eine vollstandige Ausarbeitung von 474 Seiten im Juli 2006 auf dem arXiv veroffentlicht Auch Cao Huaidong und Zhu Xiping veroffentlichten 2006 einen Beweis der Poincare Vermutung und der Geometrisierung indem sie den Beweis von Perelman auf 300 Seiten genau ausgearbeitet darlegten Bedeutung der Vermutung BearbeitenDer Beweis der Poincare Vermutung ist ein wichtiger Beitrag zur Klassifizierung aller 3 Mannigfaltigkeiten Dies liegt daran dass Perelman eigentlich die allgemeinere Geometrisierungsvermutung uber geschlossene 3 Mannigfaltigkeiten beweist die die Poincare Vermutung als einen Spezialfall enthalt Literatur BearbeitenGrisha Perelman The entropy formula for the Ricci flow and its geometric applications Preprint 2002 arxiv math DG 0211159 englisch Grisha Perelman Ricci flow with surgery on three manifolds Preprint 2003 arxiv math DG 0303109 englisch Bruce Kleiner John Lott Notes on Perelman s papers Detaillierte Ausarbeitung einzelner Argumente und Beweise von Perelman arxiv math DG 0605667 John Morgan Gang Tian Ricci Flow and the Poincare Conjecture Detaillierter Beweis der Poincare Vermutung englisch arxiv math DG 0607607 Huai Dong Cao Xi Ping Zhu A Complete Proof of the Poincare and Geometrization Conjectures Application of the Hamilton Perelman theory of the Ricci flow In Asian Journal of Mathematics International Press Boston MA 10 2006 2 Juni S 165 492 ISSN 1093 6106 projecteuclid org John Milnor The Poincare Conjecture 99 Years Later A Progress Report PDF 158 kB englisch John Milnor Towards the Poincare conjecture and the classification of 3 manifolds PDF 153 kB englisch Bernhard Leeb Geometrisierung dreidimensionaler Mannigfaltigkeiten und Ricci Fluss In Mitteilungen der Deutschen Mathematiker Vereinigung Berlin 14 2006 4 S 213 ISSN 0942 5977 Gerhard Huisken Geometric Flows and 3 Manifolds PDF Lecture Oberwolfach 2005 John Stillwell Poincare and the early history of 3 manifolds PDF In Bulletin of the American Mathematical Society Band 49 Heft 4 Oct Providence 2012 S 555 576 PDF 2 2 MB ISSN 0273 0979Popularwissenschaftlich Bearbeiten Donal O Shea Poincares Vermutung Die Geschichte eines mathematischen Abenteuers S Fischer Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 10 054020 1 George Szpiro Das Poincare Abenteuer Ein mathematisches Weltratsel wird gelost Piper Munchen 2008 ISBN 978 3 492 05130 9 Annette Lessmollmann Mathe mit Lasso In Die Zeit Nr 18 2006Weblinks BearbeitenDeutsch Annick Eimer Russe konnte Jahrhundert Problem gelost haben Spiegel Online 8 September 2004 Michael Eisermann Was besagt die Poincare Vermutung Institut fur Geometrie und Topologie Universitat Stuttgart April 2010 Die Poincare Vermutung popularwissenschaftliche Weihnachtsvorlesung 3 Teile von Edmund Weitz auf YouTube Die Poincare Vermutung Erklarvideo von Arte in der Reihe Mathewelten Englisch Sylvia Nasar David Gruber Manifold Destiny Bericht in The New Yorker vom 28 August 2006 zur Geschichte des Beweises und mit Hintergrunden zu den Beteiligten Jascha Hoffman Century old math problem may have been solved Artikel aus dem Boston Globe vom 30 Dezember 2003 The Poincare Conjecture popularwissenschaftliches Erklarungsvideo auf YouTube englisch Beschreibung der Poincare Vermutung am Clay Mathematics Institute Notes and commentary on Perelman s Ricci flow papers Ubersicht uber verschiedene Quellen zum Ricci FlussEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten claymath org PDF 115 kB First Clay Mathematics Institute Millennium Prize Announced Today Prize for Resolution of the Poincare Conjecture Awarded to Dr Grigoriy Perelman Auszeichnung abgelehnt Mathe Genie verzichtet auf eine Million Dollar Handelsblatt 1 Juli 2010 Smale Generalized Poincare s Conjecture in Dimensions Greater than Four In Ann Math Band 74 1961 S 391 406 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Poincare Vermutung amp oldid 238738343